Prozesse sozialer Interaktion und Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Arbeit einer Referenzgruppe

Themenbereiche: Disability Studies
Textsorte: Diplomarbeit
Releaseinfo: Diplomarbeit eingereicht an der Universität Wien, Studienrichtung Pädagogik, bei Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer
Copyright: © Amelie Estrella Carraro, Elisabeth Hintringer 2010

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

BG

Bundesgymnasium

BRG

Bundesrealgymnasium

BT

Beschäftigungstherapie

E.I.S. LIVE

E.vent I.ntegration S.ervice LIVE - Verein für integrative Freizeitgestaltung für Menschen mit Behinderung

EQUAL

Europäische Gemeinschaftsinitiative EQUAL

et al.

und andere

FWF

Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

GIN

Gemeinwesenintegration und Normalisierung

ICIDH

International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps - Internationale Klassifikation der Schädigungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen

ICF bzw. ICIDH-2

International Classification of Functioning, Disability and Health - Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit

ICT

Informations- und Kommunikationstechnologien

ILSMH

International League of Societies for Persons with Mental Handicap

NIG

Neues Institutsgebäude der Universität Wien

o.J.

ohne Jahr

o.S.

ohne Seite

ÖAGG

Österreichischer Arbeitskreis für Gruppentherapie und Gruppendynamik

ÖHTB

Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte

PAR

Participatory action research

PND

Pränataldiagnostik

UN

United Nations - Vereinte Nationen

vgl.

vergleiche

WHO

World Health Organisation - Weltgesundheitsorganisation

WIBS

Wir informieren, beraten und bestimmen selbst

TAFIE

Tiroler Arbeitskreis für Integrative Entwicklung

Trewi

Treffpunkt Wilten

zit.

zitiert

Vorwort (A.C. / E.H.)

Unser Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Ansatz der partizipativen Forschung wurde durch das Universitätsseminar "Partizipative Forschungsmethoden - mit Menschen mit Lernschwierigkeiten" von Herrn Mag. Oliver Koenig und Herrn Mag. Tobias Buchner geweckt. Im Projekt "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" konnten wir dieses Interesse vertiefen.

Unser Dank gilt zuerst Herrn Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer, durch den das Verfassen dieser Arbeit erst möglich wurde und der uns durch seine konstruktive Kritik wertvolle Denkanstöße für die Diplomarbeit gab.

Auch bei Herrn Mag. Koenig, Frau Mag.a Pinetz und Herrn Dr. Krög wollen wir uns sowohl für Unterstützung als auch für nützliche Ratschläge und die gemeinsamen Auswertungsworkshops bedanken.

Weiterer Dank gilt allen Referenzgruppenmitgliedern, die einen wesentlichen Beitrag zum Entstehen dieser Diplomarbeit geleistet haben, indem sie uns für die Beobachtung zur Verfügung gestanden sind. Vielen Dank für die nette und spannende gemeinsame Zeit.

Bedanken möchten wir uns außerdem bei all jenen Personen, die uns beim Korrekturlesen und Formatieren der Arbeit sowie beim Übersetzen des Abstracts tatkräftig zur Seite standen: Antonia Winsauer, Katharina Hintringer, Sebastian Kuehs, Florian Oberleiter, Stefan Springer, Monika Springer.

Ganz besonders sind wir unseren Eltern sowohl für ihre moralische als auch finanzielle Unterstützung dankbar - durch sie hatten wir die Möglichkeit eine universitäre Ausbildung zu absolvieren.

Abschließend danken wir uns natürlich gegenseitig für die gute Zusammenarbeit und die aufbauende Unterstützung sowie für laufende gegenseitige Anregungen und Motivation. Die gemeinsamen Auswertungsphasen sowie Diskussionen über diverse Vorgehensweisen und Inhalte waren sehr hilfreich.

In der vorliegenden Arbeit wird eine geschlechtergerechte Sprache verwendet. In bestimmten Passagen wird gezielt entweder die weibliche oder die männliche Form eingesetzt, da es sich um eine bzw. mehrere konkrete männliche oder weibliche Person/en handelt. Weiters wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass bei direkten Zitaten die verwendete Formulierung übernommen wurde, was jedoch nicht bedeutet, dass es sich in diesen Passagen ausschließlich um Personen eines Geschlechts handelt, sondern, dass Personen des anderen Geschlechts jeweils mitgemeint sein können.

Einleitung (A.C. / E.H.)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Rahmen des partizipativen Forschungsprojektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" mit den Prozessen sozialer Interaktion und den Prozessen der Erkenntnisgewinnung in Zusammenhang mit der Tätigkeit bzw. der Vorgehensweise einer Referenzgruppe.

Der dem Rahmenprojekt zu Grunde liegende partizipative Forschungsansatz[1] verfolgt das Ziel der Herstellung eines engeren Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis mittels Zusammenarbeit von ForscherInnen und PraktikerInnen, die ihre Perspektiven in die Forschung einfließen lassen. (vgl. Flieger 2005; Whyte 1991)

"In participatory action research (PAR), some of the people in the organi-zation or community under study participate actively with the professional researcher throughout the research process from the initial design to the final presentation of results and discussion of their action implications. PAR thus contrasts sharply with the conventional model of pure research, in which members of organizations and communities are treated as passive subjects, with some of them participating [...]" (Whyte et al. 1991, 20).

Dieser Ansatz weist bereits eine lange Tradition in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen auf. (vgl. Flieger 2005; Whyte 1991) In Studien des industriellen Sektors wurde der partizipative Forschungsansatz in Form des Miteinbezugs von MitarbeiterInnen bereits in den 1940er bis 1960er Jahren eingesetzt und erfreute sich in den 1970ern großer Beliebtheit, während dieser Prozess im Bereich der Landwirtschaft erst in den 1980ern florierte. (vgl. Whyte 1991) Die Wurzeln der partizipativen Forschungsstrategie liegen in unterschiedlichen Kontexten, wie zum Beispiel in Feminismus, Erwachsenenbildung, Industrie, etc. (vgl. McIntyre 2008)

"From a disciplinary perspective action research practices can be found in community development, organization and business, education, healthcare and medicine, social work, the human social, psychological and transpersonal sciences" (Reason / Bradbury 2001, 4).

In den letzten Jahren gelangte der partizipative Forschungsansatz auch im Kontext der Integrations- und Inklusionsforschung immer mehr ins Zentrum des Interesses. Inklusive Forschung gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten[2] ist ein relativ junger Forschungszweig, dessen Ursprünge Walmsley und Johnson (2003) in den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts festlegen. Im Zuge der inklusiven Forschung stellt die partizipative Forschungsstrategie eine bestimmte Forschungsrichtung dar, deren Fokus die Auseinandersetzung mit Themen ist, die Menschen mit Lernschwierigkeiten direkt betreffen. Ziel einer solchen partizipativen Herangehensweise ist es nun, dass Forschung nicht nur über Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten stattfindet. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass mit dem Begriff "Menschen mit Lernschwierigkeiten" die Bezeichnung "Menschen mit geistiger Behinderung/Beeinträchtigung" abgelöst wird. (vgl. EQUAL 2005) Dieser alternative Begriff wurde aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum übernommen, in dem die zwei Termini "People with Learning Disabilities" oder "People with Learning Difficulties" geläufig sind, die maßgeblich durch die Betroffenen-Bewegung People First geprägt wurden. (vgl. Schirbort 2007)

Weiters steht im Rahmen eines partizipativen Forschungsprojektes neben der Erforschung eines für Menschen mit Lernschwierigkeiten relevanten Themas besonders die aktive Teilhabe dieser Personengruppe an unterschiedlichen Stationen des Forschungsprozesses im Mittelpunkt. Ausgehend von dem Grundsatz ""Nichts über mich ohne mich!"" (Niehoff 2007, 249) bietet dieser Forschungsansatz die Möglichkeit des Einbezugs von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf unterschiedliche Art und Weise. Nach Flieger (2005) ist zu berücksichtigen, dass der Grad der Involviertheit dieser Personen im Forschungsprozess variieren kann. Menschen mit Lernschwierigkeiten können sowohl als InterviewpartnerInnen, oder aber auch als gänzlich gleichberechtigte Co-ForscherInnen im Forschungsgeschehen agieren.

Ein Weg, den bereits erwähnten Leitgedanken in die Praxis umzusetzen, ist der Einsatz einer Referenzgruppe[3] bestehend aus Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. "[...] RepräsentantInnen jener Personengruppe, die von der jeweils konkreten Forschungsfrage betroffen sind" (ebd., o.S.).

Im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit erfolgt die Auseinandersetzung mittels einer Referenzgruppe. Die Gruppe, die im Fokus der Aufmerksamkeit dieser Arbeit steht, ist wie bereits erwähnt in ein partizipatives Forschungsprojekt, welches am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien durchgeführt wird und sich mit den Teilhabeerfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Berufsleben beschäftigt, eingebunden. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich die gegenwärtige Untersuchung am forschungstheoretischen Ansatz des oben erwähnten Rahmenprojektes orientiert, jedoch dessen ungeachtet eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit darstellt.

Das Anliegen der Diplomarbeit ist es, die Arbeit der Referenzgruppe zu beobachten und zu reflektieren bzw. zu analysieren. Da die Zusammenarbeit mit Referenzgruppen im partizipativen Forschungskontext bisher selten zum Einsatz gekommen ist, ist dieses Feld wenig erforscht, was durch eine geringe Dichte an Publikationen zu diesem Thema hervorgeht. Einzelne Artikel beschreiben vorwiegend die organisatorischen Rahmenbedingungen in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Arbeit mit Referenzgruppen.[4]

Daher wird in dieser Arbeit die Tätigkeit der Referenzgruppe aus zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet:[5]

(1) Prozesse sozialer Interaktion, die in der Referenzgruppe ablaufen (A.C.) und

(2) Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe (E.H.).

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit gestaltet sich wie folgt:

Die Arbeit beginnt im ersten Kapitel mit einer Darstellung des Forschungsvorhabens, im Zuge derer zuerst eine kurze Beschreibung des Rahmenprojektes erfolgt. Nach der Skizzierung des relevanten Forschungsstandes werden auf Grund identifizierter Forschungslücken die Fragestellungen herausgearbeitet.

Im zweiten Kapitel werden diverse relevante Begriffe der Diplomarbeit bearbeitet, da diese in der Literatur vielfach unterschiedliche Bedeutungen aufweisen. Die angeführten Definitionen verfolgen die Absicht, dem/der LeserIn als Orientierungshilfe für das Verständnis der in der Arbeit verwendeten Begriffe zu dienen.

Ein Abriss des theoretischen Bezugsrahmens, welcher sich wiederum in eine Beschreibung von relevanten konzeptuellen Hintergründen und der wissenschaftstheoretischen Position gliedert, wird im dritten Kapitel dargestellt.

Das Selbstbestimmungsparadigma und das Konzept der leichten Sprache bilden den konzeptuellen Rahmen. Die Ausführlichkeit der Darstellung dieser Konzepte begründet sich in deren Umsetzung in der Praxis der Referenzgruppentätigkeit, wo sie einen zentralen Stellenwert einnehmen. Anschließend werden die konstruktivistische Wissenschaftstheorie und der partizipative Forschungsansatz beschrieben, da die Kenntnis dieser zwei Positionen als Grundlage für das Erfassen der Vorgehensweise, die in dieser Arbeit verfolgt wird, unerlässlich ist.

In einem nächsten Schritt werden im vierten Kapitel die eingesetzte Forschungsmethode - Beobachtung - und die verwendete Forschungsmethodologie - Grounded Theory - und deren Verständnis in der Diplomarbeit ausführlich beschrieben. Darauf folgt in Kapitel fünf eine Auflistung und Darstellung relevanter Aspekte im Hinblick auf die Referenzgruppe. Dazu zählen unter anderem der Kontext der Referenzgruppe, die Beschreibung der Veranstaltungsorte und der Referenzgruppenmitglieder sowie die Skizzierung der Verlaufsprotokolle.

Kapitel sechs widmet sich der Auswertung der erhobenen Daten. Hierzu wird in einem ersten Schritt die Vorgehensweise im Auswertungsprozess dargelegt und in einem zweiten die Rolle als Beobachterin reflektiert. Anschließend erfolgt die Skizzierung der im Auswertungsprozess erlangten zentralen Kategorien sowie die Beschreibung der zentralen Hypothesen, die aus den vorhergehenden Darstellungen generiert werden.

Ein Resümee sowie ein kurzer Ausblick in Kapitel sieben runden die vorliegende Diplomarbeit ab.



[1] Zur detaillierten Beschreibung des partizipativen Forschungsansatzes vgl. Kap. 3.2.2

[2] Da die Referenzgruppe, die im Zentrum dieser Arbeit steht, ebenfalls die Bezeichnung "Menschen mit Lernschwierigkeiten" verwendet, haben wir uns entschieden diese für unsere Arbeit zu übernehmen. Zur exakten Verwendung des Begriffs in der Diplomarbeit vgl. Kap. 2.1. Werden jedoch AutorInnen zitiert, die andere Bezeichnungen, beispielsweise "Menschen mit Behinderung", verwenden, wird diese Bezeichnung beibehalten. Auch wird darauf hingewiesen, dass der Begriff "Menschen mit Behinderung" verwendet wird, wenn es sich um eine Personengruppe handelt, die nicht explizit ausschließlich Menschen mit Lernschwierigkeiten umfasst, zum Beispiel eine Gruppe deren Mitglieder auch Menschen mit Körperbehinderung sind.

[3] Zur Verwendung des Begriffes in der Diplomarbeit vgl. Kap. 2.2

[4] vgl. Kap. 1.2

[5] Diese Diplomarbeit wird von den zwei Autorinnen Amelie Carraro (A.C.) und Elisabeth Hintringer (E.H.) verfasst. Um eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten, werden die Initialen der Verfasserin des jeweiligen Kapitels in Klammer neben der Überschrift angeführt.

1 Forschungsvorhaben (A.C. / E.H.)

Ziel dieses Kapitels ist es, die Verankerung der Diplomarbeit im Rahmenprojekt zu erläutern sowie durch die Bearbeitung der vorhandenen Fachliteratur den aktuellen Forschungsstand zu erheben. Infolgedessen wird zu jedem Schwerpunktthema (soziale Interaktionen und Erkenntnisgewinnung) eine Forschungslücke identifiziert vor deren Hintergrund in einem weiteren Schritt eine Fragestellung entwickelt wird.

1.1 Einbettung ins Projekt (A.C. / E.H.)

Diese Diplomarbeit entstand im Rahmen des FWF[6]-Projektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" an der Universität Wien. Die zentralen Fragestellungen des Forschungsprojektes sind folgende:

  • Wie nehmen Menschen mit Lernschwierigkeiten gesammelte bzw. unterbliebene Partizipationserfahrungen in ihrer beruflichen Biographie wahr?

  • Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Erleben von Partizipationserfahrungen und der Wahrnehmung einer individuellen und selbstbestimmten Lebensgestaltung?

  • Welche Rückschlüsse können daraus auf eine an den Prinzipien der Selbstbestimmung und Partizipation orientierten Angebotsgestaltung für Menschen mit einer intellektuellen Behinderung abgeleitet werden?

Das Projekt ist als explorative partizipativ-qualitative Längsschnittuntersuchung angelegt. Zusätzlich werden deskriptive quantitative Daten erhoben, die für diese Diplomarbeit jedoch nicht relevant sind und daher keine weitere Beachtung finden.

Es werden ca. 40 Personen mit Lernschwierigkeiten befragt, von denen sich 20 TeilnehmerInnen, die im Alter von ca. 16 bis 25 Jahren sind, im Übergang von der Schule ins Arbeitsleben befinden und 20 ProbandInnen, die über 20 Jahre als sind und bereits im Arbeitsleben stehen. Die InterviewpartnerInnen, die über zwei Jahre hinweg immer wieder befragt werden, stammen aus unterschiedlichen Bundesländern und weisen verschiedene Erfahrungshintergründe, wie den Besuch einer Integrationsschule oder Sonderschule bzw. verschiedene Arbeitskontexte, auf.

Um das Qualitätssiegel einer partizipativen Forschung gewährleisten zu können, werden Menschen mit Lernschwierigkeiten in verschiedene Stationen des Forschungsprozesses - von der Befragung bis hin zur Auswertung - miteinbezogen.

Im Rahmen des partizipativen Forschungsdesigns des Projektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" ist die Arbeit mit einer Referenzgruppe vorgesehen, die aus 12 Personen mit intellektueller Beeinträchtigung besteht. Diese Referenzgruppe, die der Forschungsgegenstand der vorliegenden Diplomarbeit ist, wird beobachtet, beschrieben und analysiert.

1.2 Forschungsstand

Im folgenden Kapitel wird durch die Aufarbeitung der zugänglichen Literatur zum Thema dieser Diplomarbeit eine Darstellung über den aktuellen Stand der Forschung, gegliedert in die jeweiligen Forschungsschwerpunkte der Diplomandinnen, Prozesse sozialer Interaktion bzw. Prozesse der Erkenntnisgewinnung, aufgezeigt.

1.2.1 Prozesse sozialer Interaktion (A.C.)

Im Rahmen der Forschung rund um die Thematik der partizipativen Forschung und im Speziellen zur Arbeit mit Referenzgruppen, die bisher nur in geringem Maße stattgefunden hat, wurde bislang wenig publiziert, was sich durch ein bescheidenes Auffinden an Forschungsberichten zu dieser Methode auszeichnet. Hierzu ist außerdem festzuhalten, dass sich Forschung über das gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten mit Menschen mit Behinderung mit wenigen Ausnahmen, wie zum Beispiel die Arbeit über das Projekt "Bildnis eines behinderten Mannes" von Petra Flieger (2005), auf den englischsprachigen Raum beschränkt.

Jan Walmsley und Kelly Johnson (2003) stellen in ihrem Werk mit dem Titel "Inclusive Research with People with Learning Disabilities. Past, Present and Future" zuerst die Entwicklung der Forschung, welche unter der Beteiligung von Menschen mit Lernschwierigkeiten stattfindet, dar, und beschreiben dann den Prozess eines solchen Projektes. Es wird auch die Haltung, die der partizipativen Forschung zu Grunde liegt - Nichts über uns ohne uns (vgl. ebd.) - erläutert, im Rahmen derer davon ausgegangen wird, dass Forschung über Menschen mit Behinderung nur dann von Qualität zeugt, wenn jene Menschen, um die es geht, auch aktiv als ForscherInnen daran teilhaben. Dieses Werk kann somit als Grundlagenliteratur für diverse Forschungsmodelle, an denen Menschen mit Lernschwierigkeiten teilhaben, verwendet werden.

Petra Flieger (2005) geht in ihrem Bericht über den partizipatorischen Forschungsansatz des Projekts "Bildnis eines Behinderten Mannes", welches von Volker Schönwiese initiiert wurde, auch im Speziellen auf die Arbeit mit einer Referenzgruppe ein. Durch die Zusammensetzung der Referenzgruppe, in der zwei ForscherInnen mit Behinderung mitarbeiteten, sollte die partizipative Herangehensweise an das Projekt gewährleistet werden. Die Gruppe jenes Projekts bestand aus mehreren Männern und Frauen, die sich regelmäßig trafen, um über den Verlauf und die vorläufigen Ergebnisse zu diskutieren. Diese Treffen wurden protokolliert, um nach Beendigung des Projektes die Methode der Miteinbeziehung einer Referenzgruppe beurteilen zu können.

Auch der Artikel "Time for review: supporting the work of an advisory group" von Jill Porter, Sarah Parsons und Christopher Robertson (2006) behandelt die Thematik der Forschung gemeinsam mit Referenzgruppen, welche hier unter anderem dadurch legitimiert wird, dass eine Mitbestimmung von Menschen mit Behinderung an wissenschaftlichen Projekten über Menschen mit Behinderung in allen Phasen eines solchen möglich sein muss, um das Gütesiegel der partizipativen Forschung tragen zu können. Beschrieben wird in diesem Beitrag neben der Gestaltung der Vorgehensweise der Referenzgruppe bezüglich Organisation und Arbeitsweise auch die Wahrnehmung der Referenzgruppenmitglieder in Bezug auf diese Arbeitsprozesse und die damit verbundenen Probleme. Sie kamen zu dem Schluss, dass der Forschungsprozess an sich wichtiger ist als die Forschungsergebnisse. (vgl. Porter et al. 2006)

Dass es unterschiedliche Arten gibt, Gruppen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ein Forschungsprojekt mit einzubeziehen, wird im Bericht "Reference, or advisory, goups involving disabled people: reflections from three contrasting research projects", der von Ann Lewis et al. (2008) verfasst wurde, beschrieben. Die AutorInnen berichten darin von drei unterschiedlichen Forschungsprojekten, die zwar verschiedene Themenfelder erforschen, jedoch alle den Anspruch erheben, durch die Mitarbeit einer Referenzgruppe partizipativ an den Forschungsgegenstand heranzugehen.

Die AutorInnen machen in ihrem Artikel deutlich, dass der partizipative Forschungsansatz in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck kommen kann: Einerseits sind Menschen mit Lernschwierigkeiten Co-ForscherInnen, die eine gleichwertige Stellung wie die ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten inne haben. Andererseits gibt es eine Version von partizipativer Forschung, welche weniger Aufwand erfordert, in deren Kontext Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht als gleichwertige ForscherInnen gelten, was von den AutorInnen kritisiert wird. Sie sind der Ansicht, dass jedes Projekt das Ziel haben sollte, die "strong version" (ebd., 78) der partizipativen Forschungsmethode auszuführen.

Weitere Artikel über Forschung mit Menschen mit Behinderung, wie zum Beispiel "We are all in the same boat: doing people-led research" von Lou Towson et al. (2004) handeln davon, warum es überhaupt wichtig ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst Forschung zu Themen durchführen, die sie selbst betreffen. Vor allem wird betont, dass es wichtig ist, sich dafür einzusetzen, dass Menschen, die nicht selbst betroffen sind, die Forschung über Behinderung nicht dominieren und dass Ergebnisse auch an andere Menschen mit Behinderung herangetragen werden. Es wird argumentiert, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten lange genug von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und deshalb jetzt nicht auch von der Forschung ausgeschlossen werden sollten, vor allem, wenn es sich um Forschung über Menschen mit Lernschwierigkeiten handelt. Weiters gehen die AutorInnen auf die Problematik der Finanzierung von partizipativen Projekten ein, indem sie beschreiben, dass es in ihrem Projekt schwierig war, die Finanzierung zu sichern, weshalb sie auch auf eigene private Gelder zurückgreifen mussten.

Die Rollenproblematik der ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten, die bei solchen Forschungsprojekten zu Tage kommt, wird von Val Williams und Ken Simons (2005) in "More researching together: the role of nondisabled researchers in working with People First members" diskutiert. Der Artikel ist aus der Sicht von ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten geschrieben und beschreibt die Schwierigkeit, Menschen mit Behinderung tatsächlich gleichwertig in den Prozess mit einzubeziehen. Außerdem wird darauf eingegangen, dass in einem solchen partizipativen Forschungsprojekt ein Lernprozess in Form des gemeinsamen Forschens von allen Beteiligten durchgemacht wird und dass es äußerst schwierig ist, dabei als ForscherIn ohne Behinderung nicht in eine LehrerInnenrolle zu verfallen.

1.2.2 Prozesse der Erkenntnisgewinnung (E.H.)

"It has become increasingly evident to us that it is not tenable to undertake research that aims to impact on the lives of disabled people without involving disabled people them-selves. This involvement may take different forms, some more participatory and emancipatory than others, but such collaborative research seems likely to increase" (Lewis et al. 2008, 82).

Emanzipatorische und partizipatorische Forschungsprojekte gewinnen immer mehr an Bedeutung, wobei der Grad der Involviertheit von Menschen mit Behinderung variiert. Walmsley und Johnson (2003) zufolge nehmen Menschen mit Lernschwierigkeiten hauptsächlich in Form von Referenzgruppen als ForscherInnen an partizipativen Forschungsprojekten teil.

Der aufgearbeiteten Literatur zufolge werden Menschen mit Lernschwierigkeiten heute vermehrt in die Forschungstätigkeit miteinbezogen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Teilnahme von Menschen mit Lernschwierigkeiten in emanzipatorischen und partizipatorischen Forschungsansätzen zunehmend an Bedeutung gewinnt, wobei dennoch zwei gegensätzliche Standpunkte vorzufinden sind: "In the strong version, disabled people are seen to be essential as co- (or sole) researchers [...]" (Lewis et al. 2008, 78). In der abgeschwächten Variante dieses Forschungsansatzes hingegen arbeiten Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht als Co-ForscherInnen oder gleichgestellte ForscherInnen in Projekten mit. (vgl. ebd.)

Der Hauptfokus des Artikeles "Reference, or advisory, groups involving disabled people: reflections from three contrasting research projects" von Lewis et al. (2008) liegt auf der Beschreibung von Aspekten, die bereits im Vorfeld sowie im Geschehen selbst bedacht werden sollten, wenn in einem Forschungsprojekt mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammengearbeitet wird. Dazu zählt zum Beispiel die Zusammenstellung der Referenzgruppe: Sollen bereits existierende Gruppen als Referenzgruppe herangezogen werden oder sollen neue Gruppen gebildet werden? Auch in welchem Grad eine Referenzgruppe in das Forschungsprojekt involviert wird, muss vor Beginn des Projektes geklärt werden. Zusätzlich werden zu bedenkende organisatorische Hinweise, wie zum Beispiel für den Einsatz von ModeratorInnen bei Referenzgruppentreffen, gegeben. "Clear agreement is needed by everyone involved (reference group members, the project team and the funder) about ground rules, including access, communication foci and timings" (Lewis et al. 2008, 81). Zusätzlich dazu, dass eindeutige Vereinbarungen bzw. Abmachungen getroffen und eingehalten werden, ist es nötig, dass ForscherInnen flexibel sind und ihre Vorgehensweise an die Kompetenzen und Möglichkeiten der Menschen mit Lernschwierigkeiten anpassen. (vgl. ebd.)

Die zeitlichen Abstände in denen sich die jeweiligen Referenzgruppen trafen bzw. wie viele Mitglieder eine derartige Gruppe in den Forschungsprojekten umfasste, spielten eine wesentliche Rolle. Eines der beschriebenen Projekte verzeichnete einen ständigen Wechsel der Referenzgruppenmitglieder von Treffen zu Treffen, wobei eine Kerngruppe von TeilnehmerInnen die Zusammenkünfte kontinuierlich besuchte. (vgl. Lewis et al. 2008)

Den Einsatz einer Referenzgruppe in einem partizipativen Forschungsprojekt beschreiben auch Porter, Parsons und Robertson (2006) in dem Artikel "Time for review: supporting the work of an advisory group". In dem hier beschriebenen Forschungsprojekt soll untersucht werden, wie die Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) benutzt werden können, um Menschen mit Lernschwierigkeiten, die Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erleichtern. Die Ermöglichung einer ersten Meinungssondierung bezüglich der Entwicklung von inklusiven Praktiken, der Bewusstseinsbildung bei den ForscherInnen, dass diese die Rechte der teilnehmenden Personen anerkennen sowie die Verbreitung der Ergebnisse des Projektes, zählten zu den Aufgaben der Referenzgruppe. (vgl. Porter et al. 2006)

Die Beschreibung der Tätigkeit der Referenzgruppe ist in dieser Publikation sehr auf die organisatorischen Hindernisse bzw. auf die Aufgaben der Referenzgruppe beschränkt. Es wird beschrieben, wie viele Personen in der Referenzgruppe teilnahmen, dass es eine Kerngruppe gab und wie oft Treffen dieser Gruppe stattfanden. Weiters spielt eine Struktur in der Arbeit mit der Referenzgruppe eine große Rolle. Zudem hat eine kleinere Kerngruppe - in diesem Projekt von fünf Personen - den Vorteil, dass sich die TeilnehmerInnen im Setting sicher fühlten. In dieser vertrauten Umgebung war es möglich eigene Ansichten einzubringen. (vgl. ebd.)

Porter, Parsons und Robertson (2006, 15) resümieren den Einsatz einer Referenzgruppe als Bereicherung für ihr Forschungsprojekt:

"We recognise many of the successful elements of the advisory group activity. It provided a cohesive forum in which people became more confident in exchanging opinions and ideas that would improve the quality of the research process".

"The meaning of the Learning Society for adults with learning difficulties" ist ein weiteres Forschungsprojekt aus dem englischsprachigen Raum, in welchem eine "research group" von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die bereits TeilnehmerInnen einer vor dem Projekt durchgeführten Fallstudie waren, zum Einsatz kam und die in die Diskussion erster Forschungsergebnisse und Kernthemen des Forschungsprozesses involviert war. (vgl. Riddell et al. 2001) Dieses Projekt wurde von Riddell, Baron und Wilson zwischen 1995 und 2000 durchgeführt und in dem Buch "The Learning Society and people with learning difficulties" (2001) veröffentlicht. Die Beschreibung der eingesetzten Referenzgruppe beschränkt sich großteils auf die Darstellung der organisatorischen Rahmenbedingungen, beispielsweise die Zusammensetzung der Gruppe (Anzahl und Alter der Gruppenmitglieder), Regelmäßigkeit der Treffen (zweiwöchentlich) und die Schwierigkeit, alle Mitglieder auf Grund der unterschiedlichen Anreiserichtungen zu vereinen.

In dem Artikel "Der partizipatorische Forschungsansatz des Projektes ‚Bildnis eines behinderten Mannes"" beschreibt Petra Flieger (2005) ein partizipatorisches Forschungsvorhaben innerhalb des deutschsprachigen Raumes, welches mit dem Modell der Referenzgruppe arbeitete. Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels war das partizipatorische Forschungsprojekt gerade angelaufen gewesen. Das Ziel des Projektes war es, "dass auch andere als akademische Wissensformen in den Forschungsprozess einbezogen werden" (ebd., o.S.). Dieser Artikel schildert das Zustandekommen, die Ziele für die Arbeit mit einer Referenzgruppe und den Ablauf bzw. die Vorgehensweise der Arbeit der eingesetzten Referenzgruppe.

Der Fokus dieser Publikation über ein Forschungsprojekt, in dem eine Referenzgruppe zum Einsatz kam, liegt auf der Beschreibung der organisatorischen Begebenheiten (Anzahl der TeilnehmerInnen, Häufigkeit der Treffen...). Flieger (2005) skizziert den wissenschaftlichen Rahmen, in welchem Referenzgruppen zum Einsatz kommen und formuliert Tipps, die ForscherInnen nicht unberücksichtigt lassen sollen, wenn sie beabsichtigen mit einer Referenzgruppe zusammenarbeiten.

Vor allem in der englischsprachigen Literatur scheinen einzelne Artikel auf, die sich mit der Arbeit von Referenzgruppen in partizipatorischen und emanzipatorischen Forschungsprojekten auseinandersetzen. Flieger (2005) zufolge, finden sich im deutschsprachigen Raum keine Darstellungen von Forschungsprojekten, in welchen

"über Teilnahme, Mitsprache oder Mitwirkung von behinderten Personen am Forschungsprozess selbst [...] berichtet wird. Seltene Ausnahmen stellen jene Arbeiten dar, die von behinderten ForscherInnen selbst verfasst wurden" (Flieger 2005, o.S.),

wie beispielsweise das zuvor geschilderte partizipatorische Forschungsprojekt "Bildnis eines behinderten Mannes", welches Schönwiese, Pfeifenberger und Flieger leiteten, dar.

1.3 Forschungslücke und Fragestellung

In diesem Kapitel wird auf Basis der Auseinandersetzung mit der zuvor erwähnten Literatur zuerst eine Forschungslücke identifiziert und darauf aufbauend eine Forschungsfrage entwickelt und formuliert.

Wie im vorhergehenden Kapitel werden auch hier die zwei unterschiedlichen Schwerpunkte der Diplomandinnen getrennt voneinander betrachtet, woraus sich zwei unterschiedliche Fragestellungen ergeben.

1.3.1 Prozesse sozialer Interaktion (A.C.)

Die oben im Kapitel 1.2.1 angeführte Literatur beschreibt sowohl die Grundlagen und Grundhaltungen innerhalb der partizipativen Forschung als auch deren Entwicklung zu einer eigenständigen Forschungsmethode. Es wird vor allem Bezug darauf genommen, welche Möglichkeiten es gibt, Menschen mit Lernschwierigkeiten in den Forschungsprozess mit einzubeziehen. Dabei werden die Organisation und Häufigkeit der Treffen sowie die Aufgabe und Relevanz der Referenzgruppen erläutert.

Auch Gedanken über die Beurteilung der Methode und inwiefern dadurch die Qualität von Forschung aufgewertet werden kann, wurden erwähnt. Weiters gibt es Berichte, die die große Bedeutung von Forschung zum Thema Behinderung für Menschen mit Behinderung betont, wobei der Rolle von Menschen mit Lernschwierigkeiten als ForscherIn besondere Wichtigkeit zugeschrieben wird.

Dass es dabei jedoch eine unterschiedlich intensive Teilhabe am Forschungsprozess gibt, wurde ebenso thematisiert wie das Problem, das ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten mit ihrer Rolle, die oft als LehrerInnenrolle verstanden wird, haben.

Die aufgearbeitete Literatur weist demnach eine Forschungslücke auf, die im Kontext einer zwischenmenschlichen Ebene steht. Keiner der Artikel setzte sich damit auseinander, welche Faktoren bei der Gestaltung von Prozessen sozialer Interaktionen eine Rolle spielen und was demnach bei der Planung eines Referenzgruppentreffens bzw. - um einen Schritt zurück zu gehen - bei der Zusammensetzung der Referenzgruppe zu beachten ist.

Diese Prozesse sind jedoch bedeutsam und wirken sich auf die Referenzgruppentreffen sowohl destruktiv als auch konstruktiv, im Sinne von produktiver Zusammenarbeit, die sich für alle Beteiligten, vor allem auch für einen Fortschritt in der Wissenschaft und der Forschung über Menschen mit Lernschwierigkeiten lohnt, aus.

Das Anliegen der vorliegenden Diplomarbeit ist es nun, die Prozesse sozialer Interaktion und deren Zusammenhang mit den Referenzgruppentreffen zu erforschen bzw. darzustellen.

Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage für die Diplomarbeit:

Welche Prozesse sozialer Interaktion finden in der Referenzgruppe statt und wie stehen sie mit den Referenzgruppentreffen in Zusammenhang?

Diese Fragestellung beinhaltet folgende Aspekte:

è Es wird Augenmerk auf Prozesse sozialer Interaktionen, sowohl

  1. zwischen den ForscherInnen der Referenzgruppe untereinander,

  2. zwischen den ModeratorInnen der Treffen bzw. den ProjektmitarbeiterInnen und den Referenzgruppenmitgliedern, als auch

  3. zwischen den Referenzgruppenmitgliedern und deren UnterstützerInnen, gelegt.

Hierzu ist festzuhalten, dass im Rahmen des Nachgehens von Prozessen sozialer Interaktion einerseits das kommunikative Vorgehen und andererseits auch das Setzen von interaktionsrelevanten Handlungen im Zentrum des Interesses stehen.

è Um die Prozesse sozialer Interaktion umfangreich zu erfassen bzw. zu verstehen, ist es nötig im Zuge der Arbeit auch auf theoretische Konzepte - unter anderem das Selbstbestimmungsparadigma - einzugehen, die der Referenzgruppenarbeit und der Haltung der Mitglieder, ModeratorInnen sowie UnterstützerInnen zu Grunde liegen und die somit Einfluss auf die Gestaltung von Interaktionen haben.

è Weiters ist es ein Anliegen dieser Diplomarbeit, Prozesse sozialer Interaktion und die Rahmenbedingungen miteinander in Zusammenhang zu bringen, um deren Auswirkung auf die Referenzgruppentreffen darzustellen.

1.3.2 Prozesse der Erkenntnisgewinnung (E.H.)

Die Darstellung der Referenzgruppentätigkeiten in den oben[7] kurz umrissenen Artikeln beschränkt sich meist auf die Erläuterung, wie die jeweiligen Referenzgruppen zu Stande gekommen sind, wie viele Personen die Referenzgruppe umfasst und welche organisatorischen Schwierigkeiten (gemeinsame Termine, Transportschwierigkeiten bei TeilnehmerInnen, die einen Rollstuhl benötigen,...) eventuell bei der Wahl eines derartigen Forschungsvorhabens auftreten können.

Die skizzierten Artikel beschäftigen sich jedoch nicht mit der tatsächlichen Arbeit der Referenzgruppen und deren Ergebnissen, sondern mit den organisatorischen Rahmenbedingungen. Es wird außer Acht gelassen, welche inhaltlichen Prozesse bzw. Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Arbeit einer Referenzgruppe ablaufen und wie die Arbeit in der Referenzgruppe didaktisch aufbereitet wurde, um zu Erkenntnissen zu kommen. Die Darstellung, dass es in der Arbeit mit einer Referenzgruppe bestehend aus Menschen mit Lernschwierigkeiten teilweise notwendig sein wird, auf unterschiedliche Arbeitsweisen und Methoden zurückzugreifen, die den Bedürfnissen der TeilnehmerInnen angepasst sind, fehlt. Daher wird im Rahmen dieser Diplomarbeit die Tätigkeit der Referenzgruppe im Forschungsprojekt "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" bezüglich der inhaltlichen Veränderungen und Prozesse sowie Prozesse der Erkenntnisgewinnung untersucht. Daraus ergibt sich für das Anliegen dieses Schwerpunktes der vorliegenden Diplomarbeit folgende Fragestellung:

Wie gestaltet sich der Prozess der Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe?

Zentrale Themen dieses Teils der Arbeit sind die Arbeitsweise der Referenzgruppe, sowie die Ergebnis- bzw. Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe. Es sollen daher die didaktische Aufbereitung der Referenzgruppentätigkeit sowie des für die Referenzgruppe zur Verfügung gestellten Materials und der Umgang damit von Seiten der Referenzgruppenmitglieder Eingang finden. Das Zustandekommen von Inhalten und Erkenntnissen soll ebenfalls skizziert werden.

Da in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten auch der Aspekt der Sprache bzw. Kommunikation eine Barriere darstellen kann, wird mit dem Konzept der "Leichten Sprache" - auch "Easy-to-read" genannt - ein weiterer Schwerpunkt dieser Diplomarbeit festgelegt. Im Zuge dessen wird der Frage nachgegangen, inwieweit es durch Kommunikation in Leichter Sprache möglich ist, komplexe Sachverhalte darzustellen.



[6] Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF)

[7] vgl. Kap. 1.2.2

2 Definition relevanter Begriffe

Hier folgt eine Erläuterung jener Begriffe, die im Kontext der Diplomarbeit zentral sind und regelmäßig wieder verwendet werden. Die Autorinnen sind sich dessen bewusst, dass unterschiedliche Bedeutungen der verwendeten Begriffe existieren. Daher werden an dieser Stelle die Begriffe in der Form definiert, wie sie in der gesamten Diplomarbeit aufgefasst werden.

2.1 Menschen mit Lernschwierigkeiten (A.C.)

Im Allgemeinen, sowohl in der Pädagogik als auch in anderen Bereichen mit Bezug zu pädagogischen Themen, ist der Begriff der geistigen Behinderung weit verbreitet. Die Diskussion um diesen Terminus wurde nach Theunissen (2005) in den 50er Jahren von der Elternvereinigung der Lebenshilfe ausgelöst - einerseits mit dem Bestreben, sich dem Fachdiskurs des angloamerikanischen Sprachraums anzunähern, in dessen Rahmen Ausdrücke wie mental handicap und mental retardation zentral waren, andererseits "sollten Begriffe abgelöst werden, die bis dahin als ausgesprochen negative Stigmata geläufig waren, z.B. ‚Schwachsinn", ‚Blödsinn", ‚Idiotie" und ‚Oligophrenie"" (Theunissen 2005, 11). Obwohl der Begriff der geistigen Behinderung mittlerweile geläufig ist, kann nicht eindeutig definiert werden, was konkret unter Menschen mit einer geistigen Behinderung verstanden wird, da geistig bzw. Geist in diversen Theorien unterschiedlich interpretiert wird - als Intellekt im Gegensatz zur Kraft, aus der das menschliche Denken hervorgeht. (vgl. ebd.)

Weiters ist auch die Bezeichnung Behinderung kritisch zu betrachten, da sie gewisse Wertmaßstäbe impliziert und Menschen mit einer Behinderung als Abweichung von normalen Menschen gesehen werden.

"Tritt eine Person mit einem oder mehreren Merkmalen in der Kommunikation oder Interaktion so in Erscheinung, dass sie in den Augen eines anderen Menschen seinen und/oder gesellschaftlichen Norm-vorstellungen nicht entspricht, wird sie, wenn es sich um körperliche oder intellektuelle Funktionseinschränkungen oder Auffälligkeiten handelt, als behindert definiert" (ebd., 12).

Der Diskurs über den Begriff der geistigen Behinderung in pädagogischen Fachkreisen von Autoren wie Otto Speck (2003), der den Sinn des Gebrauchs der Bezeichnung hinterfragt, lässt feststellen, dass deren Verwendung durchaus problematisch ist, da sie mit einer Stigmatisierung verbunden ist. Verschiedenste Seiten beschäftigen sich mit der Entwicklung eines Terminus, der weder negative Stigmata hervorruft, noch das Abweichen von einer Norm thematisiert, woraus unter anderem der Ausdruck Menschen mit Lernschwierigkeiten hervorging. (vgl. Theunissen 2005)

In der vorliegenden Arbeit wird überwiegend der Begriff Menschen mit Lernschwierigkeiten in Bezugnahme auf People First benutzt, die auf ihrer Homepage ausdrücklich auf diese Bezeichnung verweisen, da sie nicht geistig behindert genannt werden wollen. People First ist eine Organisation, die bereits in vielen Ländern vertreten ist und der es ein Anliegen ist, einen Menschen primär als Menschen zu sehen und nicht gleich als behindert.

Josef Ströbl (2006, 43) begründet dies folgendermaßen:

"Der Geist ist etwas Besonderes. Er kann nicht krank sein. Bei den Worten `geistig behindert` denken viele Menschen, dass wir dumm sind und nichts lernen können. Das stimmt nicht. Wir lernen anders. Wir lernen manchmal langsamer oder brauchen besondere Unterstützung. Deshalb wollen wir Menschen mit Lernschwierigkeiten genannt werden".

Der Titel des Forschungsprojektes beinhaltet den Begriff Menschen mit einer intellektuellen Beeinträchtigung, doch da im Mittelpunkt dieser Arbeit die Referenzgruppe steht, deren Mitglieder sich klar von dieser Bezeichnung distanzieren und sich stattdessen als Menschen mit Lernschwierigkeiten definieren, wird dieser Terminus auch von uns bevorzugt. Es sind "[...] mit ihm alle Männer und Frauen mit sogenannter geistiger Behinderung gemeint [...], unabhängig von einzelnen Diagnosen oder gar Schweregraden, so weit die sich bestimmen ließen" (EQUAL 2005).

Wenn jedoch die Bezeichnung Menschen mit Behinderung oder Menschen mit Beeinträchtigung verwendet wird, dann wird, wie auch bei EQUAL (2005), nicht zwischen verschiedenen Behinderungsformen, wie geistiger, Körper-, Sinnes-, oder auch psychischer Behinderung differenziert. "Wird dieser Begriff verwendet, verweist er unter anderem darauf, dass, egal wie unterschiedlich Behinderungen im Einzelfall auch sein mögen, die Komponente des behindert Werdens ihnen allen gemeinsam ist" (EQUAL 2005; Hervorhebung im Original).

2.2 Referenzgruppe (E.H.)

Dem "Lexikon zur Soziologie" (Fuchs 1978, 113) zufolge ist der Begriff der Referenzgruppe mit jenem der Bezugsgruppe oder Identifikationsgruppe gleichzusetzen und bezeichnet "[...] eine Gruppe, mit der sich eine Person identifiziert, an deren Nor-men und Wertvorstellungen sie ihr eigenes Verhalten mißt [sic!] und deren Ziele, Meinungen, Vorurteile usw. sie zu ihren eigenen macht."

"One of the earliest ways in which people with learning disabilities were engaged in major research projects was as advisory or reference groups" (Walmsley / Johnson 2003, 146). Im Rahmen des partizipativen Forschungsansatzes ist laut Flieger (2005) die Zusammenarbeit mit Referenzgruppen eine häufig gewählte Arbeitsform. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben durch ihre Partizipation in Form der Referenzgruppe des Öfteren erfolgreich Forschungsprojekte mitgestaltet. Obwohl meist die bedeutenden Entscheidungen von den ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten selbst getroffen werden, bringen TeilnehmerInnen von Referenzgruppen entscheidende Aspekte ein, von denen die jeweiligen Forschungsprojekte profitieren. (vgl. Walmsley / Johnson 2003) Eine Referenzgruppe umfasst "[...] RepräsentantInnen jener Personengruppen, die von der jeweils konkreten Forschungsfrage betroffen sind" (Flieger 2005, o.S.). Auch wird an dieser Stelle auf die Bedeutsamkeit der Tatsache, dass Referenzgruppen in den gesamten Forschungsprozess eingebunden werden, diesen begleiten und sowohl bezüglich der Methoden als auch der Interpretation und Verwendung der Ergebnisse mitentscheiden, hingewiesen. (vgl. ebd.)

Im englischsprachigen Raum existieren für die Bezeichnung von derartigen Referenzgruppen verschiedene Termini: Walmsley und Johnson (2003) bezeichnen dieses Modell des Einbezugs von Menschen mit Lernschwierigkeiten in einen partizipativen Forschungsprozess als "advisory or reference groups". Bei Turnbull und Friesen (1995) werden sie "PAR committees" und bei Heron und Reason (2001) "inquiry groups" genannt. (vgl. Flieger 2005)

In dieser Diplomarbeit bezeichnet der Begriff Referenzgruppe eine Gruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten, deren TeilnehmerInnen RepräsentantInnen der beforschten Personengruppe darstellen und sich mit dieser identifizieren. Jene Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in diesem Projekt im Rahmen der Referenzgruppe als ForscherInnen bzw. ExpertInnen in eigener Sache zum Einsatz kommen, bearbeiten gemeinsam zentrale Themen im Zusammenhang mit dem Projekt und bringen bei der Auswertung des Interviewmaterials eigene Interpretationen und somit die Perspektive von Menschen mit Lernschwierigkeiten ein. Die Mitglieder der Referenzgruppe sind großteils RepräsentantInnen der in der Untersuchung beforschten Personengruppe, also jener Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich bereits im Arbeitsleben befinden.

2.3 Partizipation/Teilhabe bzw. Partizipationserfahrungen (E.H.)

Ein zentraler Bestandteil des Forschungsprojektes, in welches die hier beobachtete Referenzgruppe eingebunden ist, sind die Partizipationserfahrungen bzw. Teilhabeerfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrer beruflichen Biographie. Der Begriff Partizipation ist jedoch nicht nur im Zusammenhang mit der qualitativen Erhebung des Forschungsprojektes relevant, sondern auch insofern, als dass die Referenzgruppe einen Teil eines partizipativen Forschungsprojektes darstellt und somit die Menschen mit Lernschwierigkeiten auch in Form der Referenzgruppe am Projekt als ForscherInnen in eigener Sache partizipieren bzw. teilhaben. An dieser Stelle ist es daher notwendig, auf die Bedeutung des Begriffs der Partizipation bzw. Teilhabe näher einzugehen.

Nach Schäfers (2001) wurde der Begriff der Partizipation mit der Bedeutung der Teilnahme bzw. Teilhabe an politischen und sozialen Entscheidungsprozessen in den 60er Jahren aus dem englischen und amerikanischen Sprachraum übernommen. Ziel der damals entstanden Partizipationsbewegung war "die breitere Beteiligung der Öffentlichkeit, der Betroffenen, der Wähler, der ‚Basis" an den für sie relevanten Planungs- und Entscheidungsprozessen" (Schäfer 2001, 267). Erwähnenswert ist auch, dass mit der Forderung nach mehr Partizipation auch Ansprüche nach Selbstbestimmung und Emanzipation einhergingen.

In der Literatur, die vorrangig dem heilpädagogischen Kontext entspringt, sind ähnliche Definitionen des Begriffs der Partizipation bzw. Teilhabe vorzufinden. So bedeutet Niehoff (2007, 249) zufolge Partizipation "an etwas teilnehmend" und kann "[...] mit Begriffen wie Mitwirkung, → Mitbestimmung, Einbeziehung, Beteiligung [...]" (ebd.) übersetzt werden. Für Menschen mit Behinderung steht demnach nicht die "bloße Teilnahme" (Theunissen 2009, 46) am Gesellschaftsleben im Mittelpunkt, sondern es geht "[...] bei einer Teil-habe immer um Prozesse, bei denen Betroffene selbst im Hinblick auf ih-re personale Lebensgestaltung und unmittelbare soziale Lebenswelt Ent-scheidungen treffen sollen" (ebd., 47). Das bedeutet, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten "[...] an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, beteiligt sein [...]" (ebd.) sollen sowie dass ihnen das Recht sowohl auf öffentliche Einbringung der eigenen Interessen als auch auf Mitbestimmung und Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen zuteil wird. (vgl. ebd.) Niehoff (2007, 249) führt hierzu ein treffendes Zitat der "englische[n] Selbstbestimmt-Leben-Bewegung an: ‚Nothing about me without me!"".

Wansing (2006) betont, dass der Begriff der Teilhabe nicht ohne den dazugehörigen Gegenpart - die Exklusion - diskutiert werden kann. Vor allem der Gesellschaftsgruppe der Menschen mit Behinderung können hohe Exklusionsrisiken in den unterschiedlichsten Lebensbereichen - wie zum Beispiel im Bildungssystem, am Arbeitsmarkt, etc. widerfahren. Teilhabe an der Gesellschaft bedeutet die Inklusion bzw. "das Einbezogensein in die vielfältigen Kommunikationsprozesse und Leistungen der gesellschaftlichen Sozialsysteme [...]" (ebd., 191) von Menschen mit Behinderung. Auch Speck (2003, 180) setzt Partizipation "mit sozialer Zugehörigkeit oder Integration" gleich.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - kurz ICIDH-2 oder ICF[8] genannt - ein Klassifikationsschema entwickelt, welches international eingesetzt wird. Diese auf die Fähigkeiten und Ressourcen orientierte Klassifikation löst die defizitorientierte International Classification of Impairments, Disabilities, and Handicaps - ICIDH aus dem Jahre 1980 ab. (vgl. WHO 2005; Speck 2003; Fornefeld 2000) In der revidierten Fassung wurden "die Termini disability und handicap [...] durch activity und participation ersetzt" (Speck 2003, 197; Hervorhebung im Original). In der ICF, die den "dreidimensionalen Begriff der Funktionsfähigkeit (Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten, Partizipation)" (Schuntermann 1999) vertritt, liegt der Schwerpunkt auf den "[...] sozialen Konsequenzen, die sich aus der Schädigung für den Menschen ergeben" (Fornefeld 2000, 47). Im Zentrum des bio-psycho-sozialen Modells der Funktionsfähigkeit und Behinderung steht das Konzept der Partizipation. In der ICF wird unter dem Begriff "Partizipation [Teilhabe] [...] das Einbezogensein in eine Lebenssituation" (WHO 2005, 95; Hervorhebung im Original) verstanden. Lernen und Wissensanwendung, allgemeine Aufgaben und Anforderungen, Kommunikation, Mobilität, Selbstversorgung, häusliches Leben, interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, bedeutende Lebensbereiche sowie Gemeinschaftsleben, soziales und staatsbürgerliches Leben sind die zentralen Dimensionen der Partizipation bzw. Teilhabe im Sinne der ICF. (vgl. WHO 2005) In der ICF wird Partizipation bzw. Teilhabe sowie deren Beeinträchtigung "als Wechselwirkung zwischen dem gesundheitlichen Problem einer Person und ihren Umweltfaktoren" (WHO 2005, 5) definiert.

Partizipation bzw. Teilhabe bedeutet demnach das Einbezogensein von Menschen mit Lernschwierigkeiten in allen gesellschaftlichen Lebens- und Kommunikationsbereichen sowie das Innehaben einer "aktive[n; E.H.] Rolle als ‚Bürger mit Rech-ten"" (Theunissen 2009, 47). Mitbestimmung und das Recht Entscheidungen zu treffen sind ebenfalls zentrale Aspekte von Partizipation bzw. Teilhabe.

Die Mitglieder der Referenzgruppe des partizipativen Forschungsprojektes werden als ""kompetente Experten in eigener Sache" wertgeschätzt" (Theunissen 2009, 47) und nach Möglichkeit aktiv in die Gestaltung des Forschungsvorhabens einbezogen.[9]

2.4 Gruppe (A.C.)

Die Fragestellungen der Diplomarbeit beziehen sich auf Prozesse sozialer Interaktion und den Prozess der Erkenntnisgewinnung der Referenzgruppe. Bevor den beiden Fragestellungen jedoch nachgegangen wird, ist es an dieser Stelle wichtig zu definieren, was unter dem Begriff Gruppe verstanden wird.

Eine Gruppe ist eine Mehrzahl von Individuen, die

"[...] dann eine Gruppe bilden, wenn die Beziehungen zwischen diesen Individuen soweit als regelmäßig und zeitlich überdauernd betrachtet werden können, daß [sic!] man von einer integrierten sozialen Struktur sprechen kann, es sich also nicht lediglich um eine bloße Menge oder Kategorie oder um eine momentane Ansammlung von Individuen handelt" (Fuchs-Heinritz u.a. 1994, 255).

Was in Zusammenhang mit dem Vorhaben dieser Diplomarbeit neben der Notwendigkeit einer integrierten sozialen Struktur (vgl. ebd.) weiters von besonderem Interesse ist, ist die Annahme Homans` (1978), dass eine menschliche Gruppe erst dann als solche bezeichnet werden kann, wenn es möglich ist, eine Interaktion zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern zu beobachten. Zusammenfassend bedeutet dies, dass die bloße Anwesenheit einer gewissen Anzahl an Menschen nicht als Anlass für die Bezeichnung als Gruppe gesehen werden kann, da dies eine integrierte soziale Struktur, die sich durch diverse Interaktionen auszeichnet, voraussetzt.

2.5 Prozess (A.C.)

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass es in der vorliegenden Diplomarbeit nicht nur darum geht, einzelne soziale Interaktionen und Prozesse des Erkenntnisgewinns isoliert zu betrachten, sondern im Gegenteil, sie vielmehr miteinander in Bezug zu setzen und die dadurch entstehenden Prozesse zu beobachten. Ein Prozess wird im Lexikon zur Soziologie (1994) als "[...] die Aufeinanderfolge verschiedener Zustände eines Objekts in der Zeit" beschrieben. Es wird sowohl von einer Veränderung der Interaktionen in der Referenzgruppe ausgegangen, was vor dem Hintergrund eines ständigen Abhängigkeitsverhältnisses - auf Verhalten, Handlung, etc. bezogen - aller Mitglieder voneinander geschieht, als auch von einer Veränderung der Prozesse des Erkenntnisgewinns im Laufe des Forschungsprojekts, vor der Annahme ständiger Reflexion didaktischer Mittel.

2.6 Soziale Interaktion (A.C.)

Interaktion ist ein Phänomen, das immer dann beobachtet werden kann, wenn zwei Menschen miteinander in Beziehung treten oder Kontakt aufnehmen. (vgl. Crott 1979) Dies kann sowohl bewusst als auch unbewusst geschehen und sich auch unterschiedlicher Möglichkeiten bedienen, denn es gibt unendlich viele Gelegenheiten zu interagieren. "Niemand kann anonym bleiben oder sich dauerhaft von den anderen absondern. Unter solchen Bedingungen ist Interaktion mit anderen wahrscheinlich so natürlich wie essen und atmen [...]" (Forgas 1994, 8).

"Ein wesentliches Merkmal der sozialen Interaktion in Gruppen ist die wechselseitige Abhängigkeit oder Interdependenz der Interaktionspartner" (Becker-Beck 1997, 21). Das bedeutet, dass alle Handlungen, Äußerungen, Verhalten etc., die von einer Person in einer Gruppe gemacht werden, immer in Zusammenhang mit Handlungen etc. von anderen Gruppenmitgliedern gesetzt werden müssen, da sie nicht davon trennbar sind. Da im Rahmen dieser Arbeit Augenmerk auf die Prozesse sozialer Interaktion einer Gruppe gelegt wird, sind zwei Faktoren nach Becker-Beck (1997), die diese bestimmen, besonders zu berücksichtigen:

a.) Strukturelle Interdependenz

Diese bestimmte Form eines Abhängigkeitsverhältnisses wird durch die Konstellation individueller Bedingungen, in deren Rahmen die Interaktionen stattfinden, maßgeblich beeinflusst. Faktoren, die sich auf die Gruppenstruktur auswirken, wie zum Beispiel der Status oder das Geschlecht eines Mitgliedes, spielen dabei eine besonders große Rolle.

b.) Prozessuale Interdependenz

Die Interaktion ist hier bestimmt von Abläufen in der Gruppe. Becker-Beck (1997) geht davon aus, dass Prozesse nicht beliebig aufeinander folgen, sondern in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen. Dabei wird angenommen, dass Personen ihre Handlungen bzw. ihr Verhalten an das Verhalten ihrer InteraktionspartnerInnen, in der vom Individuum wahrgenommenen Form, anpassen.

Nach Crott (1979, 14) lässt sich dies wie folgt zusammenfassen:

"Das Verhalten von zwei Personen A und B lässt sich nicht unabhängig voneinander, sozusagen nebeneinander beschreiben. Es ist vielmehr aufeinander bezogen und beeinflusst sich. Soziale Interaktion [...] bedeutet also, dass das Verhalten mindestens eines Beteiligten durch das Verhalten eines oder mehrerer anderer beeinflusst wird".

Soziale Interaktionen sind demnach keine willkürliche Aneinanderreihung von Interventionen beteiligter Individuen, sondern zeichnen sich durch eine Relation ihres Ablaufes mit dem subjektiven Hintergrund der in die Interaktion involvierten Personen sowie durch wechselseitig voneinander abhängige Handlungen der InteraktionspartnerInnen aus. "Nach der Eröffnung ist jede Handlung zugleich Reaktion auf eine vorangegangene Handlung des Interaktionspartners und ebenso Stimulusbedingung für dessen folgende Handlung" (ebd., 18).

Forgas (1994) bezeichnet die soziale Interaktion als den zentralen Aspekt im Leben eines Menschen, das sich durch die Gestaltung immer wieder neuer Beziehungen auszeichnet, welche sich auf Grund verschiedener Kontexte, wie Arbeit, Freizeit, Freundschaft oder Familie in ihrer Intensität und Art unterscheiden. Weiters ist der Akt der sozialen Interaktion kein zu unterschätzender, da er äußerst vielschichtig ist und bestimmten Regeln unterliegt. Oft ist dies nicht offensichtlich, wird jedoch sichtbar, im exemplarischen Vergleich der Interaktion mit Familienmitgliedern und jener mit einem/r VerkäuferIn. Dabei wird deutlich, dass Individuen ihr Interaktionsverhalten situationsspezifisch anpassen müssen.

Weiters kann der Verlauf von Interaktionen keineswegs ausschließlich auf das Senden und Empfangen von Reizen reduziert werden, "[...] sondern [die Beteiligten, A.C.] verfolgen gleichzeitig bestimmte Pläne, die sie gegebenenfalls je nach der Reaktion des Partners modifizieren" (Crott 1979, 18).

2.7 Erkenntnis und Erkenntnisgewinn (E.H.)

Der Begriff Erkenntnis ist schwer definierbar, da er einen weiten, schwer abgrenzbaren Bereich umfasst. (vgl. Keller 2006) Dem Lexikon zur Soziologie (1978) zufolge hat K.R. Popper eine Unterscheidung zwischen objektiver und subjektiver Erkenntnis vorgeschlagen. Für diese Diplomarbeit ist die Definition von objektiver Erkenntnis bedeutend. "Erkenntnis im objektiven Sinne oder o. E. [objektive Erkenntnis; Anmerkung E.H.] [...] besteht aus sprachlich formulierten Theorien und Argumenten bzw. aus den logischen Gehalten dieser Theorien und Argumente, [...]" (Fuchs 1978, 202). Erkenntnisgewinne sind neue Wissensgegenstände bzw. Wissensbestände, die ein Subjekt in der Interaktion mit der Welt erarbeitet. (vgl. Tenorth / Tippelt 2007) Das bedeutet, dass die Ergebnisse, zu denen die Arbeit der Referenzgruppe, in der Interaktionen stattfinden, führt, als Erkenntnisse bezeichnet werden können.



[8] Originaltitel: International Classification of Functioning, Disability and Health (2001)

[9] vgl. dazu: Kapitel 3.2.2 Das Prinzip der partizipativen Forschung

3 Theoretischer Bezugsrahmen

Da die Arbeit der Referenzgruppe vor dem Hintergrund gewisser theoretischer Grundlagen stattfindet, werden diese im folgenden Kapitel bearbeitet.

3.1 Konzeptuelle Hintergründe

Die zwei Konzepte, die in der Diplomarbeit immer wieder von Bedeutung sind, da sie als Aspekte der Grundhaltung der beteiligten Personen gelten, sind einerseits das Selbstbestimmt-Leben-Konzept und jenes der Leichten Sprache. In diesem Kapitel findet eine detaillierte Auseinandersetzung mit den erwähnten Konzepten statt.

3.1.1 Selbstbestimmt Leben mit Unterstützung (A.C.)

Menschen mit Lernschwierigkeiten werden auch heute noch vielfach bevormundet und entmündigt, wodurch ihnen eine individuelle, selbstbestimmte Teilhabe an der Gesellschaft und deren Angeboten bzw. Möglichkeiten vorenthalten wird. Sie leben häufig in institutionalisierten Wohngemeinschaften, in denen es einen fixen Tagesablauf und geregelte Strukturen gibt. In diesem Kontext existiert eine nahezu verschwindende Anzahl an Angeboten für eine Lebensgestaltung, die den Wünschen von einzelnen Personen angepasst wird, was zur Folge hat, dass jene Personen keine andere Wahl haben, als ein - fremdbestimmtes - Leben zu führen, das von anderen Menschen geplant und organisiert wird/wurde.

Gegenläufig zu diesen Tendenzen der Orientierung an Mängeln, entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten das Selbstbestimmungsparadigma, das im Zuge des Empowerment-Konzeptes in die Praxis umgesetzt werden soll. Im Rahmen dieses Konzepts wird das Ziel verfolgt, "[...] aus dem Defizit-Blickwinkel heraus legitimierte und inszenierte Überwachungs- und Hilfebedürftigkeit geistig behinderter Menschen zugunsten von mehr Autonomie [...]" (Theunissen / Plaute 1995, 61) aufzuheben. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch die Kompetenz hat, für sich selbst Entscheidungen zu treffen, was jedoch häufig (noch) nicht erkannt wurde und somit eingesetzt werden kann. (vgl. Theunissen /Plaute 1995) Ein Umdenken im Sinne von Unterstützung, "[...] die auf partnerschaftliche Kooperation und Assistenz hin ausgelegt [...]" (Theunissen / Plaute 1995, 61) ist, ist für Personen, die helfende Berufe ausüben, erforderlich.

"Die Behindertenarbeit befindet sich derzeit in einem hochdynamischen Umbruch: Hatte sie sich bisher den Prinzipien der Normalisierung und Integration verschrieben, so sieht sie sich heute mit den Leitideen Empowerment, Partizipation und Inklusion konfrontiert" (Theunissen 2006, 13).

Der Blick der LeserInnen wird in diesem Kapitel bewusst auf das Themenfeld der Selbstbestimmung gelenkt, da dies für die Referenzgruppe ein sehr relevantes ist. Viele der Mitglieder setzen sich mit den (erwünschten bzw. tatsächlichen) Möglichkeiten auseinander, eigene Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen und in Zusammenhang damit auch Verantwortung zu übernehmen. Da Prozesse sozialer Interaktion immer vor dem individuellen Hintergrund der an ihnen beteiligten Personen stattfinden, welche sich im Falle der Referenzgruppe unter anderem durch den Einsatz für ein selbstbestimmtes Leben und die dazu notwendige Unterstützung im Rahmen von Selbstvertretungsgruppen auszeichnen, kann das Thema Selbstbestimmung in dieser Arbeit nicht außer Acht gelassen werden.

Im folgenden Kapitel wird daher zuerst auf die Entstehungsgeschichte und die Prinzipien des Selbstbestimmungsgedanken eingegangen, um dessen Ursprünge und Beweggründe sichtbar zu machen. Sodann werden die speziellen Kriterien der Unterstützung, die für Menschen mit Behinderung oft nötig ist, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, im zweiten Unterkapitel behandelt. Dies ist auch deshalb wichtig, weil einzelne Referenzgruppenmitglieder bei den Treffen von UnterstützerInnen begleitet werden, deren Interaktionen mit den Referenzgruppenmitgliedern ebenfalls Teil der Beobachtung sind. In einem dritten Schritt werden die wichtigsten Aspekte der Kommunikation kurz erläutert, deren Kenntnis Voraussetzung für das vierte Unterkapitel ist, das weiters das Konzept der unterstützten Kommunikation skizziert. Dieses Konzept wird deshalb dargestellt, da es auf Grund der Tatsache, dass eines der Mitglieder auf die unterstützte Kommunikation angewiesen ist, für die Referenzgruppe und die Gestaltung der Prozesse sozialer Interaktion von Bedeutung ist.

3.1.1.1 Selbstbestimmung (A.C.)

"Selbstbestimmung ist, worum es im Leben überhaupt geht. Ohne sie kannst du am Leben sein, aber du würdest nicht leben, du würdest nur existieren".

Michael Kennedy / Lori Lewin (2004, o.S.)

In diesem Kapitel wird die Thematik des selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Lernschwierigkeiten diskutiert, da die Referenzgruppe vor diesem Hintergrund tätig ist. Einige ihrer Mitglieder sind in Selbstvertretungsgruppen aktiv, denen Selbstbestimmung ein großes Anliegen ist. Außerdem ist ein Mitglied der Referenzgruppe Projektleiterin von WIBS - Wir informieren, beraten und bestimmen selbst. - einem Projekt von Selbstbestimmt Leben Innsbruck. Sie ist die erste Frau mit Lernschwierigkeiten in Österreich, die ein Selbstvertretungsprojekt leitet. (vgl. WIBS) Auch im Zusammenhang mit Unterstützung und im Weiteren der unterstützten Kommunikation ist es von Bedeutung, diese Perspektive mit einzubeziehen.

3.1.1.1.1 Kontext (A.C.)

Trotz der Notwendigkeit einer getrennten Betrachtung der beiden Konzepte Selbstbestimmung und Empowerment (vgl. Biewer 2009) kann die Entstehungsgeschichte der Forderung nach einem selbstbestimmten Leben keineswegs ungeachtet der Empowermentbewegung, die vor mehr als drei Jahrzehnten in den USA von Menschen mit Behinderung und deren Angehörigen initiiert wurde, gesehen werden. (vgl. Theunissen 2006)

Was an dieser Stelle jedoch festzuhalten ist, ist die Tatsache, dass der Begriff Empowerment durchaus nicht ausschließlich mit Selbstermächtigungsbewegung von Menschen mit Behinderung in Verbindung zu setzen ist, sondern dass er im Kontext diverser Bewegungen im sozialen Bereich, die die Selbstermächtigung von unterschiedlichen Randgruppen zum Ziel haben, steht. (vgl. Theunissen 2002) Trotz deren unterschiedlicher Herkunft ist jenen Gruppen

"[...] eines gemeinsam: der Versuch, durch direkte politische Mitsprache, Mitgestaltung und Kontrolle Einfluss auf ihre unmittelbaren Lebensumstände oder auch auf ‚riskante" Erscheinungen gesellschaftlicher Entwicklungen [...] zu nehmen" (Theunissen 2002, 15; Hervorhebung im Original).

Mit dem Ziel oben genannte Forderungen Realität werden zu lassen, wurde im Rahmen der Empowerment-Bewegung eine Linie der Inklusion verfolgt, die Unterstützung und Mitsprache für die betroffenen Menschen und deren Eltern einforderte.

Im diesem Rahmen distanzierte sich die Behindertenhilfe von einer Sichtweise, welche sich an Defiziten orientiert und die Aussonderung und Marginalisierung von Menschen mit Behinderung zur Folge hatte. Abgelöst wurde das traditionelle medizinische Modell vom bio-psycho-sozialen Leitbild, das sich an Ressourcen orientiert und eine Behindertenarbeit hervorbrachte, die die Lebenswelt in den Mittelpunkt stellte, in welcher Unterstützung am individuellen Bedarf ausgerichtet wird. (vgl. Theunissen 2002) Weiters entwickelten sich nach Theunissen (2002, 18) folgende Tendenzen:

"[...] Hinwendung zur Vernetzung von sozialen Dienstleistungen; Hinwendung zur `Normalisierung` von Beziehungen, Arbeitsverhältnissen, Wohn- oder Lebensformen; Hinwendung zur gesellschaftlichen Integration; Anerkennung des Rechts auf Selbstbestimmung behinderter Menschen ...".

Ein wesentlicher Umbruch in der Behindertenhilfe wird vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen auch im Hinblick auf die Einstellung sichtbar, dass

"[...] helfende Berufe Prozesse anregen und unterstützen [sollen; A.C.], die zur (Wieder-) Entdeckung und Aneignung eigener Lebenskräfte ermutigen und dazu beitragen können, eigene Lebensumstände zu kontrollieren, Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen sowie eigene Lebenswege und Lebensräume selbstbestimmt zu gestalten" (Theunissen / Schirbort 2006, 41).

Die Empowerment-Bewegung entwickelte sich demnach als Antwort auf ein defizitorientiertes Bild von Behinderung, stellte die bis dahin gepflegte Einstellung zu und den Umgang mit Behinderung in Frage und deklarierte Institutionalisierung und die damit verbundene Diskriminierung anstelle eines selbstbestimmten Lebens als inakzeptabel. (vgl. Miles-Paul 2006)

"Eingefordert wurden insbesondere freie Wahlmöglichkeiten und Zugänge zu allen gesellschaftlichen Ressourcen, zum Beispiel zu Bildungs- oder kulturellen Einrichtungen, öffentlichen Institutionen, ‚regulären" Arbeitsfeldern oder sozialen Diensten sowie das Einbezogensein als `vollwertiges Mitglied` in die Gemeinschaft mit aktiven Partizipationsmöglichkeiten (Mitbestimmung etc.)" (Theunissen 2006, 14; Hervorhebung im Original).

Diese Forderungen

"[...] weg von der entmündigenden aussondernden und oftmals diskriminierenden ‚Fürsorge" für Behinderte, hin zur Ermächtigung zum eigenverantwortlichen Management der eigenen Angelegenheiten und zur Einforderung der Bürgerrechte von behinderten Menschen [...]" (Miles-Paul 2006, 32; Hervorhebung im Original)

sind die Grundlagen aus denen heraus das Selbstbestimmungsparadigma entstanden ist und die auf ein klares Nein zu "Diskriminierung, Bevormundung und Aussonderung" (ebd.) von Menschen mit Behinderung und das vehemente Bestehen auf die Übernahme dieser Grundsätze in die Gesellschaft insistieren. (vgl. ebd.)

3.1.1.1.2 Was heißt selbstbestimmt Leben? (A.C.)

Um sich auf den Diskurs über die Bedeutung eines selbstbestimmten Lebens im Sinne des Selbstbestimmt-Leben-Paradigmas einlassen zu können ist es nach Steiner (1999) äußerst notwendig, das Missverständnis aus dem Weg zu räumen, dass dafür Selbstständigkeit vorausgesetzt wird und stattdessen vielmehr die Unumgänglichkeit der Autonomie der betroffenen Individuen hervorzuheben.

"Selbstbestimmt Leben heißt, KONTROLLE ÜBER DAS EIGENE LEBEN zu haben, basierend auf der Wahlmöglichkeit zwischen akzeptablen Alternativen, die die Abhängigkeit von den Entscheidungen anderer bei der Bewältigung des Alltags minimieren. Das schließt das Recht ein, seine eigenen Angelegenheiten selbst regeln zu können, an dem öffentlichen Leben in der Gemeinde teilzuhaben, verschiedenste soziale Rollen wahrzunehmen und Entscheidungen selbst fällen zu können, ohne dabei in die psychologische oder körperliche Abhängigkeit anderer zu geraten. Selbstbestimmung ist ein relatives Konzept, das jeder persönlich für sich bestimmen muss" (Definition der amerikanischen "Independent-living-Bewegung‟ nach: Frehe 1990, 37; Hervorhebung im Original; zit. nach Schönwiese 2009, o.S.).

Die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben beinhaltet, dass alle Menschen das Recht haben, über ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu entscheiden und dass sie nicht durch andere Personen bevormundet werden, denn wie Dr. Adolf Ratzka (o.J., o.S.), der Gründer der Stockholmer Genossenschaft für Independent Living, sagt: "Niemand kennt unsere Bedürfnisse besser als wir". Partizipation am gesellschaftlichen Leben und zwar nach den jeweils individuellen Vorstellungen und Wünschen sollte für Menschen mit Behinderung barrierefrei möglich sein. Was dabei von Bedeutung ist, ist, dass sie auch die Rahmenbedingungen über die Hilfsmittel bis hin zu den Unterstützungspersonen bzw. AssistentInnen, die für die Umsetzung ihrer Handlungen möglicherweise nötig sind, eigens festlegen. (vgl. Ratzka o.J.) Weiters beinhaltet das Selbstbestimmt-Leben-Konzept den Aspekt, dass die Art und Weise der praktischen Umsetzung der Selbstbestimmung von Person zu Person unterschiedlich gestaltet wird. Jede/r muss für sich selbst entscheiden, was es für ihn/sie heißt, ein erfülltes Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben und was, unter anderem welche Dienstleistungen, dafür vom/von der Betroffenen erwünscht sind. (vgl. Kennedy / Lewin 2004)

Eine Umstrukturierung des Systems, in dessen Rahmen eine selbstbestimmte Lebensführung möglich ist, ist Voraussetzung für die Umsetzung einer solchen. (vgl. Theunissen / Schirbort 2006) Diese Entwicklung verläuft mit folgendem Ziel:

"[...] einerseits [...], dass betroffene Menschen aus einer Situation der Schwäche oder Demoralisierung sich ihrer Stärken und Möglichkeiten bewusst werden und andererseits [...], dass diese Bewusstwerdung und das Nutzen von Ressourcen und Potenzialen in verschiedenen lebensweltlichen Bereichen, in der primären Lebenswelt, im sozialen Nahbereich, auf gruppenbezogener wie auf struktureller, makrosystemischer oder politischer Ebene, Einfluss zeigen" (ebd., 42).

Gregor Renner (2004, 203) unterscheidet verschiedene Stufen der Selbstbestimmung:

Um Selbstbestimmung von Fremdbestimmung abzugrenzen, wird vorab erläutert, was unter dem Begriff Fremdbestimmung zu verstehen ist:

"Fremdbestimmung - als Gegenpol zur Selbstbestimmung - ist gegeben, wenn das Individuum auf eine Handlung keinen Einfluss hat und diese ausschließlich durch andere bestimmt ist" (ebd., 203).

In der ersten Stufe der Selbstbestimmung werden Handlungen in geringem Maße vom Menschen mit Behinderung beeinflusst. Die unterstützende Person versucht jedoch, sich in die Person hineinzuversetzen und in ihrem Sinne zu handeln.

Diese Stufe ist von Fremdbestimmung durchzogen, auch wenn dies vor dem Hintergrund der Empathie passiert.

Die zweite Stufe zeichnet sich durch den Versuch aus, mit dem zu unterstützenden Menschen in aktive Interaktion zu treten, indem ihm Entscheidungsmöglichkeiten angeboten werden. Handlungen werden so durch diese geleitet, jedoch noch nicht frei gewählt, da eben nur eine beschränkte Anzahl an Möglichkeiten vorhanden ist.

In einer dritten Stufe, im Rahmen derer Entscheidungen über Handlungen und Interaktionen ausschließlich durch das Individuum getroffen werden, ist Selbstbestimmung angezeigt. Nur wenn alle Tätigkeiten, von der Freizeitgestaltung bis hin zur Hygiene, ausschließlich so ausgeführt werden, dass sie den Vorstellungen des Individuums entsprechen, mit soviel Unterstützung, die dafür notwendig ist, kann von einem selbstbestimmten Leben gesprochen werden.

Selbstbestimmung wird "[...] hier nicht in erster Linie als individuelle Fähigkeit, sondern als soziale Struktur verstanden [...]" (Renner 2004, 203). Sie steht in Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld und der Gesellschaft, wobei es von Bedeutung ist, dass das Individuum erkennt, welche Gestaltungsmöglichkeiten es innerhalb seiner Umwelt hat. Denn "das Verstehen der eigenen Wirksamkeit ist grundlegend für die Entwicklung der individuellen Fähigkeit zur Kommunikation und zur selbstbestimmten Partizipation [...]" (ebd.).

Schönwiese (2009) betont, dass das Konzept des selbstbestimmten Lebens nicht nur für Menschen mit Körperbehinderungen gedacht ist, sondern in gleicher Weise für Menschen mit Lernschwierigkeiten mit unterschiedlichem Bedarf an Unterstützung.

"Eine unserer größten Behinderungen ist unser Image vom hilflosen, harmlosen Krüppelchen. Viele von uns sind dieser Gehirnwäsche selbst zum Opfer gefallen und haben geringes Selbstvertrauen und Erwartungen an sich" (Ratzka o.J., o.S.). Deshalb ist es im Rahmen des Selbstbestimmungsparadigmas unabdingbar, dass Menschen mit Unterstützungsbedarf Fertigkeiten erlernen, die ihnen die Gestaltung dieser Unterstützung und Assistenz nach ihren eigenen Vorstellungen ermöglichen. (vgl. Schönwiese 2009) "Dabei geht es im optimalen Fall um den Erwerb der Kompetenz, HelferInnen zu suchen, auszuwählen, anzuleiten und die Bezahlung abzuwickeln" (ebd., o.S.).

3.1.1.1.3 Zusammenhang von Partizipation und Behinderung in der ICF (A.C.)

Im Jahre 2005 wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, ein Umdenken in der Gesellschaft anzuregen, indem thematisiert wurde, dass Behinderung immer durch die Partizipation bzw. den Ausschluss der Person mit Behinderung am sozialen Leben mitbedingt ist. Der ICF - der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit - liegt ein bio-psycho-soziales Modell von Behinderung zu Grunde. (vgl. WHO 2005) Das bedeutet, dass Behinderung im Gegensatz zum Vorgängermodell, der ICIDH von 1980, nicht nur auf eine Funktionsstörung reduziert werden kann, sondern mit Umweltfaktoren in Zusammenhang gebracht werden muss. Die Behinderung eines Menschen setzt sich aus den Aspekten Körperfunktionen und -strukturen bzw. Schädigung, Aktivität bzw. Beeinträchtigung der Aktivität und Partizipation bzw. Beeinträchtigung der Partizipation zusammen und wird als "dynamische Interaktion" (WHO 2005, 14) zwischen Funktionsstörung und der Umwelt der betroffenen Person bezeichnet. Sie wird also nicht mehr nur am Individuum festgemacht, sondern eben auch an der Gesellschaft, am sozialen Umfeld des Menschen mit Behinderung. Eine Person ist demnach nicht automatisch behindert, wenn eine Körperfunktion beeinträchtigt ist, sondern wenn sie auf Grund dieser Beeinträchtigung daran gehindert wird, an ausgesuchten Lebensbereichen selbstbestimmt teilzuhaben.

Damit ein Individuum frei entscheiden kann, wie es sein Leben gestalten möchte und an welchen Angeboten es teilhaben möchte, bedarf es in bestimmten Fällen an Unterstützung von außen, die sich an den Bedürfnissen des Menschen mit Behinderung orientiert und deren Ausführung ausschließlich vom Subjekt, d.h. vom jeweils betroffenen Menschen mit Behinderung bestimmt wird.

3.1.1.2 Unterstützung (A.C.)

Einige Referenzgruppenmitglieder werden während des Forschungsprozesses von UnterstützerInnen begleitet. Diese Personen sind bei den Treffen anwesend und achten darauf, dass die Gruppenmitglieder alles verstehen und stehen auch vor, nach und zwischen den Treffen für Fragen und andere Belange zur Verfügung. Es werden von ihnen auch, je nach Bedarf, Assistenz-Tätigkeiten, wie das Versorgen mit Getränken und Nahrung sowie Hygienemaßnahmen, ausgeführt. Sie sind Vertrauenspersonen der betroffenen Referenzgruppenmitglieder, die auch im Rahmen anderer Kontexte mit ihren UnterstützerInnen zusammenarbeiten.

Das Thema Unterstützung wurde bei einem der Treffen von der Referenzgruppe diskutiert, wobei Aufgaben der UnterstützerInnen und die Frage "Was dürfen UnterstützerInnen nicht?" besprochen wurden. Neben den oben bereits erwähnten Aufgaben wurde beschlossen, dass es nicht erwünscht ist, dass sich die UnterstützerInnen bevormundend verhalten und dass sie bei Diskussionen der Gruppe ihre Meinung inhaltlich äußern, außer wenn es Verständnisfragen gibt bzw. wenn sie etwas erklären.

Da dieses Thema sehr zentral ist und auch in Bezug auf die sozialen Interaktionen eine große Rolle spielt, möchte ich in diesem Kapitel auf die Entwicklung und die aktuelle Situation der Unterstützung für Menschen mit Lernschwierigkeiten eingehen, welche im Rahmen des Selbstbestimmungsparadigmas entstanden ist.

3.1.1.2.1 Entstehungshintergrund von Unterstützung für Menschen mit Behinderung (A.C.)

Nach Theunissen (2001) ist die Etablierung von Unterstützung für Menschen mit Behinderung in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Self-Advocacy Bewegung, deren Wurzeln in Schweden und der USA liegen, zu sehen. Diese Bewegung setzte sich für ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen ein und sprach sich gegen Diskriminierung, Institutionalisierung und Aussonderung aus. Menschen mit Behinderung erkannten, dass Behinderung vorwiegend durch soziale Aspekte des Ausschlusses aus der Gesellschaft und der Benachteiligung bedingt ist und dass die Probleme, die sich einem erfüllten Leben in den Weg stellen, nicht von ihrer spezifischen Schädigung verursacht werden. (vgl. Miles-Paul 2006) Diese Feststellung brachte eine "[...] Vielzahl von Aktivitäten und Protesten behinderter Menschen in den USA, die die Gesetzgebung erheblich beeinflusste" (Miles-Paul 2006, 32) mit sich. Auch das amerikanische Antidiskriminierungsgesetz, das 1990 in Kraft getreten ist, ist ein nennenswertes Standbein der Bewegung in Richtung Selbstbestimmung. (vgl. Doose 1997) Zentren für selbstbestimmtes Leben,

"[...] die in der Regel von behinderten Menschen selbst geleitet und betrieben werden, [...] trugen durch gezielte Beratung und Unterstützung von Behinderten für Behinderte erheblich zur Ermächtigung und Befähigung (Empowerment) von behinderten Menschen bei" (Miles-Paul 2006, 33).

Die Ursprünge der Unterstützung gingen 1973 von einer Self-Advocacy-Gruppe aus Oregon aus. (vgl. Theunissen 2001) "Sie gilt als die erste, die sich Unterstützung und Assistenz bei einem nichtbehinderten Advisor suchte, der ihnen helfen sollte, für sich selbst zu sprechen, nicht aber die Gruppe zu leiten" (ebd., o.S.; Hervorhebung im Original). Diese Gruppe erklärte sich 1974 mit einer Self-Advocacy-Gruppe aus British Columbia solidarisch und nannte sich People First, um zu demonstrieren, dass ihre Behinderung nicht an erster Stelle steht, sondern die Tatsache, dass sie Menschen sind. (vgl. ebd.)

Diese Wendung, hin zu einem selbstbestimmten Leben, setzt nun Unterstützung in unterschiedlichen, von den individuellen Bedürfnissen abhängigen Bereichen, voraus. Erschwerend kommt nach Theunissen (2001) hinzu, dass viele Menschen mit Behinderung nie gelernt haben, auf ihre Bedürfnisse und Wünsche zu achten, wofür er vorwiegend die pädagogische Fremdbestimmung und die Hospitalisierung verantwortlich macht. So hat Unterstützung, neben medizinischer und pflegerischer Hilfe,

"[...] im Sinne von Empowerment Aufgaben in den Blick zu nehmen, die für eine sinnerfüllte Persönlichkeitsentwicklung und Lebenszukunft, für eine persönliche Lebensplanung, für ein selbstbestimmtes Leben in sozialer und gesellschaftlicher Bezogenheit, für Inclusion (Nicht-Aussonderung) sowie für eine aktive und politische Partizipation an Öffentlichkeit von besonderer Bedeutung sind" (ebd., o.S.).

3.1.1.2.2 Wie sieht Unterstützung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Praxis aus? (A.C.)

"Selbstbestimmung im Leben Behinderter setzt voraus, daß [sic!] notwendige Hilfe weitestgehend unabhängig von Institutionen und deren fremdbestimmenden Zwängen und von fremdbestimmender, entmündigender Hilfe durch die sogenannte Fachlichkeit von Helferinnen organisiert wird" (Steiner 1999, o.S.).

Unterstützung kann, wie in der Situation der Referenzgruppe, sowohl auf praktische Handlungen bzw. Tätigkeiten als auch auf das Verständnis von Inhalten angewendet werden. Im Bezug auf Aktivitäten wird von Assistenz bzw. persönlicher Assistenz gesprochen, welche in Anspruch genommen wird, wenn ein Individuum Schwierigkeiten mit dem Ausüben bestimmter Verrichtungen hat und dazu einer Unterstützung bedarf. Dass die Entscheidung zu diesen Handlungen ausschließlich bei der unterstützten Person liegt, ist dabei oberstes Prinzip. (vgl. Renner 2004) Nebensächlich ist, dass das Individuum nicht aktiv handelt, sondern "indem die Person selbst die Handlung gestaltet, wird sie dabei zum handelnden Subjekt" (ebd., 198). Prinzipien eines selbstbestimmten Lebens, wie Freiheit, Autonomie, Autorität und Verantwortung übernehmen (vgl. Kennedy / Lewin 2004), sind daher auch im Umgang mit Unterstützung wichtige Kriterien. Menschen mit Behinderung haben durch eine angemessene Unterstützung die Möglichkeit wichtige Aspekte ihres Lebens frei zu gestalten und zu wählen, welche gesellschaftlichen Angebote sie nutzen wollen. (vgl. ebd.) "Unterstützung ist der Schlüssel, der Selbstbestimmung funktionieren lässt" (ebd., o.S.). Durch sie können Menschen mit Behinderung ihren Status als "[...] Objekte von Bevormundung, Betreuung und Wohltätigkeit" (Miles-Paul 2006, 33) ablegen und Entscheidungen, die ihr Leben betreffen selbst treffen. Eine

"[...] unverzügliche Machtverschiebung zugunsten behinderter Menschen, so dass die Dienstleistungen für behinderte KundInnen zukünftig maßgeblich von denjenigen, die diese auch in Anspruch nehmen, kontrolliert und bestimmt werden" (ebd., 39),

ist eine Grundlage für dieses Prinzip.

3.1.1.3 Kommunikation (A.C.)

Kommunikation ist ein Phänomen, das den Alltag aller Menschen bestimmt. Beziehungen und Kontakte werden durch kommunikatives Handeln aufgebaut und erhalten und ein soziales Leben ist nur durch Kommunikation möglich. Auch die Arbeit der Referenzgruppe wird durch sie bestimmt, indem die Referenzgruppe miteinander redet und so gewisse Inhalte behandelt und erarbeitet.

3.1.1.3.1 Kommunikation als Sequenz der Interaktion (A.C.)

Bevor im Weiteren erläutert wird, wie eine kommunikative Handlung abläuft, möchte ich an dieser Stelle kurz darauf eingehen, dass Kommunikation als eine spezifische Verhaltensform des Menschen bezeichnet werden kann. Der Ansatz dieser Diplomarbeit orientiert sich dabei an einem Modell von Angelika Linke, Markus Nussbaumer und Paul R. Portmann, das sich für diese Arbeit gut eignet, da es Kommunikation mit Interaktion in Zusammenhang setzt.

Kommunikation wird demnach als symbolische Interaktion beschrieben, die sich von nicht-symbolischen Interaktionen, wie sich in die Augen schauen, zusammen laufen/gehen, etc. abgrenzt. Was Linke et al. (1996) jedoch betonen, ist, dass auch bei solchen nicht-symbolischen Interaktionen meist im Vorhinein oder auch währenddessen kommuniziert wird. Kommunikation wird, wie auch die Interaktion als eine Form der menschlichen Handlung bezeichnet, was damit begründet wird, dass "Kommunizieren und Sprechen [...] die Welt ebenso verändern [können; A.C.] wie jedes andere Handeln" (ebd., 174). Weiters wird Kommunikation bzw. die symbolische Interaktion in verbale und nicht-verbale Kommunikation unterschieden, was in der folgenden Abbildung 1 gut symbolisiert wird.

Abbildung 1: Kommunikation als Element von Interaktion (Linke et al. 1996, 173)

3.1.1.3.2 Wie funktioniert Kommunikation? (A.C.)

Kommunikation ist ein sehr komplexes Phänomen auf der Grundlage bestimmter Regeln, die Menschen im Laufe ihrer Sozialisation durch die Partizipation an sozialen Interaktionen erlernen. Im Rahmen dieser Arbeit ist es mir nicht möglich, auf den enormen Umfang, den dieses Feld bietet, einzugehen, und ich beschränke mich deshalb auf Gesichtspunkte, die im Zusammenhang mit unterstützter Kommunikation, einer Methode der Heilpädagogik und integrativen Pädagogik, welche in der Interaktion der Referenzgruppe eine Rolle spielt, relevant sind.

Kommunikatives Handeln und Sprechhandeln, die zwei Stränge in welche Kommunikation meist unterteilt wird (vgl. Linke et al. 1996), können nicht vom partnerorientierten Handeln losgelöst betrachtet werden.

"Kommunikation geschieht immer in sozialen Interaktionen. Wir wollen in der Kommunikation etwas mitteilen und die Äußerungen von anderen verstehen. Kommunikation ist sozial und intentional. Wie Kommunikation funktioniert, welche Regeln ihr zugrunde liegen, lernen wir in sozialen Interaktionen" (Lage 2006, 188).

Um zu kommunizieren, bedarf es immer einer Person, die Information sendet und einer Person, die diese empfängt.

"Daraus folgt, daß [sic!] an jeder Kommunikation folgende drei Elemente beteiligt sind: (a) ein Sender oder eine Quelle, der oder die (b) eine Botschaft kodiert, die dann (c) über einen speziellen Kanal an einen Sender übermittelt wird, der seinerseits die Botschaft dekodiert" (Forgas 1994, 106; Hervorhebung im Original).

Wie der Prozess einer Kommunikation jedoch gestaltet wird, ist variabel und steht in einer Wechselwirkung mit den individuellen Eigenschaften des/der SenderIn, des/der EmpfängerIn, des speziellen Kanals, der zum Beispiel ein Telefon sein kann und der jeweiligen Botschaft. Welche Taktik eine Person wählt, um mit anderen zu kommunizieren, hängt mit ihrem persönlichen Hintergrund zusammen (vgl. Forgas 1994). Weiters spielen die "[...] kulturspezifischen Formen des Umgangs, sozialer Status der beteiligten Personen, die spezifischen Bedingungen monologischer bzw. dialogischer Kommunikation usw." (Linke et al. 1996, 180) eine Rolle in der Gestaltung des kommunikativen Austausches. Auch das gemeinsame soziale Wissen, das die sendende und die empfangende Person haben, ist ein Einflussfaktor, der nach Joseph P. Forgas (1994) äußerster Berücksichtigung bedarf.

"Wir müssen unsere obige Definition als einen dynamischen, fortlaufenden Prozeß [sic!] erweitern, der sich auf gemeinsames Wissen um Vergangenes und die gemeinsame Geschichte der Partner stützt" (Forgas 1994, 107).

3.1.1.4 Unterstützte Kommunikation (A.C.)

"Unterstützte Kommunikation ist die Unterstützung der Kommunikation von Menschen, die zur Kommunikation mit den gesellschaftlich üblichen Mitteln nicht oder nicht hinreichend in der Lage sind, insbesondere durch Einsatz von speziellen Kommunikationsmitteln als Ersatz für die gesellschaftlich üblichen" (Renner 2004, 101).

Die Referenzgruppe hat ein Mitglied, das mittels der unterstützten Kommunikation mit den anderen Gruppenmitgliedern in Interaktion tritt. Sie bedient sich zwar einer Lautsprache, welche jedoch von Personen, die sie nicht so gut kennen, schwer verstanden wird. Einige Personen haben auch außerhalb der Referenzgruppe Kontakt mit ihr und verstehen sie deshalb besser, aber nicht immer. Sie benützt eine Kommunikationstafel, auf der alle Buchstaben, ähnlich einer Tastatur, abgebildet sind, mithilfe derer sie Wörter schreibt, die von ihrer Unterstützerin an die anderen weitergegeben werden. Um einen Einblick in das Prinzip der unterstützten Kommunikation zu geben, welche sich auf die Interaktionen in der Gruppe auswirkt und somit auch für die Analyse von Bedeutung ist, möchte ich in diesem Kapitel auf die zentralen Aspekte derselben eingehen.

3.1.1.4.1 Unterscheidung der verschiedenen Kommunikationsmittel (A.C.)

Für Menschen, die keine oder wenig Lautsprache haben, gibt es die Möglichkeit, sich mittels der unterstützten Kommunikation auszudrücken. Diese beinhaltet unterschiedliche Verfahren, die je nach Bedürfnis von "[...] körpereigenen Kommunikationsmitteln über nichttechnische Hilfsmittel bis hin zu technischen Kommunikationshilfen" (Renner 2004, 96) reichen. Bei ersterer wird der Körper, im Besonderen die Mimik und Gestik einer Person sowie Gebärden, genützt, um mit seiner Umwelt zu kommunizieren. "Nichttechnische Kommunikationsmittel" (ebd., 69), auch "einfache technische, nicht-elektronische Hilfen" (Lage 2006, 79) genannt, sind Tafeln, Bücher etc., auf denen bestimmte Zeichen oder Buchstaben abgebildet sind, auf die von der Person gedeutet wird. Sie haben den Vorteil, dass sie relativ billig produziert werden können und dass sie nicht einfach ausfallen oder kaputt gehen wie ein elektronisches Gerät.

"Ein weiterer Vorteil, wie es unterstützt kommunizierende Personen selbst sagen, liegt darin, dass die sprechende Kommunikationspartnerin aktiver in den Gesprächsverlauf mit einbezogen wird, weil diese während des Verständigungsprozesses das Formulieren einer Mitteilung mitentwickeln muss" (Lage 2006, 79; Hervorhebung im Original).

Der Vorteil von technischen Hilfsmitteln ist laut Renner (2004), dass sie dem Individuum mehr Selbstständigkeit verleihen, da keine unterstützende Person gebraucht wird oder die KommunikationspartnerInnen nicht eigens auf Kommunikationstafeln etc. mitlesen müssen. Es handelt sich dabei um Computer, die über eine Sprachausgabefunktion verfügen, was unter anderem beim Telefonieren sehr praktisch ist. (vgl. Renner 2004) "Es gibt aber Situationen, in denen ein elektronisches Gerät nicht angemessen ist oder sogar stört, sei es am Meer, im Hallenbad oder während der Gute-Nacht-Geschichte" (Lage 2006, 79).

3.1.1.4.2 Partizipation durch unterstützte Kommunikation (A.C.)

In "[...] Lebensbereichen wie Schule, Arbeit, Konsum, Politik, Freizeitaktivitäten, Medien usw." (Renner 2004, 196) werden jeweils besondere Fertigkeiten von der an ihnen teilhabenden Person abverlangt. Wenn die vorausgesetzten Fähigkeiten nicht vorhanden sind, verringern sich die Partizipationsmöglichkeiten, die das Individuum in der Gesellschaft und in seinem sozialen Umfeld hat. (vgl. ebd.) "Soweit für bestimmte Partizipationsbereiche individuelle Fähigkeiten vorausgesetzt werden, über die manche Mitglieder der Gesellschaft nicht verfügen, wird von Partizipationsbarrieren gesprochen" (ebd., 196). Es gibt verschiedene Arten dieser Barrieren, die vom Sichtbaren, wie einer Treppe vor dem Theater, bis hin zum weniger Nahe liegenden, einer sehr kompliziert formulierten Backanleitung auf der Packung der Fertigbackmischung, reichen. Nach Renner (2004) ist es die Aufgabe der Gesellschaft, Faktoren, die eine Ausgliederung bestimmter Personen zur Folge haben, zu reduzieren.

Im Rahmen der Partizipation an gesellschaftlichen und sozialen Prozessen bzw. wenn Menschen miteinander in Interaktion treten, ist Sprache ein bedeutendes Medium der Verständigung, das Voraussetzung für Partizipation ist. Die unterstützte Kommunikation bietet nun die Möglichkeit, trotz fehlender Lautsprache an eben solchen Prozessen teilzuhaben. (vgl. Renner 2004) "Hierfür muss die Gesellschaft diese alternativen Mittel zur Verfügung stellen, deren Verwendung den betroffenen Menschen vermitteln und die Umsetzung der sozialen Funktionen dieser Mittel akzeptieren" (ebd., 197). Auch das Netzwerk People First Deutschland e.V. - ein Verein der von Menschen mit Lernschwierigkeiten für Menschen mit Lernschwierigkeiten gegründet wurde und sich für ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen einsetzt - fordert von der Gesellschaft, dass Menschen, die sich einer Lautsprache nicht oder nur bis zu einem gewissen Grad bedienen können, die gleichen Rechte wie sprechende Menschen erhalten. Das bedeutet, dass sie ein Recht auf Unterstützung haben, wodurch Kommunikation mit anderen Menschen ermöglicht wird. (vgl. Ströbl 2006)

Wie oben bereits erwähnt, wurde für diese Forderung von der Weltgesundheitsorganisation mit der Veröffentlichung einer Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit eine gute Grundlage geschaffen, da sie auch den sozialen Aspekt von Behinderung berücksichtigt und somit die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung an diversen Lebensbereichen als Aufgabe ihrer Umwelt bzw. deren Ausschluss aus der Gesellschaft auf Grund einer Funktionsstörung als behindernd deklariert wird. (vgl. WHO 2005)

Was an dieser Stelle nun von Bedeutung ist, ist der Zusammenhang von Kommunikation und Partizipation. Im Alltag fällt nicht auf, wie immens die Bedeutung der Kommunikation für die Teilhabe am sozialen Leben ist, da sie meist als selbstverständlich angenommen wird. Doch Menschen mit einer eingeschränkten Sprechfunktion sind in Bezug auf Partizipation dahingehend beeinträchtigt, da die Kommunikation sehr oft Voraussetzung für diese Teilhabe ist. Vor allem wenn es um Beziehungen, wie Freundschaften aber auch geschäftliche Verhältnisse geht, ist Kommunikation ein unabdingbares Medium, das Teilhabe erst ermöglicht. Frustration, die betroffene Menschen in Situationen erleben, in denen sie sich einfach nicht verständigen können, führt meist dazu, dass sie sich völlig zurückziehen und isolieren, da eine aktive Gesprächsbeteiligung nicht möglich ist. Dies führt in weiterer Folge zu einer Entwicklungshemmung, da das Individuum nicht in Interaktionen mit seiner Umwelt treten kann, was für die Persönlichkeitsentfaltung von Bedeutung ist. (vgl. Lage 2006) Unterstützte Kommunikation kann nun dazu beitragen, "soziale Situationen [...] so zu gestalten, dass es allen möglich ist, zu partizipieren und Erfahrungen zu sammeln. So erfahren sie, dass es sich lohnt, an sozialen Interaktionen teilzunehmen" (ebd., 188).

Nur durch die Teilhabe an sozialen Prozessen ist es überhaupt möglich, seine kommunikativen Kompetenzen zu entwickeln bzw. sich Regeln der Kommunikation anzueignen. Wenn ein Mensch auf Grund bestimmter Beeinträchtigungen nicht aktiv an Situationen teilnehmen kann, in denen soziale Interaktion und Kommunikation stattfinden, dann kann er auch nicht die Fähigkeit entwickeln, sich in solchen Situationen angemessen zu verhalten. Es entsteht demnach ein Teufelskreis, im Rahmen dessen Menschen mit Spracheinschränkungen Schwierigkeiten haben, sich an kommunikativen Situationen zu beteiligen, was jedoch Voraussetzung für das Erlernen der für Kommunikation nötigen Kompetenzen ist. Unterstützte Kommunikation bietet eine Gelegenheit aus diesem Teufelskreis auszusteigen. (vgl. Lage 2006)

"Zusammenfassend kann auf dieser Grundlage argumentiert werden, dass erweiterte kommunikative Kompetenzen die sozialen Interaktionen und Bedingungen für Entwicklungsprozesse verbessern und damit die Möglichkeit zur Partizipation erhöhen" (ebd., 188).

3.1.1.5 Zusammenfassung (A.C.)

Es wird deutlich, dass Faktoren bzw. Aspekte, die im Rahmen eines selbstbestimmten Lebens genannt werden, sehr komplex sind. Der historische Hintergrund, aus dem sich dieses Paradigma entwickelt hat, ist sicherlich in seinem Einfluss auf die Gestaltung der Prinzipien nicht zu unterschätzen. Die jahrhundertelange Ungleichbehandlung von Menschen mit Behinderung führte dazu, dass Forderungen an die Gesellschaft gestellt werden, Chancengleichheit zu ermöglichen. Im diesem Rahmen ist ein Leben, das sich durch Selbstbestimmung auszeichnet, unabdingbar. Ein selbstbestimmtes Leben ist dadurch gekennzeichnet, dass die Entscheidungen des Individuums über sein eigenes Leben in allen Bereichen allein bei ihm selbst liegen. Auf Grund einer Beeinträchtigung ist es jedoch nicht immer möglich, Aspekte, die zu einem Leben nach den eigenen Vorstellungen führen, alleine zu realisieren. Unterstützung, die wiederum ausschließlich von der sie benötigenden Person angefordert und koordiniert wird, ermöglicht es Menschen mit Behinderung nun trotz einer Funktionseinschränkung ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Ein Gesichtspunkt, der für das soziale Leben aller Menschen von Bedeutung ist, ist der Kontakt mit seinem/ihrem Umfeld. Um mit anderen Menschen in Interaktion treten zu können, bedarf es jedoch kommunikativen Handelns, was für Menschen mit einer Sprachbeeinträchtigung Schwierigkeiten darstellt. Im Rahmen des Selbstbestimmungsparadigmas hat sich das Konzept der unterstützten Kommunikation entwickelt, das Menschen mit keiner oder wenig Lautsprache das Gespräch mit anderen mittels diverser Kommunikationshilfen, wie Tafeln, Computer usw. ermöglicht.

3.1.2 Das Konzept der Leichten Sprache (E.H.)

Im Jahre 2006 wurde eine Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN)[10] zum Thema der Rechte von Menschen mit Behinderung abgehalten. Dabei wurde die Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UN-Konvention) beschlossen, welche seit März 2007 in einem weiteren Schritt von den Mitgliedsländern unterschrieben werden kann und für die Vertragsstaaten bindend ist. Diese UN-Konvention hat einen Umfang von 50 Artikeln, die unterschiedlichste Bereiche abdecken. (vgl. Biewer 2009)

Von Relevanz für das folgende Kapitel ist nun der Artikel 21 in dem das "Recht der freien Meinungsäußerung, Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen" (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, 1434) für Menschen mit Lernschwierigkeiten festgeschrieben ist. Darin wird gefordert, dass die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen treffen,

"um zu gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen das Recht auf freie Meinungsäußerung und Meinungsfreiheit, einschließlich der Frei-heit, Informationen und Gedankengut sich zu beschaffen, zu empfangen und weiter-zugeben, gleichberechtigt mit anderen und durch alle von ihnen gewählten Formen der Kommunikation [...] ausüben können [...]" (ebd., 1434f).

Das Recht auf Meinungsfreiheit und Zugang zu Informationen beinhaltet, dass für Menschen mit Behinderung keine zusätzlichen Kosten anfallen, wenn sie für sie adäquate Formate und Technologien in Anspruch nehmen bzw. wenn sie Gebärdensprache, Brailleschrift oder andere Kommunikationsformen verwenden. Weiters fordert der Artikel 21 all jene, die Informationen und Dienstleistungen aller Art anbieten, auf, diese auch in Formaten zur Verfügung zu stellen, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. (vgl. ebd.)

Nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. Menschen mit Behinderungen unterschiedlichster Art, sondern auch unterschiedliche Gesellschaftsgruppen - wie zum Beispiel Menschen "mit begrenztem Sprach- oder Lesevermögen" (Tronbacke 1999, o.S.; Hervorhebung im Original), jene "mit begrenztem Verständnis der offiziellen oder dominanten Sprache" (ebd.) oder auch ältere, senile Personen - sind auf Informationen und Dienstleistungen in einer für sie zugänglichen und verständlichen Form angewiesen.

Mit dem Kommunikationsmittel Sprache kann innerhalb einer Gesellschaft eine Barriere bzw. eine Grenze zwischen jenen BürgerInnen entstehen, die Zugang zu umfassender Information haben und jenen, die arm an Information sind, da ihnen auf Grund ihrer sprachlichen Einschränkung der Zugang zu ausführlicher Information verwehrt bleibt. Die dabei entstehende Kluft zwischen "informiert sein" und "nicht-informiert sein" erschwert eine Teilnahme am Gesellschaftsleben als gleichberechtigte BürgerInnen. (vgl. Europäische Vereinigung der ILSMH[11] 1998)

Nicht nur im Rahmen der Vermittlung und Verbreitung von alltäglicher Information und Dienstleistungen, sondern auch im Hinblick auf Literatur, Nachrichten und Medien ist der Einsatz von Materialien, die in adäquater Art und Weise aufbereitet sind notwendig, um Menschen mit Behinderungen und Menschen mit eingeschränktem Sprach- oder Lesevermögen nicht von deren kulturellem Erbe sowie vom Gesellschaftsleben generell auszuschließen. (vgl. Tronbacke 1999)

Um derartigen Chancenungleichheiten sowie dem Ausschluss aus Bereichen des Gesellschaftslebens einzelner Personengruppen vorzubeugen bzw. diese zu vermeiden, kann/soll das Konzept der leichten Sprache angewandt werden.

Auch Walmsley und Johnson (2003) führen an, dass es im Rahmen eines partizipativen Forschungsprojektes zur Gewährung von Barrierefreiheit notwendig ist, für jedes Kapitel eine Kurzversion mit Illustrationen zu erstellen, damit Menschen mit Lernschwierigkeiten die Berichte des Forschungsprojektes (mit Unterstützung) lesen und verstehen können.

"Easy-to-read" oder "Leichte Sprache" ist ein Konzept, welches in Schweden seinen Ursprung hat und das Menschen mit Lernschwierigkeiten den Zugang zu Informationen, aktuellen Nachrichten oder Büchern in verständlicher Form ermöglicht, da sich Menschen mit Lernschwierigkeiten durch unverständliche, komplizierte Texte bzw. Sprache überfordert fühlen können. (vgl. Hoffmann / Stampfer 2003) Durch die Verwendung von Leichter Sprache wird eine Barriere im Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten in gewissem Maße verringert und die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe steigt.

In diesem Kapitel werden nachfolgend in einem ersten Schritt Richtlinien für das Konzept der Leichten Sprache sowie zweitens Texte, die es bereits in Leichter Sprache gibt, skizziert. Anschließend wird aufgezeigt, weshalb das Konzept der Leichten Sprache einen wichtigen Stellenwert in der Arbeit mit der Referenzgruppe hat und wie dieses im Rahmen der Referenzgruppentätigkeit zum Einsatz kommt. Den Abschluss bildet die Auseinandersetzung mit der Frage nach einer eventuellen Komplexitätsreduktion der Inhalte durch die Anwendung dieses Konzeptes.

3.1.2.1 "Easy-to-read" Richtlinien (E.H.)

Für die Umsetzung und Gestaltung von "Easy-to-read"-Texten oder "Easy-Reader"-Materialen werden von unterschiedlichen Vereinen und Institutionen Richtlinien angeboten. Zentrale Aspekte, die Texte enthalten sollen, damit sie den Stempel "LL - Leichter Lesen" erhalten, sind die Verwendung von kurzen und einfachen Sätzen, die Vermeidung von Fremd- oder Fachwörtern, sowie die Verwendung einer großen Schriftgröße und graphischen Darstellungen oder Bildern. (vgl. u.a. Hoffmann / Stampfer 2003; Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V.; Tronbacke 1999) Texte, die den Gütekriterien von Leichter Sprache entsprechen, werden mit dem "Leichter Lesen" Stempel bzw. Gütesiegel, welches in nachfolgender Abbildung 2 ersichtlich ist, ausgezeichnet und kenntlich gemacht.

Abbildung 2: Gütezeichen für Texte in Leichter Sprache. (Capito 2009)

Die Europäische Vereinigung der ILSMH (1998) hat europäische Richtlinien für leichte Lesbarkeit für Menschen mit Lernschwierigkeiten erstellt, die an dieser Stelle aufgezählt und beschrieben werden:

  • Verwendung einer einfachen und unkomplizierten Sprache

Ziel ist die Vermeidung von komplizierten Strukturen und abstrakten Begriffen sowie die Verfolgung einer klaren Idee.

  • Vermeidung von abstrakten Begriffen

Sollte die Verwendung abstrakter Begriffe nicht vermieden werden können, dann sollte deren Bedeutung durch konkrete und/oder praktische Beispiele und Vergleiche dargelegt werden.

  • Verwendung kurzer Worte aus der Alltagssprache, wobei darauf geachtet werden soll, dass immer die gleichen Begriffe für ein Ding/einen Sachverhalt verwendet werden

  • Verwendung von kurzen, einfachen Sätzen

  • Darstellung von nur einem Gedanken pro Satz

  • Persönliche Ansprache sollte bevorzugt eingesetzt werden

Das bedeutet, dass der/die LeserIn direkt angesprochen werden soll. "Du hast/Sie haben das Recht auf ..." statt "Menschen mit Lernschwierigkeiten haben das Recht auf ...". Wichtig dabei ist, dass respektvoll mit den LeserInnen umgegangen und Erwachsenensprache verwendet wird.

  • Vermeidung von Verneinungen, da diese Verwirrtheit hervorrufen können

  • Bevorzugter Einsatz von aktiven anstelle von passiven Verben Durch die Verwendung von aktiven Verben werden Texte lebhafter.

  • Bei der Darstellung eines Themas nicht von bereits vorhandenem Wissen ausgehen und Querbezüge vermeiden

  • Zu vermeiden sind die Verwendung des Konjunktivs sowie Metaphern und nicht sehr gebräuchlichen Redewendungen

  • Auch Fremdworte, Fachjargon, Abkürzungen und Initialen sollten vermieden werden

  • Besondere Vorsicht ist bei der Verwendung von Zahlen geboten

So soll statt großen Zahlen wie 4795 viele oder statt 14% einige bevorzugt geschrieben werden. Bei der Verwendung von kleinen Zahlen, soll die Zahl nicht ausgeschrieben werden - also 3 statt drei.

Für Menschen mit Lernschwierigkeiten ist der Einsatz von Leichter Sprache enorm wichtig, um am Gesellschafts- sowie auch Arbeitsleben teilnehmen zu können. Leichte Sprache bedeutet - wie oben skizziert - unter anderem, dass kurze und einfache Sätze und keine Fremd- oder Fachwörter verwendet werden. Wenn schwierige Wörter jedoch unumgänglich sind, dann müssen sie auf eine Art und Weise erklärt werden, die nicht kindlich ist, da die Inhalte für erwachsene Menschen bestimmt sind. Für die leichte Lesbarkeit eines Textes ist jedoch nicht nur die Formulierung des Textes ausschlaggebend, sondern auch die Unterstützung des Textes mit Bildern und graphischen Darstellungen. Die Formatierung und das Layout leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag für ein leichteres Verstehen. Auch hierzu hält die Europäische Vereinigung der ILSMH Richtlinien für leichte Lesbarkeit fest. Bilder, Illustrationen, Zeichnungen und Symbole, die den Inhalt eines Textes deutlich veranschaulichen, können Menschen mit Lernschwierigkeiten helfen komplexe Texte besser zu verstehen. Es darf vor allem bei der Verwendung von Symbolen nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bedeutung von Symbolen oft nicht eindeutig ist und dass daher gängige und häufig eingesetzte Symbole in "Easy-to-read"-Texten verwendet werden. (vgl. Europäische Vereinigung der ILSMH 1998)

Im Hinblick auf die Formatierung eines Textes gibt es ebenfalls Kriterien, die für den Erhalt des Stempels "LL - Leichter Lesen" erfüllt werden müssen. Darunter fällt unter anderem eine große Schriftgröße (mind. 14pt oder besser 16pt) (vgl. Hoffman / Stampfer 2003) und deutliche Schrifttypen (z.B. Arial, Helvetica oder Times New Roman), wobei pro Text maximal zwei verschiedene Schrifttypen eingesetzt werden sollten. Um wichtige Aussagen hervorzuheben, sollten nicht Block-Großbuchstaben oder Kursiv verwendet, sondern fett gedruckt oder unterstrichen werden. Weiters ist es wichtig, dass kein Bild als Hintergrund verwendet wird, da dadurch die Lesbarkeit des Textes erschwert wird. Wenn möglich, sollte ein Satz so aufgeschlüsselt werden, dass an jeder Stelle, an welcher beim Sprechen eine Redepause gemacht wird, eine neue Zeile beginnt. Dass der Text nicht in Blocksatz, sondern linksbündig ausgerichtet ist, sowie dass keine Wörter am Ende einer Zeile getrennt werden, ist ebenfalls von Bedeutung für "Easy-to-read"-Materialien. (vgl. Europäische Vereinigung der ILSMH 1998)

3.1.2.2 Was gibt es bereits in "Easy-to-read"? (E.H.)

Wie sich bei der Recherche auf unterschiedlichen Websites (People First, Lebenshilfe, Bizeps, ...) zeigte, wird das Konzept der Leichten Sprache immer bekannter und auch häufiger genutzt. So wird auf der Homepage von Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V. darauf verwiesen, dass es ein Wörterbuch in leichter Sprache - mit dem Titel Das neue Wörterbuch für Leichte Sprache - gibt, welches schwierige Wörter erklärt und auch Tipps für die Anwendung des Konzepts Leichte Sprache bereitstellt. Weiters gibt es ein Netzwerk Leichte Sprache, das die Regeln für Leichte Sprache formuliert und ebenfalls Tipps und Tricks für die Anwendung von Leichter Sprache bietet. Dieses Netzwerk bietet eine Liste von Texten in Leichter Sprache an, die ihnen bereits (Stand 19.10.2009) bekannt sind[12]. In diesem Dokument sind die bereits vorhandenen Texte in Leichter Sprache nach Themen geordnet. Zusätzlich gehen daraus Informationen bezüglich Titel, Autor und Erscheinungsjahr des Textes sowie die Information, wo dieser Text beziehbar ist, hervor. Es wird zu Beginn ebenfalls kurz erklärt was und wer das Netzwerk Leichte Sprache ist sowie was Leichte Sprache selbst bedeutet und umfasst.

3.1.2.3 Anwendung des Konzepts der Leichten Sprache in der Arbeit mit der Referenzgruppe (E.H.)

In der Arbeit mit der Referenzgruppe kam das Konzept der Leichten Sprache zu verschiedenen Zwecken zum Einsatz. So entsprachen beispielsweise die Einladungen zu den Treffen, die per Post, aber auch per E-Mail an die Referenzgruppenmitglieder gesandt wurden, den oben geschilderten Richtlinien der leichten Lesbarkeit. Diese Kriterien erfüllten ebenfalls jene Materialien, die in Form von Handouts während den Treffen ausgeteilt wurden und auch die Protokolle, die im Anschluss an die Zusammenkünfte per Post oder per E-Mail für die Referenzgruppenmitglieder zur Verfügung gestellt wurden. In diesem Punkt wurde auch auf die speziellen persönlichen Bedürfnisse eines Referenzgruppenmitgliedes eingegangen, welches eher schlecht sieht und daher die Texte in noch größerer Schrift benötigt, um sie problemlos lesen und verstehen zu können. Das heißt, es wurde für diese Person bewusst ein Exemplar in einer angemessenen Schriftgröße vorbereitet. Zudem wird für die Referenzgruppe ein Wörterbuch in Leichter Sprache angeboten, welches laufend - parallel zu den Referenzgruppentreffen - um weitere Begriffe ergänzt wird. In diesem Wörterbuch finden sich schwierige Begriffe samt Erklärung in Leichter Sprache wieder, die während den Treffen zur Sprache kamen. Diese Begriffe wurden selbstverständlich bei den Treffen sofort mündlich erklärt und notiert, um im Anschluss im Wörterbuch in Leichter Sprache dieses Forschungsprojektes festgehalten zu werden.

An dieser Stelle soll nun zusätzlich ein Beispiel skizziert werden, das sich im Laufe der Referenzgruppentreffen zum Thema "Easy-to-read" ereignet hat und welches verdeutlicht, dass es in der Zusammenarbeit von Menschen mit Lernschwierigkeiten von enormer Bedeutung ist, auf die Sprache und Formulierung zu achten.

"Im Forschungsprojekt allgemein gibt es viel zu tun und es wurden bereits viele statistische Daten zum Thema berufliche Integration erhoben. Dabei wird auch gesagt, dass ‚2/3" der Schüler, die eine Sonderschule besucht hatten, in einer Beschäftigungstherapiewerkstätte untergebracht werden. Als Reaktion auf diese Information stellt ein Referenzgruppenmitglied die Frage: "Was sind ‚2/3"?". Daraufhin erklärt Herr Krög, dass von drei Schülern der Sonderschule zwei in die Beschäftigungstherapie kommen, woraufhin den Referenzgruppenmitgliedern die Bedeutung von "2/3" klar ist" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 93-99).

Wie zuvor im Rahmen der Darstellung der Richtlinien für Leichte Sprache erwähnt wurde, ist es in der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zu vermeiden, komplizierte Zahlen - dazu zählen auch Bruchzahlen - zu verwenden, da diese zu Verwirrungen führen können; was auch im oben angeführten Beispiel geschehen ist. Falls es zu derartigen Missverständnissen kommt, ist es von zentraler Bedeutung, diese in Leichter Sprache aus dem Weg zu räumen.

Weitere Beispiele für den Einsatz des Konzeptes der Leichten Sprache - wie eine Einladung für die Referenzgruppenmitglieder sowie ein ausgewähltes, gekürztes Protokoll - befinden sich im Anhang dieser Diplomarbeit.

3.1.2.4 Führt die Verwendung von "Easy-to-Read"-Materialien zu einem Komplexitätsverlust? (E.H.)

Es ist eine berechtigte Frage, ob der Einsatz von Leichter Sprache eine Verminderung oder gar einen Verlust an Komplexität der Inhalte nach sich zieht. Das beinhaltet aber gleichzeitig die Gegenfrage, ob es möglich ist, alle Sachverhalte - auch hochkomplexe - in einer Leichten Sprache darzustellen bzw. zu vermitteln, ohne dabei wesentliche Kernaussagen eines Textes zu verlieren.

Wie zuvor skizziert, ist es bei der Verwendung von Leichter Sprache unerlässlich, auf unwichtige Details und Ausschmückungen zu verzichten und die wesentlichen Aussagen kurz, aber prägnant und mit einfachen, leicht verständlichen Alltagstermini darzubringen. Hierzu soll folgendes Beispiel - entnommen aus Tronbacke (1999, o.s.) zur Illustration dienen:

"Der Graf von Monte Christo

von Alexander Dumas

‚Am 25. Februar des Jahres 1815 kündete die Wache der Hafenpolizei von Notre-Dame de la Garde die Einfahrt des Dreimasters 'Pharao' an, der von Smyrna über Triest und Neapel signalisiert war und nun vom Lotsen durch die Meerenge zwischen den Inseln Jaros und Caslareigne und um das Kap Pomegue herum in den Hafen geleitet wurde. In Marseille wurde jedes ankommende Schiff von der Menge mit großer Spannung erwartet. Diesmal fiel es den Zuschauern auf, daß das Schiff sehr langsam und nahezu traurig in den Hafen einfuhr, und aller bemächtigte sich eine trübe Ahnung. Besonders einer dieser Wartenden auf der Esplanade Saint-Jean war so unruhig, daß er es nicht abwarten konnte, bis das Schiff im Hafen vor Anker ging, sondern in ein Boot sprang und sich zu dem Schiff im Vorhafen hinausrudern ließ.

Auf dem Vordeck des nahenden Schiffes stand ein junger Mann von großer und schlanker Gestalt. Seine Haltung zeugte von starker und immer wachsamer Energie. Mit einem Blick entdeckten seine scharfen Augen, die schwarz wie Ebenholz waren wie sein Haar, den Mann, der sich zum Schiff rudern ließ. Er war anscheinend trotz seiner Jugend der Kapitän des Dreimasters, denn er stand neben dem Lotsen und beobachtete jede Bewegung des Schiffs und der Besatzung. Jetzt verließ er seinen Platz, trat an die Reling und begrüßte den Mann, der sich in dem Boot näherte, durch Abnehmen seines Seemannshutes, während er sich über die Brüstung beugte. Er hatte in dem Ankommenden seinen Reeder, Herrn Morrel, erkannt. Morrel rief dem Seeoffizier zu:

"Ach, Sie sind es, Dantes! Aber was ist geschehen? Doch kein Unglück, daß Sie so langsam und traurig einfahren?"

"Wir haben unterwegs unseren Kapitän verloren, Herr Morrel.""

Diesem Originalauszug des Werkes "Der Graf von Monte Christo" steht eine Version in Leichter Sprache gegenüber:

"Easy-Reader Ausgabe

Am 24. Februar 1845 segelte ein französisches Schiff

in den Hafen von Marseilles in Südfrankreich.

Das Schiff hieß Pharao.

Auf dem Deck des Schiffs stand ein junger Mann.

Er war groß und schlank,

und hatte schwarze Augen und Haare.

Er sah stark und wachsam aus.

Er hieß Edmond Dantes.

Der junge Mann beobachtete ein kleines Ruderboot,

daß [sic!] sich dem Schiff näherte.

Ein Mann in dem Ruderboot begrüßte ihn

und rief:

‚Ach, Sie sind es, Dantes."

‚Warum sehen Sie denn so traurig aus?"

Der junge Mann antwortete:

‚Ein großes Unglück ist geschehen."

‚Wir haben unseren Kapitän verloren!""

Wie aus diesem Beispiel hervorgeht, sind in der "Easy-to-Read"-Variante des Textes alle wichtigen Ereignisse und Informationen vorhanden und es kann somit nicht von einer Reduktion des zentralen Inhaltes des Textes gesprochen werden. Was jedoch an der Version in Leichter Sprache fehlt, sind Details und Ausschmückungen, welche Menschen mit eingeschränktem Leseverständnis eher entmutigen als motivieren würden, sich einen Text anzueignen.

In der praktischen Umsetzung des Konzeptes der Leichten Sprache in der Referenzgruppe des Forschungsprojektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" kann ebenfalls ein aussagekräftiges Beispiel herangezogen werden, welches verdeutlicht, dass auch komplexe Sachverhalte in Leichter Sprache diskutiert werden können, ohne eine Reduktion des Inhaltes nach sich zu ziehen. So beschäftigte sich die Referenzgruppe bei mehreren ihrer Treffen mit dem Thema Rechte von Menschen mit Lernschwierigkeiten mit ausgewählten Artikeln der UN-Konvention. Den Beobachtungsprotokollen ist zu entnehmen, dass dies eine schwierige thematische Auseinandersetzung war, die viel Geduld benötigte. Doch schlussendlich wurde bei einigen Referenzgruppenmitgliedern das Interesse geweckt, sich der Herausforderung zu stellen und sich weiterhin - auch außerhalb der Referenzgruppentreffen - mit diesem komplexen und schwierigen Thema auseinander zu setzen.

3.1.2.5 Zusammenfassung (E.H.)

Die vermehrte Umsetzung des Konzeptes der Leichten Sprache in unserer Gesellschaft würde dazu führen, die Teilhabeerfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch von jenen mit Leseschwächen oder eingeschränktem Verständnis der offiziellen Sprache eines Staates, deutlich zu erhöhen. Zugleich würde dies eine Reduktion einer Barriere - nämlich einer sprachlichen Barriere - sowie die Ermöglichung eines erweiterten Zugangs zu Information und gesellschaftlicher Teilhabe schaffen. Die Kluft zwischen jenen Personen, die auf Grund ihrer Möglichkeiten die dominante Sprache ohne größere Probleme zu verstehen vermögen und jenen, die wegen ihrer sprachlichen Barrieren "nicht informiert" (Europäische Vereinigung der ILSMH 1998, 7) sind, könnte dadurch ein Stück weit abgebaut und reduziert werden.

Die HauptadressatInnen der Referenzgruppe sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, deren sprachliche Bedürfnisse berücksichtigt werden müssen/sollen, um ein fruchtbares und erfolgbringendes Arbeiten zu ermöglichen. Daher war es an dieser Stelle von Bedeutung, näher auf das Konzept der Leichten Sprache einzugehen, dessen Anwendung in der Arbeit mit der Referenzgruppe eine Grundvoraussetzung für eine gemeinsame Kommunikationsbasis ist. ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten müssen/sollen sich das immer vor Augen halten, um eventuelle sprachliche Barrieren von vorherein aus dem Weg zu räumen.

3.2 Wissenschaftstheoretische Position

3.2.1 Konstruktivismus (E.H.)

Der Konstruktivismus ist eine Erkenntnistheorie, die sich mit der Entstehung von Wissen befasst. Daher wird für die Bearbeitung der Forschungsfrage, die sich mit den Prozessen der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe auseinandersetzt, der Konstruktivismus als Argumentationsgrundlage herangezogen.

Zusätzlich dazu wird in Anlehnung an das Forschungsprojekt "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" die konstruktivistische Grounded Theory nach Charmaz (2006) als Auswertungsmethodologie für die vorliegende Diplomarbeit eingesetzt.

In diesem Kapitel erfolgt zuerst eine überblickshafte geschichtliche Kontextualisierung des Konstruktivismus, welcher in einem zweiten Schritt samt Grundlagen erläutert wird. In der Moderne kam der Konstruktivismus immer mehr in Mode, wodurch ein Perspektivenwechsel in der qualitativen Forschung initiiert wird. Daher erfolgt in weiterer Folge eine Beschreibung der konstruktivistischen Methodologie in der qualitativen Forschung. Sprache und Kommunikation in der Erkenntnistheorie des Konstruktivismus werden ebenfalls umrissen.

3.2.1.1 Geschichtlicher Abriss des Konstruktivismus (E.H.)

Zu Beginn muss festgehalten werden, dass es nicht den einen Konstruktivismus gibt, sondern verschiedene konstruktivistische Theorien, deren Richtung von den jeweiligen Anfangsansätzen abhängig ist. Kognitivismus, Systemtheorie, Erlanger Konstruktivismus, Konstanzer Konstruktivismus, aber auch der radikale Konstruktivismus sind einige Beispiele für die unterschiedlichen Strömungen des konstruktivistischen Denkens. (vgl. Jensen 1999)

Jensen (1999, 88) führt eine Differenzierung "zwischen dem ‚älteren" Konstruktivismus (in Kunst und Wissenschaft) und dem ‚neuen" Konstruktivismus (Theorie der wissen-schaftlichen Beobachtung)", welcher auf dem von Ernst von Glasersfeld begründeten ‚radikalen Konstruktivismus" fundiert, durch. Diese bloße Einteilung impliziert eine Weiterentwicklung des konstruktivistischen Denkens. Vor allem der "neue Konstruktivismus" wird in dieser Diplomarbeit von Bedeutung sein, da dabei das Verhältnis von Wissen und Wirklichkeit und somit die Frage nach dem Zustandekommen von wissenschaftlichem Wissen im Zentrum stehen.

Der Konstruktivismus in seinen unterschiedlichen theoretischen Facetten weist bereits eine sehr lange historische Entwicklung auf. (vgl. ebd.) Mit der These, dass der Mensch nur sein eigenes geschichtliches Wirken - also das, was er selbst gemacht hat - versteht und erkennt, formulierte Giambattista Vico im 18. Jahrhundert erstmals die eigentliche konstruktivistische These. (vgl. Jensen 1999; Glasersfeld 1992) Neben Vico war George Berkeley ein weiterer Vordenker der konstruktivistischen Theorien des 18. Jahrhunderts (vgl. Glasersfeld 1992; Lindemann 2006). Später finden sich konstruktivistische Denkansätze bei Immanuel Kant, Max Weber, Norbert Elias, George H. Mead und Jean Piaget. Ende des 20. Jahrhunderts werden Humberto Maturana, Francisco Varela, Heinz von Foerster, Ernst von Glasersfeld, Peter L. Berger und Thomas Luckmann sowie Paul Watzlawick mit Ansätzen des philosophischen Konstruktivismus assoziiert. (vgl. Korte 2007) Vor allem seit den 1970er Jahren wurde der Begriff Konstruktivismus wiederentdeckt und mit neuen Bedeutungen versehen. (vgl. Jensen 1999) So begründet zum Beispiel Ernst von Glasersfeld den "radikalen Konstruktivismus", wobei er sich unter anderem auf die entwicklungspsychologischen Aussagen von Jean Piaget beruft. (vgl. Wagner 2000; Glasersfeld 1992)

Durch die Integration verschiedener Wissenschaftsdisziplinen (Sprachwissenschaft, Kybernetik, Chaostheorie) in die konstruktivistische Diskussion wird diese "zunehmend differenzierter und unübersichtlicher" (Siebert 2005, 14). Zur Forcierung der Unübersichtlichkeit trägt einerseits auch bei, dass bei Maturana und Varela - den ""Klassiker"[n; E.H.] des Konstruktivismus" (ebd.) - der Terminus selbst unerwähnt bleibt und andererseits, dass von verschiedenen SozialwissenschaftlerInnen eine Anerkennung der Beobachterunabhängigkeit und eine Distanzierung der Position des "radikalen Konstruktivismus" erfolgt. (vgl. ebd.)

Im Rahmen dieser Arbeit ist es nicht möglich, ausführlich auf die unterschiedlichen konstruktivistischen Ansätze bzw. Sichtweisen des Konstruktivismus, die historisch existierten bzw. gegenwärtig vorzufinden sind, einzugehen, da - wie bereits erwähnt - die konstruktivistische Diskussion sehr umfangreich, bereits sogar unüberschaubar, ist. Daher wird im nächsten Schritt darauf eingegangen, was der Konstruktivismus im Sinne dieser Arbeit ist, und welche Grundannahmen - vor allem dem radikalen Konstruktivismus nach Ernst von Glasersfeld - zu Grunde liegen. Die Fokussierung auf den radikalen Konstruktivismus nach Glasersfeld erfolgt in dieser Diplomarbeit, weil vor allem diese Tradition des konstruktivistischen Denkens für die qualitative Forschung von Bedeutung ist. Aber auch der soziale Konstruktivismus in der Tradition nach Schütz, Berger und Luckmann und Gergen spielt in der qualitativen Forschung eine wichtige Rolle. (vgl. Flick 2005) Schwandt (1998) geht in seinen Ausführungen zum Konstruktivismus in der qualitativen Forschung ebenfalls auf die radikale konstruktivistische Konzeption von Glasersfeld sowie die Konzeption des sozialen Konstruktivismus nach Gergen ein. Da die konstruktivistische Grounded Theory nach Kathy Charmaz in der sozialkonstruktivistischen Richtung zu verorten ist (vgl. Charmaz 2008), wird der soziale Konstruktivismus ebenfalls kurz diskutiert.

Im Gegensatz zum radikalen Konstruktivismus, bei dem im Zuge der Entstehung von Wissen der Fokus auf dem Individuum und dessen Konstruktion der Wirklichkeit liegt, entsteht im sozialen Konstruktivismus Wissen durch soziale Prozesse (vgl. Schwandt 1998). Daher werden in weiterer Folge[13] zwar zentrale Aspekte des radikalen Konstruktivismus skizziert, um Grundzüge des konstruktivistischen Denkens darzulegen. Im Rahmen der qualitativen Forschung hingegen, sowie in Bezug auf die konstruktivistische Grounded Theory nach Charmaz, nimmt die sozialkonstruktivistische Richtung einen zentralen Stellenwert ein, weshalb in Kapitel 3.2.1.3 diese Richtung des Konstruktivismus thematisiert wird.

3.2.1.2 Was ist der Konstruktivismus? (E.H.)

"Der Konstruktivismus ist eine Art des Nachdenkens über Wissen - Wissen als Handeln und auch als Ergebnis" (Glasersfeld 1992, 20).

Mit dem Terminus Konstruktivismus wird eine Erkenntnistheorie, teilweise aber auch eine Handlungstheorie (vgl. Siebert 2005) bezeichnet, die sich die Frage danach stellt, "wie Menschen Erkenntnisse bzw. Wissen erlangen" (Lindemann 2006, 13) oder, "wie Wissen bzw. Er-kenntnis im Subjekt entstehen" (ebd.).

Wie bereits im vorhergehenden Kapitel erwähnt, ist der Konstruktivismus keine einheitliche Schule oder Denkrichtung, sondern eher ein interdisziplinärer Diskurs, in dem Konsequenzen erkenntnistheoretischer Grundannahmen und Ergebnisse aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven diskutiert werden. Wichtig ist, dass es nicht die eine konstruktivistische Theorie gibt, sondern unterschiedliche Formen des Konstruktivismus, die je nach Schwerpunktsetzung und Grundannahme differenzieren. (vgl. ebd.)

Alle konstruktivistischen Theorien beruhen auf der gemeinsamen Grundannahme, dass keine vom Subjekt unabhängige Realität existiert, sondern, dass allem Erkennen und Wissen ein subjektiver und/oder sozialer Konstruktionsprozess vorausgeht, welcher auf die Wahrnehmung und somit auch auf das Erleben des einzelnen Subjektes zurückgeht. Die Wirklichkeit, die wir erfahren, bildet also nicht die Welt "an sich" ab, sondern ist das Ergebnis eines Konstruktionsprozesses, der beobachterabhängig ist. (vgl. Lindemann 2006; Pörksen 2002; Siebert 2005)

"Die Kernthese des Konstruktivismus lautet: Menschen sind autopoietische, selbstrefe-renzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. [...] Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschicht-lich als lebensdienlich erwiesen hat. [...]" (Siebert 2005, 11; Hervorhebung im Orignial)

Bezüglich der "Konzentration auf den Beobachter" (Pörksen 2002, 14) und somit dahingehend, dass der/die BeobachterIn den/die ProtagonistIn in jedem Erkenntnisprozess darstellt, herrscht Einigkeit in den konstruktivistischen Theorien. Der Hinweis auf die zentrale Rolle des Beobachters/der BeobachterIn[14], welcher - wie bereits erwähnt - im Konstruktivismus zentral ist, ist bei Humberto R. Maturana zu finden. Maturana führte ihn mit der Aussage "Alles, was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt" (Maturana 1998, 25; zit. nach Pörksen 2002, 12), welche als Schlüsselsatz im konstruktivistischen Denken gilt, ein. Maturana fügt dem hinzu, dass der/die BeobachterIn das Fundament des Erkennens ist und es daher ohne den/die BeobachterIn nichts gibt. (vgl. Maturana 2002)

"Der singuläre und der autonome Beobachter [...] beobachtet mit den Augen seiner Gruppe, sieht die Welt vor dem Hintergrund seiner Herkunft und ist eben gerade keine weitgehend blinde Black Box oder eine Monade, son-dern in jedem Fall beeinflussbar und extrem empfänglich für Außen-eindrücke" (Pörksen 2002, 14).

Von Foerster behauptet, der/die BeobachterIn schaue in sich hinein. "Was er [der Beobachter, Anmerkung E.H.] sagt, ist seine Auffassung von dem, wie es ihm zu sein scheint" (ebd. 2002, 24; Hervorhebung im Original). Das bedeutet, dass die erzeugte Wirklichkeit vom subjektiven Erleben und von der subjektiven Erfahrung des/der beeinflussbaren Beobachtenden abhängig sei. Mit der These der Beobachterabhängigkeit allen Erkennens, welche auch als Aufhebung des klassischen "Subjekt-Objekt-Dualismus" (Siebert 2005, 11) bzw. der "Subjekt-Objekt-Spaltung" (Pörksen 2002, 109) interpretiert werden kann, ergibt sich die Verabschiedung des Anspruches auf Objektivität.

Die menschliche Wahrnehmung, die "eine subjektive Tätigkeit und kein objektives Geschehen ist" (Lindemann 2006, 16), stellt das Instrument der Beobachtung und insofern den Zugang zur Welt dar. Wahrnehmung ist ein von der subjektiven Erfahrung und dem Wissen des/der Einzelnen geprägter Konstruktionsprozess und kann somit keine Abbildung der Realität an sich liefern. (vgl. ebd.) Um letztlich bezüglich der Übereinstimmung zwischen der wahrnehmungsunabhängigen, objektiven Realität und der erlebten Wirklichkeit entscheiden zu können, wäre es notwendig auf das Original (die Realität) zurückgreifen und die eigenen Beobachtungen und Wahrnehmungen damit vergleichen zu können. Da jedoch die Wahrnehmung der einzige Zugang zur Welt / Realität ist, ist dies nicht möglich. (vgl. ebd.) Glasersfeld (2002, 48) zufolge ist es nicht feststellbar, "ob sich jemand ein völlig richtiges Bild von der Rea-lität macht - denn es ist unmöglich, diese Richtigkeit, selbst wenn sie gegeben sein sollte, zu verifizieren", da alle "Versuche, das Bild des Wirklichen mit der Wirklichkeit selbst zu vergleichen" (ebd.) durch die Wahrnehmung, welche die einzige Erfahrungsschnittstelle mit einer wahrnehmungsunabhängigen, objektiven Welt darstellt, geprägt sind. (vgl. Lindemann 2006)

Glasersfeld lässt im radikalen Konstruktivismus die ontologische Frage nach der Existenz der Realität (Frage nach dem Sein) außen vor und widmet sich ausschließlich der Epistemologie, also einer Erkenntnistheorie, die sich mit der Frage nach der Erlangung von Wissen beschäftigt. (vgl. ebd.) Dem radikalen Konstruktivismus, welcher nicht die möglichen Inhalte und Gegenstände von Erkenntnis und Wissen, sondern den Erkenntnisvorgang an sich und dessen Wirkungen und Resultate fokussiert, wird auf Grund der Entfaltung eines Verständnisses von Wissen und Erkenntnis ohne der Berücksichtigung der Ontologie, sowie ohne der Berücksichtigung der Idee der Repräsentation der Realität, eine gewisse Radikalität zugeschreiben. (vgl. Wagner 2000)

"Der radikale Konstruktivismus ist also vor allem deswegen radikal, weil er mit der Konvention bricht und eine Erkenntnistheorie entwickelt, in der die Erkenntnis nicht mehr eine ‚objektive", ontologische Wirklichkeit betrifft, sondern ausschließlich die Ordnung und Organisation von Erfahrungen in der Welt unseres Erlebens" (Glasersfeld 1987, 203).

Im Konstruktivismus ist mit der Anerkennung jedes Menschen als ständigen subjektiven Beobachter "die Unterscheidung zwischen erkennendem Subjekt und er-kanntem Objekt, zwischen Innenwelt und Außenwelt [...] nichts von vornherein Ge-gebenes" (Lindemann 2006, 25; Hervorhebung im Original). Das bedeutet, dass jede Beschreibung auf Beobachtungen sowie deren unumgängliche Subjektivität zurückzuführen ist. Für Glasersfeld ist es obligatorisch, die "Frage nach dem Sein der Dinge (Ontologie) vollständig von der Frage nach dem Wissenserwerb (Epistemologie) zu trennen" (Glasersfeld 1987a, 411f; zit. nach Lindemann 2006, 25). Somit wird eine Trennung zwischen Wirklichkeit und Realität notwendig. Der Begriff Realität umfasst die wahrnehmungsunabhängige, objektive (ontische) Welt während der Begriff Wirklichkeit die subjektive, von jedem/r BeobachterIn konstruierte Welt beschreibt. (vgl. Lindemann 2006) Der radikale Konstruktivismus verabschiedet den/die objektive/n BeobachterIn, den Menschen als erkennenden Entdecker zu Gunsten des/der subjektiven, konstruierenden BeobachterIn. (vgl. Glasersfeld 1992)

Ausgangspunkt der erkenntnistheoretischen Position des radikalen Konstruktivismus ist daher die Frage nach der Entstehung von unserem Wissen über die Welt.

3.2.1.3 Konstruktivistische Theorien in der qualitativen Forschung (E.H.)

Qualitative Forschung "[...] interessiert für den Nachvollzug subjektiv gemeinten Sinns, die Beschreibung der Herstellung sozialen Handelns und sozialer Milieus und der Rekonstruktion tiefer liegender Strukturen sozialen Handelns" (Flick 2005, 20). Durch die Konzentration auf diese drei Blickwinkel knüpft die qualitative Forschung wissenschaftstheoretisch an konstruktivistische Theorien an. Für die qualitative Forschung ist im Besonderen die Richtung des radikalen Konstruktivismus nach Glasersfeld, sowie jene unterschiedlicher Traditionen des sozialen Konstruktivismus, wie etwa von Schütz, Berger und Luckmann und Gergen, relevant. Der Konstruktivismus ist für die qualitative Forschung, in deren Rahmen Wissen produziert wird, von Bedeutung, da er sich mit der Entstehung des Wissens beschäftigt. (vgl. ebd.)

Guba und Lincoln beschreiben in ihrem Werk Fourth Generation Evaluation (1989) einen Paradigmenwechsel in der Sozialwissenschaft. "Fourth Generation Evaluation" ist hierbei die Bezeichnung für konstruktivistische Theorien und Methodologien, die Eingang in die qualitative Sozialforschung gefunden haben. Die Methodologie des Konstruktivismus haben diese AutorInnen jedoch bereits zuvor unter dem Stichwort "naturalistic inquiry" diskutiert. Aber auch mit den Begriffen "interpretive" und "hermeneutic" wurde diese alternative Methodologie betitelt. (vgl. Guba / Lincoln 1989 und 1998; Schwandt 1998)

Wie oben bereits geschildert, wird im Konstruktivismus der Aspekt der Objektivität und die "Vorstellung einer subjekt-unabhängigen Beobachtung" (Lindemann / Vossler 1999, 14) abgelehnt, da im Konstruktivismus "jedes Wissen subjektiv [ist, E.H.] und [...] nicht von der Subjektivität getrennt werden" (ebd.) kann.

"Wahrnehmen und Erkennen sind keine Abbildungen einer wahr-nehmungsunabhängigen Realität, sondern das Konstrukt eines aktiven Subjekts. Der Mensch ist kein Entdecker der Gegebenheiten einer vor-gefertigten Welt, sondern ein Erfinder und Konstrukteur, dessen Kon-strukte sich innerhalb seiner Wahrnehmung bewähren müssen, nicht in der Realtiät" (ebd.).

Wahrnehmung, Erkenntnis und Wissen sind demnach subjektiv konstruiert. Auch Schwandt (1998, 236) schildert, dass Wissen, Erkenntnis und Wahrheit in konstruktivistischem Denken konstruiert sind: "Constructivists are deeply committed to the contrary view that what we take to be objective knowledge and truth is the result of perspective. Knowledge and truth are created, not discovered by mind". Wie bereits erwähnt, gehen Konstruktivisten demzufolge davon aus, dass es keine wahrnehmungsunabhängige Realität gibt und somit auch keine Aussagen über eine wahrnehmungsunabhängige, objektive Realität getroffen werden können. (vgl. Lindemann / Vossler 1999)

"In von Glasersfeld's view, knowl-edge is not a particular kind of product (i.e., a representation) that exists independent of the knower, but an activity or process" (Schwandt 1998, 239; Anmerkung im Original).

Das bedeutet, dass Wissen das Ergebnis eines Konstruktionsprozesses ist und nicht die bloße Abbildung einer objektiven, beobachterunabhängigen Wirklichkeit.

Somit stellen im konstruktivistischen Paradigma in der qualitativen Forschung den Sozialkonstruktivisten Guba und Lincoln (1989, 143) zufolge Konstruktionen "created realities" dar. "They (created realities, Anmerkung E.H.) do not exist outside of the persons who create and hold them, they are not part of some "objective‟ world that exists apart form their constructors" (ebd.). Diese Konstruktionen entstehen durch Interaktionsprozesse des Konstrukteurs mit seiner Umwelt (Informationen, Umfeld, anderen Konstrukteuren,...) auf der Basis von bereits gemachten Erfahrungen. Dem ist hinzuzufügen, dass so viele Konstruktionen wie Konstrukteure existieren und dass diese Konstruktionen nicht starr sind, sondern sich verändern können, wenn dem Individuum zusätzliche Informationen und Erfahrungen zur Verfügung stehen. (vgl. Guba und Lincoln 1989 und 2005) Als Wirklichkeit wird jener Zustand beschrieben, in dem bezüglich mehrerer Konstruktionen ein Konsens besteht. "Truth is a matter of the best-informed and most sophisticated construction on which there is consensus at a given time" (Schwandt 1998, 243). (vgl. Guba / Lincoln 2005)

Einen zentralen Aspekt in der konstruktivistischen Methodologie stellt auch die Interaktion zwischen den ForscherInnen und dem beforschten Subjekt dar. In dieser Interaktion erfolgt die Konstruktion des Datenmaterials. (vgl. Guba / Lincoln 1989)

Berger und Luckmann (1980) begründen mit dem Werk Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie den so genannten Sozialkonstruktivismus, in dem sie sich auf das Konzept der Lebenswelt von Schütz stützen. Im Zentrum des sozialen Konstruktivismus steht die Erforschung der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit.

"Die Wirklichkeit, so die These des [sozialen, Anmerkung E.H.] Konstruktivismus, existiert nur in und durch die Handelnden. Wirk-lichkeit also ist eine Konstruktion der Handelnden" (Knoblauch 2005, 153)

Berger und Luckmann (1980) zufolge ist Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert, wobei zu beachten ist, dass spezifische Zusammensetzungen von "Wirklichkeit" und "Wissen" von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sind. Um dies zu verdeutlichen führen sie folgendes Beispiel an:

"[...] was für einen tibetanischen Mönch ‹wirk-lich› ist, braucht für einen amerikanischen Geschäftsmann nicht ‹wirk-lich› zu sein. Das ‹Wissen› eines Kriminellen ist anders als das eines Kriminologen" (Berger / Luckmann 1980, 3).

Der Mensch, welcher immer auch "homo socius" (ebd., 54; Hervorhebung im Original) - ein vergesellschaftetes Wesen - ist, entwickelt sich im Kontakt zur bzw. in Wechselwirkung mit der Umwelt. (vgl. Siebert 2004) Einerseits produziert sich der Mensch in gesellschaftlichem Rahmen und andererseits ist die Gesellschaftsordnung "Resultat vergangenen menschlichen Tuns" (ebd., 55) und "als solche ein Produkt des Menschen" (ebd.).

Im sozialen Konstruktivismus wird den sozialen Austauschprozessen bei der Entstehung von Wissen, vor allem aber den verwendeten Begriffen, besondere Bedeutung zugeschrieben. "Wissen wird in sozialen Austauschprozessen konstruiert, basiert auf der Rolle von Sprache in sozialen Beziehungen und hat vor allem soziale Funktionen" (Flick 2005, 23).

"The social constructionist approach is predicated on the assumption that" (Schwandt 1998, 240) "the terms by which the world is understood are social artifacts, products of historically situated interchanges among people" (Gergen, 1985, 267; zit. nach Schwandt 1998, 240).

Wie bereits oben erwähnt, ist auch Kathy Charmaz in der sozialkonstruktivistischen Richtung zu verorten.

"My approach explicitly assumes that any theoretical rendering offers an inter-pretive portrayal of the studied world, not an exact picture of it. (Charmaz, 1995b, 2000; Guba & Lincoln, 1994; Schwandt, 1994). Research participants' implicit meanings, experiential views-and researchers' finished grounded theories-are constructions of reality" (Charmaz 2006, 10).

Charmaz widerspricht Glaser und Strauss dahingehend, dass weder Daten noch Theorien entdeckt werden; sie werden konstruiert. Weiters plädiert sie dafür, dass Wissen ebenso wie die Erkenntnisse einer Untersuchung in der sozialen Interaktion zwischen ForscherIn und dem Forschungssubjekt entsteht.

"[...] we are part of the world we study and the data we collect. We construct our grounded theories through our past and present involvements and interactions with people, perspectives, and research practices" (ebd., 10).

Nachfolgend wird schematisch die Methodologie eines konstruktivistischen Forschungsprozesses beschrieben.

Abbildung 3: Die Methodologie konstruktivistischer Forschung (Guba / Lincoln 1989, 174)

Wie aus Abbildung drei ersichtlich, muss ein konstruktivistischer Forschungsprozess vier Eingangsbedingungen erfüllen, um gelingen zu können:

(1) Die Durchführung der Untersuchung in einem natürlichen Setting (Kontext) ist notwendig, da im Kontext die Konstruktionen der untersuchten Subjekte authentisch sind.

(2) Der Mensch ist das Wahlinstrument des Konstruktivisten, der offen in den Forschungsprozess hineingeht, beobachtet, herausragende Fragen/Aspekte wahrnimmt und sich dann auf diese konzentriert.

(3) Einsatz von qualitativen Methoden: Gespräche, Interviews, Beobachtung

(4) Konstruktivisten bringen implizites Wissen[15] in den Forschungsprozess mit ein.

"Whereas the conventional paradigm focuses on the criterion of corres-pondence (between findings and reality), the constructivist focuses instead on consensus" (Guba / Lincoln 1989, 180). Nach Gewährleistung der Eingangsbedingungen soll dieses Ziel mittels eines hermeneutischen Zirkels erreicht werden, indem der Datenerhebungsprozess und die Datenanalyse parallel ablaufen und somit weitere klärende Interaktionen zwischen dem/der ForscherIn und den Forschungssubjekten möglich sind. Je genauer der/die ForscherIn einen Fokus in der Untersuchung festlegt, umso strukturierter wird die Datenanalyse und somit die daraus hervorgehende Konstruktion. Dabei kann es notwendig sein, des Öfteren einen Schritt zurück und dann wieder nach vor zu gehen, bis ein Konsens erreicht wird. Den Abschluss eines konstruktivistischen Forschungsprozesses bildet ein Fallbericht, in welchem der erlangte Konsens (joint construction) skizziert wird. (vgl. ebd.) "[...] the methodology of the constructivist [...] is iterative, interactive, hermeneutic, at times intuitive, and most certainly open" (ebd., 183).

3.2.1.4 Sprache und Kommunikation (E.H.)

Das Individuum konstruiert sich seine Wirklichkeit in Zuge eines aktiven Prozesses der Konstruktion und spricht seinen Wahrnehmungen, Abstraktionen und Erinnerungen sprachliche Begriffe zu. Die Zuordnung dieser sprachlichen Begriffe geht auf die subjektive Wahrnehmung und Erfahrung des jeweiligen Subjektes und nicht auf beobachterunabhängige Gegenstände und Zusammenhänge zurück. Das bedeutet, dass unterschiedliche Subjekte mit denselben sprachlichen Begriffen unterschiedliche Wahrnehmungen bzw. Wirklichkeiten in Zusammenhang bringen. Sprache ist das Medium mit welchem Subjekte gegenseitig zueinander in Beziehung treten können, wobei

"Sprache nur solche Elemente bezeichnen [kann, E.H.], die das Subjekt in seiner Erfahrung als eigenständig isoliert hat. Sprache ist daher konnotativ (zuweisend) und deskriptiv (beschreibend) auf die innere Ordnung eines Subjektes bezogen, also auf seine Re-Präsentationen, Abstraktionen und seine Reflexion" (Lindemann 2006, 109).

Zudem gilt es festzuhalten, dass die Verwendung der Sprache gewöhnlich beständiger wird, jedoch stimmen die sprachlichen Bezeichnungen nicht mit den Dingen an sich überein, sondern mit der Wahrnehmung und der Erfahrung der Subjekte. (vgl. ebd.)

Kommunikation meint die gegenseitige Bezugnahme von Subjekten. In der konstruktivistischen Kommunikationstheorie gilt es abzuklären, wie Kommunikation stattfinden kann, "wenn die Bedeutung von Mitteilungen vom je-weiligen Gegenüber konstruiert wird, also nicht mit der vom Sprecher in-tendierten Bedeutung identisch sein kann" (Lindemann 2006, 115).

Im konstruktivistischen Denken muss auch der Akt der Kommunikation im Zusammenhang mit der subjektiven Wahrnehmung betrachtet werden. Der Kommunikationsprozess stellt eine Wechselwirkung zwischen zwei interagierenden Subjekten dar, wobei abwechselnd ein Subjekt die Position des Orientierten einnimmt und eines die des Orientierenden. Jenes Subjekt in erstgenannter Stellung versucht mit Hilfe von Sprache auf die Konstruktionen des Gegenübers einzuwirken, während jenes in letztgenannter Position "[...] die von ihm selbst wahrgenommenen Zeichen eines anderen als Grundlage seiner eigenen Konstruktionen nimmt" (ebd., 115). Im Kommunikationsprozess werden Aussagen getätigt, die dem Bild des Gegenübers gemäß erscheinen. Das bedeutet wiederum, dass im Kommunikationsprozess keine tatsächliche Übereinstimmung bzw. Objektivität, sondern das Erreichen eines Konsenses angestrebt wird, wobei sich dieser auf dem Bild, welches ein Subjekt von seinem Gegenüber hat, fundiert. (vgl. ebd.)

3.2.1.5 Zusammenfassung (E.H.)

Im Rahmen der Datenerhebung (Beobachtung) sowie der Bearbeitung der Daten konstruieren wir (die Beobachterinnen und Verfasserinnen der Diplomarbeit) aktiv Kodes, die wir auf Grund unserer subjektiven Erfahrungen im Datenmaterial sehen und benennen, denn im konstruktivistischen Zugang unterliegen sowohl die Daten als auch deren Analyse einem subjektiven Konstruktionsprozess auf Grundlage der Erfahrungen und Interaktionen zwischen ForscherInnen und Forschungssubjekten. (vgl. Charmaz 2006)

In der Referenzgruppe treffen viele unterschiedliche, subjektive Wirklichkeitskonstruktionen verschiedener Akteure (Referenzgruppenmitglieder, ModeratorInnen, UnterstützerInnen, Beobachterinnen) aufeinander, die durch subjektive Wahrnehmungen und Erfahrungen zustande kommen. All diese Konstruktionen von Wirklichkeit fließen in den Prozess der Erkenntnisgewinnung mit ein und tragen zur Theoriekonstruktion bzw. zur Beantwortung der Frage, wie Wissen entsteht, bei. Erwähnenswert erscheint zudem, dass nach Charmaz (2006) Wissen bzw. Erkenntnis nicht allgemein gültig ist, sondern von ForscherInnen konstruiert wird. "The theory depends on the researcher‟s view" (ebd., 130; Hervorhebung im Original). Demnach bilden die Ergebnisse, die im Kapitel Auswertung präsentiert werden, die subjektiven Konstruktionen der Beobachterinnen bezüglich der subjektiven Konstruktionen aller bei den Referenzgruppentreffen beteiligten Personen ab und erheben nicht den Anspruch auf universelle Gültigkeit.

3.2.2 Das Prinzip der partizipativen Forschung (A.C.)

Im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen beschäftigen sich ForscherInnen mit einem Forschungsgegenstand, der eine Handlungsweise, ein Verhalten, ein physisches Objekt, ein Tatbestand und vieles mehr sein kann. Oft steht der/die ForscherIn in persönlichem Bezug zu dem von ihm/ihr untersuchten Forschungsgegenstand und kann sich dadurch auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse stützen, um Forschungsfragen, Hypothesen usw. zu formulieren. Es gibt aber auch Bereiche, gerade wenn es um die Lebensgeschichte von Menschen mit Behinderung geht, die von Menschen beforscht werden, die selbst noch nie in diese spezifische Situation versetzt waren. Dies führt dazu, dass der Forschungsprozess auf reinen Annahmen basiert.

Wenn ein Forschungsvorhaben geplant wird, das Aspekte aus dem Leben von Menschen mit Behinderung untersucht, muss die Entscheidung getroffen werden, ob Menschen mit Lernschwierigkeiten nur beforscht werden oder ob sie selbst als ForscherInnen tätig sind.

Dem Forschungsprojekt "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs", im Rahmen dessen diese Arbeit entsteht und das sich mit den individuellen Erfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Arbeitswelt beschäftigt, liegt eine partizipative Herangehensweise an den Forschungsstand in Form der Miteinbeziehung einer Referenzgruppe, zu Grunde. Im folgenden Kapitel soll, nach einer kurzen Darlegung des geschichtlichen Hintergrundes, erläutert werden, was es bedeutet, partizipativ zu forschen.

3.2.2.1 Historische Verankerung der partizipativen Forschung (A.C.)

Die Wurzeln des partizipativen Forschungsansatzes gehen nach Jan Walmsley und Kelly Johnson (2003, 44f) auf die Normalisierungsbewegung, die in Schweden und Dänemark bereits in den späten 1950er Jahren entstand und in Nordamerika dann während der 1970er und 1980er Jahre neu dargelegt wurde, zurück. Der Grundgedanke des skandinavischen Ansatzes, ein möglichst normales Leben für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ermöglichen, stammt von dem dänischen Bank-Mikkelson (1969, zit. nach Walmsley / Johnson 2003) und wurde von Nirje in Schweden weiterentwickelt. Menschen, die sich der Bewegung anschlossen, forderten eine Veränderung im Bereich der Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten und machten darauf aufmerksam, dass diese Menschen wie alle anderen sind. (vgl. Walmsley / Johnson 2003)

"Normalization / social role valorization opended the way for research which took people with learning disabilities seriously as potential respondents with its emphasis on the importance of according people valued social roles, and the emphasis it places on the duty of non-disabled people to work for the interests of devalued people, particularly as advocates" (Walmsley / Johnson 2003, 59).

Das Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde dadurch zum Thema von Forschung, die jedoch allein von ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten durchgeführt wurde, die als FürsprecherInnen agierten. Es wurde dann im Rahmen der emanzipatorischen Forschung die Forderung laut, dass jene ForscherInnen ihre Fachkenntnisse mit Personen mit Lernschwierigkeiten teilen sollten, damit diese auch Zugang zum wissenschaftlichen Arbeiten haben und selbst forschen können. Die emanzipatorische Forschung geht mit dem Grundsatz, dass ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten ausschließlich für das zur Verfügung stellen ihres Know-hows oder als RatgeberInnen in ein Projekt miteinbezogen werden, über den Rahmen des partizipativen Ansatzes hinaus, der eine kollaborative Zusammenarbeit zum Ziel hat, worin auch die Grenze dieser beiden Strömungen liegt. (vgl. ebd.)

3.2.2.2 Der Grundgedanke der partizipativen Forschungsmethode (A.C.)

Die Besonderheit der Vorgehensweise liegt darin, dass der Forschungsgegenstand mit einer persönlichen Relevanz belegt wird, indem Menschen mit Lernschwierigkeiten an Forschungsprozessen, die sich mit der Thematik von Menschen mit Lernschwierigkeiten beschäftigen, aktiv teilhaben und dieser dadurch eine andere Qualität bekommt. "[...] research must address issues which really matter to people with learning disabilities, and which ultimately leads to improved lives for them" (Walmsley / Johnson 2003, 16).

Das Ziel, das in einem solch angelegten Forschungsprozess verfolgt wird, ist eine Veränderung der Gesellschaft, im Sinne einer gerechteren und gleichberechtigten Gesellschaft. Auf das Leben von Menschen mit Behinderungen bezogen, bedeutet dies, Akzeptanz zu schaffen und ein in unserer Gesellschaft als normal geltendes Leben für alle Menschen zu ermöglichen. (vgl. ebd.) Um eine höhere Qualität der Ergebnisse, die durch persönliche Relevanz des Forschungsgegenstands für die ForscherInnen erreicht wird, gewährleisten zu können, ist es unabdingbar, dass Forschungsprojekte, die diesen Veränderungsprozessen zu Grunde liegen, nun nicht ausschließlich von Menschen ohne Behinderung, die oft das Ziel verfolgen - im Sinne des medizinischen Modells von Behinderung - Menschen mit Lernschwierigkeiten helfen zu wollen, ein besseres Leben führen zu können, indiziert und durchgeführt werden. Viel mehr ist es im Sinne der partizipativen Forschung - die sich am sozialen Modell von Behinderung, in welchem Barrieren, die die Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben erschweren, wesentlich an der Tatsache behindert zu werden beteiligt sind - von Bedeutung, dass Menschen mit Behinderung diesen Schritt zu einer Umgestaltung ihrer Lebensbedingungen selbst erarbeiten. (vgl. Zarb 1995) Eine Forschungsgruppe, deren Mitglieder Menschen mit Lernschwierigkeiten sind, fasst dieses Anliegen folgendermaßen zusammen: "We have been rejected from society and should not be rejected from research, especially when it is about us" (Towson et al. 2004, 73). Auch die Gegenstände der partizipativen Forschung orientieren sich am sozialen Modell von Behinderung und beziehen sich weniger auf die Defizite der einzelnen Individuen als auf diverse Problematiken, die im gesellschaftlichen Kontext bestehen.

"The particular areas the research is focused on are:

i) Physical environments (e.g. housing, transport systems, access to public spaces);

ii) Social and political environments (e.g. the availibility of services to promote independent living; opportunities for and barrieres to participation in local planning; the extent to which the operation of policies extend or deny the rights of disabled people);

iii) Economic environments (e.g. levels of participation in employment, social mobility, the distribution of income between disabled and non-disabled people)" (Zarb 1995, 7).

Immer wieder wird im Zusammenhang damit die Bedeutung dessen betont, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sowohl an diversen Stationen des Forschungsprozesses als auch an der Evaluierung in der Praxis teilhaben. Denn nur durch Erfüllen dieses Kriteriums kann garantiert werden, dass Forschung für das Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten wirklich relevant ist. (vgl. ebd.) Nach Walmsley und Johnson (2003, 95) sind folgende Aspekte grundlegend für ein partizipatives Forschungsprojekt:

"[...]

è a research question owned by disabled people

è furthers the interests of disabled people

è it is collaborative - disabled people involved in the doing of the work

è some control exercised by disabled people over process and outcomes

question

è reports and outcomes must be accessible to people with learning disabilities" (ebd., 95).

3.2.2.3 Rollen, die in der partizipativen Forschung aufeinander treffen (A.C.)

Wie bereits erwähnt, ist es für die partizipative Forschung charakteristisch, dass Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten einen Forschungsgegenstand, der für Menschen mit Lernschwierigkeiten relevant ist, kollaborativ untersuchen. Dabei kristallisieren sich gewisse Rollen heraus, die besonderer Berücksichtigung bedürfen, da ein gut funktionierender Forschungsprozess nur auf der Basis gründlicher Klärung dieser Rollen aufgebaut werden kann.

3.2.2.3.1 Die Rolle von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Forschungsprozess (A.C.)

Charakteristisch für die partizipative Forschung ist ihre besondere Herangehensweise an den Forschungsprozess, der in sich die erwünschte Veränderung der Gesellschaft widergespiegelt. (vgl. Walmsley / Johnson 2003) Dies wird deutlich, wenn die große Bedeutung der Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten am Forschungsprozess - nicht nur als Forschungsobjekte, sondern als aktive ForscherInnen - in Betracht gezogen wird. "[...] people with learning disabilities need to be treated with respect by the research community" (ebd., 16). Neben der respektvollen Umgangsweise im Forschungsteam, gilt es, die Rolle von Menschen mit Lernschwierigkeiten im Forschungsprozess explizit abzuklären. Dieser Arbeit liegt ein Verständnis von Forschung zu Grunde, bei der die Selbstbestimmung von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Rolle als ForscherInnen einen großen Stellenwert hat und wie folgt definiert wird:

"research which includes or involves people with learning disabilities as more than just subjects. They are actors, people whose views are directly represented in the published findings in their own words but - and this is important - they are also researchers playing an active role as instigators, interviewers, data analysts or authors" (ebd., 61f).

Unter Berücksichtigung der Rolle von Menschen mit Lernschwierigkeiten als aktiv gestaltende ForscherInnen, ist zu klären, dass alle am Projekt beteiligten MitarbeiterInnen gleichberechtigt sind und dass das gemeinsame Arbeiten, von Personen mit und ohne Lernschwierigkeiten an der Thematik im Mittelpunkt steht. An Stelle von ungleich verteilten Machtstrukturen steht die kollaborative Zusammenarbeit aller ForscherInnen im Mittelpunkt. (vgl. Walmsley / Johnson 2003)

Bei der Analyse des erhobenen Materials ist es wichtig, den Blickwinkel der Menschen mit Lernschwierigkeiten zu berücksichtigen (vgl. Lloyd et. al. 1996), da dieser großen Einfluss auf die Qualität der Ergebnisse hat. Den Zusammenhang von Forschungsqualität und Partizipation von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu beobachten ist nun das Anliegen dieser Arbeit.

3.2.2.3.2 Die Rolle von Menschen ohne Lernschwierigkeiten im Forschungsprozess (A.C.)

Viele Forschungsprojekte, die sich mit der Thematik des Lebens von Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinandersetzen, werden nach wie vor von Menschen ohne Behinderung initiiert. Im Rahmen eines partizipativen Forschungsprojekts kann es dabei passieren, dass sie in ihrer Rolle in ein gewisses Dilemma kommen, da sie den Menschen mit Lernschwierigkeiten auf der einen Seite höchstmöglichen Respekt entgegenbringen wollen. Auf der anderen Seite sind jene Personen jedoch meist nicht mit diversen Forschungsmethoden vertraut, was bedeutet, dass diese von den ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten erklärt werden müssen. (vgl. Williams / Simons 2005) Williams und Simons (2005) beschreiben diese Situation als LehrerIn-SchülerIn-Setting, in dem der/die ForscherIn ohne Lernschwierigkeiten den Vorteil hat, dass er/sie ein größeres Hintergrundwissen hat, was eine unabdingbare Voraussetzung für das Durchführen einer Forschung ist. Es ließ sich in deren Projekt nicht vermeiden, dass es zur Entstehung einer Hierarchie kam; denn ForscherInnen, die das Privileg besitzen, im Detail zu verstehen, was Forschungsgegenstand ist, warum und mit welcher Methode er untersucht wird, haben eine bessere Position als diejenigen, die das nicht wissen. (vgl. Williams / Simons 2005) Daraus ergibt sich die logische Konsequenz der Erfordernis, im Sinne des Grundgedankens der partizipativen Forschung, der auf das Übergehen solcher Machtverhältnisse und die Herstellung größtmöglicher Gleichstellung abzielt, das nötige Wissen für ForscherInnen mit Lernschwierigkeiten, den individuellen Bedürfnissen gerecht, aufzubereiten. Theoretische Begrifflichkeiten werden geklärt, um ein barrierefreies Forschen zu ermöglichen und Hierarchien unter den ForscherInnen zu vermeiden. (vgl. Lloyd et al. 1996)

Der respektvolle Umgang untereinander und die konstruktive Zusammenarbeit, die in Bezug auf die partizipative Forschung immer wieder betont werden, bedürfen jedoch bestimmten Grundvoraussetzungen, die im Vorhinein abgeklärt werden sollten.

3.2.2.4 Rahmenbedingungen in der partizipativen Arbeit der Referenzgruppe (A.C.)

Die Gruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in Form einer Referenzgruppe in das Projekt mit einbezogen wird, setzt sich vor dem Hintergrund unterschiedlichster Kontexte zusammen und trifft sich in regelmäßigen Abständen um sich an diversen Bereichen des Projekts einzubringen. Bestimmte Bedingungen, unter denen die Gruppe arbeitet, bilden einen Rahmen für das Aufgabenfeld, die Arbeitsweise usw. Zentral ist dabei immer wieder der Aspekt der Mitbestimmung, der für partizipative Forschung charakteristisch ist. Daraus ergibt sich, dass der Aufgabenbereich der Referenzgruppe flexibel und veränderbar ist und - was von besonderer Bedeutung ist - dass er von den Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst gewählt wird. Vorgesehen ist vor allem, dass die Auswertung der Interviews mit Personen mit Lernschwierigkeiten über ihre Erfahrungen im Bezug auf Arbeit, in Kollaboration mit jener Gruppe erarbeitet wird. Wie oben erwähnt, soll diese Arbeitsweise dazu beitragen, die Qualität der Ergebnisse zu steigern, da davon ausgegangen wird, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten, die einen anderen Erfahrungsschatz haben, wie die übrigen MitarbeiterInnen, auch eine andere Sichtweise von den Erlebnissen der ProbandInnen haben, da sie sich besser mit ihnen identifizieren können und vielleicht schon in ähnlichen Situationen waren.

Die bereits genannten Prinzipien der partizipativen Forschung, die für eine konstruktive und auf Respekt basierende Zusammenarbeit nötig sind, sind auch in der Arbeit mit der Referenzgruppe zentral. Den Mitgliedern der Referenzgruppe wird ein hoher Grad an Kompetenz im Verständnis und der Analyse von Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit Lernschwierigkeiten zugesprochen. Um qualitativ hochwertig zu Arbeiten, ist es nötig, die damit in Zusammenhang stehenden Inhalte, wie zum Beispiel Gesetzestexte, für alle verständlich zu gestalten und aufzubereiten. (vgl. Williams / Simons 2005)

Ein Ausdruck davon, dass die ForscherInnen mit Lernschwierigkeiten geschätzt werden und gleichzeitig eine Bedingung dafür, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten gleichberechtigt am Forschungsprozess teilhaben können, ist, dass sowohl die Forschungsfrage als auch der gesamte Forschungsprozess und die daraus hervorgehenden Forschungsberichte für Menschen mit Lernschwierigkeiten verständlich und zugänglich sind. (vgl. Walmsley / Johnson 2003)

Nach Petra Flieger (2003) ist außerdem zu berücksichtigen, dass die teilhabenden Menschen mit Lernschwierigkeiten viel Zeit in ein solches Projekt investieren, was wenn möglich in Form einer Bezahlung ihrer Tätigkeit entschädigt werden sollte.

Nur wenn diese zentralen Punkte eines Forschungsprojektes geklärt werden, kann eine Basis für qualitativ hochwertige Forschung geschaffen werden.

3.2.2.5 Mögliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit partizipativer Forschung (A.C.)

Die partizipative Forschung ist, wie oben erläutert, eine intensive und auch aufwändige Methode, da es viel zu beachten gibt, was auch außerhalb der Grenzen des Forschungsgegenstandes und der Untersuchung desselben liegt.

In diesem Zusammenhang stellten Walmsley und Johnson (2003) fest, dass das Schaffen einer neuen Methode auch mit dem Schaffen neuer Probleme und Schwierigkeiten verbunden ist. Auf Grund des hohen Grades an Komplexität, den ein wissenschaftliches Projekt meist innehat, ist es in der partizipativen Forschung manchmal nicht leicht, eine kompromisslose Transparenz für alle ForscherInnen zu gewährleisten. Durch den hohen Druck von Außen kann es zu einer Vernachlässigung der Prinzipien der partizipativen Forschungsmethode kommen, was zu Forschungsbedingungen, wie sie von Menschen mit Lernschwierigkeiten in Bezug auf Forschung über sie und an ihnen kritisiert wurden, führen kann. (vgl. Walmsley / Johnson 2003)

Hindernisse, die auf Grund von Vorgaben von Außen, die erfüllt werden müssen, entstehen, können sich jedoch auch anders äußern. Jackie Rodgers (1999) beschreibt eine problematische Vorschrift der Ethikkommission, die drauf bestand, dass die Familien der teilhabenden Menschen mit Lernschwierigkeiten um Erlaubnis gefragt werden. Sie ging davon aus, dass die Personen nicht selbst entscheiden können, ob sie als ForscherInnen aktiv werden wollen.

Es wurde bereits erwähnt, dass die partizipative Forschung das Ziel verfolgt, die Gesellschaft zum Umdenken und Umgestalten ihrer Strukturen zu bewegen. Dabei ist es jedoch auch wichtig, dass die Ergebnisse solcher Forschungsprojekte verbreitet und auch für andere Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich gemacht werden, damit sie sich darauf beziehen können, um für eine Veränderung ein zu stehen. (Walmsley / Johnson 2003) "However, there is certainly a risk that the results of such research may end up gathering dust on library shelves, unread by those for whom it is most relevant" (ebd., 84). Dass Forschungsergebnisse von Projekten, die sich mit Belangen von Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinandersetzten, oft nicht bis zu den Betroffenen vordringen und von ihnen weiter genutzt werden können, liegt daran, dass sie meist nur in einer sehr wissenschaftlichen Sprache publiziert werden und nicht in einer Sprache, die den Kriterien der Leichten Sprache[16] entspricht.

Weiters können Probleme entstehen, wenn die Rolle der ForscherInnen mit Lernschwierigkeiten nicht gründlich und - was besonders wichtig ist - im Vorfeld geklärt wurde, ansonsten kann es zu Verwirrung und Missverständnissen kommen. Es sollte besprochen werden, ob die Teilhabe der Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Grund ihrer besonderen Fähigkeiten oder vielmehr wegen ihrer Lebenserfahrung erwünscht ist und ob die Partizipation zum Ziel hat, dass jene Menschen lernen, wie geforscht wird oder ob es eher darum geht, den aktuellen Diskurs durch das gemeinsame Forschen mit Menschen mit Lernschwierigkeiten in Frage zu stellen. Wenn Fragen dieser Art nicht mit allen an einem Projekt beteiligten Personen geklärt werden, wirkt sich das im Weiteren auf die Beziehung der ForscherInnen untereinander aus, was Verwirrung mit sich bringt und den gesamten Forschungsprozess negativ beeinflusst. (vgl. Walmsley / Johnson 2003)

Auch eine differenzierte Auffassung über die Zielsetzung eines Forschungsprojekts kann zu Missverständnissen führen. Für ForscherInnen ohne Lernschwierigkeiten ist das Ziel meist, die Veröffentlichung der Ergebnisse um einen Beitrag für die Wissenschaft zu leisten, was meist auch Bedingung für die Weiterfinanzierung des Projekts ist. ForscherInnen mit Lernschwierigeiten hingegen forschen großteils aus Interesse an der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. (vgl. Flieger 2003)

3.2.2.6 Strategien zur Gewährleistung von Partizipation (A.C.)

Es ist unschwer zu erkennen, dass in einem partizipativen Forschungsprozess, der äußerst komplex ist, immer wieder Schwierigkeiten entstehen können, die die Teilhabe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in diversen Bereichen gefährden.

Garcia-Iriarte, Kramer, Kramer und Hammel (2008) empfehlen eine Who-Did-What-Liste, in der genau festgehalten wird, welche Personen welche Aufgaben erledigt haben. Diese soll sichtbar machen, ob, wie und in welchen Bereichen Menschen mit Lernschwierigkeiten aktiv an der Forschung mitgearbeitet haben. "The Who Did What checklist enabled the group to reflect on their level of participation and control and was completed at the end of every meeting by the group" (Garcia-Iriarte et al. 2008, 5). Die Liste beinhaltet die Kategorien Tagesordnung (z.B.: Kopien der Tagesordnung machen, Tagesordnung auf dem Computer schreiben, an die Tagesordnung erinnern, etc.), Vorbereitung des Treffens (z.B.: Einladungen schicken, Veranstaltungsraum vorbereiten, für Verpflegung sorgen, etc.) und Ablauf des Treffens (z.B.: auf die Zeit achten, Tagesplan einhalten, Ideen niederschreiben, etc.). (vgl. ebd.) Es wird dokumentiert, ob sich die ForscherInnen mit oder jene ohne Lernschwierigkeiten um die jeweiligen Subkategorien gekümmert haben. So kann zum einen die Partizipation in gewissem Maße kontrolliert und reflektiert werden, und zum anderen ist es auch möglich, Veränderungen in der Zusammenarbeit, zum Beispiel einen Gewinn an Autonomie der Mitglieder mit Lernschwierigkeiten, aufzuzeigen.

In der Referenzgruppe des Projekts "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" werden im Rahmen der Treffen Karten verwendet, die dazu dienen, sich bemerkbar zu machen, wenn etwas nicht verstanden wurde. Diese Karten gibt es in rot, grün und gelb.

3.2.2.7 Zusammenfassung (A.C.)

Die Referenzgruppe gibt dem Forschungsprojekt, das die Erfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Arbeitswelt untersucht, ein partizipatives Element. In der partizipativen Forschung geht es darum, Veränderungsprozesse innerhalb der Gesellschaft anzuregen und voranzutreiben. Was jedoch die Voraussetzung für diese Forschungsmethode ist, ist die aktive Teilhabe am Forschungsprozess von Menschen mit Lernschwierigkeiten selbst, dessen Objekt sie gleichzeitig sind, da somit eine massive Steigerung der Qualität erzielt werden kann. Die Intensität der Miteinbeziehung kann jedoch variieren. Die konstruktive Zusammenarbeit des Forschungsteams ist dabei nur in Verknüpfung mit einem hohen Grad an Respekt untereinander möglich, der sich unter anderem durch die Möglichkeit für die teilhabenden Menschen mit Lernschwierigkeiten, in gewissen Bereichen mitzubestimmen, auszeichnet. Zum anderen ist es dafür notwendig, die einzelnen Rollen der Mitglieder in einem Forschungsteam zu klären, potentiellen Schwierigkeiten vorzubeugen und diese auch zu reflektieren.



[10] United Nations

[11] International League of Societies for Persons with Mental Handicap (ILSMH)

[12] Diese Liste kann unter folgendem Link http://www.lebenshilfe-bremen.de/files/Buecherliste_Netzwerk_Leichte_Sprache.pdf; [letzter Aufruf: 5.01.2010] abgerufen werden.

[13] vgl. Kapitel 3.2.1.2

[14] Ein/e BeobachterIn im Sinne des Konstruktivismus ist nicht jemand, der "einfach nur aus dem Fen-ster schaut und etwas sieht" (Maturana 2002, 75), sondern jemand, dem/der bewusst ist, dass er/sie etwas sieht und wahrnimmt und dessen Selbstreflexion und Nachdenken bezüglich des eigenen Tuns in der Sprache vor sich geht.

[15] "Tacit knowledge is all that we know minus all we can say" (Guba / Lincoln 1989, 176; Hervorhebung im Original). Implizites Wissen ist jener Teil des Wissens/Könnens, welchen man beherrscht, ohne verbal erklären zu können, wie etwas funktioniert.

[16] vgl. dazu Kap. 3.1.2

4 Darstellung der Forschungsmethoden

In diesem Kapitel werden nun die Beobachtung und die Grounded Theory erörtert.

4.1 Beobachtung (E.H.)

Um das Datenmaterial für unsere Diplomarbeit zu erheben, haben wir eine ethnographische Beobachtung durchgeführt.

"Im Zentrum der ethnographischen Neugierde steht [...] die Frage, wie die jeweiligen Wirklichkeiten praktisch <erzeugt> werden; es geht ihr also um die situativ eingesetzten Mittel zur Konstitution sozialer Phänomene aus der teilnehmenden Perspektive" (Lüders 2005, 390).

Durch die Methode der Beobachtung können komplexe soziale Phänomene erfasst und beschrieben werden. (vgl. Nicklas 2007)

In der aktuellen Literatur wird vielfach nicht zwischen Ethnographie und teilnehmender Beobachtung unterschieden. Es besteht die Tendenz, die teilnehmende Beobachtung eher als eine methodische Vorgehensweise im Rahmen der Ethnographie anzusehen als als eine eigenständige Methode. (vgl. Merkens 2007; Lüders 2005)

In der Ethnographie ist es üblich, sich nicht streng und ausschließlich an Methoden zu orientieren, um somit einer Standardisierung des Forschungsprozesses vorzubeugen. Das Forschungsfeld und die Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und bestimmen somit auch das methodische Vorgehen. (vgl. Lüders 2005)

"Der Ethnograph nimmt offen oder verdeckt für eine längere Zeit am täglichen Leben der Menschen teil, beobachtet dabei, was passiert, hört zu, was gesagt wird, stellt Fragen; eigentlich sammelt er alles, was auch immer an Daten verfügbar ist, um das Thema, mit dem er beschäftigt ist, näher zu beleuchten" (Hammersley / Atkinson 1995, I; zit. nach Flick 2007, 297).

Das methodische Vorgehen für die Datenerhebung dieser Diplomarbeit lehnt sich an die Prinzipien der teilnehmenden Beobachtung an. Hierzu ist festzuhalten, dass sich das Verständnis von teilnehmender Beobachtung im Laufe der Zeit wesentlichen Veränderungen unterworfen hat, welche im nachfolgenden Unterkapitel in groben Zügen skizziert werden.

4.1.1 Geschichte der teilnehmenden Beobachtung (E.H.)

"Teilnehmende Beobachtung hat ihre historischen Wurzeln einerseits in Anthropologie und Ethnologie, andererseits in den Sozialreformbewegungen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA und Großbritannien" (Lüders 2005, 385).

AnthropologInnen gingen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts direkt ins Feld. Zuvor bezogen sie die Informationen und Datenmaterialien für ihre Untersuchungen aus Beschreibungen von Aufenthalten in den jeweiligen Kulturen, die von GeographInnen, EntdeckerInnen, MissionarInnen oder VerwalterInnen von Kolonien festgehalten wurden. Bronislaw Malinowski, der erste Theoretiker der teilnehmenden Beobachtung, benennt grundlegende Regeln - "[...] sich von der Gesellschaft der Weißen völlig abzusondern und in eine möglichst unmittelbare Beziehung zu den Eingeborenen zu treten [...]" (Lapassade 2007, 40) - um eine wissenschaftliche Beobachtung von Gesellschaften durchzuführen. (vgl. ebd.) Das bedeutet im Allgemeinen für den/die teilnehmende/n BeobachterIn, dass er/sie sich für die Datenerhebung in direkten und unmittelbaren Kontakt mit dem Untersuchungsfeld bzw. -gegenstand begeben soll.

Im Rahmen der ethno-soziologischen teilnehmenden Beobachtung wurden SozialarbeiterInnen, die im Feld tätig waren, dazu herangezogen Datenmaterialien zusammenzutragen. In dieser Tradition der Beobachtung sind vor allem die Untersuchung von Booth (1902-1904) sowie jene von Kellog (1909-1914) bekannt. Ab dem 20. Jahrhundert führte die Chicagoer Schule der Soziologie die ethno-soziologische Tradition der teilnehmenden Beobachtung fort. (vgl. Lapassade 2007) Die Methode der teilnehmenden Beobachtung wurde in den 1920er bis in die 1940er Jahre im Rahmen von Feldforschungen eingesetzt, da die sich verdichtenden Spannungen im sozialen Kontext immer mehr in wissenschaftliches Interesse gerieten und die teilnehmende Beobachtung als geeignete Untersuchungsmethode angesehen wurde. (vgl. Lapassade 2007; Lüders 2005) Die Bezeichnung dieser Methode als "teilnehmende Beobachtung" fand man bereits damals vereinzelt vor, obwohl die reflexive Auseinandersetzung damit erst zwischen den 1950ern und 1960ern einsetzte. (vgl. Lapassade 2007)

Die teilnehmende Beobachtung erfuhr Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in den USA einen Aufschwung, wobei

"sich das methodologische Interesse auf die systematische Begrün-dung und Ausarbeitung des Verfahrens als eigenständiger sozialwis-senschaftlicher Forschungsmethode" (Lüders 1995; zit. nach Lüders 2007, 385)

konzentriert, da es dem Verfahren der teilnehmenden Beobachtung "an einem klaren methodologischen Profil mangele" (Lüders 2007, 385). In diesem Zusammenhang hielt Bruyn (1966) zwei wesentliche Merkmale der teilnehmenden Beobachtung fest. Dies betraf einerseits die Teilnahme des teilnehmenden Beobachters am Leben und den Meinungen der zu beobachtenden Menschen in Face-to-face-Beziehungen sowie die logische Schlussfolgerung aus dem ersten Merkmal, dass in der Rolle des/der ForscherIn sowohl "Unvoreingenommenheit und persönliche Beteiligung" (Bruyn 1966, 14; zit. nach Lüders 2007, 386) zentral sind. Konsequenz des ersten Axioms ist ein Konflikt des/der teilnehmenden BeobachterIn, welche/r einerseits eine gewisse Distanz auf Grund der wissenschaftlichen Standards und Aufgaben einhalten, andererseits jedoch sozial und kulturell mit dem beobachteten Personenkreis in Kontakt treten soll. (vgl. Lüders 2007)

Im deutschsprachigen Raum erfuhr die teilnehmende Beobachtung, die teilweise auch mit dem Terminus Feldforschung bezeichnet wird, auf methodologischer Ebene kaum Aufmerksamkeit sowie wenig Einsatz als zentrales Erhebungsinstrument. Es wurden strenge Regeln formuliert, die dazu dienen sollten, dieses Verfahren methodologisch zu untermauern und dadurch einen möglichst hohen wissenschaftlichen Standard zu erreichen. Einerseits bezogen sich diese Regeln auf die Rolle der teilnehmenden BeobachterInnen im Feld und andererseits auf den Ablauf der Forschung in all ihren Phasen. (vgl. Lüders 2007)

Auch heute gibt es einige VertreterInnen dieses Ansatzes, die die teilnehmende Beobachtung fixen Ablaufschemata unterwerfen und sich auch an gewisse Verhaltensvorschriften halten. Sie gehen davon aus, dass wissenschaftliche Beobachtung "standardisiert und intersubjektiv überprüfbar" sein muss. (vgl. u.a. Bortz / Döring 2006) Flick (2007) zufolge konnte die teilnehmende Beobachtung als Methode eher nicht standardisiert und formalisiert werden, was zu einem Stopp einer weiterfolgenden methodischen Entwicklung und Ausarbeitung führte.

Aktuell gelangt "die generellere Strategie der Ethnographie" (Flick 2007) in den Vordergrund, wodurch die teilnehmende Beobachtung als selbstständige Methode tendenziell an Aufmerksamkeit verliert. (vgl. u.a. Flick 2007; Merkens 2007; Lüders 2005) Abschließend kann festgehalten werden, dass sich - wie bereits erwähnt - das Verständnis von teilnehmender Beobachtung gewandelt hat.

"Ursprünglich war teilnehmende Beobachtung eine Variante der Feldforschung, dann hat sich die Methode verselbstständigt und heute wird unter teilnehmender Beobachtung eher eine Forschungsstrategie und weniger eine bestimmte Methode verstanden [...]" (Merkens 2007, 36).

4.1.2 Teilnehmende Beobachtung (E.H.)

Ziel dieses Kapitels ist es, die Pluralität der Kombinationsmöglichkeiten bezüglich der Teilnahme im Feld und der Beobachtung aufzuzeigen. Das bedeutet, dass an dieser Stelle unterschiedliche Typen der teilnehmenden Beobachtung skizziert werden, um an Hand dieser Darstellung begründen zu können, welche Art der Beobachtung im Rahmen der Datenerhebung der vorliegenden Untersuchung gewählt wurde.

Beobachtung im Allgemeinen, die in der qualitativen Forschung in natürlichen Situationen stattfindet, hat das Ziel, in Erfahrung zu bringen, "wie etwas tatsächlich funktioniert oder abläuft" (Flick 2007, 281; Hervorhebung im Original). Da Beobachtung "eine geplante, von Aufmerksamkeit bestimmte und zielgerichtete Wahrnehmung" (Merkens 2007, 26) ist, stellen nicht nur die visuelle, sondern auch die akustische, taktile und olfaktorische Wahrnehmung zentrale Aspekte dieses Forschungssettings dar. (vgl. Flick 2007)

Beobachtung kann in der qualitativen Sozialforschung einerseits als reine Beobachtung bzw. andererseits als teilnehmende Beobachtung durchgeführt werden. Wenn im Rahmen einer Untersuchung eine reine Beobachtung durchgeführt wird, dann bedeutet das, dass das Verhalten und die Interaktionen der zu Beobachtenden nicht durch die Anwesenheit der forschenden Person unterbrochen und gestört werden würden. Im Hinblick auf die Durchführung einer teilnehmenden Beobachtung im Kontext einer qualitativen Untersuchung würde dies beinhalten, dass der/die ForscherIn in direkten Kontakt mit den Untersuchungsobjekten tritt und die Beobachtung aus der Sicht eines/einer TeilnehmerIn beobachtet. Bei der teilnehmenden Beobachtung werden das Erlangen der Innenperspektive sowie die Zusammenführung von gleichzeitiger Beobachtung und Teilnahme im Feld angestrebt. (vgl. u.a. Flick 2007; Merkens 2007; Lapassade 2007)

Wird eine Beobachtung in einer Untersuchung eingesetzt, kann dies in zahlreichen verschiedenen Variationen geschehen, da unterschiedliche Typen je nach berücksichtigten Variablen existieren. Zu derartigen Variablen zählen unter anderem, ob die Beobachtung offen oder verdeckt durchgeführt wird, die unterschiedlichen Grade der Teilnahme und jene der Standardisierung der Beobachtung. (vgl. Lüders 2005)

Bortz und Döring (2006) unterschieden folgende Möglichkeiten der Beobachtung: teilnehmend-offen, teilnehmend-verdeckt, nichtteilnehmend-offen und nichtteilnehmend-verdeckt. Hierbei bedeutet teilnehmend, dass der/die BeobachterIn als aktive Komponente im Geschehen anerkannt wird, während er im Rahmen einer nichtteilnehmenden Beobachtung nicht aktiv ins Geschehen integriert ist und sich somit auf die Geschehnisse und das Festhalten dieser konzentrieren kann. Wenn man von einer offenen Beobachtung spricht, dann wissen die zu beobachtenden Personen über die Beobachtungstätigkeit bescheid. Bei einer verdeckten Beobachtung hingegen soll der/die BeobachterIn unbemerkt bleiben. Diese Art der Beobachtung wird meist mit Hilfe von Einwegscheiben durchgeführt und ist auf ethischer Ebene äußerst problematisch. (vgl. u.a. Bortz / Döring 2006; Nicklas 2007)

Gold (1958) brachte eine Kategorisierung der unterschiedlichen Formen der teilnehmenden Beobachtung heraus, die wie folgt von Junker (1960) modifiziert wurde: Typus des vollständigen Teilnehmers, Typus des beobachtenden Teilnehmers, Typus des teilnehmenden Beobachters und Typus des vollständigen Beobachters. (vgl. u.a. Flick 2007; Lapassade 2007) Diese Kategorisierung wurde von Adler und Adler (1987) weiter modifiziert zu drei Typen von teilnehmender Beobachtung. Sie unterscheiden dabei zwischen (1) der peripheren teilnehmenden Beobachtung, bei welcher der/die ForscherIn bis zu einem gewissen Grad in das Geschehen mit eingebunden ist, (2) der aktiven teilnehmenden Beobachtung, wobei der/die ForscherIn versucht innerhalb des zu beobachtenden Feldes eine Rolle oder einen Status zu übernehmen, sowie (3) der vollständigen teilnehmenden Beobachtung, die in die Aspekte vollständige Teilnahme auf Grund einer günstigen Gelegenheit bzw. vollständige Teilnahme auf Grund einer Bekehrung differenziert wird. (vgl. Lapassade 2007)

Das Forschungssetting der teilnehmenden Beobachtung kann nicht nur hinsichtlich der eben genannten Kategorien differenziert werden, sondern auch hinsichtlich unterschiedlicher Beobachtungsphasen, die im Prozess der Datenerhebung durchlaufen werden. So schreibt Flick (2007) der teilnehmenden Beobachtung auf zwei Ebenen eine Prozesshaftigkeit zu:

"Einerseits soll der Forscher mehr und mehr zum Teilnehmer werden und Zugang zu Feld und Personen finden [...]. Andererseits soll auch die Beobachtung einen Prozess zunehmender Konkretisierung und Konzentration auf für die Fragestellung wesentliche Aspekte durchlaufen" (Flick 2007, 288).

Um im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung gezieltere Erkenntnisse bezüglich der Fragestellung erlangen zu können, benennt Spradley (1980, 34; zit. nach Flick 2007, 288) drei Phasen der teilnehmenden Beobachtung: Er unterscheidet zwischen deskriptiver, fokussierter und selektiver Beobachtung. (vgl. u.a. Seifert / Fornefeld / Koenig 2001; Flick 2007) Die deskriptive Beobachtungsphase ermöglicht dem/der ForscherIn sich im Feld zu orientieren und unspezifische Beschreibungen des Feldes zu formulieren, die in weiterer Folge für die Konkretisierung der Fragestellung dienlich sein können. Die zweite Phase - jene der fokussierten Beobachtung - dient dazu, im Hinblick auf die formulierte Fragestellung gezielter relevante Prozesse zu beobachten und zu protokollieren. Die abschließende Beobachtungsphase wird selektive Phase genannt. Hierbei liegt gegen Ende der Datenerhebung das Hauptaugenmerk darauf, zusätzliche Belege und Beispiele für bereits in der Phase des fokussierten Beobachtens gewonnene Typen von Verhaltensweisen zu erlangen. (vgl. Flick 2007)

4.1.3 Wie wird die Beobachtung in der vorliegenden Untersuchung eingesetzt? (E.H.)

Wie bereits erwähnt, verfügt die Methode der teilnehmenden Beobachtung über zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten bezüglich des Zugangs zum Feld sowie der Beobachtung selbst. In weiterer Folge wird skizziert, welcher Typus der teilnehmenden Beobachtung nun tatsächlich im Rahmen der ethnographischen Beobachtung für die Datenerhebung der vorliegenden Untersuchung zum Einsatz gekommen ist.

Die Daten im Rahmen dieser Untersuchung werden unter Berücksichtigung der Sichtweise erhoben, die "[...] teilnehmende Beobachtung in einem weiter gefassten Sinn als eine flexible, methodenplurale kontextbezogene Strategie zu verstehen, die ganz unterschiedliche Verfahren beinhalten [...]" (Lüders 2005, 369) kann.

In der Arbeit mit der Referenzgruppe gilt es, die Transparenz der gesamten Vorgänge, die damit in Zusammenhang stehen, zu wahren. Dies setzt voraus, dass auch die Beobachtung, die für diese Untersuchung durchgeführt wird, nicht verdeckt, sondern offen erfolgt und somit alle TeilnehmerInnen der Referenzgruppe über die ständige Beobachtungstätigkeit informiert sind. Die Beobachterinnen sind ab der ersten Zusammenkunft aller Mitglieder der Referenzgruppe dabei, was dazu führt, dass sie die Routinen in der Referenzgruppenarbeit nicht stören, da sie ein fixer Bestandteil der Referenzgruppe sind und ihre Anwesenheit als alltäglich erachtet wird.

Die Rolle der Beobachterinnen wird von Anfang an klar dargestellt und besprochen, so dass allen bewusst ist, dass eine Beobachtung stattfindet. Die Beobachterinnen sind in die Gruppe insofern integriert, dass sie sowohl im selben Raum als auch im Sitzkreis gemeinsam mit der Referenzgruppe sind. Es ist nicht vorgesehen, dass die Beobachterinnen aktiv in die Arbeitsprozesse der Referenzgruppe eingreifen. Einschließlich bis zum dritten Referenzgruppentreffen wurde das auch so durchgeführt, und die Beobachterinnen nahmen während dem Treffen bei inhaltlichen und organisatorischen Diskussionen passiv sowie in den Pausen und bei der Abendgestaltung aktiv teil. Auf Grund von personellen Engpässen bei dem vierten Referenzgruppentreffen wurden die Beobachterinnen gebeten, mit der Moderation einer Kleingruppe eine aktivere Tätigkeit - die inhaltliche Ebene betreffend - zu übernehmen. Bis auf die Präsentation der bisher behandelten Inhalte und eingesetzten Methoden in der Referenzgruppentätigkeit beschränkte sich die Teilnahme der Beobachterinnen auch beim fünften Treffen auf eine passive Rolle im Hinblick auf die inhaltliche Ebene. In methodischer Hinsicht bedeutet dies, dass bei den ersten drei, sowie bei dem fünften Referenzgruppentreffen eine nach Bortz und Döring (2006) offene, aber nichtteilnehmende Beobachtung bzw. nach Adler und Adler (1987) eine periphere teilnehmende Beobachtung durchgeführt wurde. Beim vierten Referenzgruppentreffen brachten sich die Diplomandinnen durch die Diskussionsleitung einer Kleingruppe auf der inhaltlichen Ebene aktiv ein. Somit kann dabei nach Adler und Adler (1987) von einer aktiven teilnehmenden Beobachtung gesprochen werden.

Bereits parallel zu den jeweiligen Treffen, bei denen sich die Beobachterinnen ebenfalls im Sitzkreis der Referenzgruppe befanden, wurden handschriftlich erste Stichworte sowie der Diskussionsverlauf notiert, die dann im Nachhinein zu einem Beobachtungsprotokoll verfasst wurden. Bei einem Treffen (Dezember 2008) wurden Videoaufzeichnungen und bei zwei Treffen (Februar 2009 und April 2009) wurden ausgewählte Diskussionsrunden digital aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen wurden teilweise ebenfalls für die Erstellung der Beobachtungsprotokolle zu Hilfe genommen.

Zu Beginn der Erhebungsphase beobachteten beide Diplomandinnen das gesamte Geschehen und beschrieben alles, was ihnen aufgefallen war. Dieser Schritt kann der deskriptiven Beobachtungsphase nach Spradley (1980) zugeordnet werden. Die nachfolgenden Beobachtungen - Phase des fokussierten Beobachtens - konzentrierten sich gezielter auf die jeweilige Fragestellung der Diplomandin - die zu diesem Zeitpunkt bereits formuliert war. Das fünfte Referenzgruppentreffen, welches das letzte in der Phase der Datenerhebung darstellte, wurde größtenteils dazu genutzt, zusätzliche Belege und Beispiele für die bis dahin erfolgte Auswertung zu erlangen. Dieses Treffen stellte mit der Phase der selektiven Beobachtung den Abschluss der Datenerhebungsphase für die vorliegende Untersuchung dar.

4.2 Grounded Theory (A.C.)

Die gesammelten Daten, bestehend aus den Beobachtungsprotokollen und Transkripten der Gruppentreffen, werden im Rahmen der Grounded Theory analysiert. Diese Methodologie wurde unter anderem in Anlehnung an das methodologische Vorgehen des Forschungsprojektes gewählt. Sie bietet sich besonders an, da ihre zirkuläre Vorgehensweise mit dem mehrmaligen Beobachten der Referenzgruppe in regelmäßigen Abständen sehr gut zu vereinbaren ist.

In diesem Kapitel wird zuerst kurz die historische Entwicklung der Grounded Theory ausgehend von den Begründern Glaser und Strauss, die das Werk The discovery of grounded theory (1967) veröffentlichten, skizziert im Rahmen dessen auch der Diskurs zwischen Glaser und Strauss & Corbin, sowie die Kritik Charmaz" an diesen beiden Hauptsträngen der Grounded Theory, aufgezeigt wird. Anschließend wird die objektivistische Grounded Theory nach Strauss und Corbin, die sich von Glasers Ansätzen differenzierten, beschrieben und dann die konstruktivistische Grounded Theory nach Charmaz.

4.2.1 Entstehungsgeschichte der Grounded Theory (A.C.)

Die Grounded Theory wurde ursprünglich in den 60er Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts von den beiden Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss im Rahmen einer Feldstudie zum Umgang des Klinikpersonals mit sterbenden Patienten entwickelt. Strauss war an der University of Chicago tätig. Er wurde vom Interaktionismus und amerikanischem Pragmatismus sowie von der Tradition der Chicagoer Schule der Soziologie geprägt. Auf Grund dieser philosophischen und soziologischen Hintergründe von Strauss, wird in der Datenerhebungsphase zur Grounded Theory den "Feldbeobachtungen und intensiven Interviews" (Strauss 2004, 434) eine große Bedeutung zugeschrieben. Glaser stammt aus der Tradition der Columbia University, die "ebenfalls die empirische Forschung in Verbindung mit der Entwicklung von Theorien" (Strauss / Corbin 1996, 10) betont, sich jedoch eher mit der kritisch-rationalistisch orientierten und vorwiegend quantifizierenden Forschung auseinandersetzt. (vgl. Strauss / Corbin 1996; Strauss 2004; Strübing 2004) In Glasers Konzeption der Grounded Theory bestehen Annahmen über eine objektive Wirklichkeit, eine/n neutrale/n BeobachterIn und eine objektive Auswertung der Daten. (vgl. Charmaz 2003).

Glaser und Strauss fühlten sich jeweils anderen wissenschaftlichen Positionen zugehörig. Dies führte zu einer Etablierung von "ko-existierenden Richtungen der grounded theory" (Strübing 2004, 64).

"Spätestens seit 1978, als Glasers Theoretical sensitivity (1978) erschien, gibt es zwei Varianten dieses Verfahrens, eine prag-matisch inspirierte von Anselm Strauss, die er teilweise allein, teilweise ge-meinsam mit Juliet Corbin in ihren praktischen Dimensionen näher ausgearbei-tet hat, sowie eine [...] empiristische Variante von Barney Glaser, die dieser [...] postuliert hat" (Strübing 2004, 8; Hervorhebungen im Original).

Für Glaser steht die Methode des ständigen Vergleichens im Mittelpunkt des Grounded Theory-Verfahrens während Strauss "die Forschungsobjekte ebenso wie die zwischen ihnen bestehenden Relationen in diesem Prozess konstruiert" (Strübing 2004, 65). Obwohl Glaser als Verfahren innerhalb der Grounded Theory die sogenannte Kodierfamilie The six C's vorschlägt, wirft er in seiner Polemik dem Kodierparadigma von Strauss und Corbin vor, den Daten möglicherweise unangemessene theoretische Strukturen aufzuzwingen. Das Kodierparadigma von Strauss und Corbin will theoretische Kodes zu Ursachen, Kontext, Konsequenzen und Bedingungen erfragen. (vgl. Strübing 2004)

4.2.2 Grounded Theory nach Strauss und Corbin (A.C.)

Wie bereits erwähnt, hat Anselm Strauss, auf den gemeinsam mit Barney Glaser die Entstehung der Grounded Theory zurückzuführen ist, diese mit Juliet Corbin weiterentwickelt.

"Die Grounded Theory ist eine qualitative Forschungsmethode bzw. Methodologie, die eine systematische Reihe von Verfahren benutzt, um eine induktiv abgeleitete, gegenstandsverankerte Theorie über ein Phänomen zu entwickeln" (Strauss / Corbin 1996, 8; Hervorhebungen im Original).

Das Ziel der Grounded Theory ist die Erarbeitung einer Theorie aus empirischen Daten. (vgl. Strauss / Corbin 1996; Strübing 2004) Charakteristisch für dieses Verfahren ist "die zeitliche Parallelität und wechselseitige funktionale Abhängigkeit der Prozesse von Datenerhebung, -analyse und Theoriebildung" (Strübing 2004, 8; Hervorhebungen im Original).

Strauss schlägt Leitlinien bzw. bestimmte Operationen für die Theorieentwicklung vor. Ein zentrales Element im Zuge der Grounded Theory sieht er das Kodieren. (vgl. Strübing 2004; Breuer 2009) Im Kodierprozess nennt Strauss drei verschiedene Arten des Kodierens: offenes Kodieren, axiales Kodieren und selektives Kodieren. Kodieren im Rahmen der Grounded Theory beschreibt den "Prozess der Entwicklung von Konzepten in Auseinandersetzung mit dem empirischen Material" (Strübing 2004, 19). Die Methode des ständigen Vergleichens ist zentral beim Kodieren, da es die Generierung von Kategorien aus den Daten unterstützt. (vgl. ebd.) Da ForscherInnen - wie alle Menschen - in der Regel dazu neigen, Sachverhalte, die im Mittelpunkt ihres Interesses stehen, immer wieder durch die gleichen Herangehensweisen zu lösen versuchen, ist es wichtig, die Methode der systematischen Vergleiche anzuwenden. (vgl. Strauss / Corbin 1996) Dadurch wird eine Bewusstmachung dieser festgefahrenen Denkmuster möglich. Durch die systematischen Vergleiche, die sowohl mit Unterstützung von persönlichem und fachlichem Wissen als auch von Fachliteratur gezogen werden, können diese Denkweisen aufgebrochen werden. (vgl. ebd.) Es scheint, dass dieses Vorgehen ein Versuch ist, einen höheren Grad an Objektivität herzustellen.

Nach Strauss und Corbin (1996) gilt es, im Analyseteil des offenen Kodierens vor allem die Daten durch eine genaue Auseinandersetzung und Untersuchung aufzubrechen, zu benennen und zu kategorisieren. Das passiert mit Hilfe von Vergleichen und durch das Stellen von Fragen, bei denen man herausfinden möchte, "wie Phänomene möglicherweise miteinander in Beziehung stehen" (ebd., 44).

Das axiale Kodieren versucht Verbindungen zwischen den einzelnen Kategorien und ihren Subkategorien, die bereits beim offenen Kodieren identifiziert wurden, zu erstellen. Kategorien sind abstrakte Konzepte, die einzelnen Phänomenen aus dem empirischen Material zugeordnet werden. (vgl. ebd.)

"Kodieren bringt hier die Ermittlung von Beziehungen in Form von Hypothesen mit sich. Ausgehend von diesen hypothetischen Verknüpfungen durchforsten wir die vorliegenden und zukünftigen Daten, um unsere früheren provisorischen Vermutungen und Hypothesen zu stützen, auszuarbeiten oder zu widerlegen" (Strauss / Corbin 1996, 76).

Diese zwei Kodierverfahren stehen in einer wechselseitigen Beziehung und werden nicht nacheinander, sondern abwechselnd angewandt.

Um systematisch über Daten nachzudenken, wird ein paradigmatisches Modell angewandt. Es geht darum,

"Subkategorien mit einer Kategorie durch einen Satz von Beziehungen, die auf ursächliche Bedingungen, Phänomenen, Kontext, intervenierende Bedingungen, Handlungs- und interaktionale Strategien und Konsequenzen verweisen [...]" (Strauss / Corbin 1996, 78)

zu verknüpfen.

Im abschließenden Prozess des selektiven Kodierens soll ein roter Faden im Datenmaterial aufgezeigt werden. Im Zuge dessen wird eine Kernkategorie definiert, die dann im Mittelpunkt der Theorie stehen soll. In die identifizierte Kernkategorie werden schließlich die übrigen Hauptkategorien integriert, die wiederum auch untereinander in Beziehung gesetzt werden. Es ist auch in dieser Analysephase wichtig, nicht starr an bestimmten Abläufen festzuhalten, sondern wenn nötig, einen Schritt zurückzugehen. (vgl. Strauss / Corbin 1996; Breuer 2009)

Die Grounded Theory zeichnet sich durch das Verfolgen einer zirkulären Vorgehensweise aus. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Erhebungsphasen im Feld und der Analyse des Datenmaterials. Diese Prozesse beschreibt Strauss (2004) als Induktion, Deduktion und Verifikation. Auch im Rahmen der Untersuchung findet ein Wechselspiel von Beobachtungsphasen und Auswertungsphasen der einzelnen Beobachtungseinheiten zwischen den Referenzgruppentreffen statt. Zuerst werden in einem induktiven Vorgang die Daten erhoben, die dann zur Entwicklung von Hypothesen herangezogen werden. In einem deduktiven Schritt versucht "der Forscher Implikationen aus Hypothesen oder Hypothesensystemen [abzuleiten, A.C.], um die Verifikation vorzubereiten" (ebd., 441). Im Rahmen der Verifikation werden die vorläufigen Hypothesen bei den Referenzgruppentreffen überprüft. Wenn die Hypothesen nicht ganz oder teilweise verifiziert werden können, dann müssen sie verworfen werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es von Bedeutung ist, "[...] die Formulierung vorläufiger Hypothesen, die mittels der Deduktion abgeleiteten Implikationen und die Überprüfung der Hypothesen miteinander [zu, A.C.] verflechten - und zwar immer aus dem Datenmaterial heraus" (Strauss 2004, 444).

4.2.3 Konstruktivistische Grounded Theory nach Charmaz (E.H.)

"[...] (1) Reality is multi-ple, processual, and constructed-but con-structed under particular conditions, (2) the research process emerges from inter-action; (3) it takes into account the re-searcher‟s positionality, as well as that of the research participants; (4) the researcher and researched coconstruct the data-data are a product of the research process, not simply observed objects of it" (Charmaz 2008, 402; Hervorhebung im Original).

Kathy Charmaz hat die Grounded Theory nun um den Aspekt des Konstruktivismus erweitert, verfolgt jedoch weiterhin - zwar aus einem anderen Blickwinkel heraus - die zentralen Elemente der Grounded Theory nach Glaser bzw. Strauss und Corbin. Auch die konstruktivistische Grounded Theory zeichnet sich durch das Verfolgen einer zirkulären Vorgehensweise aus. Es ist ein ständiges Wechselspiel zwischen Erhebungsphasen im Feld und der Analyse des Datenmaterials. (vgl. Charmaz 2006; Strauss 2004)

Wie auch Strauss und Corbin (1996) und Strauss (2004) diverse Schritte in der Theoriegenerierung beschreiben, werden bei Charmaz (2006) ähnliche Phasen des Kodierens (initial coding, focused coding, axial coding und theoretical coding) sowie theoretical sampling durchlaufen, die jedoch an individuelle Kontexte flexibler angepasst werden. Weitere zentrale Elemente der klassischen Grounded Theory - wie das Schreiben von Memos und die Entwicklung einer Kernkategorie - sind auch in der konstruktivistischen Grounded Theory verankert.

ForscherInnen sollten versuchen, so offen wie möglich in den Prozess des Kodierens hineinzugehen. Es ist dabei von besonderer Bedeutung, sich seines persönlichen Hintergrunds bewusst zu sein. Einflussfaktoren wie die Geschichte eines Landes, Klasse, Alter, Geschlecht, Hautfarbe etc. sind hier nicht außer Acht zu lassen. (vgl. Charmaz 2006)

Im Prozess des Kodierens wird auf Basis des Datenmaterials in Form der Formulierung von Konzepten beschrieben, was passiert. Charmaz betont dabei, dass der erste Einfall festgehalten werden soll und die wissenschaftliche und grammatikalisch korrekte Ausdrucksweise zweitrangig sind. Wenn Konzepte nicht nötig sind, um das Datenmaterial zu verstehen, sollten sie bei Kodes und der späteren Analyse weggelassen werden. (vgl. Charmaz 2006)

Die erste Kodierphase, in welcher das vorhandene Datenmaterial mit Kodes versehen wird, wird bei Charmaz (2006) initial coding genannt. Charmaz betont, dass das erste Kodieren des Datenmaterials schnell, spontan und nahe am Material erfolgen soll und empfiehlt dabei, die Kodes nicht in Form von Nomen festzuhalten, sondern diese zwar kurz und präzise, aber mit Verben zu beschreiben, da Verben Bewegung und Handlung suggerieren. Das initial coding hat ein offenes Ende und kann Wort-für-Wort, Zeile-für-Zeile oder Absatz-für-Absatz erfolgen. (vgl. Charmaz 2006)

Focused coding ist die zweite Kodierphase nach Charmaz. Die Kodes, die aus diesem Prozess hervorgehen sind fokussierter und selektiver als das Kodieren Wort-für-Wort, Zeile-für-Zeile oder Absatz-für-Absatz. (vgl. Glaser, 1978; zit. nach Charmaz 2006) Im focused coding wird mit Kodes aus dem initial coding, die als analytisch bedeutend angesehen werden und/oder die häufig auftreten, erneut das gesamte Material durchgegangen. "Through focused coding, you can move across interviews and observa-tions and compare people's experiences, actions, and interpretations" (Charmaz 2006, 59). Wichtig ist, dass Kodes immer wieder an andere Kodes und an das Datenmaterial herangetragen bzw. damit verglichen werden, da dadurch neue analytische Ideen hervorgehen bzw. bestehende Kodes verfeinert werden können. Dies beschreibt Charmaz (2006, 60) wie folgt: "Through comparing data to data, we develop the focused code. Then we compare data to these codes, which helps to refine them".

Nach Charmaz (2006) kann die Phase des axialen Kodierens nach Strauss und Corbin einerseits erweiternde andererseits jedoch auch einschränkende Auswirkungen haben. Ihr zufolge ist das axiale Kodieren nicht zwingend notwendig, um Subkategorien einer Kategorie zu entwickeln.

"Although axial coding may help researchers to explore their data, it encourages them to apply an analytic frame to the data. In that sense, relying on axial coding may limit what and how researchers learn about their studied worlds and, thus, restricts the codes they construct" (Charmaz 2006, 62; Hervorhebung im Original).

Wie bereits oben bei Strauss und Corbin beschrieben ist es auch bei Charmaz zentral, dass das Kodieren flexibel ist und dass man jederzeit wieder in frühere Kodierphasen zurückkehren kann.

Beim Memo-Schreiben, das die ForscherInnen während dem gesamten Forschungsprozess begleitet, sollte alles gleich aufgeschrieben werden, was einem beim Durchgehen des Materials in den Sinn kommt und im Laufe der Analyse immer wieder mit neuen Ideen und Interpretationen angereichert wird. Außerdem kommt man nach Charmaz auch während des Schreibens von Memos, das möglichst spontan ablaufen sollte, auf neue Verknüpfungen im Material.

Es gibt zwei Arten, Memos zu schreiben: Für den Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial eignet sich das Clustering, welches eine nicht-lineare, visuelle und flexible Technik ist, die dazu dient das Datenmaterial zu verstehen und zu strukturieren. (vgl. Charmaz 2006) Es wird dabei von der/dem ForscherIn eine Grafik angefertigt, die sich dafür eignet, Beziehungen und Verbindungen aufzuzeigen und sich so mit ihnen auseinanderzusetzen. Charmaz (2006) empfiehlt mehrere Variationen eines Diagramms zu erstellen, um so die verschiedenen Möglichkeiten, wie Phänomene zusammenhängen können, bewusst zu machen. Außerdem ist diese Form des Memo-Schreibens gut dazu geeignet, um Ordnung in das Datenmaterial zu bringen.

Als zweite Memo-Methode nach Charmaz (2006) wird das Freewriting eingesetzt. Dabei sollten sich ForscherInnen einen gewissen Zeitrahmen, einige Minuten, hinsetzten und versuchen, alles, was ihnen in den Sinn kommt, aufzuschreiben. Grammatik, Ausdruck, ein roter Faden und gute Argumente sind hier nicht zu beachten. Wichtig ist, sich in der vorgenommenen Zeitspanne nur auf das eine Thema zu konzentrieren und nicht lange zu überlegen, jeden Gedanken dazu nieder zu schreiben, ohne daran zu denken, dass das Geschriebene für die Öffentlichkeit bestimmt ist, denn vorerst schreibt man dabei nur für sich selbst. Charmaz (2006, 88) betont: "Accept anything that comes to mind".

Memos helfen also, sich mit Kodes auseinander zu setzen. Ein nächster Schritt ist es dann, dass der/die ForscherIn sich überlegt, welche Kodes am Besten das repräsentieren, was im Datenmaterial passiert. (vgl.ebd.) Diese Kodes können weiters zu Kategorien ernannt werden, die genauer analysiert sowie mit anderen Kategorien verglichen und in Bezug gesetzt werden.

Bei genauer Betrachtung der Kategorien kann es nun vorkommen, dass die ein oder andere zwar integriert, jedoch noch etwas lückenhaft scheint. Dann folgt die Phase des theoretical sampling, im Rahmen dessen passende Daten gesucht und gesammelt werden um die Kategorien weiter zu entwickeln und zu verfeinern. Wenn ForscherInnen im Rahmen des theoretical sampling erneut ins Feld gehen, um ihr Datenmaterial zu vervollständigen, tun sie dies mit dem Ziel, ein Konzept bzw. ihre Theorie weiterzuentwickeln. Es unterscheidet sich vom initial sampling das die Rahmenbedingungen absteckt, bevor die Forschung im Feld stattfindet. (vgl. ebd.) "Theoretical sampling gives your work analytic depth and precision"(ebd., 106).

Mit dem theoretical sampling kann begonnen werden, sobald Kategorien gebildet wurden. Im frühen Stadium der Forschung werden mit diesem Verfahren Kategorien vervollständigt und weiterentwickelt, später gilt es dann, durch die erneute und fokussierte Untersuchung des Forschungsfeldes Verbindungen und Zusammenhänge der Kategorien herzustellen. (vgl. ebd.) "Theoretical sampling keeps you moving between targeted data collection and analytic memo-writing" (Charmaz 2006, 110).

Wie bereits erwähnt, ist es in der Grounded Theory üblich, immer wieder zwischen der Forschung im Feld und der Analyse des Datenmaterials hin und her zu gehen. Charmaz (2006) stellt nun die Frage, wann der Punkt kommt, an dem das Sammeln von neuen Daten gestoppt wird. "[...] categories are `saturated` when gathering fresh data no longer sparks new theoretical insights, nor reveals new properties of your core theoretical categories" (ebd., 113).

4.2.4 Charmaz vs. Strauss und Corbin (E.H.)

Die konstruktivistische Grounded Theory zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie sich von einem objektivistischen Forschungsverständnis abgrenzt, indem sie die Interaktion zwischen ForscherIn und dem Forschungssubjekt in den Mittelpunkt stellt. Es wird der hohe Grad an Einflussnahme der Forschenden auf den Forschungsprozess und somit auch die Entwicklung der Theorie betont. "The theory depends on the researcher`s view; it does not and cannot stand outside of it" (Charmaz 2006, 130). Bedeutend ist weiters, dass sowohl die Daten als auch die Analyse des Materials als soziale Konstrukte erkannt werden. (vgl. ebd.). Deshalb legt die konstruktivistische Grounded Theory besonderen Wert auf die Einbindung des Kontextes, wodurch die Komponenten Zeit, Ort, Kultur und Situation berücksichtigt werden. (vgl. ebd.)

Ein weiterer Punkt, der sich gut eignet, um die unterschiedlichen Ansätze der Grounded Theory gegenüberzustellen, ist die Zielsetzung. Die objektivistische Methode zielt auf das objektive Erklären von Phänomenen, deren Universalisierung und Generalisierung sowie Vorhersagen. Der konstruktivistische Ansatz hingegen legt besonderen Wert auf einen interpretativen Zugang, bei dem das Verstehen eines Phänomens zentral ist. Die ForscherInnen der konstruktivistischen Grounded Theory gehen davon aus, dass es nicht die eine objektive Wirklichkeit gibt, sondern eine pluralistische Realität im Rahmen derer unterschiedlichste Weltbilder nebeneinander existieren können. Gerade deshalb bietet sich diese Methodologie für uns an, da in der Referenzgruppe Personen aus vielen verschiedenen Kontexten aufeinander treffen und wir davon ausgehen können, dass jede ein anderes Verständnis bzw. Bild von der Realität konstruiert. Das Ziel ist es nicht, eine universelle Theorie zu generieren, sondern herauszufinden, was im konkreten Setting vor sich geht. Auch ist es zentral, die Komplexität unterschiedlicher Welten bzw. Wirklichkeiten, Sichtweisen und Handlungen aufzuzeigen. Dies setzt die Offenheit dem Datenmaterial gegenüber voraus, dass sich die Theorie in alle möglichen Richtungen entwickeln kann. (vgl. Charmaz 2006)

4.3 Atlas.ti - Software als Unterstützung im Auswertungsprozess (A.C.)

Um das Datenmaterial, das im Zeitraum von Oktober 2008 bis September 2009 im Rahmen von zweitägigen Referenzgruppentreffen erhoben wurde, auszuwerten wurde die Software Atlas.ti benutzt.

Atlas.ti ist ein Computerprogramm, das entwickelt wurde um qualitatives Datenmaterial - dazu zählen sowohl Textdateien sowie Grafiken, Audio- und Videodateien - optimal bearbeiten zu können. (vgl. Muhr 2004)

"It offers a variety of tools for accomplishing the tasks asociatet with any systemathic approach to unsturcturadet data [...]. In the course of such qualitative analysis, ATLAS.ti helps you to explore de complex phenomena hidden in your data" (Muhr 2004, 8).

Eine Auswertung der Beobachtungsprotokolle der Referenzgruppentreffen gemäß der Grounded Theory war durch das Importieren der Textdateien und einen anschließenden übersichtlichen Bearbeitungsmodus problemlos möglich. Der Gesamttext wurde strukturiert und einzelnen Kodes zugeordnet. Auch Memos, die in der Grounded Theory von großer Bedeutung sind, wurden entweder frei und unabhängig von bestimmten Textstellen erstellt oder aber auch bezogen auf einzelne Kodes oder nicht kodierte Elemente. Außerdem konnten mit Hilfe des Programms Grafiken gezeichnet werden, die Beziehungen zwischen den Kodes oder Memos darstellten und somit ein besseres Vorstellungsvermögen erzeugten. Auch war es möglich in jeder Phase der Auswertung exakte Information, wie zum Beispiel die Anzahl der vergebenen Kodes und Memos sowie die Häufigkeit deren Verwendung, einzuholen. Weiters ist das Programm von Vorteil, da es die Möglichkeit bietet ohne großen Aufwand bestimmte Folgen von Kodes zu beobachten - zum Beispiel ob Kode B vermehrt in Folge von Kode B auftritt oder nicht. "It offers tools to manage, extract, compare, explore, and reassemble meaningfull pieces from large amounts of data in creative, flexible, yet systematic ways" (Muhr 2004, 8).

Abbildung 4: Screenshot Atlas.ti

5 Relevante Aspekte im Hinblick auf die Referenzgruppe im FWF-Projekt (E.H.)

Die Referenzgruppe ist keineswegs eine isolierte Gruppe, sondern sie ist als zentrales Element eines Forschungsprojektes der Universität Wien zu sehen, welches im folgenden Kapitel näher erläutert wird. Ebenfalls ist die Gruppenzusammenstellung nicht außer Acht zu lassen, weshalb die einzelnen Referenzgruppenmitglieder in diesem Kapitel beschrieben werden. Mit der Beschreibung der Veranstaltungsorte wird einem weiteren Aspekt, der im Zusammenhang mit der Arbeit der Referenzgruppe steht, Ausdruck verliehen. Zudem werden Verlaufsprotokolle der Treffen angeführt.

An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass sich die vorliegende Untersuchung sowohl im Zuge der Auswertung als auch in den Schwerpunkten dieses Kapitels, die Deskription des Kontextes, der Referenzgruppenmitglieder und der Veranstaltungsorte sowie die Verlaufsprotokolle, auf folgende Datenmaterialien und Informationsquellen stützt: Beobachtung, Beobachtungsprotokolle und formelle sowie informelle Gespräche mit den Referenzgruppenmitgliedern, den ModeratorInnen und den UnterstützerInnen. In die nach den Referenzgruppentreffen verfassten Beobachtungsprotokolle wurden handschriftliche Notizen integriert, die während der Treffen erstellt wurden.

5.1 Kontext (E.H.)

5.1.1 Das Rahmenprojekt (E.H.)

Die Arbeit der Referenzgruppe, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht, ist - wie bereits erwähnt - Teil des FWF-Projekts "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs", das am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien umgesetzt wird.

Der Fokus des Projekts, in dessen Rahmen das Datenmaterial sowohl qualitativ als auch quantitativ erhoben wird, wird dabei auf die Darstellung von Partizipationserfahrungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten und auf die Erfassung der strukturellen Rahmenbedingungen in Österreich gelegt. Auf der Ebene der qualitativen Forschung liegt der Fokus auf der Erfassung von unterschiedlichen Lebensgeschichten in den zwei im Titel genannten Lebensphasen - Übergang von der Schule zum Beruf und die Teilhabe am Arbeitsleben - in Form von qualitativen, narrativen Interviews. Auf Grund der Konzeption der Studie als explorative Längsschnittuntersuchung, werden pro Lebensphase jeweils 20 bis 25 Personen mit Lernschwierigkeiten über zwei Jahre hinweg mehrmals interviewt. Die InterviewpartnerInnen kommen aus den Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Oberösterreich, Niederösterreich und Wien und weisen unterschiedliche Erfahrungshintergründe wie Integrationsschule im Gegensatz zu Sonderschule bzw. Ausbildung sowie unterschiedliche Arbeitskontexte auf. Die TeilnehmerInnen der "Gruppe Übergang Schule-Beruf" sind zwischen 14 und 18 Jahre alt und jene der Gruppe Teilhabe am Arbeitsleben" sind zwischen 18 und 55 Jahre alt. Voraussetzungen für die Teilnahme an der Befragung sind folgende:

a.) der biographische Erwerb der Zuschreibung einer intellektuellen ("geistigen") Behinderung (z.B. durch Lehrpläne oder andere Formen statusdiagnostischer und/oder administrativ/rechtlicher Zuschreibungsprozesse),

b.) Fähigkeit zu informierter Zustimmung und

c.) im Falle der Minderjährigkeit die Zustimmung von Erziehungsberechtigen.

Die quantitative Untersuchung umfasst

a.) die Erhebung von schulischen Ausgangssituationen und Verlaufsdaten von SchülerInnen mit Lernschwierigkeiten im Schuljahr 2008/09,

b.) die Erhebung des Zugangs von Menschen mit Lernschwierigkeiten zu arbeitsmarktpolitischen Unterstützungsmaßnahmen im Referenzjahr 2008,

c.) die Erhebung der Beschäftigungssituation von Menschen mit Lern-schwierigkeiten in Beschäftigungstherapiewerkstätten im Referenzjahr 2008 und

d.) die Fragebogenerhebung von NutzerInnen in Beschäftigungstherapie-werkstätten in Wien im Referenzjahr 2008 in Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien.

5.1.2 Einbettung der Referenzgruppe im FWF-Projekt (E.H.)

Da dem Projekt ein partizipativer Forschungsansatz zu Grunde liegt, werden Menschen mit Lernschwierigkeiten als ExpertInnen in eigener Sache - in Form einer Referenzgruppe - aktiv in den Forschungsprozess eingebunden. Diese in der vorliegenden Untersuchung fokussierte Gruppe setzt sich aus 12 Personen mit Lernschwierigkeiten unterschiedlicher Erfahrungskontexte, welche im Kapitel 5.2 deskriptiv erläutert werden, zusammen.

Aufgabe der Referenzgruppe ist es zum einen, eine Steuerungsfunktion im gesamten Forschungsprozess auszuüben. In einem partizipativen Forschungsprojekt ist es wichtig, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten Entscheidungen mit treffen, da sie ExpertInnen in eigener Sache sind und somit eine wichtige Aufgabe im Projekt haben. Deshalb sind durch eine Referenzgruppe neue Ideen möglich und Änderungen im Projektplan können sich ergeben. Zum anderen ist vorgesehen, dass die Referenzgruppe als Beitrag von Menschen mit Lernschwierigkeiten an der Validierung der sich entwickelnden Theorie mitwirkt und sich somit an der kooperativen Theoriegenerierung beteiligt. Dieses Vorhaben gestaltete sich jedoch bisher schwierig, da sich einerseits die Referenzgruppe noch in ihren Anfängen befindet und sie somit beim zweiten Treffen mit der Auseinandersetzung mit Interviewausschnitten teilweise überfordert waren. Die Konsequenz dieser Erfahrung war, dass bei den bisher beobachteten Treffen daher eher das Ausprobieren geeigneter Arbeitsformate im Mittelpunkt stand. Andererseits war nicht ausreichend validierungsbedürftiges Interviewmaterial vorhanden, da die Auswertung der ProjektmitarbeiterInnen noch nicht so weit fortgeschritten war. Dadurch konnte keine gezielte Auswahl an Interviewausschnitten für eine qualitativ hochwertige Validierung in der Referenzgruppe getroffen werden.

Die Referenzgruppe trifft sich in etwa alle zwei Monate und arbeitet gemeinsam an projektrelevanten Themen. Bisher fanden die Referenzgruppentreffen abwechselnd in Innsbruck und Wien statt, wobei die ProjektmitarbeiterInnen der Universität Wien die Rahmenbedingungen wie Anreise und Abreise, Unterkunft, Veranstaltungsort, etc. organisiert hatten. Auch der Ablauf der Treffen wurde bisher weitgehend von den ModeratorInnen der Referenzgruppe geplant.

5.2 Beschreibung der Referenzgruppenmitglieder (E.H.)

In diesem Unterkapitel beschreiben wir die einzelnen Mitglieder der Referenzgruppe, um dem/der LeserIn einen detaillierten Einblick in die individuellen Kontexte zu ermöglichen. Dies erachten wir für sinnvoll, da so eine gute Vorstellung dessen möglich ist, wie die Treffen ablaufen. Das wiederum hängt wesentlich von der Zusammensetzung der Gruppe sowie den Erfahrungen bzw. den Einstellungen der einzelnen Mitglieder ab. Die Beschreibungen der Referenzgruppenmitglieder werden vor allem berufliche Aspekte ihres Lebensweges enthalten. An dieser Stelle möchten wir noch einmal erwähnen, dass die Referenzgruppenmitglieder zu einem Großteil aus den Bundesländern Wien und Tirol sowie aus Niederösterreich stammen. Einige der teilnehmenden Personen kannten sich bereits vor ihrem Zusammentreffen als ForscherInnen in der Referenzgruppe aus diversen Kontexten - Selbstvertretungsgruppen, Beschäftigungstherapie, verschiedene Projekte, Teilnahme am Universitätsseminar "Partizipative Forschungsmethoden", etc. Diese Beziehungen sind zum Teil beruflicher, aber auch freundschaftlicher bzw. privater Natur.

Einzelne Referenzgruppenmitglieder wurden von UnterstützerInnen zu den Treffen begleitet, die sie jedoch im Vorfeld schon kannten.

Die nachfolgenden Informationen bezüglich ihrer Person erhielten wir in einem persönlichen Gespräch mit den jeweiligen Referenzgruppenmitgliedern. Es wurde mit ihnen besprochen, dass eine kurze Beschreibung ihrer Person im Hinblick auf die für das Forschungsprojekt relevanten Aspekte in der Diplomarbeit erfolgen wird. Die Referenzgruppenmitglieder, deren Namen aus Datenschutzgründen anonymisiert wurden, bekamen die Möglichkeit die Beschreibungen ihrer Person zu lesen und zu kritisieren.

Fredi Amann

Herr Amann arbeitet im Rahmen einer Beschäftigungstherapiewerkstätte in der Textilgruppe des Vereins "Balance".

Herr Amann konnte sich in den letzten zwei Jahren (seit dem WS 2007/08) zu der Gruppe von ExpertInnen in eigener Sache im Rahmen des Universitätsseminars "Partizipative Forschungsmethoden - Mit Menschen mit Lernschwierigkeiten" zählen. Er nahm im Zuge dessen auch an den IntegrationsforscherInnentagungen in Bad Boll (2008) und Frankfurt (2009) teil.

Auf Grund von finanziellen Engpässen musste die SelbstvertreterInnengruppe, welcher Herr Amann lange Zeit angehörte, aufgelöst werden. Daher ist er derzeit in keiner Selbstvertretung aktiv.

Da Herr Amann, der in einem E-Rolli sitzt, sehr viel mit dem Zug reist, ist es ihm ein Anliegen, sich persönlich dafür einzusetzen, dass die Züge behindertengerechter bzw. barrierefrei werden.

Fredi Amann ist 57 Jahre alt und wohnt in einer vollbetreuten Wohngemeinschaft.

Otto Leitner

Zu Beginn seiner Forschertätigkeit innerhalb der Referenzgruppe, 2008, befand sich Herr Leitner noch in der Lehre. Er machte sie in einer Firma, in der er sich sehr wohl fühlt. Er ist nun seit Ende Jänner 2009 mit der Berufsschule fertig und hat den Lehrabschluss der Teilqualifizierungslehre als Bürokaufmann Ende März erfolgreich bestanden. Er wurde dann von seiner Firma ab April fix mit 30 Stunden pro Woche angestellt.

Herr Leitner kam bereits durch zahlreiche Medienberichte bezüglich seiner Behinderung und seinen Erfahrungen als Mensch mit Lernschwierigkeiten in Kontakt mit der Öffentlichkeit.

Im Jahr 2006 hielt er im Rahmen eines Universitätsseminares einen Vortrag über seine Person.

Herr Leitner ist 23 Jahre alt und lebt derzeit bei seiner Mutter.

Zenia Yeri

Frau Yeri ist Beraterin bei der Lebenshilfe Tirol, wo sie vor allem für die Peerberatung "Menschen mit Lernschwierigkeiten beraten Menschen mit Lernschwierigkeiten" zuständig ist. Weitere Schwerpunkte der beruflichen Tätigkeit von Frau Yeri, bei der sie eine Arbeitsassistenz zur Verfügung gestellt bekommt, sind das Abhalten von Vorträgen zum Thema Gleichstellung und derzeit die Vorbereitung der Präsentation des Gleichstellungspaketes. Durch strukturelle und örtliche Veränderungen ihres Arbeitsplatzes im Jänner 2009 wuchs der Aufgabenbereich von Frau Yeri. Ergänzend zu ihrer Beratungs- und Vortragstätigkeit führt sie Übersetzungen in die türkische Sprache durch.

Frau Yeri engagiert sich - wie auch Nikolas Renner und Alexandra Lose - in der Selbstvertretungsgruppe mit dem Namen "die GleichberechtigungsrebellInnen", die im Raum Innsbruck aktiv ist.[17]

Frau Yeri, die 28 Jahre alt ist, lebte in einer betreuten Wohngemeinschaft und zog Ende Oktober 2009 in eine eigene Wohnung, in der sie durch persönliche Assistenz unterstützt wird.

Hans Nagl

Herr Nagl ist seit 21. Jänner 2009 der Präsident von "Freak-Radio", welches vom Freak-Verein zur Förderung von Menschen mit Behinderung in den Medien seit 1997 herausgegeben wird. Freak-Radio besteht aus einer Gruppe von JournalistInnen mit und ohne Behinderung und hat das Ziel, "behinderte und nichtbehinderte Menschen einander näherbringen" (Freak-Radio 2009), was durch die Einbeziehung von "Betroffenen als ‚Experten"" (ebd.) in jeder einzelnen Sendung gewährleistet werden soll.[18] Herr Nagl hat 2002 einen Journalismuslehrgang absolviert und ist ausgebildeter Experte für "Easy-to-read" bzw. Leichter Lesen.

Von 2002 bis 2004 war Herr Nagl bei Integration Österreich geringfügig beschäftigt. Danach übersetzte er im Rahmen des Vereins "MAIN_Medienarbeit Integrativ" im Auftrag des Bundessozialamtes des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) Texte in Leichte Sprache. Zurzeit ist er selbstständig und hält Vorträge und Seminare für Leichter Lesen für die Lebenshilfe Österreich.

Herr Nagl interessiert sich sehr für das Thema Sachwalterschaft, welches er auch im Wintersemester 2007/08 im partizipativen Universitätsseminar als Experte in eigener Sache beforschte. Bei den nachfolgenden Seminaren widmete er sich anderen Themen.

Hans Nagl war in einer Selbstvertretungsgruppe aktiv, wobei er sich jetzt schon lange nicht mehr zu den Mitgliedern einer SelbstvertreterInnengruppe zählen kann.

Herr Nagl ist 33 Jahre alt und wohnt selbstständig in einer eigenen Wohnung.

Anita Fürst

Frau Fürst arbeitet im Rahmen von einer Beschäftigungstherapie in der künstlerischen Werkstatt "FlipFlap" bei "Jugend am Werk". Sie besucht derzeit Kurse für SchriftstellerInnen und Schreibwerkstätten, da sie gerne ihre Gedanken niederschreibt. Sie hat bereits einige Bücher, wie zum Beispiel Die Kinder akzeptieren mich so wie ich bin oder Traust Du mir das zu veröffentlicht, aber auch Texte und Gedichte - u.a. Was ist normal? oder Wenn ich nicht so wäre, wie ich bin stammen aus der Feder von Frau Fürst[19]. Sie hegt den Wunsch, die Ausbildung zur Werbetexterin zu machen und in einer Werbeagentur tätig zu sein. Weiter ist erwähneswertd, dass Frau Fürst auch künstlerisch gerne aktiv ist.

Seit eineinhalb Jahren (erstmals im Sommersemester 2008) wirkt auch sie beim Universitätsseminar "Partizipative Forschungsmethoden - Mit Menschen mit Lernschwierigkeiten" als Expertin in eigener Sache mit.

Frau Fürst, die 31 Jahre alt ist und derzeit noch in einer Wohngemeinschaft lebt, plant ihren Umzug in eine teilbetreute Wohnung.

Eva Nussbaumer

Frau Nussbaumer arbeitet in einer Beschäftigungstherapie in der Textilgruppe und fühlt sich dort nach eigenen Angaben gut aufgehoben. Sie unternimmt viel in ihrer Freizeit, unter anderem näht und stickt sie mit Freude oder geht ins Kino. Außerdem tanzt sie ausgesprochen gern in einer Gruppe mit Menschen mit Lernschwierigkeiten unter fachkundlicher Anleitung und Begleitung in einer Werkstätte für Menschen mit Lernschwierigkeiten. Diese Gruppe trifft sich in der Arbeitszeit jede Woche einen Tag und beschäftigt sich mit dem eigenen Körper, der Wahrnehmung sowie der Improvisation und Darstellung.

Frau Nussbaumer zählte für zwei Semester ebenfalls zu der ExpertInnengruppe in eigener Sache des Universitätsseminars für partizipative Forschungsmethoden und war Teilnehmerin der IntegrationsforscherInnentagung in Bad Boll (2008).

Eva Nussbaumer war in einer Selbstvertretungsgruppe, die sie jedoch verlassen hat, tätig. Daher gehört sie derzeit keiner Selbstvertretung an.

Die 45-Jährige lebt im Rahmen einer betreuten Wohngemeinschaft selbstständig in einer eigenen Wohnung. Durch die Zugehörigkeit zu einer betreuten Wohngemeinschaft hat sie immer die Möglichkeit Unterstützung anzufordern und zu bekommen, falls dies notwendig wäre.

Georg Nauerschnig

Herr Nauerschnig geht seit vier Jahren keiner Tätigkeit nach und ist zu Hause. Zuvor war er beim "ÖHTB - Österreichisches Hilfswerk für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte" in der Küche beschäftigt. Diesen Sommer absolvierte er in Tirol bei "WIBS - Wir informieren, beraten und bestimmen selbst", sowie im Projekt "FreiRaum" des "TAFIE Innsbruck-Land" Praktika.

Herr Nauerschnig ist seit dem Wintersemester 2007/08 Mitglied einer Gruppe von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die in dem Universitätsseminar, das partizipative Forschungsmethoden behandelt, als ExpertInnen mitwirken. Im Zuge dessen hielt der 26-Jährige Vorträge bei den IntegrationsforscherInnentagungen in Bad Boll 2008 und in Frankfurt 2009. Er schlüpft bei unterschiedlichen Gelegenheiten immer wieder in die Rolle des vortragenden Experten in eigener Sache. Er war auch bereits Co-Moderator und "grafic facilitator" bei persönlichen Zukunftsplanungen.

Seit Oktober 2009 absolviert er gemeinsam mit Stefan Ruez an der Pädagogischen Hochschule im Rahmen eines Empowermentlehrgangs die Ausbildung zum Empowermentberater.

Obwohl Herr Nauerschnig derzeit keiner Selbstvertretungsgruppe angehört, war er am SelbstvertreterInnenwochenende im Sommer 2009 in Matrei am Brenner (Tirol) dabei. Auch Herr Nauerschnig konnte sich früher zu den Mitgliedern einer SelbstvertreterInnengruppe zählen.

Seit nunmehr zwei Jahren lebt er in einer eigenen Wohnung, in der er Assistenz vom Verein "GIN - Gemeinwesenintegration und Normalisierung" bezieht.

Alina Rabl

Frau Rabl ist seit 1. Jänner 2009 Projektleiterin bei "WIBS", welches ein People First Projekt ist. Mit der Übernahme dieser Stelle ist sie die erste Frau mit Lernschwierigkeiten in Österreich, die die Leitung eines Selbstvertretungsprojektes inne hat. Frau Rabl ist auch in einer Selbstvertretungsgruppe tätig.

Lange Zeit war die jetzt 38-Jährige in einer Rehawerkstätte und wusste nicht, dass es für Menschen mit Lernschwierigkeiten auch andere berufliche Möglichkeiten gibt. Als sie dann davon erfuhr, setzte sie alle Hebel in Bewegung und schaffte schlussendlich den Durchbruch in den ersten Arbeitsmarkt. Bevor sie Projektleiterin von WIBS wurde, war sie dort seit 2002 für die Öffentlichkeitsarbeit, Peer Counseling und Beratung, sowie das Abhalten von Vorträgen und Leiten von Kursen zuständig. Frau Rabl hält ihre Vorträge und Kurse mit Hilfe eines Sprachcomputers.

Mehrere Artikel rund um die Thematik des Lebens von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die auch veröffentlicht wurden, kann Frau Rabl zu ihren Errungenschaften zählen. Unter anderem verfasste sie folgende Texte: Meine Lebensgeschichte, Warum ich nach 10 Jahren nicht mehr in der Reha Werkstätte arbeiten wollte, Über mein Selbstvertrauen und wie ich den Start in eine neue richtige Arbeitsstelle geschafft habe.[20]

Stefan Ruez

Herr Ruez steht in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis als Telefonist im Büro des Instituts Keil und war auch der Obmann des Vereins "E.I.S. - LIVE" (E.vent I.ntegration S.ervice), der Angebote für eine integrative Freizeitgestaltung - vor allem für Menschen mit Behinderung - bietet.

Bereits seit an der Universität Wien erstmals im WS 2007/08 ein partizipatives Seminar zu partizipativen Forschungsmethoden mit Menschen mit Lernschwierigkeiten angeboten wird, arbeitet Herr Ruez dabei als Experte in eigener Sache mit. Im Rahmen dessen nahm er bereits zwei Mal an IntegrationsforscherInnentagungen (2008: Bad Boll und 2009: Frankfurt) teil und hielt Vorträge über seine Forschungstätigkeit im Universitätsseminar.

Seit Oktober 2009 absolviert er an der Pädagogischen Hochschule die Ausbildung zum Empowermentberater im Rahmen eines Empowermentlehrgangs gemeinsam mit Georg Nauerschnig.

Der 30-jährige Herr Ruez wohnt in einer betreuten Wohngemeinschaft und ist in keiner SelbstvertreterInnengruppe aktiv.

Daniel Hofbauer

Herr Hofbauer arbeitet seit Juli 2009 als Landschaftsgärtner im Stift Klosterneuburg. Zuvor war er in einer Beschäftigungstherapie auf einem Bauernhof tätig, wo es ihm besser gefiel als in seiner nachfolgenden Arbeit in der Gärtnerei des österreichischen Bundesheeres. Auf Grund der geringen Bezahlung konnte er jedoch nicht in die Beschäftigungstherapie zurück, da er den Wunsch hat, in naher Zukunft von zu Hause auszuziehen.

Herr Hofbauer absolvierte die Ausbildung zum Peerberater für Menschen mit Lernschwierigkeiten zum Thema "Arbeit und Behinderung" und wartet derzeit auf Aufträge in diesem Bereich.

Seit dem Wintersemester 2008/09 ist er auch Mitglied der ExpertInnengruppe in eigener Sache des Universitätsseminars "Partizipative Forschungsmethoden".

In seiner Freizeit ist Herr Hofbauer DJ und auch Musiker unter dem Künstlernamen MC Ron.

Derzeit wohnt der 29-Jährige noch in seinem Elternhaus.

Alexandra Lose

Frau Lose arbeitet im Projekt FreiRaum des Vereins "TAFIE - Tiroler Arbeitskreis für integrative Entwicklung - Innsbruck-Land in Wattens", der sich am Normalisierungsprinzip orientiert und für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Lernschwierigkeiten eintritt.[21] Dort hat sie u. a. die Funktion einer Beraterin von Menschen mit Lernschwierigkeiten inne und ist im Büro zuständig für die Entgegennahmen von Telefonaten sowie für die Koordination von Anmeldungen zu den angebotenen Kursen. Frau Lose leitet im Zuge des Projektes "FreiRaum" unterschiedliche Kurse für Menschen mit Lernschwierigkeiten, wie zum Beispiel die Ausgehgruppe. Dabei ist es ihre Aufgabe, Personen, die sich für dieses Angebot angemeldet haben, teilweise abzuholen und dann zu begleiten, wobei sich ihre Unterstützung nach den Bedürfnissen jener Personen richtet, die an diesem Kurs teilnehmen.

Frau Lose, die sozusagen zu den Gründungsmitgliedern der Selbstvertretungsgruppe "die GleichberechtigungsrebellInnen" zählt, ist weiterhin mit viel Herz und Engagement in der Selbstvertretung von Menschen mit Lernschwierigkeiten tätig.

Die 29-Jährige genießt es, seit fünf Jahren selbstständig in einer eigenen Stadtwohnung zu leben.

Nikolas Renner

Herr Renner arbeitet ebenfalls im Projekt "FreiRaum" des Vereins TAFIE - Innsbruck Land. Er hat zuvor eine Teilqualifizierungslehre als Bürokaufmann absolviert und ist im Rahmen des Projektes "FreiRaum" für diverse Verwaltungsaufgaben zuständig.

Zurzeit befindet er sich gemeinsam mit dem "Netzwerk Chancengleichheit" in der Planung einer Tagung, die sich um das Thema "Mehr Rechte für Menschen mit Lernschwierigkeiten und Behinderung - was wurde wirklich erreicht?" drehen soll.

Gemeinsam mit Frau Yeri und Frau Lose ist Herr Renner ebenfalls in der Selbstvertretungsgruppe "die GleichberechtigungsrebellInnen" aktiv tätig und hat das Ziel Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Er war bis vor kurzem der Sekretär dieser SelbstvertreterInnengruppe und für das Verfassen und Versenden der Protokolle ihrer Treffen zuständig.

Nikolas Renner ist 24 Jahre alt und wohnt bei seiner Familie.

5.3 Veranstaltungsorte (A.C.)

Da die Referenzgruppenmitglieder aus Tirol und Wien bzw. Niederösterreich stammen, finden die Treffen sowohl in Wien als auch in Innsbruck statt. An dieser Stelle werden die Räumlichkeiten beschrieben, die bisher als Veranstaltungsorte dienten: Die Treffen in Wien fanden beide im Neuen Institutsgebäude (NIG) der Universität Wien statt. In Innsbruck wurden bereits die Räumlichkeiten des "Trewi" und jene des "WIBS - Wir informieren, bestimmen und beraten selbst" genutzt. In diesem Kapitel werden die bisher genutzten Räumlichkeiten beschrieben, um dem/der LeserIn weitere Informationen in Bezug auf die Umgebung, in denen die Treffen stattfinden, zu geben.

5.3.1 Wien (A.C.)

Grundsätzlich ist für die Referenzgruppentreffen in Wien die Beratungseinheit des Instituts für Bildungswissenschaft, welches sich im sechsten Stock des Neuen Institutsgebäudes befindet, vorgesehen. Offiziell ist dieser Veranstaltungsort für RollstuhlfahrerInnen barrierefrei erreichbar, was sich jedoch in der Realität des Öfteren als schwierig erwiesen hat, da unter anderem am Samstag ein extra Schlüssel vom Portier benötigt wird. Denn jener Aufzug, welcher von RollstuhlfahrerInnen benützt werden kann, ist durch einige bereits verschlossene Türen vom besagten Raum getrennt. Auch die Toiletten sind nicht völlig barrierefrei, da sie für Personen mit größeren Rollstühlen (z.B.: E-Rollis) schwer zugänglich sind. Die Pausen können daher eher nur in der Umgebung der Beratungseinheit verbracht werden.

Der Raum selbst ist für eine Gruppe von 12 Referenzgruppenmitgliedern, zwei ModeratorInnen, zwei UnterstützerInnen, zwei Beobachterinnen und optional PraktikantInnen bzw. persönliche AssistentInnen relativ klein, was sich dadurch äußerte, dass im Vorfeld Überlegungen zur Sitzordnung notwendig waren.

Ansonsten ist das Zimmer nicht sonderlich auffällig. Die Wände sind weiß und werden im Laufe der jeweiligen Treffen genutzt, um die entstanden Plakate übersichtlich aufzuhängen. Der Raum ist so ausgerichtet, dass das Geschehen darin über vier Kameras, die jeweils in einer Ecke hängen, gefilmt werden können. Theoretisch könnte man den Raum mittels einer Schiebewand in zwei kleinere Räume teilen. Es sind zwei Türen vorhanden, denen gegenüber sich auch zwei große Fenster befinden. Auf der Rückwand ist ein Einwegspiegel, hinter dem ein weiterer kleiner Raum mit dem Equipment für das Aufnehmen ist. Dieser Spiegel wurde jedoch von einer Jalousie verdeckt, damit er möglichst wenig auffällt und sich die Personen nicht so beobachtet fühlen. Der Stuhlkreis war so angeordnet, dass die zwei ModeratorInnen und die Flipcharttafel in deren Rücken gegenüber dem Einwegspiegel stehen. Außerdem gibt es bei den Treffen jeweils noch ein kleines Buffet, das sich in der Ecke hinter einer Tür befindet.

Auf Grund der Teilung in Kleingruppen werden weitere Räumlichkeiten des Instituts genutzt. Bisher waren das der Leseraum, ein Büro sowie die Küche im vierten Stock.

Der Leseraum, in dessen Mitte ein großer Tisch steht, ist für eine Kleingruppe relativ groß. Auffällig ist ein verglastes Bücherregal, welches sich über zwei Wände erstreckt. Weiters ist der Raum sehr hell und weist eine Trennwand auf, die zum Aufhängen von Plakaten dient.

Das Büro ist für eine Person ausgerichtet und somit nur für eine geringe Anzahl an Personen geeignet, da neben dem Schreibtisch nur ein kleiner Tisch mit dazugehörigen Stühlen zu nutzen ist.

Die Küche befindet sich im vierten Stock und kann daher nur wenn keine Person mit Rollstuhl in der Kleingruppe ist, als zusätzlicher Raum in Anspruch genommen werden. Beinahe das gesamte Zimmer ist durch eine kleine Küchenzeile, einen Kopierer und einen Tisch ausgefüllt. Auf Grund der Einrichtung ist es schwierig in diesem Raum Plakate aufzuhängen.

5.3.2 Innsbruck (A.C.)

In Innsbruck gab es bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Beobachtung zwei verschiedene Räumlichkeiten - Trewi und WIBS, in denen die Referenzgruppentreffen stattfanden.

Trewi

Das erste Referenzgruppentreffen fand im Trewi in Innsbruck statt. Das Trewi - Treffpunkt Wilten - ist ein Raum, der von verschiedenen Vereinen Innsbrucks für ihre Treffen verwendet werden kann. Er liegt im Erdgeschoss und ist komplett barrierefrei zugänglich; auch die Toiletten. Das gesamte nutzbare Areal besteht aus einem 30 m² Raum, in dem alle mehr oder weniger gut Platz hatten und der eher dunkel ist, sowie aus einer sehr kleinen Kochnische. Auf einer Seite ist eine Garderobe und ein Kasten, an einer anderen Wand steht ein Tisch und ein Kühlschrank mit Getränken, die jeweils selbst bezahlt werden mussten. Als verwendbare Utensilien für das Treffen wurde die sich im Raum befindliche Flipchart verwendet. Auf Grund der Einrichtung konnte nur eine Wand genutzt werden, um Plakate aufzuhängen. Weiters war im Trewi auf Grund der Räumlichkeiten keine Teilung der Gruppe möglich. Die günstige Lage im Erdgeschoss machte es möglich, die Pausen im Freien zu verbringen.

WIBS

Der zweite Veranstaltungsort in Innsbruck war das WIBS, welches ein Beratungszentrum von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten ist. Das gesamte Erdgeschoss wird sowohl für Büros als auch für Besprechungsräume dieser Einrichtung genutzt und ist völlig barrierefrei ausgestattet. Der Referenzgruppe stehen dort ein großer und ein kleinerer Besprechungsraum zur Verfügung, die jeweils ideal für Kleingruppenarbeiten sind. Die Räume sind schlicht gehaltene Besprechungszimmer mit jeweils nur einem Regal und weißen Wänden. Nur im großen Besprechungszimmer sind Bilder aufgehängt. In diesem Raum wurde in einer Ecke ein kleines Buffet angerichtet, wobei für die Verpflegung auch die Küche in Anspruch genommen wurde. Es gab in beiden Räumen genügend Möglichkeit, die während dem Treffen entstandenen Flipchart-Bögen aufzuhängen, damit diese für alle sichtbar waren. Auch diese Räumlichkeiten bieten dadurch, dass sie sich im Erdgeschoss befinden, die Möglichkeit in jeder Pause problemlos an die frische Luft zu gehen.

5.4 Verlaufsprotokolle

An dieser Stelle erscheint es von Bedeutung, dem/der LeserIn einen Überblick über den Ablauf bzw. die Inhalte der Referenzgruppentreffen zu gewähren, da diese Hintergrundinformation für das Verständnis und Nachvollziehbarkeit der Auswertung der Beobachtungsprotokolle der jeweiligen Treffen unerlässlich ist.[22] In diesem Kapitel werden Verlaufsberichte in chronologischer Reihenfolge, die aus den ausführlichen Beobachtungsprotokollen hervorgehen, dargestellt.

5.4.1 Erstes Referenzgruppentreffen (E.H.)

Datum: 3. Oktober 2008; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

4. Oktober 2008; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

Ort: Trewi - Treffpunkt Wilten; Innsbruck

TeilnehmerInnen: Alina Rabl, Zenia Yeri, Nikolas Renner, Alexandra Lose, Fredi Amann, Hans Nagl, Stefan Ruez, Georg Nauerschnig, Anita Fürst und Otto Leitner

Entschuldigt: Daniel Hofbauer

ModeratorInnen: Mag.a Petra Pinetz und Mag. Oliver Koenig

UnterstützerInnen: Mag.a Anna Roth, Dr. Walter Krög und Markus Eichinger

Beobachterinnen: Amelie Carraro und Elisabeth Hintringer

Im Zentrum des ersten Referenzgruppentreffens stehen das gegenseitige Kennenlernen der Referenzgruppenmitglieder sowie die Auseinandersetzung mit dem Forschungsprojekt in dessen Rahmen diese Referenzgruppe zum Einsatz kommt.

Freitag, 3. Oktober 2008; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

1. Einstieg, Kennen lernen

Die allgemeine Vorstellungsrunde wird mit Hilfe von Papiermännchen, auf die jede/r bezüglicher seiner/ihrer Person preisgeben kann, was er/sie will, gestaltet. Zusätzlich dazu werden die Referenzgruppenmitglieder gebeten ihre Erwartungen an das und von dem Forschungsprojekt darzulegen.

2. Leichte Sprache

2.1. Im Laufe der Diskussionen und inhaltlichen Auseinandersetzungen im Rahmen des Forschungsprojektes werden häufig schwierige Wörter auftauchen. Daher erfolgt die Ankündigung eines Wörterbuches in leichter Sprache mit der Zielsetzung einer laufenden Erweiterung parallel zu den Treffen.

2.2. Nach Beendigung des Projektes wird es einen Abschlussbericht in Leichter Sprache geben.

2.3. Die Referenzgruppenmitglieder werden aufgefordert sich einen angemessenen Titel anstelle des Projekttitels, welcher derzeit ein Arbeitstitel in schwieriger Sprache ist, zu überlegen. Die Referenzgruppe wird bereits in der Auseinandersetzung mit dem Projekttitel mit den ersten schwierigen Wörtern (Mensch mit intellektueller Beeinträchtigung, Partizipation), die als Eintrag ins Wörterbuch für Leichte Sprache notiert werden, konfrontiert. Eine Diskussion bezüglich was ist Partizipation und des Themas Arbeit und ob dieses wichtig ist, folgt.

3. Die Struktur des Gesamtprojektes, in dem qualitative und quantitative Erhebungen durchgeführt werden, wird an Hand einer selbstgezeichneten Grafik im Hinblick auf Entstehungshintergrund, Laufzeit, Zielgruppe, Ziel und mitarbeitende Personen erläutert. Die Projektleitung hat Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer inne und zu den MitarbeiterInnen zählen Dr.a Helga Fasching, Mag.a Petra Pinetz und Mag. Oliver Koenig. Weiters arbeiten an dem Projekt einige StudentInnen mit, die in dessen Rahmen ihre Diplomarbeit erstellen, sowie PraktikantInnen, die die Interviews transkribieren. Zusätzlich umfasst das Projekt eine Referenzgruppe und ForschungsteilnehmerInnen, mit denen im Zeitraum von zwei Jahren acht Gespräche geplant sind.

4. Klärung von Rollen

4.1. Was eine Referenzgruppe ist, welche Aufgaben sie hat, warum es bei diesem Projekt eine Referenzgruppe braucht und was es bedeutet ein Mitglied der Referenzgruppe bzw. FoscherIn in einer Referenzgruppe zu sein, wird geklärt.

4.2. Die Klärung der Rollen der UnterstützerInnen und der Beobachterinnen, die ebenfalls während des gesamten Treffens anwesend sind, folgt.

5. Festhalten von Informationen - Wie?

5.1. Um den Referenzgruppenmitgliedern die Möglichkeit zu geben, sich auch zwischen den Treffen aktiv mit dem Projekt auseinander zu setzen, wird ihnen ein Forschungstagebuch zur Verfügung gestellt und erläutert wozu es verwendet werden kann.

5.2. Wie sollen die Prozesse und Abläufe in der Referenzgruppe festgehalten werden? Der Vorschlag seitens der ReferenzgruppenleiterInnen ist, die Treffen in Wien zu filmen, da dort die notwendige Ausrüstung vorhanden wäre. Diesem Vorschlag werden ambivalente Gefühle und Einstellungen entgegengebracht und die Entscheidung, die schlussendlich bis zum zweiten Treffen positiv ausfiel, muss auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

6. Zur gemeinsamen Erarbeitung der Gruppenregeln werden von den ModeratorInnen folgende Fragen als Anregung an die Gruppe herangetragen: Was ist mir für eine Zusammenarbeit wichtig? Was brauche ich um mich in dieser Gruppe wohl zu fühlen? Was brauche ich, dass ich in dieser Gruppe gut arbeiten kann?

7. Eine Vorschau auf den folgenden Tag und die Möglichkeit zur Äußerung von Wünschen für diesen runden den ersten Tag ab.

Samstag, 4. Oktober 2008; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

8. Eine Reflexion des Vortages und eine Wiederholung der Gruppenregeln dienen als Einstieg.

9. Zu Beginn erfolgt die Klärung der finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen (Anzahl der Treffen und Dauer, Ort der Treffen, Reisekosten und Nächtigung, Honorar sowie dessen Auszahlung und TeilnehmerInnenliste) für die Referenzgruppentreffen im Allgemeinen.

10. Im Zuge der nachfolgenden inhaltlichen Auseinandersetzung stehen die Themen Arbeit und Teilhabe sowie deren Bedeutung im Zentrum. Im Zusammenhang mit dem Thema Arbeit kommt auch das Thema Assistenz am Arbeitsplatz sowie Unterstützung am Arbeitsplatz auf. Dabei stellt sich heraus, dass Unterstützung am ersten Arbeitsmarkt eine andere ist als jene, die in Beschäftigungstherapien angeboten wird. Auf Grund einiger Ungenauigkeiten bei der Benennung dessen, was Assistenz oder Unterstützung ist und beinhaltet, erfolgt von Seiten der ModeratorInnen ein Verweis dahingehend, dass in der Literatur verschiedene Arten der Hilfestellung unterschieden werden: Assistenz, Unterstützung und Betreuung. Zur Skizzierung der Unterschiede resultieren eine Gegenüberstellung der drei Arten von Hilfestellungen und die Verdeutlichung derer Bedeutungen an Hand von mehreren Beispielen.

11. Das Thema Ausbildungen wird ebenfalls ausführlich diskutiert, da den Referenzgruppenmitgliedern teilweise unklar ist, ob ein Institut bzw. eine Ausbildungsstätte eine integrative Berufsausbildung anbietet oder einen Beschäftigungstherapie-Status innehat.

Conclusio: Wichtig wäre, dass die Institute klar darlegen, welchen Status sie haben und vermeiden "Scheinausbildungen" anzupreisen.

12. Sammlung von Fragen bezüglich des Themas Arbeit, die für die Mitglieder interessant sind und auf die sie eine Antwort herausfinden möchten:

  • Haben Personen das Gefühl gut über Möglichkeiten informiert zu werden?

  • Hat die Person das Gefühl, selbst Entscheidungen treffen zu können?

  • Hat die Person das Gefühl an Orten, an denen sie eine Ausbildung macht oder arbeitet, gute Unterstützung zu bekommen?

  • Welche Wahlmöglichkeiten haben Personen? Sind das gute Wahlmöglichkeiten?

  • Haben Personen in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Wahlmöglichkeiten? (Gesetze, Maßnahmen ...)

  • Welche Informationen und in welcher Weise hat die Person diese bekommen?

  • Wie wird die Person aufgeklärt?

  • Wie erleben Personen einen Unterstützungskreis?

  • In welcher Art und Weise werden Unterstützungskreise durchgeführt?

  • Welche Wahlmöglichkeiten kennt die Person?

  • Welche Wahlmöglichkeiten hat die Person wahrgenommen?

13. Sammlung von Themenvorschlägen zur inhaltlichen Auseinandersetzung bei den jeweiligen Treffen, an Hand derer die Lebensgeschichten der interviewten ForschungsteilnehmerInnen durchgearbeitet und analysiert werden könnten.

Themen für das zweite Treffen: "Familie" und "Schule"

14. Reflexionsrunde im Plenum am Ende des Treffens

Aufforderung an die Referenzgruppenmitglieder darzulegen, wie ihnen das erste Treffen gefallen hat und wie es ihnen ergangen ist. In diesem Rahmen gibt es die Möglichkeit, die in Anspruch genommen wird, Wünsche für die Gestaltung der nachfolgenden Treffen zu äußern. Im Zuge der Reflexionsrunde erfolgt eine Vorschau auf das geplante Geschehen im Projekt - bezüglich der Referenzgruppe - bis zum nächsten Treffen.

5.4.2 Zweites Referenzgruppentreffen (A.C.)

Datum: 5. Dezember 2008; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

6. Dezember 2008; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

Ort: Beratungseinheit, NIG, Wien

TeilnehmerInnen: Zenia Yeri, Alina Rabl, Alexandra Lose, Nikolas Renner, Otto Leitner, Hans Nagl, Fredi Amann, Eva Nussbaumer, Anita Fürst, Georg Nauerschnig, Stefan Ruez und Daniel Hofbauer

ModeratorInnen: Mag.a Petra Pinetz und Mag. Oliver Koenig

UnterstützerInnen: Mag.a Anna Roth, Dr. Walter Krög und Sebastian Kuehs

Beobachterinnen: Amelie Carraro und Elisabeth Hintringer

Projektleiter: Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer

Projektmitarbeiterin: Dr.a Helga Fasching

Praktikant: Sebastian Kuehs

Beim zweiten Referenzgruppentreffen wurde der Fokus auf die erstmalige Auseinandersetzung mit dem im FWF-Projekt erhobenen Datenmaterial gelegt. Daraus ergab sich die Konfrontation mit dem Thema des Findens passender Arbeitsmodi und Vorgehensweisen für die Referenzgruppe im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Auswertens von Datenmaterialien.

Freitag, 5. Dezember 2008; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

1. Einstieg, Klärung des Programms und organisatorischer Angelegenheiten

1.1. Der planmäßige Beginn um 14 Uhr 30 kann auf Grund einer Verspätung einiger Mitglieder nicht eingehalten werden.

1.2. Einstieg, Kennen lernen

Personen, die beim zweiten Treffen erstmalig anwesend sind - Herr Univ.-Prof. Dr. Biewer und Frau Dr.a Fasching, die auch im Team des Forschungsprojektes sind, Frau Nussbaumer und Herr Hofbauer, zwei Referenzgruppenmitglieder und Sebastian Kuehs, der Assistent bzw. Unterstützer - stellen sich in der ersten Einheit kurz vor.

1.3. Struktur des Treffens

Anschließend wird besprochen, wie das Treffen gestaltet wird, welche Themen besprochen werden und wie das Programm für diesen und den nächsten Tag ausschaut.

1.4. Thema: Filmen

Weiters kommt das Thema, dass das Treffen gefilmt werden sollte nochmals auf und Unsicherheiten von Seiten der TeilnehmerInnen können geklärt werden.

2. Reflexion des ersten Treffens

Die Referenzgruppenmitglieder besprechen gemeinsam mit den ModeratorInnen, was beim letzten Treffen in Innsbruck passiert ist - dabei stellt sich heraus, dass das Protokoll, das im Anschluss an das vorige Treffen ausgeschickt wurde, kaum gelesen wurde, was laut der Mitglieder an der Länge lag.

3. In der zweiten Einheit nach einer Pause erzählen die Referenzgruppenmitglieder, was sich bei ihnen in der Zwischenzeit sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht verändert hat.

4. Besprechen der Nutzung des Forschungstagebuches von Seiten der Referenzgruppenmitglieder.

4.1. Die Referenzgruppe diskutiert dann darüber, wie man sich in der Zwischenzeit noch mit dem Projekt auseinandersetzen könnte bzw. wie sich die Mitglieder auf die Treffen vorbereiten könnten.

5. Thema: Lebensgeschichten

Die Referenzgruppenmitglieder erzählen in diesem Zusammenhang von Erfahrungen, die sie gemacht haben, sowohl im beruflichen als auch im privaten und persönlichen Kontext. Dann werden die einzelnen Stationen einer Lebensgeschichte an Hand einer Grafik von Stefan Doose in den Blick genommen. Die Stationen werden benannt und Fragen, die im Bezug auf eine Lebensgeschichte relevant sind, werden formuliert.

6. Thema: Familie

Die Referenzgruppe teilt sich in zwei Kleingruppen, die sich mit den Themen Familie und Schule beschäftigen.

6.1. Einstieg in das Thema: Brainstorming

Nachdem erste Ideen gesammelt und die genannten Begriffe geordnet und eingeteilt wurden, überlegen die Referenzgruppenmitglieder, wie diese Erkenntnisse zum Thema Familie später in die Arbeit mit den Interviews einfließen könnten und wie die Inhalte der Interviews wiederum mehr Erkenntnisse zu diesem großen Thema bringen könnten.

7. Thema: Schule

7.1. Einstieg in das Thema: Brainstorming

Beim Brainstorming werden vor allem Erfahrungen, die die Mitglieder selbst in ihrer Schulzeit gemacht haben und was andere Kinder damals erzählten, genannt. Dann wird versucht diese Erlebnisse allgemeiner zu formulieren, damit sie auch für andere, unter anderem für die Präsentation in der Großgruppe, brauchbar sind.

Samstag, 6. Dezember 2008; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

8. Ankommen

8.1. Der Beginn des Treffens verzögert sich um 20 Minuten.

8.2. Nachbesprechung des ersten Tages dieses Referenzgruppentreffens.

Was hat die Referenzgruppenmitglieder gestern nach dem Treffen noch beschäftigt?

9. Präsentation der Kleingruppenergebnisse: Schule

Themen wie die Verantwortung von LehrerInnen, Projektwochen, Mobbing und vieles mehr werden in der Großgruppe diskutiert.

10. Präsentation der Kleingruppenergebnisse: Familie

Zentrale Begriffe wie Zusammenhalt, Akzeptanz und Loslassen werden dabei von den Referenzgruppenmitgliedern als besonders zentral erachtet.

11. Arbeiten am Datenmaterial

Nach einer Pause werden von Kleingruppen erste Interviewpassagen in Hinblick auf die jeweiligen Themen (Familie und Schule) bearbeitet. Dafür werden Ausschnitte verwendet, die im Vorhinein von den ModeratorInnen ausgesucht wurden. Diese Ausschnitte werden zuerst von den Referenzgruppenmitgliedern durchgelesen und dann auf folgende Fragen hin analysiert:

  • Was erzählt die Person? (Was steht wirklich da?)

  • Wie sieht die Person die Situation? (Dabei kann man an Hand des Textes Vermutungen äußern)

  • Wie geht es der Person?

12. Reflexion: Wie hat das Arbeiten mit den Interviewtexten funktioniert?

Es stellt sich heraus, dass es für die Mitglieder nicht leicht war zwischen Beschreibung und Interpretation zu unterscheiden. Außerdem wird thematisiert, dass auch eigene Erfahrungen in die Analyse mit einfließen. Weiters wird bei dieser Gelegenheit darüber diskutiert, ob es möglich ist, durch Forschung "die Wahrheit" herauszufinden - was für nicht möglich und auch nicht erstrebenswert befunden wurde.

13. Klärung von organisatorischen Angelegenheiten, wie etwa Honorarnote.

5.4.3 Drittes Referenzgruppentreffen (E.H.)

Datum: 13. Februar 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

14. Februar 2009; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

Ort: WIBS; Innsbruck

TeilnehmerInnen: Zenia Yeri, Alina Rabl, Alexandra Lose, Nikolas Renner, Otto Leitner, Hans Nagl, Fredi Amann, Eva Nussbaumer, Anita Fürst, Georg Nauerschnig und Stefan Ruez

Entschuldigt: Daniel Hofbauer

ModeratorInnen: Mag.a Petra Pinetz und Mag. Oliver Koenig

UnterstützerInnen: Mag.a Anna Roth, Dr. Walter Krög, Gertraud Kremsner, Markus Eichinger und Sebastian Kuehs

Beobachterinnen: Amelie Carraro und Elisabeth Hintringer

Die Schwerpunkte der inhaltlichen Diskussionen beim dritten Referenzgruppentreffen sind einerseits das Thema "Auseinandersetzung mit eigenen Behinderungserfahrungen" und andererseits die Auseinandersetzung mit Rechten, Gesetzen und der UN-Konvention.

Freitag, 13. Februar 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

1. Einstieg, Klärung des Programms und organisatorischer Angelegenheiten

1.1. Das Treffen beginnt mit jeweils einer Verspätung und einer Abwesenheit eines Mitgliedes, welches die Anreisezeit zum Treffpunkt unterschätzt hat.

1.2. Erstmaliger Einsatz der roten, gelben und grünen Kärtchen, wobei Rot "Stopp", Gelb "langsamer oder bitte noch einmal wieder holen" und Grün "alles in Ordnung" bedeutet.

1.3. Vorstellung sowie Besprechung des Programms für das gesamte Treffen.

Geplant ist eine verstärkte Schwerpunktsetzung auf die Diskussion der Themen "Ausbildung" und "Auseinandersetzung mit eigenen Behinderungserfahrungen" und weniger die Beschäftigung mit dem Interviewmaterial an sich. Die Beschäftigung mit den Rechten und Gesetzen im Hinblick auf den Schwerpunkt Arbeit, wofür zu Beginn des Treffens das Einverständnis aller TeilnehmerInnen eingeholt wird, ist ebenfalls in der Planung berücksichtigt.

1.4. Auf Grund der nicht vorhandenen Möglichkeiten der Videoaufzeichnung erfolgt mit Einverständnis aller TeilnehmerInnen die Aufzeichnung der Diskussionen auf Tonband. Am Ende dieses Treffens wird ein Gruppenfoto gemacht werden, da bei diversen Veröffentlichungen auch nach Bildern gefragt wird. Hierbei wird jedoch klar betont, dass keine Fotos veröffentlicht werden, ohne die Zustimmung aller abgebildeten Personen.

2. Reflexion des zweiten Referenzgruppentreffens und Besprechung von Erfahrungen, die eventuell in der Zwischenzeit im Zusammenhang mit den beim zweiten Treffen behandelten Themen aufgekommen sind.

3. Welche privaten und beruflichen Veränderungen im Leben der ReferenzgruppenteilnehmerInnen wollen mitgeteilt werden.

4. Thematisierung der Verwendung des Forschungstagebuches: Manchen ist immer noch unklar, wozu es verwendet und was hineingeschrieben werden kann. Andere hingegen nutzen zwar das zur Verfügung gestellte Forschungstagebuch nicht, führen jedoch eines in anderer Form - zum Beispiel am Computer.

5. Vor der Pause erfolgt die Zuteilung zu den anschließend zu behandelnden Themen. Da anfangs nur zwei und danach sogar nur eine Person das Thema "Ausbildung" bearbeiten wollen und der Rest die Bearbeitung des Themas "Auseinandersetzung mit eigenen Behinderungserfahrungen" bevorzugt, gibt es zwei Gruppen zu diesem Thema und das Ausbildungsthema wird auf das nächste Treffen verschoben.

6. Beschäftigung mit dem Thema Behinderungserfahrungen und Auseinandersetzung mit eigenen Behinderungserfahrungen in zwei Kleingruppen

6.1. Einstieg in das Thema: Brainstorming

Dabei stellt sich heraus, dass das Thema Behinderungserfahrungen ein sehr schwieriges Thema ist, und das Gespräch gerät in einer Kleingruppe ins Stocken und benötigt mehrere Impulse von Seiten des Moderators, um in einen produktiven Charakter zu erlangen. Diese Gruppe beschäftigt sich nach dem Brainstorming vorwiegend mit den Aspekten "Barrieren" und "Eintreten können für sich selbst".

7. Nach den Diskussionen zum Thema Behinderungserfahrungen in den Kleingruppen brachen fast alle zum gemeinsamen Abendprogramm in die Stadt auf.

Samstag, 14. Februar 2009; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

8. Vorstellung des Tagesprogramms und Reflexion des Vortages

9. Präsentationen der beiden Kleingruppen von den Ergebnissen der Diskussion zu den Behinderungserfahrungen

Bei einer Gruppe ist es eher ein Präsentationsgespräch zwischen zwei Referenzgruppenmitgliedern und der Moderatorin, während in der anderen Gruppe nur eine Person das Erarbeitete skizziert. Nach den Präsentationen besteht kein weiterer Diskussionsbedarf zu diesem Thema. Daher leiten die ModeratorInnen zum nächsten Punkt über.

10. Gesetze und Rechte sowie die UN-Konvention

10.1. Kurze Hinführung zum Thema "UN-Konvention, Gesetze und Rechte" sowie Verteilung der vorbereiteten Handouts in der Großgruppe

10.2. Einzelne ausgewählte Artikel der UN-Konvention, welche in Bezug auf das Forschungsprojekt relevant sind, werden in Kleingruppen behandelt. Hierfür wird von manchen Mitgliedern die Möglichkeit genutzt, die Gruppe zu wechseln.

10.3. Erste Kleingruppe: Besprechung der Bedeutung des Terminus "Recht", um danach ausgewählte Artikel aus der UN-Konvention sowie deren Umsetzung in der Realität zu diskutieren. Mit der Aufforderung kurz zusammenzufassen, was für die einzelnen Referenzgruppenmitglieder besonders wichtig an dieser thematischen Auseinandersetzung ist/war, wird diese Diskussion beendet.

10.4. Zweite Kleingruppe: Aufforderung an die Referenzgruppenmitglieder aufzuzählen, welche Rechte und Gesetze sie im Zusammenhang mit Ausbildung und Arbeit kennen bzw. bereits kennengelernt haben. Im nächsten Schritt liest jeder den Artikel 27 der UN-Konvention leise um anschließend in der Kleingruppe darüber zu diskutieren.

Was sagt der Artikel 27 aus? Wie wird das in der Realität umgesetzt? Welche persönlichen Erfahrungen bringt die Gruppe im Zusammenhang damit ein? Was könnte die UN-Konvention sowie die Auseinandersetzung damit für das Forschungsprojekt bringen?

11. Abschlussreflexionsrunde

Die Referenzgruppenmitglieder äußern sich großteils positiv gegenüber der Arbeit in Kleingruppen.

12. Klärung von organisatorischen Angelegenheiten, wie etwa Honorarnote und Erstellung eines Gruppenfotos

5.4.4 Viertes Referenzgruppentreffen (A.C.)

Datum: 3. April 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

4. April 2009; 9.45 Uhr - 13.30 Uhr

Ort: Beratungseinheit, NIG, Wien

TeilnehmerInnen: Zenia Yeri, Alina Rabl, Alexandra Lose, Nikolas Renner, Otto Leitner, Hans Nagl, Fredi Amann, Eva Nussbaumer, Anita Fürst und Georg Nauerschnig

Entschuldigt: Daniel Hofbauer (war am 4. April 2009 anwesend) und Stefan Ruez

ModeratorInnen: Frau Dr.a Helga Fasching und Mag. Oliver Koenig

UnterstützerInnen: Mag.a Erika Jentsch, Dr. Walter Krög

Beobachterinnen: Amelie Carraro und Elisabeth Hintringer

Beim vierten Referenzgruppentreffen wurde der Schwerpunkt darauf gelegt, dass die zu bearbeitenden Themen von der Gruppe selbst entwickelt werden. Dabei wurde die Methode des "Open Space" verwendet.

Freitag, 3. April 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

1. Einstieg, Klärung des Programms und organisatorischer Angelegenheiten

1.1. Das zweite Referenzgruppentreffen beginnt mit einer Verspätung um 14.45 Uhr.

1.2. Besprechen der Unterschiede zum bisher gewohnten Ablauf der Referenzgruppentreffen

Zu Beginn des Treffens wird darüber gesprochen, dass Mag.a Petra Pinetz, die bisher bei allen Treffen als Moderatorin anwesend war, heute nicht da ist. Ihre Aufgabe wird deshalb von Frau Dr.a Fasching übernommen. Weiters werden Unterschiede in der Methodik der Gestaltung des Treffens angekündigt: Für die Themenfindung wird das "Open Space" vorgeschlagen. Reflektiert soll bei diesem Treffen mithilfe bunter Zettel, die dafür genutzt werden können, alles aufzuschreiben, was einem während dieser zwei Tage einfällt, werden. Zur Anregung waren darauf einige Fragen vorhanden, die die Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle als ForscherIn, mit der Entscheidung, was zum Projekt beigetragen werden möchte, mit dem bisher Geschehenen, etc. fördern sollte.

2. "Open Space": Themenfindung

Im Rahmen des "Open Space" werden Wünsche für die zu bearbeitenden Themen der Referenzgruppenmitglieder gesammelt und strukturiert. Folgende vier Themen werden auf Grund von größerem Interesse ausgesucht: Wohnen, UN-Konvention, berufliche Unterstützung und Beschäftigungstherapie.

3. Arbeit in den Kleingruppen

Nach einer Pause teilt sich die Referenzgruppe in die vier Kleingruppen, von denen jeweils eine Gruppe ein bestimmtes Thema bearbeitet, mit jeweils einem/einer ModeratorIn. In allen Gruppen wird debattiert und auf unterschiedliche Weise versucht, verschiedene Blickwinkel und Aspekte des Themas zu betrachten und aufzuzeigen. Dabei bedienen sich die Kleingruppen an Methoden wie dem Brainstorming.

Der gesamte Freitag wird dazu genutzt, intensiv in diesen Konstellationen zu arbeiten.

Samstag, 4. April 2009; 9.45 Uhr - 13.30 Uhr

4. Präsentation der Ergebnisse

4.1. Wohnen von Menschen mit Lernschwierigkeiten

Darstellen eines Vergleichs zwischen selbstständigem Wohnen gegenüber vollbetreutem Wohnen. Die Kleingruppe stellte fest, dass das selbstständige Wohnen mit einem besseren Wohlbefinden, mehr Freizeit, eigenen Entscheidungen, Freiheit, Besuch zu haben wann immer man will, einem besseren Selbstbewusstsein, der Anerkennung als erwachsene Person und einem Privatleben verbunden ist. Das vollbetreute Wohnen besitzt diese Qualitäten nicht und wird deshalb von der Gruppe als Notlösung deklariert, welche nicht wünschenswert ist. Es wird weiters der Konsens gefunden, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten stolz auf sich sein können, wenn sie es geschafft haben, selbstständig zu wohnen.

4.2. Berufliche Unterstützung

Die Gruppe hat erarbeitet, dass es bei der Unterstützung eine Grundvoraussetzung ist, dass sie, obwohl sie in gewissen Situationen nötig ist, einer Person mit Lernschwierigkeiten die Verantwortung nicht entzieht. Als Bereiche, die Unterstützungsbedarf aufweisen, werden folgende bezeichnet: Herangehensweise an eine bestimmte Arbeit, organisatorische Angelegenheiten, Sammeln von Ideen, das mehrmalige Erklären von bestimmten Dingen für deren Verständnis eine Person mehr Zeit benötigt, etc. Besonders schwierig befindet die Gruppe die Arbeitssuche selbst, weswegen dafür eine besonders gute und individuelle Unterstützung gebraucht wird. Auch die Qualitäten von UnterstützerInnen werden besprochen zu welcher Erfahrung, das Vermitteln eines Sicherheitsgefühls, die Fähigkeit Dinge zu erklären, Vertrauenswürdigkeit, Einfühlungsvermögen und Geduld zählen.

4.3. Raus aus der Beschäftigungstherapie

Zahlreiche Nachteile, in Verbindung mit Beschäftigungstherapien werden aufgezeigt: Dass man in einem eigentlich pensionsfähigen Alter nicht die Möglichkeit hat in Pension zu gehen, bzw. dass man nicht pensionsversichert ist. Oft bestimmen in Werkstätten die BetreuerInnen über die Tätigkeiten, die die KlientInnen zu erledigen haben und dabei kennen die BetreuerInnen oft ihre Grenzen nicht und gehen darüber hinaus. Dass man keine richtige Bezahlung für seine Arbeit bekommt, sondern nur ein "Taschengeld". Die Überbelastung der BetreuerInnen führt dazu, dass Menschen oft nicht wahrgenommen und auch nicht respektiert werden. Negativ ist auch, dass die Produkte, die in den Werkstätten erzeugt werden, unter ihrem tatsächlichen Wert verkauft werden. In BTs werden individuelle Fähigkeiten nicht berücksichtigt bzw. hinten angestellt, etc. Daraufhin werden dann Wünsche für die "richtige" Arbeit formuliert. Dazu zählt unter anderem, dass es keine Altersbeschränkungen dafür geben sollte, um noch eine richtige Ausbildung anzufangen. Dass man richtig bezahlt wird und eine Sozialversicherung, Pensionsversicherung und Krankenversicherung hat und bezahlten Urlaub bekommt. Ein weiterer Wunsch ist es, von ArbeitskollegInnen ernst genommen und vor allem nicht diskriminiert wird. Im Arbeitsleben ist es auch wichtig, dass mögliche Barrieren beseitigt werden und wenn welche vorhanden sind, dann ist es notwendig, dass man richtige, angemessene Unterstützung bekommt.

4.4. UN-Konvention

Die UN-Konvention ist ein internationales Dokument, welches sich mit dem Thema "Rechte" auseinandersetzt und Rechte beinhaltet. Im Sinne der UN-Konvention stehen jedem Menschen zum Beispiel folgende Rechte zu: Recht auf persönliche Assistenz, Recht eine eigene Wohnform zu wählen, Recht zu arbeiten und Geld zu verdienen, Recht auf Ausbildung und Weiterbildung, Recht, nicht durch eine/n SachwalterIn eingeschränkt zu werden, sondern Unterstützung zu bekommen (z.B. Verträge verstehen), Recht auf Leichte Sprache, etc. Da die Rechte der UN-Konvention teilweise im Widerspruch zu dem in Österreich gültigen Gesetz stehen gibt es einen Monitoring -Ausschuss, der versucht die politisch Verantwortlichen auf die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen aufmerksam zu machen. Auf diese Hinweise muss die Politik reagieren und es besteht die Möglichkeit einer Reformation des österreichischen Gesetzes, was jedoch unwahrscheinlich ist, da parallel die Möglichkeit besteht, dass die Politik sich dem durch Ausreden entzieht und alles beim Alten bleibt.

Weiters folgt der Hinweis, dass die UN-Konvention in einer "Easy-to-read"-Version verfügbar und somit auch für eine weiterführende Auseinandersetzung geeignet ist.

5. Diskussionsrunde

Die Gruppe legt im Rahmen einer Diskussion das Thema für das fünfte Referenzgruppentreffen fest: "Die Rolle als ForscherIn"

6. Abschlussreflexionsrunde

5.4.5 Fünftes Referenzgruppentreffen (E.H.)

Datum: 18. September 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

19. September 2009; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

Ort: Beratungseinheit, NIG, Wien

TeilnehmerInnen: Zenia Yeri, Alexandra Lose, Alina Rabl, Nikolas Renner, Stefan Ruez, Hans Nagl, Anita Fürst und Eva Nussbaumer

TeilnehmerInnen (teilweise anwesend): Georg Nauerschnig (Freitag bis ca. 17.00 Uhr und Samstag), Otto Leitner (Freitag), Daniel Hofbauer (Samstag)

Entschuldigt: Fredi Amann

ModeratorInnen: Mag. Oliver Koenig und Dr. Walter Krög

UnterstützerInnen: Mag.a Anna Roth

Beobachterinnen: Elisabeth Hintringer und Amelie Carraro (18. September 2009: Beginn bis 16.35 Uhr)

Protokollantin: Diana Mursec

Nachdem das Treffen der Referenzgruppe im Juni auf Grund von personalen Veränderungen im Projektteam abgesagt werden musste, fand das fünfte Referenzgruppentreffen - ebenfalls kurzfristig um eine Woche verschoben - in Wien in den üblichen Räumlichkeiten statt.

Im Zentrum dieses Treffens standen die Auseinandersetzung mit der Rolle als ForscherIn, der zukünftigen Arbeitsweise der Referenzgruppe sowie die Bearbeitung eines Interviews.

Freitag, 18. September 2009; 14.30 Uhr - 18.30 Uhr

1. Begrüßung und Einstieg

1.1. Klärung der personellen Veränderungen, die sich in der Zwischenzeit ergeben haben (Herr Krög anstelle von Frau Pinetz).

1.2. Vorstellung des geplanten Programms für das Wochenende

1.3. "Was ist seit dem letzten Treffen passiert?"-Runde

Diesmal Aufforderung, dass jeder etwas erzählen soll, da fast fünf Monate seit dem letzten Treffen vergangen sind.

2. Thematische Auseinandersetzungen beim fünften Treffen

2.1. erneute Auseinandersetzung und Klärung der Aufgaben der Referenzgruppe, der Rolle als ForscherIn sowie die Abklärung der weiteren Vorgehensweise für die Referenzgruppe.

2.2. gemeinsame Klärung wie die im Projekt noch zur Verfügung stehende Zeit genutzt werden kann?

Vorschlag der Moderatoren: halbtägige regionale Treffen in kleineren Gruppen (Wien und Niederösterreich bzw. Tirol) - vorrangig um mehr Zeit für inhaltliche Diskussionen zu haben, aber auch um die Zeit zwischen den Treffen zu verkürzen. Der Vorschlag wird von den Referenzgruppenmitgliedern angenommen.

2.3. Aktive Teilnahme an der IntegrationsforscherInnentagung 2009 in Innsbruck?

2.4. Möglichkeit der Durchführung eines eigenen kleinen Forschungsprojektes mit Unterstützung - besteht Interesse?

à Ziel des ersten Tages war somit die Abklärung der Zukunft der Referenzgruppe sowie die Entscheidung, welche Themen und mit welchen Methoden gearbeitet werden soll.

3. Kurze Präsentation einer Diplomandin der bisher behandelten Inhalte und eingesetzten Methoden, um eine bessere Ausgangslage für die nachfolgende Diskussion zu schaffen.

4. Klärung der Rolle des/der ForscherIn und der Arbeit der Referenzgruppe

4.1. Erklärung der Aufgabe, Verteilung des notwendigen Materials für nachfolgende Einzelarbeit mit Unterstützung durch die Moderatoren - falls gefordert - in der vorgegebene Fragen bearbeitet werden.

4.2. Diskussion der einzelnen Fragen reihum zum Thema "Forschung" mit anschließender Zusammenfassung der Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder durch die Moderation. Die drei Fragen zum Thema Forschung lauteten:

1. Was bedeutet Forschung für mich?

2. Wie kann man Forschung machen?

3. Was kann Forschung bringen? (mir und im Allgemeinen)

4.3. Fragen des Themenblocks bezüglich der Referenzgruppe und deren inhaltliche Auseinandersetzungen sowie Arbeitsweisen:

4. Welche Themen waren mir in der Referenzgruppe bisher wichtig?

5. Wie haben wir bisher gearbeitet?

a. Was hat mir gefallen?

b. Was hat mir nicht gefallen?

6. Wie möchte ich mit der Referenzgruppe weiterarbeiten?

a. Welche Themen möchte ich besprechen?

b. Mit welchen Methoden möchte ich arbeiten?

5. Erneute Klärung des Unterschiedes zwischen Großgruppentreffen und Regionaltreffen

5.1. Unterschied ist noch nicht allen klar.

5.2. Bereits konkrete Vorschläge von Seiten der Moderatoren mit welchen Inhalten die jeweiligen Treffen gefüllt werden könnten.

5.3. Bedenken der Referenzgruppenmitglieder dahingehend, dass bei dieser Arbeitsweise jedoch die jeweils andere Gruppe nicht auf dem aktuellen Stand wäre. Diese Bedenken können aus dem Weg geräumt werden.

6. Vorschlag des Programms für Samstag von Moderation: Entweder ein bestimmtes Thema zu diskutieren oder mit einem Interview zu arbeiten. Es wäre jedoch auch beides denkbar und kann von den Referenzgruppenmitgliedern per Handzeichen frei gewählt werden.

7. Sammlung von ein paar Themenvorschlägen für eigene kleine Forschungsprojekte.

Samstag, 19. September 2009; 9.30 Uhr - 13.30 Uhr

8. Klärung offener Sachverhalte des Vortages sowie allgemeiner Angelegenheiten im Hinblick auf das Gesamtprojekt.

9. Arbeit in zwei Kleingruppen am Interviewmaterial

9.1. Kleingruppe Herr Krög: Vorgehensweise: Nachdem die TeilnehmerInnen alle Unterlagen erhalten haben, lesen sie leise einen gewissen Abschnitt, markieren sich auffallende Stellen und machen Notizen. Anschließend soll diese ausgewählte Stelle in der gesamten Kleingruppe diskutiert werden. Da jedoch teilweise unklar ist, wie weit gelesen werden soll und auch das Lesetempo der Personen unterschiedlich ist, wird infolgedessen so verfahren, dass der Moderator die jeweilige Interviewpassage laut vorliest und dann darüber diskutiert bzw. die wichtigen Vorkommnisse auf Flipchart festgehalten werden.

Nach einer kurzen Pause werden die wichtigen Ereignisse im Leben der Interviewpartnerin von einem Referenzgruppenmitglied an Hand der Notizen auf dem Flipchart kurz skizziert und danach im Interviewtext weiter so vorgegangen, wie vor der Pause. Gegen Ende dieser Einheit wird es auf Grund von Zeitdruck etwas stressiger, weil das Interview noch nicht fertig durch besprochen ist und der Moderator noch von jedem kurz wissen will, was er/sie aus dem Interview herausgehört hat, was jedoch nicht da steht.

9.2. Kleingruppe Herr Koenig: Vorgehensweise: Zunächst sollen die ersten zwei Seiten gelesen sowie die wichtigsten Stellen markiert werden, um dann ganz offen die ersten Ideen dazu zu sammeln. Aufforderung an die Gruppe so weit zu lesen, wie es ihnen in fünf bis zehn Minuten möglich ist, um dann darüber zu sprechen. Nach der Besprechung dieses Abschnittes werden die Referenzgruppenmitglieder dieser Kleingruppe dazu angehalten das gesamte Interview mit der Frage im Hinterkopf, wie man mit der interviewten Person in einer Beratungssituation umgehen soll, zu lesen.

Da die zuvor festgelegte Pause dazwischen kommt, wird das Interview erst nach dieser fertig gelesen. Gespräch mit Kleingruppenmitgliedern darüber, wie es ihnen allgemein mit dem Interview ergangen sei, um dann die Vorkommnisse bzw. einige Lebensabschnitte im Interview genauer zu besprechen.

Vorstellung einer hypothetischen Beratungssituation und Überlegung von Ratschlägen für die interviewte Person.

10. Erörterung der möglichen inhaltlichen Aspekte für die Regionaltreffen sowie Planung der IntegrationsforscherInnentagung 2010 mit potentiellen Themen in der Großgruppe.

11. Reflexionsrunde mit Statements aller TeilnehmerInnen

11.1. Erneute Auseinandersetzung mit dem Thema Forschung und der Rolle der Referenzgruppenmitglieder als ForscherInnen ist wichtig gewesen.

11.2. Die Diskussion in der Großgruppe und die Arbeit in der Kleingruppe stehen in einem ambivalenten Verhältnis.

12. Abwicklung der organisatorischen Belange, wie Honorarnote, Spesenabrechnung.



[17] Nähere Informationen der Selbstvertretungsinitiative mit Unterstützung des Projektes "FreiRaum des Vereins TAFIE Innsbruck-Land", können unter folgendem Link bezogen werden: http://www.selbstvertretung.at/; [letzter Aufruf: 29.09.2009].

[18] Nähere Informationen zur Konzeption und Arbeitsweise von Freak-Radio des Freak-Vereins zur Förderung von behinderten Menschen in den Medien können unter folgender URL bezogen werden: http://freak-radio.at/cgi-bin/freak.cgi?pg=freakradio; [letzter Aufruf: 15.10.2009].

[19] vgl. dazu: www.ohrenschmaus.net/docs/Gedichte%20Koenig_Paulmichl.pdf; [letzter Aufruf: 15.10.2009] und http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20061127_OTS0041; [letzter Aufruf: 15.10.2009].

[20] Ausführlichere Informationen zu Texten, die von Frau Rabl verfasst wurden, können unter folgendem Link abgerufen werden: http://www.selbstbestimmt-leben.net/wibs/?site=147; [letzter Aufruf: 30.09.2009].

[21] Nähere Informationen zum Verein TAFIE und dessen Projekte können auf der Homepage (http://www.tafie-il.at/index.htm; [letzter Aufruf: 30.09.2009]) in Erfahrung gebracht werden.

[22] Auf Grund des Umfanges der gesamten Beobachtungsprotokolle befinden sich diese im Anhang dieser Diplomarbeit und können verwendet werden, um relevante Zusatzinformationen nachzulesen.

6 Auswertung

In diesem Kapitel erfolgen die Skizzierung der Analyse des erhobenen Datenmaterials hinsichtlich der Prozesse sozialer Interaktion einerseits und der Prozesse der Erkenntnisgewinnung andererseits.

Das Datenmaterial, welches als Grundlage für die Analyse dieser Prozesse herangezogen wird, sind die angefertigten Beobachtungsprotokolle aus fünf Referenzgruppentreffen, wobei bei dem ersten Treffen eher allgemein beobachtet wurde. Daher existieren intensive Beobachtungsprotokolle aus der Perspektive beider Beobachterinnen mit jeweils einem Fokus auf die Prozesse sozialer Interaktion und einem auf die Prozesse der Erkenntnisgewinnung erst ab dem zweiten Treffen. Die Einzelprotokolle wurden im Anschluss gemeinsam besprochen und zusammengetragen und in einem übergreifenden Protokoll, aufgeteilt in Sequenzen, die jeweils nach Prozessen der Erkenntnisgewinnung und Interaktionen differenziert sind, festgehalten. Zusätzlich sind in die Protokolle persönliche informelle Gespräche mit TeilnehmerInnen, UnterstützerInnen und ModeratorInnen eingeflossen.

6.1 Auswertung des Schwerpunktes: Prozesse sozialer Interaktion und deren Auswirkung auf die Referenzgruppentreffen (A.C.)

In diesem Kapitel wird zuerst kurz darauf eingegangen, was in der Diplomarbeit unter der Begrifflichkeit des "Prozesses sozialer Interaktion" verstanden wird. Anschließend folgt eine Skizzierung der Vorgehensweise, die darauf abzielt, dem/der LeserIn den Entstehungshintergrund, der aus der Auswertung hervorgehenden Annahmen, zu verdeutlichen. Dann wird die Rolle als Beobachterin reflektiert.

Weiters erfolgt eine Darstellung der Prozesse sozialer Interaktionen, aufgeteilt in jene zwischen den Referenzgruppenmitgliedern untereinander, jene zwischen den ModeratorInnen und den Referenzgruppenmitgliedern, jene zwischen den UnterstützerInnen und den Referenzgruppenmitgliedern und sonstige Interaktionen, welche in keine der vorher genannten Gruppen fallen, jedoch trotzdem von Relevanz für die Fragestellung sind. Darüber hinaus werden relevante Rahmenbedingungen, in deren Kontext die Prozesse der sozialen Interaktion eingebettet sind, beschrieben. Abschließend werden zentrale Hypothesen gebildet, die die Bedeutung von bestimmten Prozessen sozialer Interaktion für die Referenzgruppentreffen verdeutlichen.

6.1.1 Was wird unter Prozessen sozialer Interaktion verstanden? (A.C.)

Bevor im Weiteren die Ergebnisse der Beobachtung von Prozessen sozialer Interaktionen bei den Referenzgruppentreffen dargestellt werden, ist es nun an dieser Stelle zentral, das Verständnis des Begriffes Prozess sozialer Interaktion[23]in der vorliegenden Untersuchung kurz darzulegen.

Besondere Bedeutung wird dabei der Abgrenzung eines Verständnisses von Interaktion als bloßer Aktion-Reaktion-Prozess zugemessen. Zwar spielen diese Aktionen und Reaktionen, auch bekannt als das Senden und Empfangen von Reizen, keine unwesentliche Rolle, jedoch werden sie in der vorliegenden Arbeit im Kontext einer Beziehung der miteinander interagierenden Personen gesehen. Auch die Absichten, die mit diversen Prozessen sozialer Interaktion verfolgt werden, sind bei dieser Untersuchung zentral.

Es geht also darum, bestimmte Interaktionen miteinander - und vor allem auch mit einzelnen Rahmenbedingungen - in Beziehung zu setzen. Dies ist im Hinblick auf die formulierte Fragestellung Welche Prozesse sozialer Interaktion finden in der Referenzgruppe statt und wie stehen sie mit den Referenzgruppentreffen in Zusammenhang? aus dem Grund von besonderer Relevanz, da eine Vorgehensweise der detaillierten Beschreibung von einzelnen Prozessen sozialer Interaktion über die Bezugnahme auf relevante Rahmenbedingungen Rückschlüsse auf die Gestaltung der Referenzgruppentreffen möglich macht.

6.1.2 Vorgehensweise (A.C.)

6.1.2.1 Initial coding (A.C.)

Geleitet von der Fragestellung Welche Prozesse sozialer Interaktion finden in der Referenzgruppe statt und wie stehen sie mit den Referenzgruppentreffen in Zusammenhang? wurden die einzelnen Beobachtungsprotokolle durchgegangen indem bereits nach den ersten Treffen begonnen wurde, das Datenmaterial gemäß dem "initial coding" (Charmaz 2006, 43ff) aufzubrechen und erste Konzepte zu bilden. Parallel zum Durchlesen der Protokolle wurden spontan Anmerkungen und Konzepte formuliert. Weiters fanden Treffen mit Elisabeth Hintringer statt, mit der gemeinsam das Material in einem zweiten Schritt erneut durchgegangen wurde und jene Konzepte besprochen bzw. kritisch hinterfragt wurden. Auch erste Versuche Verbindungen und Beziehungen herzustellen wurden unternommen; jedoch mit dem Wissen, dass diese weder unveränderbar noch endgültig sind.

Tabelle 1: Initial coding: Beobachtungsprotokoll 2 (2008)

"[...] Frau Pinetz schlägt auf Grund der Unruhe und des ständigen Durch-den-Raum-Gehens eine Pause vor. Aber alle Referenzgruppenmitglieder wollen weitermachen.

Frau Pinetz beginnt den nächsten Abschnitt vorzulesen. Obwohl dieser noch auf der vorhergehenden Seite beginnt, hat Frau Fürst schon umgeblättert. Während Frau Pinetz liest, isst Herr Nauerschnig immer noch an seinen Nüssen und macht Geräusche beim Aufmachen der Nüsse.

[...]

Während Frau Pinetz schon schreibt, schlägt Herr Nauerschnig ihr vor, dass sie Schlagwörter aufschreiben soll. Sie sagt ihm, dass sie schon dabei sei. Herr Nauerschnig weiß nicht, wo wir sind.

Herr Renner schlägt für den letzten Punkt eine andere Formulierung vor, da er das Wort "unterstützend" bereits als eine Interpretation empfindet. Herr Nauerschnig empfindet das nicht so. Herr Hofbauer sagt darauf: "Wirklich Herr Kollege?" und Herr Nauerschnig antwortet: "Ja Herr Kollege". Beide lachen.

[...]

Während Frau Fürst spricht, redet Herr Hofbauer dazwischen. Dann spricht Herr Nauerschnig und Frau Fürst lacht. [...]" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 825-846).

Unruhe,

Vorschlag bezüglich des weiteren Ablaufs des Treffens von Seiten der Moderatorin,

Referenzgruppenmitglieder sind anderer Meinung,

Störendes Verhalten, Ablenkung

Vorschlag eines Referenzgruppenmitgliedes an die Moderatorin

Unklarheiten, Überforderung

Vorschlag eines Refernzgruppenmitgliedes bezüglich der Auswertung

Humorvolles, freundschaftliches "Intermezzo"

Referenzgruppenmitglied wird von anderem Mitglied unterbrochen,

Nebenhandlung "Lachen"

Bei den folgenden Referenzgruppentreffen machte sich die Auseinandersetzung mit dem Material in Form dieser ersten Arbeitsschritte der Grounded Theory dadurch bemerkbar, dass die Beobachtungen nicht mehr so extrem offen waren, wie bei den ersten zwei Treffen, sondern konkreter und im Hinblick auf die vorhandenen Konzepte fokussierter.

Außerdem gab es einige Auswertungstreffen, bei denen die ModeratorInnen der Referenzgruppentreffen und teilweise auch andere Studierende teilnahmen und sich gemeinsam mit den Beobachterinnen mit den Beobachtungsprotokollen auseinandersetzten. Diese Treffen eröffneten immer wieder neue Sichtweisen und Erkenntnisse, da sie Eindrücke von den Referenzgruppentreffen und den bereits erarbeiteten Konzepten aus unterschiedlichen Perspektiven heraus ermöglichten. Aus dieser Arbeitsweise entstand dann ein Kreislauf aus Beobachtung, Auseinandersetzung mit dem Material und Rücksprache bzw. Austausch mit anderen, am Projekt mitwirkenden Personen.

Verbunden mit der oben geschilderten Vorgehensweise entstand eine Vielzahl an Kodes, die weiters folgenden Sammelkodes von Prozessen sozialer Interaktion untergeordnet wurden:

  • Prozesse sozialer Interaktion zwischen Referenzgruppenmitgliedern

  • Prozesse sozialer Interaktion zwischen einem oder mehreren Referenzgruppenmitglieder/n und anderen Personen (ModeratorInnen, UnterstützerInnen, Beobachterinnen, etc.)

  • Sonstige soziale Interaktionen

An Hand der drei Sammelkodes folgte eine erneute Auseinandersetzung mit dem Datenmaterial mit Hilfe der Software Atlas.ti, wobei den Sammelkodes die einzelnen Kodes zugeordnet wurden. Die Verwendung des Programms war in dieser Auswertungsphase von Vorteil, da es die Häufigkeit der Zuteilung der einzelnen Kategorien und die Verbindung mit den kodierten Textpassagen zeitsparend sichtbar machte.

6.1.2.2 Focused coding (A.C.)

Anschließend wurde das gesamte Datenmaterial an Hand der Kodes, die beim initial coding ausfindig gemacht wurden und die als analytisch bedeutsam betrachtet wurden, durchgegangen. Dabei wurden sie miteinander in Beziehung gesetzt und verglichen, was dazu führte, dass zwei oder mehr Kodes in einigen Fällen zu einem komprimiert wurden und andere sich wiederum in mehrere aufspalteten. Die Kodes wurden dadurch verfeinert und auf ihre analytische Wichtigkeit für die Fragestellung untersucht. Weiters wurden sie immer wieder an das Material herangetragen. In dieser Phase ging es vor allem darum, die Kodes herauszufiltern bzw. zu benennen, die im Zusammenhang mit den Sammelkodes und für das Beantworten der oben genannten Fragestellung von Relevanz sind.

Tabelle 2: Focused coding: Beobachtungsprotokoll 2 (2008)

"[...] Frau Pinetz schlägt auf Grund der Unruhe und des ständigen Durch-den-Raum-Gehens eine Pause vor. Aber alle Referenzgruppenmitglieder wollen weitermachen.

Frau Pinetz beginnt den nächsten Abschnitt vorzulesen. Obwohl dieser noch auf der vorhergehenden Seite beginnt, hat Frau Fürst schon umgeblättert. Während Frau Pinetz liest, isst Herr Nauerschnig immer noch an seinen Nüssen und macht Geräusche beim Aufmachen der Nüsse.

[...]

Während Frau Pinetz schon schreibt, schlägt Herr Nauerschnig ihr vor, dass sie Schlagwörter aufschreiben soll. Sie sagt ihm, dass sie schon dabei sei. Herr Nauerschnig weiß nicht, wo wir sind.

Herr Renner schlägt für den letzten Punkt eine andere Formulierung vor, da er das Wort "unterstützend" bereits als eine Interpretation empfindet. Herr Nauerschnig empfindet das nicht so. Herr Hofbauer sagt darauf: "Wirklich Herr Kollege?" und Herr Nauerschnig antwortet: "Ja Herr Kollege". Beide lachen.

[...]

Während Frau Fürst spricht, redet Herr Hofbauer dazwischen. Dann spricht Herr Nauerschnig und Frau Fürst lacht. [...]" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 825-846).

Es herrscht unruhiges Verhalten. Daraufhin erfolgt eine Regulierung der Diskussion in Form des Vorschlags, eine Pause zu machen.

Während die Moderatorin liest unterliegen einige Refernzgruppenmitglieder einer Ablenkung durch Objekte. Diese Handlung wird auf Grund ihres Geräusches als störend bezeichnet.

Eine Überforderung wird durch das "Verlieren des roten Fadens" deutlich.

Zwei konträre Meinungen treffen aufeinandern.

Durch den humorvollen Umgang wird die freundschaftliche Beziehung deutlich

Die Wortmeldung eines Refernzgruppenmitgliedes wird von anderem Mitglied unterbrochen.

Relevante Kodes wurden dann schlussendlich folgenden fünf Kategorien zugeteilt:

  • Prozesse sozialer Interaktion zwischen Referenzgruppenmitgliedern und ModeratorInnen

  • Prozesse sozialer Interaktion zwischen Referenzgruppenmitgliedern und UnterstützerInnen

  • Prozesse sozialer Interaktion zwischen den Referenzgruppenmitgliedern untereinander

  • Sonstige Interaktionen

  • Rahmenbedingungen

6.1.2.3 Selective coding (A.C.)

In dieser Phase (vgl. Charmaz 2006) wurden die oben genannten Kategorien mit Kodes, die auf ihre Relevanz für die Fragestellung hin selektiert wurden, angereichert. Durch diesen Vorgang wurden die Kategorien gesättigt.

Weiters folgte die Formulierung von zentralen Annahmen, die den Zusammenhang der Prozesse sozialer Interaktion mit den Referenzgruppentreffen und deren Gestaltung zum Ausdruck bringen.

Nachdem bereits zentrale Hypothesen abgeleitet wurden, fand ein weiteres Referenzgruppentreffen statt, das genutzt wurde, um diese Annahmen im Rahmen einer kommunikativen Validierung mit der Gruppe rück zu besprechen. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Referenzgruppe sich sehr für die Ergebnisse interessierte und die Diskussion der Hypothesen sehr ernst nahm.

6.1.3 Reflexion der Beobachterinnenrolle (A.C.)

6.1.3.1 Ausgangslage (A.C.)

Beim ersten Referenzgruppentreffen wurden die Rollen aller an den Referenzgruppentreffen beteiligten Personen besprochen und diskutiert. Unter anderem fand dabei auch eine Vorstellung der Beobachterinnen statt und es wurde den Referenzgruppenmitgliedern erklärt, warum die Treffen beobachtet werden und dass die Protokolle, die jeweils angefertigt werden und als grundlegendes Datenmaterial dienen, ausgewertet und in Form einer Diplomarbeit veröffentlicht werden. Die Referenzgruppenmitglieder erklärten sich damit einverstanden, beobachtet zu werden, machten aber den Eindruck, den Sinn dahinter nicht vollständig erfasst zu haben. Einzelne Personen fragten noch mehrmals nach, warum die Treffen beobachtet werden und was genau mit dem Material geschieht. Es war spürbar, dass sich einige der Referenzgruppenmitglieder in der Situation, beobachtet zu werden, nicht wohl fühlten.

6.1.3.2 Darstellung der Arbeitsweise (A.C.)

Die Beobachterinnen wurden bei den Treffen immer in den Sitzkreis der Referenzgruppenmitglieder integriert und saßen bewusst nicht abseits, um das Gefühl beobachtet zu werden, ein wenig zu reduzieren. Dies wurde anfangs, bei den ersten zwei Treffen von Personen, die direkt neben den Beobachterinnen saßen genutzt, um heimlich zu lesen, was genau aufgeschrieben wird. Auch in den Pausen wurden immer wieder Fragen gestellt, warum überhaupt so eine Diplomarbeit geschrieben werden muss, etc. Seitens der Beobachterinnen bestand großes Bemühen, diese Fragen zu beantworten und ihre Arbeit möglichst transparent zu machen.

Wenn im Rahmen des Verfassens der Diplomarbeit Dinge geklärt werden mussten, wie die Veröffentlichung der Namen von den Referenzgruppenmitgliedern, wurde dies mehrfach mit den einzelnen Personen besprochen, wobei versucht wurde, ihnen nicht das Gefühl zu geben, dass bestimmte Erwartungen an sie gestellt werden, die sie erfüllen müssen, sondern, dass sie ihre Entscheidung wirklich frei treffen können. Auch wenn Hilfsmittel, wie ein Diktiergerät, verwendet wurden, wurde dies immer im Vorfeld mit der Gruppe abgesprochen und nur, wenn alle Mitglieder einverstanden waren, wurden jene Geräte eingesetzt.

Weiters war es den Beobachterinnen wichtig, in die Gruppe integriert zu werden, weshalb sie auch an Aktivitäten, die außerhalb der Referenzgruppentreffen stattfanden, wie zum Beispiel nach den Treffen Abendessen zu gehen, teilnahmen.

6.1.3.3 Reflexion (A.C.)

Wie bereits erwähnt, war zu Beginn der Referenzgruppentreffen die Rolle der Beobachterinnen etwas unklar, was dadurch spürbar war, dass die Referenzgruppenmitglieder mehrmals nachfragten, was wir hier genau machen und warum. Auch wurde versucht, das Protokoll zu lesen und so herauszufinden, was dabei exakt festgehalten wird. Im Laufe der Zeit, von Treffen zu Treffen, ging diese Unsicherheit zurück und die Beobachterinnen wurden immer mehr in die Gruppe integriert und waren dann auch ein gewisser Bestandteil der Gruppe. Die Referenzgruppenmitglieder nutzten die Pausen nun auch, um sich mit den Beobachterinnen auszutauschen und Dinge zu besprechen.

Insgesamt wurde die Referenzgruppe ein Jahr von uns begleitet und beobachtet, was ihnen im Vorfeld auch mitgeteilt wurde. Bei den letzten von uns beobachteten Treffen, stellten einzelne Referenzgruppenmitglieder dann auch immer wieder die Frage, wie lange wir noch dabei sind und ob wir beim nächsten Treffen schon noch dabei sind. Dies vermittelte das Gefühl, dass die Beobachterinnen kein störendes Element mehr waren, sondern ein gern gesehener Teil der Gruppe.

6.1.4 Darstellung der Prozesse sozialer Interaktion (A.C.)

Im folgenden Kapitel werden die herausgearbeiteten Kategorien beschrieben. Weiters werden ihnen passende Kodes untergeordnet, die zu deren Sättigung dienen und die unterschiedlichen Blickwinkel der Kategorie ausleuchten.

6.1.4.1 Kategorie[24]: Prozesse sozialer Interaktion zwischen den Referenzgruppenmitgliedern (A.C.)

Bei den Referenzgruppentreffen kommen Personen mit Lernschwierigkeiten aus Tirol, Wien und Niederösterreich zusammen, die unterschiedlichste Erfahrungshintergründe haben[25]. Einige Mitglieder der Gruppe waren bereits im Vorfeld miteinander bekannt oder gar befreundet, andere kannten sich wiederum nicht. Auch gab es Personen, die zu Beginn der Treffen kein einziges anderes Mitglied kannten. Prozesse sozialer Interaktion zwischen den Referenzgruppenmitgliedern, die sich sehr unterschiedlich gestalten, werden nun anschließend aufgezeigt.

6.1.4.1.1 Kode: Verbalisieren des Wohlfühlens in der Gruppe (A.C.)

a.) Gefühl des Akzeptiertseins und Angenommenseins: Die Referenzgruppenmitglieder nutzen die Reflexionsrunden auch um ihren KollegInnen mitzuteilen, dass sie sich in der Gruppe sehr wohl fühlen, weil sie sich akzeptiert fühlen. Damit in Verbindung wird die Freude über das Verständnis der Gruppe über die problematische individuelle Situation eines Referenzgruppenmitgliedes, welches ebenfalls ein Gefühl des Angenommenseins erzeugt, ausgedrückt.

b.) Gefühl der Erleichterung: In Folge des Erzählens von schwierigen, problembelasteten Erfahrungen vertrauten Referenzgruppenmitgliedern ihren KollegInnen an, dass sie sich durch das Teilen dieser Probleme sehr erleichtert fühlen.

6.1.4.1.2 Kode: Hervorheben des eigenen Status (A.C.)

Es gibt Mitglieder der Referenzgruppe, denen es sehr wichtig ist, den anderen zu vermitteln, welchen Status sie haben. Dazu zählen auch Erfolge oder Errungenschaften, die sie gemacht haben.

"Herr Nauerschnig hat eine Mappe mit Zeugnissen, da er nächste Woche ein Vorstellungsgespräch hat, die er stolz in der Gruppe herzeigt" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 560-561).

Meist werden die Runden zu Beginn der Treffen dazu genutzt, davon zu erzählen, dass sie im Beruf aufgestiegen sind oder dass die Möglichkeit besteht, in eine eigene Wohnung zu ziehen, etc. Je mehr Status der Errungenschaft zugesprochen wird, desto mehr Anerkennung zeigen die anderen Referenzgruppenmitglieder durch Aussprüche wie: "Gratuliere!", applaudieren oder pfeifen.

Im Rahmen des Hervorhebens des eigenen Status wurde von einzelnen Referenzgruppenmitgliedern in der Vorstellungsrunde darauf hingewiesen, dass sie an der Universität Wien arbeiten. Dies kommt daher, dass jene Personen im Zuge eines Universitätsseminars, das von einem der ModeratorInnen gleitet wird und sich mit partizipativen Forschungsmethoden auseinandersetzt, als ExpertInnen in eigener Sache angestellt sind.

Auch in Zusammenhang mit bestimmten Inhalten wie zum Beispiel die verschiedenen Forschungsmethoden, die bearbeitet werden, nutzen einige Referenzgruppenmitglieder diese Möglichkeit um den anderen zu zeigen, dass sie sich damit schon sehr gut auskennen, da sie, wie sie dann betonen, das schon im oben genannten Universitätsseminar gelernt haben.

6.1.4.1.3 Kode: Abgeben eines freundschaftlichen Ratschlags (A.C.)

Vielfach wird im Rahmen der Referenzgruppentreffen, vor allem auch in den Runden, in denen alle von ihren Veränderungen seit dem letzten Treffen erzählen, von persönlichen Erfahrungen und Geschichten gesprochen. Dabei geht es auch um Erlebnisse, die die betreffenden Personen belasten, da sie sich vor problematischen Hintergründen abspielen. Es ist dabei zu beobachten, dass durch das Berichten von solchen persönlichen Geschichten, die zum Teil für den/die Erzählende ausweglos erscheinen, das Nachdenken über Lösungsansätze bei den anderen Gruppenmitgliedern angeregt wird. Sie versuchen dann, unterschiedliche Ratschläge zu geben, wie sich die Situation verbessern könnte.

"Frau Fürst erzählt, dass sie ihr Leben ändern muss, da sie Probleme hat. Frau Yeri versucht daraufhin, ihr Tipps zu geben: sie sollte den Menschen, mit denen sie Probleme hat, sagen, was nicht passt" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 484-486).

Durch Berichte von einzelnen Referenzgruppenmitgliedern wird auch sichtbar, dass jene sehr empathisch sind und sich auch noch nach den Treffen überlegen, wie sie den KollegInnen helfen könnten.

In diesem Kontext wird auch die Strategie angewandt, jene Geschichten mit eigenen Erlebnissen zu vergleichen und die betroffenen Personen an bereits selbst gemachten Erfahrungen teilhaben zu lassen und zu berichten, wie man selbst ein ähnliches Problem gelöst bzw. sich aus einer ähnlich misslichen Lage befreit hat.

6.1.4.1.4 Kode: Austausch (A.C.)

Während den einzelnen Einheiten eines jeden Referenzgruppentreffens werden immer wieder Pausen, die ungefähr 20 Minuten dauern, abgehalten. Dabei haben die Mitglieder die Möglichkeit, sich mit Kleinigkeiten zu stärken und sich ein bisschen die Beine zu vertreten. In Bezug auf den Prozess sozialer Interaktion ist hierbei relevant, dass jene Pausen in großem Maße dazu genutzt werden, sich untereinander auszutauschen. Es wird sowohl über die aktuelle private sowie berufliche Situation, als auch über Zukunftspläne, Wünsche, usw. gesprochen. In den Pausen gesellen sich entweder bereits im Vorfeld befreundete Personen zusammen oder aber einzelne Mitglieder aus Wien bzw. Niederösterreich unterhalten sich mit Leuten aus Tirol und umgekehrt.

Die Zeit für den Austausch untereinander ist den Referenzgruppenmitgliedern sehr wichtig, was sich darin äußert, dass der Wunsch geäußert wurde, diese zu verlängern. Auch bei den Abendessen, die jeweils am Freitag nach dem Treffen stattfinden und sehr beliebt sind, führen die Referenzgruppenmitglieder angeregte Unterhaltungen über diverse Themen.

"Herr Nauerschnig und Herr Renner, die gemeinsam auf einer Couch sitzen, reden über Herrn Nauerschnigs Wohnsituation" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 59-60).

6.1.4.1.5 Kode: Aufeinandertreffen von kontroversen Ansichten (A.C.)

Wenn in der Gruppe über bestimmte Themen geredet wird, dann ist es die Regel, dass Referenzgruppenmitglieder ihre eigene Meinung zu diesem Thema preisgeben. Es kommt dabei auch immer wieder vor, dass zwei Personen unterschiedliche Sichtweisen zu ein und derselben Sache haben, was sich wie folgt gestaltet:

a.) Es gibt Personen in der Gruppe, die sehr selbstbewusst und überzeugt von sich sind. Jene stehen hinter ihren Aussagen und versuchen, sie zu verteidigen und die anderen davon zu überzeugen. Wenn zwei dieser Personen in einer Diskussion aufeinander treffen, dann kann es zu Wortgefechten kommen, da beide hinter ihrer Meinung stehen und sie nicht ändern wollen. Dabei gibt es jedoch wieder unterschiedliche Reaktionsmuster - einerseits werden andere Sichtweisen toleriert, obwohl die eigene eine andere ist; andererseits werden andere Ansichten verurteilt und als "falsch" deklariert.

b.) Einige Mitglieder der Referenzgruppe neigen dazu, in solchen Momenten, ihre Meinung zu revidieren und der anderen Person Recht zu geben. Sie scheuen sich davor, Diskussionen einzugehen, weshalb sie es vorziehen, ihre Sichtweise, zumindest offiziell, der ihres Gesprächspartners anzugleichen.

6.1.4.1.6 Kode: Unterbrechen von Wortmeldungen (A.C.)

Es kommt immer wieder vor, dass ein Referenzgruppenmitglied einem anderen, das gerade am Sprechen ist, dazwischenredet. Dies ist eine unangenehme Situation, da diese Interaktion ein Ausdruck dafür ist, dass die Person, die eine Wortmeldung unterbricht, diese Wortmeldung nicht wahrgenommen hat, was ein Zeichen für Desinteresse sein kann. Dass dieser Prozess sozialer Interaktion jedoch auch häufig dann statt findet, wenn gerade Personen am Wort sind, die sehr leise sprechen und daher leicht untergehen, ist davon auszugehen, dass das Überhören von Wortmeldungen ebenfalls ein Grund für deren Unterbrechung sein kann. Diese zweite Variante ist besonders häufig dann zu beobachten, wenn das Referenzgruppenmitglied, das unterstützt kommuniziert zu sprechen beginnt, was den anderen Mitgliedern meist nicht auffällt. Dann ist es nötig, dass die Unterstützerin oder eine/r der ModeratorInnen sie darauf aufmerksam macht.

"Während Frau Fürst spricht, redet Herr Hofbauer dazwischen" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 845).

6.1.4.1.7 Kode: Zeigen von Interesse für den Vorgang der unterstützten Kommunikation (A.C.)

Der Großteil der Referenzgruppe kam im Rahmen der Treffen erstmalig in Kontakt mit dem Konzept der unterstützten Kommunikation. Es war zu beobachten, dass großes Interesse dafür besteht, wie dieser Vorgang abläuft. Die besondere Beachtung äußerte sich in einem Prozess sozialer Interaktion, indem einige Mitglieder, welche die unterstützt kommunizierende Person vor den Referenzgruppentreffen noch nicht kannten, gespannt zuschauten, wie diese auf die Kommunikationstafel tippt und so die einzelnen Wörter formulierte. Was dabei besonders auffiel, war die absolute Stille, die während dieses Vorgangs herrschte.

6.1.4.2 Kategorie: Interaktionen zwischen Referenzgruppenmitgliedern und ModeratorInnen (A.C.)

Die ModeratorInnen der Referenzgruppentreffen sind gleichzeitig auch ProjektmitarbeiterInnen des Forschungsprojekts der Universität Wien "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs". Mit dem Ziel einer partizipativen Herangehensweise an den Forschungsprozess, wurden die Referenzgruppentreffen von ihnen initiiert und in weiterer Folge auch geplant, umgesetzt und moderiert.

Die ModeratorInnen haben sich im Vorfeld sowohl in der eigenen Praxis als auch in der Theorie bzw. Literatur intensiv mit dem Konzept der partizipativen Forschungsmethode auseinandergesetzt, was ihren Erfahrungshintergrund bedeutend prägt. Sie betonten im Bezug auf die Arbeit mit der Referenzgruppe, dass ein möglichst hoher Grad an Selbstbestimmtheit und Eigeninitiative der Gruppenmitglieder zu unterstützen ist. Die ModeratorInnen agieren demnach vor den Grundsätzen des Selbstbestimmungs-Gedanken und haben das Ziel, die Treffen als Raum für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu gestalten, in dem jene ihr Wissen und ihre Erfahrungen als ExpertInnen in eigener Sache als Beitrag für das Forschungsprojekt einbringen können, um eine bessere Qualität der Ergebnisse zu fördern.

An dieser Stelle wird noch einmal darauf hingewiesen, dass nach dem dritten Treffen ein Wechsel in der Moderation stattgefunden hat. Beim vierten Treffen wurden - auf Grund der Kurzfristigkeit des Ausfalls einer Moderatorin - eine weitere Projektmitarbeiterin und die Beobachterinnen als Moderatorinnen eingesetzt, was ab dem fünften Treffen durch einen ProjektmitarbeiterInnenwechsel und die damit in Verbindung stehende Moderationstätigkeit abgelöst wurde. Dies ist deshalb von Bedeutung, da das vierte Treffen aus oben genannten Gründen von einem anderen Standpunkt, der sehr interessant war, beobachtet werden konnte, was für die Analyse des Materials nicht ohne Bedeutung ist. Außerdem ist zu bedenken, dass sich die Persönlichkeit der ModeratorInnen auch auf die Art und Weise der Moderation auswirkt, was demnach eine Veränderung der Moderation nach sich zieht, wenn sich das Personal ändert.

Weiters möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Summe der relevanten Prozesse sozialer Interaktionen zwischen den ModeratorInnen und den Referenzgruppenmitgliedern größer ist als jene zwischen den Referenzgruppenmitgliedern untereinander bzw. den Referenzgruppenmitgliedern und den UnterstützerInnen. Diese Tatsache begründet sich in der Häufigkeit der Möglichkeiten zwischen diesen Personengruppen zu interagieren und keineswegs in der Bedeutsamkeit der Prozesse sozialer Interaktionen selbst. In diesem Kapitel werden nun die Prozesse sozialer Interaktion zwischen den Referenzgruppenmitgliedern und den ModeratorInnen dargestellt.

6.1.4.2.1 Kode: Informationsweitergabe über Struktur des Treffens und Gestaltungselemente (A.C.)

"Nach der Begrüßung stellt Frau Pinetz den Ablauf für Freitag und Samstag vor. Diesmal arbeitet die Referenzgruppe nicht mit Interviews, sondern der Schwerpunkt soll bei den Diskussionen liegen. Es wird angekündigt, dass das nächste Mal dann verstärkt am Material gearbeitet wird" (Beobachtungsprotokoll 3 2009, Zeile 46-48).

Der Beginn eines Referenzgruppentreffens wurde von Seiten der Moderation immer dafür genutzt, die Referenzgruppenmitglieder über die Struktur des folgenden Treffens aufzuklären. Es wurden dabei auch Gründe für eventuelle Veränderungen der Struktur bekannt gegeben, was beim vierten Referenzgruppentreffen beobachtet werden konnte, bei dem im Vorhinein gesagt wurde, dass das Treffen weniger strukturiert sein werde, da eine Moderatorin, die bisher immer dabei war und die auf das Einhalten von Struktur viel Wert legte, nicht anwesend war. Die Referenzgruppe verhielt sich daraufhin ruhig und stellte keine weiteren Fragen.

"Herr Koenig betont, dass beim heutigen Treffen alles anders sein wird, weil Frau Pinetz, die normalerweise auf die Struktur achtet, nicht da ist und dass es ein bisschen offener sein wird. [...] Dann stellt er die Tagespläne vor und sagt, dass er vorhabe, am Anfang eine Themensammlung mithilfe der Methode des Open Space zu machen" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 28-32).

6.1.4.2.2 Kode: Motivation zu Wortmeldungen im Gruppenplenum (im Rahmen vonReflexionsrunden) (A.C.)

Im Laufe der Referenzgruppentreffen gibt es regelmäßig Situationen, in denen die ModeratorInnen die Referenzgruppenmitglieder der Reihe nach zu Wortmeldungen zu bestimmten Themen auffordern. Zu Beginn der Treffen wird von den ModeratorInnen immer die Frage gestellt, was sich bei jedem/jeder Einzelnen in der Zeit zwischen dem letzten und dem aktuellen Treffen in privater und beruflicher Hinsicht ereignet hat. Am Ende eines jeden Treffens findet eine Reflexionsrunde statt, in der die ModeratorInnen die Möglichkeit bieten wollen, dass die Referenzgruppenmitglieder sagen können, was ihnen gefallen hat, was nicht und ob sie Vorschläge bzw. Wünsche für die nächsten Treffen haben. Im Rahmen dieser beiden Gestaltungselemente werden von den ModeratorInnen Fragen gestellt, die dann zuerst von dem Referenzgruppenmitglied, das am Rand des Sitzkreises sitzt, und dann der Reihe nach von den anderen, beantwortet werden sollen. Es gibt Gruppenmitglieder, die diese Runden nutzen um persönliche Erfahrungen zu schildern und teilweise Ratschläge einzuholen, andere versuchen, eher so zu antworten, dass die KollegInnen nicht zu viel von deren Privatleben mitbekommen. Weiters gibt es Referenzgruppenmitglieder, die ohne Schwierigkeiten umfassend auf oben genannte Fragen eingehen. Einige Personen jedoch halten sich in solchen Phasen der Treffen sehr kurz. Es fällt ihnen schwer, ausführlich zu antworten und deshalb sagen sie meist nur einen kurzen Satz, merken an, dass sie fertig sind und verweisen auf das neben ihnen sitzende Mitglied. Dabei wirken sie nervös, versuchen so wenig wie möglich aufzufallen und schauen zu Boden.

6.1.4.2.3 Kode: Bestreben nach Transparenz (A.C.)

Die ModeratorInnen verfolgen das Ziel, Vorgänge und Aspekte, die im Rahmen der Referenzgruppentreffen relevant sind, im Sinne der Prinzipien für partizipative Forschung, für alle Mitglieder der Gruppe transparent zu machen.

Dies wurde unter anderem sichtbar, als der Gruppe unbekannte Personen anwesend waren und der/die ModeratorIn jene dazu aufforderte, sich in einer kurzen Vorstellungsrunde vorzustellen. Die Referenzgruppenmitglieder hörten dabei aufmerksam zu und schauten sich die neue Unterstützerin und die neue Moderatorin an.

Weiters ist dieser Prozess sozialer Interaktion zu beobachten, wenn ein/e ModeratorIn der Referenzgruppe projektrelevante Informationen weitergibt, zu denen sowohl der gesamte Stand der Forschung, das bedeutet die quantitative und die qualitative Datenerhebung und deren Auswertungen, sowie konkrete Berichte rund um das Thema der Referenzgruppe - wann und wo wurde was über die Referenzgruppe gesprochen, zählen.

6.1.4.2.4 Kode: Gemeinsame Reflexion über Gruppengröße (A.C.)

Im Rahmen der Referenzgruppentreffen werden verschiedene Arbeitsformate ausprobiert, um Inhalte zu erarbeiten. Zum einen gibt es die Großgruppe, zum anderen die Kleingruppe und die Einzelarbeit. Im Anschluss an die Arbeit in diversen Gruppen erkundigt sich ein/e ModeratorIn, wie sich die einzelnen Gruppenmitglieder in diesen Gruppen gefühlt haben und ob sie wieder so arbeiten wollen oder ob sie andere Vorschläge haben. Auf diese Frage gibt es unterschiedliche Antworten, da jedes der Mitglieder sich in einem anderen Arbeitsformat wohl fühlt. Die Personen, die eher schüchtern sind, sagen, sie können in den Kleingruppen sehr gut arbeiten - andere Gruppenmitglieder wiederum finden, dass die Großgruppe ein wichtiges Element ist, das sie gerne öfter einsetzen würden.

6.1.4.2.5 Kode: Hinweis auf die Bedeutung der kontinuierlichen Anwesenheit (A.C.)

Dieser Prozess sozialer Interaktion zeigt sich in der Feststellung seitens der Referenzgruppenmitglieder, dass die Treffen freiwillig sind und sie nur kommen, wenn sie Lust dazu haben, und der Reaktion von Seiten der Moderation, die nachdrücklich betont, dass es wichtig ist, dass die einzelnen Referenzgruppenmitglieder regelmäßig zu den Treffen kommen. Es gibt Situationen in denen ein Referenzgruppenmitglied seine Meinung äußert, dass es unbedeutend ist, ob es zu den Treffen kommt oder nicht und dass seine Anwesenheit nur von seinen privaten Kapazitäten - zum Beispiel, dass es nicht kommt, weil ein Konzert ist - abhängig ist. Daraufhin beteuert dann ein/e ModeratorIn, dass jedes einzelne Mitglied sehr wichtig für die Gruppe und deren Arbeit ist und dass die Anwesenheit bei den Treffen mehr sein sollte als eine sporadische Angelegenheit. Außerdem wird dann betont, dass die Referenzgruppenmitglieder für ihre Arbeit entlohnt werden und dass gewisse Anforderungen an sie gestellt werden, worunter auch ihre Präsenz bei den Treffen fällt.

6.1.4.2.6 Kode: Wecken von Neugier (A.C.)

Durch das Erzählen von Informationen, zu spezifischen Themen oder auch zum Forschungsprojekt, wird das Interesse von Referenzgruppenmitgliedern geweckt. Dies äußert sich dadurch, dass die Mitglieder Detailfragen zu jenen Informationen an die ModeratorInnen stellen, was mit einer gewissen Erwartungshaltung nach deren Beantwortung verbunden ist. Die ModeratorInnen versuchen dann, die Fragen leicht verständlich zu beantworten. Wenn sie jedoch keine Antwort wissen, gestehen sie das der Gruppe ein. Eine weitere Möglichkeit im Rahmen des Prozesses Wecken von Neugier ist, dass ein/e ModeratorIn das Referenzgruppenmitglied, das genauere Details über ein bestimmtes Thema haben möchte, darauf aufmerksam macht, dass die Referenzgruppentreffen mit dem Ziel abgehalten werden, dass die ModeratorInnen für das Forschungsprojekt relevante Informationen von der Gruppe erhalten werden und nicht dafür, dass die Mitglieder der Gruppe ihr Wissen erweitern können.

6.1.4.2.7 Kode: Regulieren von Diskussionen (A.C.)

a.) Diskussionen innerhalb der Referenzgruppentreffen werden zum einen in ihrer Detailliertheit von den ModeratorInnen reguliert:

Wenn ein Referenzgruppenmitglied Fragen zu einem bestimmten Thema oder einer erzählten persönlichen Erfahrung stellt, entstehen Diskussionen, die den Bezug zum aktuellen Thema verlieren können. Um dem entgegenzutreten weisen die ModeratorInnen auf die Weitläufigkeit des Gespräches hin und merken an, dass in der Pause oder zu einem anderen Zeitpunkt weiter darüber gesprochen werden kann. Dies geschieht sowohl in der Form, dass ein/e ModeratorIn auf eine an ihn/sie gerichtete Frage damit antwortet, das dies nun zu weit geht oder dass dafür jetzt leider keine Zeit ist, als auch in der Form, dass er/sie Gespräche unter den Referenzgruppenmitgliedern einbremst. Die Referenzgruppenmitglieder reagieren einerseits darauf, indem sie mit der Diskussion oder dem Stellen von Fragen aufhören oder aber, dass sie noch kurz weiterreden, bevor sie dem Hinweis folgen.

"Herr Koenig weist dann darauf hin, dass er später über Privates reden kann und dass er jetzt still sein soll. Herr Nauerschnig verteidigt sich indem er sagt, Herr Renner habe ihn jetzt nach etwas gefragt" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 65-67).

b.) Zum Anderen wird auch der Ablauf von Wortmeldungen teilweise geregelt:

Dabei sorgen die ModeratorInnen für eine geregelte Diskussion, indem sie der Gruppe sagen, welches Mitglied wann an der Reihe ist, um sich mitzuteilen. Auch werden im Zuge der Regulierung des Ablaufs der Wortmeldungen von ModeratorInnen gezielt Fragen an bestimmte Personen gestellt, was dann der Fall ist, wenn die Diskussionsbeiträge rar sind und sich kein Mitglied freiwillig meldet oder wenn Wortmeldungen über einen längeren Zeitraum ausschließlich von einzelnen Referenzgruppenmitgliedern eingebracht werden. Für die zurückhaltenden Personen unter den Referenzgruppenmitgliedern ist diese Interaktion eher eine Herausforderung, da sie dazu aufgefordert werden, spontan eine Frage zu beantworten, was so gelöst wird, dass sie sagen, dass sie noch nicht bereit sind.

c.) Fokussieren auf bestimmtes Thema:

Wenn die Referenzgruppe in einer Diskussion das eigentliche Thema aus den Augen verliert, wird sie von den ModeratorInnen wieder zur aktuellen Diskussionsstand zurückgeführt.

6.1.4.2.8 Kode: Ergänzen von Wortmeldungen (A.C.)

Wenn Inhalte in der Kleingruppe erarbeitet werden, werden diese anschließend immer im Plenum präsentiert, damit alle Referenzgruppenmitglieder auf dem gleichen Stand sind. Für das Übernehmen dieser Aufgabe wird in der Regel im Vorfeld eine Person festgelegt. Bei solchen Präsentation kommt es vor, dass dem/der ModeratorIn auffällt, dass Inhalte entweder nicht vollständig oder fehlerhaft wiedergegeben werden, was er/sie dann zu korrigieren versucht. Der Prozess sozialer Interaktion des Ergänzens von Wortmeldungen erfolgt in diesem Kontext nicht als Darstellung eines Ungleichgewichts von Wissen und Kompetenz, sondern unter dem Aspekt der Bedeutung der Vermittlung korrekter Inhalte und der Wertschätzung, was daran erkennbar ist, wie die Verbesserung durchgeführt wird.

6.1.4.2.9 Kode: Aufforderung eine Entscheidung zu treffen (A.C.)

Diese Kategorie ist mit einer Erwartungshaltung, die der/die ModeratorIn gegenüber dem Referenzgruppenmitglied hat, eng verbunden. Es wird davon ausgegangen, dass Personen aus der Gruppe Fragen der ModeratorInnen bezüglich einer Entscheidung beantworten, was jedoch nicht immer geschieht. Es gibt auch Situationen in denen ein Referenzgruppenmitglied der Frage entgegenhält, dass es (noch) nicht antworten möchte bzw. kann. In solchen Fällen werden diese Mitglieder dann, nachdem sich die anderen Personen bereits entschieden haben, nochmals aufgefordert, sich festzulegen.

Im Zuge einer flexiblen Themenwahl der Open Space-Methode boten die ModeratorInnen der Referenzgruppe an, bestimmte Themen für das Treffen frei zu wählen und einige zur Auswahl auf einen Zettel zu schreiben. Nachdem fünf Themen in der engeren Auswahl standen, wurden die Referenzgruppenmitglieder aufgefordert, sich für eines zu entscheiden, mit dem sie sich dann detaillierter auseinandersetzen wollen, was jedoch nicht für alle so einfach war. Ein eher zurückhaltendes, schüchternes Mitglied wurde direkt darauf angesprochen, welches Thema es bearbeiten wolle, was mit der Erwartung seitens der ModeratorInnen verbunden war, eine eine Entscheidung bezüglich der Themenwahl zu erhalten. Diese Erwartung wurde aber nicht befriedigt, da die Antwort der Person lautete, dass noch Zeit nötig war, um zu überlegen. Da zuvor viel Zeit zur Verfügung gestanden ist und die Gruppe sich schon wieder im Plenum versammelt hatte, kann davon ausgegangen werden, dass das Referenzgruppenmitglied nicht mehr Zeit benötigte, sondern der Aufforderung eine Entscheidung zu treffen nicht nachkommen wollte bzw. konnte.

6.1.4.2.10 Kode: Entgegenbringen von Wertschätzung (A.C.)

Ein/e ModeratorIn zeigt im Rahmen eines Prozesses sozialer Interaktion Anerkennung für ein oder mehrere Referenzgruppenmitglied/er. Dies geschieht wie folgt:

a.) In Form von Bestätigung: Dabei wird ein Referenzgruppenmitglied von einem/r ModeratorIn in seiner Wortmeldung bestätigt. Während die Person redet, wird sie vom/von der ModeratorIn immer wieder in dem, was sie sagt, bestärkt und zum weiter reden ermuntert.

b.) In Form des Ansporns von Intuition: In Situationen, in denen die ModeratorInnen das Gefühl haben, dass das Gespräch für ein Referenzgruppenmitglied zu tief greifen könnte, zum Beispiel wenn es um persönliche Erfahrungen geht und ein anderes Referenzgruppenmitglied immer wieder intime Fragen stellt und mehr wissen möchte, weist eine/r der ModeratorInnen darauf hin, dass das betreffende Mitglied nur das sagen soll, was es auch wirklich sagen möchte. Es wird dazu angespornt, auf sein Gefühl zu hören und die anderen nur soweit an den eigenen Erlebnissen teilhaben zu lassen, wie es für sie im Rahmen des Angenehmen ist. Diese Intervention führte dazu, dass die Referenzgruppenmitglieder sich im Laufe der Treffen zu sagen trauten, wenn ihnen eine Diskussion zu weit geht bzw. zu persönlich wird.

Auch bei Präsentationen wurden die Gruppenmitglieder dazu angehalten, in einer Form zu präsentieren, die für sie passend ist. An die ModeratorInnen wurde die Frage gestellt, ob im Stehen oder im Sitzen präsentiert werden soll, etc., woraufhin diese erkennen ließen, dass jede Person für sich entscheiden solle, wie sie die Ergebnisse am Liebsten darstellen wollten, was dazu führte, dass die schüchternen Mitglieder von ihrem Platz aus präsentierten und jene, die kein Problem damit hatten, sich nach vorne stellten.

c.) In Form von Rückversicherung durch Nachfragen: Ein weiterer Prozess sozialer Interaktion, der das Entgegenbringen von Wertschätzung symbolisiert, ist zu beobachten, wenn ein/e ModeratorIn ein oder mehrere Mal/e nachfragt, ob ein bestimmter Zustand bzw. Aspekt für die einzelnen Referenzgruppenmitglieder erwünscht und passend ist. Wenn die Referenzgruppe in mehrere Kleingruppen unterteilt wird, um verschiedene Themenbereiche zu bearbeiten, dann fragen die

ModeratorInnen, nachdem die Personen sich selbst in Kleingruppen zusammengefunden haben, ob die Gruppe bzw. das Thema bei allen so ist, dass sie sich wohl fühlen und dass es sie interessiert. Wenn dies der Fall ist, wird mit der Arbeit begonnen und wenn jemand lieber in eine andere Kleingruppe wechseln möchte, versuchen die ModeratorInnen, dies zu ermöglichen.

6.1.4.2.11 Kode: Ansprechen von Erwartungen (A.C.)

Die ModeratorInnen stellen bestimmte Erwartungen an die Referenzgruppenmitglieder, von denen sie der Gruppe auch immer wieder einige mitteilen. Das Ansprechen von Erwartungen erfolgt meist dann, wenn diese nicht erfüllt wurden.

a.) Wenn bei einem Treffen besprochen wird, dass bis zum nächsten Treffen gewisse Dinge erledigt werden, - zum Beispiel, dass das Protokoll gelesen oder das Forschungstagebuch genutzt wird - welche dann von der Mehrheit der Gruppenmitglieder jedoch nicht umgesetzt werden, teilt eine/r der ModeratorInnen der Gruppe mit, dass er/sie erwartet hätte, dass die Abmachung eingehalten wird.

"Es wird nach Dingen gefragt, die in dem Protokoll stehen, das nach dem letzten Treffen ausgeschickt wurde. Zum Beispiel nach Terminen und was Teilhabe bedeutet. Frau Pinetz weist darauf hin, dass das alles im Protokoll steht und dass es gut wäre, wenn alle dies kurz vor den Treffen durchlesen, damit sie wieder im Thema drinnen sind" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, 461-464).

"Anschließend erklärt Frau Pinetz den Ablauf der kommenden zwei Tage. Sie sagt, sie hoffe, alle Mitglieder haben im Protokoll des zweiten Referenzgruppentreffens nachgelesen, welche Themen beim letzten Mal besprochen wurden und zu welchen Schlüssen die Gruppe gekommen ist. Daraufhin lachen Herr Nagl und Frau Nussbaumer und Frau Nussbaumer sagt: ‚Oh Gott, i hob des nur so kurz überflogen.", Herr Nagl bestätigt sie durch ein Kopfnicken" (Beobachtungsprotokoll 3 2009, Zeile 163-167).

b.) Wenn die Referenzgruppenmitglieder eine Fülle an Information von den ModeratorInnen einfordern und von ihrer Seite nichts zu den Inhalten beitragen, erwähnen letztere, dass die Referenzgruppentreffen dazu veranstaltet werden, um projektrelevante Information von den Mitgliedern zu erhalten. Den Referenzgruppenmitgliedern wird vermittelt, dass die Erwartung an sie gestellt

wird, den ModeratorInnen Wissen bzw. Anschauungen von ExpertInnen in eigener Sache zum Thema Teilhabeerfahrungen zu vermitteln.

6.1.4.2.12 Kode: Bestätigung der ModeratorInnen (A.C.)

Immer wieder gibt es Fälle, in denen ein/e ModeratorIn entweder Inhalte weitergibt, etwas erzählt, die Referenzgruppenmitglieder über etwas aufklärt, etc. Auch werden oft Ergebnisse, die die Referenzgruppe erarbeitet hat, von einem/r ModeratorIn so zusammengefasst, dass sie auf ein Plakat geschrieben und im Anschluss präsentiert werden können. Dabei ist zu beobachten, dass er/sie vielfach von einzelnen Referenzgruppenmitgliedern bestätigt wird. Dieser Prozess sozialer Interaktion, im Rahmen dessen Aussagen von ModeratorInnen bekräftigt werden, erfolgt in Form eines mehrmaligen Kopfnickens oder regelmäßigen Aussprüchen wie: "Mhm!" oder "Ja (genau)!".

6.1.4.2.13 Kode: Zusammenfassen von Ergebnissen (A.C.)

Vor allem in der Kleingruppenarbeit, aber auch im Rahmen der Großgruppe oder der Einzelarbeit, werden von den Referenzgruppenmitgliedern Inhalte erarbeitet. Einerseits geht es manchmal darum, relevante Themen zu finden, die in weiterer Folge bearbeitet werden können, andererseits geht es um die konkrete Arbeit an diesen Themen. Dabei werden von den Mitgliedern oft Begriffe verwendet, die sehr subjektiv, also nur auf ihre individuelle Situation abgestimmt bzw. nicht sehr konkret, sind. In einem Prozess sozialer Interaktion des Zusammenfassens, werden die Formulierungen der Referenzgruppenmitglieder von den ModeratorInnen komprimiert oder soweit in ihrem Ausdruck, jedoch keineswegs in deren Gehalt, verändert, dass sie einerseits leicht verständlich sowie allgemeiner gefasst sind.

Weiters wird dieser Prozess auch in Situationen deutlich, in denen die Referenzgruppe allgemeine oder organisatorische Entscheidungen trifft. Es entsteht eine Diskussion zu einem gewissen Sachverhalt, die dann im Nachhinein von einem/einer der ModeratorInnen zusammengafasst wird. Dabei werden die wichtigsten Eckpunkte wiederholt und dargelegt.

"Da am Abend die Frage aufgetaucht ist, ob die UnterstützerInnen während des ganzen Treffens dabei sein sollen oder nicht, wird diese im Rahmen des Treffens erörtert. Viele sind dafür, dass die UnterstützerInnen vor allem bei heiklen Themen, wie zum Beispiel Familie, draußen sein sollen. Andere hingegen empfinden die Anwesenheit der UnterstützerInnen nicht als störend oder unangenehm und hemmend. Herr Koenig resümiert, dass seinem Gefühl nach Frau Roth und Herr Krög die Gruppe nicht beeinflussen. Daher wird entschieden, dass jetzt einmal die UnterstützerInnen in der Gruppe bleiben, da manche TeilnehmerInnen die Unterstützung noch brauchen" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 614-621).

6.1.4.2.14 Kode: Hinweis auf Gruppenregeln (A.C.)

Beim ersten Referenzgruppentreffen wurden von den ModeratorInnen und den Mitgliedern gemeinsam Gruppenregeln als Richtlinien für eine wertschätzende Zusammenarbeit, erarbeitet:

  • Jede Meinung akzeptieren.

  • Ein/e ModeratorIn regelt, wann wer spricht.

  • Es soll immer nur eine Person sprechen und die Anderen hören aktiv zu.

  • Nicht lästern, Probleme gleich mit der betroffenen Person besprechen.

  • Nachfragen, wenn etwas nicht verstanden wird.

  • Ausreichend Zeit geben.

  • Missverständnisse aus dem Weg schaffen.

  • Alle sollen leichte Sprache verwenden.

  • Nicht tuscheln, während andere reden.

  • Handys immer abdrehen oder auf lautlos.

  • Auf die Zeit achten und den Tagesplan aufhängen.

  • Was wir reden, bleibt in der Gruppe.

  • Jede/r erzählt nur das, was erzählt werden will. (vgl. Beobachtungsprotokoll 1 2008, Zeile 254-280)

Es gibt jedoch immer wieder Momente, in denen sich Referenzgruppenmitglieder so verhalten, dass sich die Gruppe dadurch gestört fühlt, da sie gegen die Gruppenregeln verstoßen. Auf ein störendes Verhalten folgt meistens, dass das störende Referenzgruppenmitglied von dem/der ModeratorIn darauf aufmerksam gemacht wird, was häufig mit dem Erwähnen der gemeinsam erarbeiteten Gruppenregeln im Zusammenhang steht.

"[...] Herr Renner will zu reden beginnen und Frau Pinetz verweist auf die Gruppenregel des Aufzeigens" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 809-810).

"Dabei wird zuerst die Frage gestellt, was beim letzten Treffen gemacht wurde. Herr Nauerschnig meldet sich sofort zu Wort und sagt "Schule". Dann rätselt er herum, welches zweite Thema ebenfalls behandelt wurde. Auch Herr Nagl schließt sich dem Rätseln an, bis Herr Nauerschnig schließlich doch noch einfällt, dass wir zusätzlich über das Thema Familie gesprochen haben. Bereits an dieser Stelle kommt das erste Mal der Hinweis auf die Gruppenregeln und dass sich alle per Handzeichen zu Wort melden sollen und auch die anderen Wortmeldungen respektieren sollen" (Beobachtungsprotokoll 3 2009, Zeile 70-76).

6.1.4.3 Kategorie: Interaktionen zwischen Referenzgruppenmitgliedern und UnterstützerInnen (A.C.)

Einzelne Referenzgruppenmitglieder werden während des Forschungsprozesses, das bedeutet sowohl während der Referenzgruppentreffen als auch in der Zeit dazwischen, von UnterstützerInnen begleitet. Diese UnterstützerInnen haben dabei die Aufgabe, den Referenzgruppenmitgliedern für Fragen zu Inhalten, Organisation etc. zur Verfügung zu stehen. Es gibt UnterstützerInnen aus Innsbruck, mit denen die Mitglieder aus Tirol in Verbindung treten können. Jene Personen sind auch bei den Fahrten nach Wien dabei und unterstützen die Referenzgruppenmitglieder dabei. Außerdem ist bei jedem Treffen eine Unterstützerin anwesend, die ausschließlich für die unterstützte Kommunikation eines Referenzgruppenmitgliedes verantwortlich ist.

Die UnterstützerInnen aus Wien sind zum einen die ModeratorInnen, die zwischen den Treffen für Fragen zur Verfügung stehen und die Reisen nach Innsbruck begleiten und zum anderen Studierende der Universität Wien, die bei einzelnen Treffen anwesend sind und in diesem Kontext die Referenzgruppenmitglieder unterstützen.

Hier ist hinzuzufügen, dass beobachtet werden konnte, dass sich die UnterstützerInnen-Situation im Laufe der Treffen verändert hat, da die Referenzgruppenmitglieder aus Wien bzw. Niederösterreich während der Referenzgruppentreffen auch immer mehr die Unterstützung der Personen aus Tirol in Anspruch genommen haben, was eine Entlastung für die ModeratorInnen in ihrer Doppelrolle zur Folge hatte.

Im Weiteren werden nun für die Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit relevante Prozesse sozialer Interaktion, die zwischen den UnterstützerInnen und den Referenzgruppenmitgliedern stattgefunden haben, beschrieben.

6.1.4.3.1 Kode: Absicherung durch eine/n UnterstützerIn (A.C.)

Es gibt Situationen in denen sich Referenzgruppenmitglieder durch eine/n UnterstützerIn absichern möchten. Im Rahmen einer solchen Interaktion wendet sich das Referenzgruppenmitglied an seine/n UnterstützerIn und bittet ihn/sie, Stellung zu bestimmten Feststellungen, Meinungen etc. des Referenzgruppenmitgliedes zu nehmen. Zu beobachten ist dieser Wunsch nach Bestätigung von einem/einer UnterstützerIn, um sich in Situationen, in denen Referenzgruppenmitglieder in Einzelarbeit Themen oder Fragen bearbeiten und sich Notizen dazu machen, abzusichern. Die UnterstützerInnen werden dabei gerufen, um sich die Aufzeichnungen durchzulesen und zu bestätigen. Danach wird von den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern die Einzelarbeit wieder aufgenommen.

"Herr Krög sitzt in einer Ecke neben Frau Yeri und Frau Lose und erklärt ihnen, was jetzt zu tun ist. Dann diskutiert er mit Frau Yeri und sie fragt ihn, was er von ihrem Thema hält: "Was meinst du?". Sie fragt auch nach, wie sie das machen soll" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 51-53).

6.1.4.3.2 Kode: Einzelarbeit in Verbindung mit unterstützter Kommunikation (A.C.)

Im Laufe der Referenzgruppentreffen werden gelegentlich Einzelarbeiten durchgeführt, welche die Gruppenmitglieder dazu anhalten, sich im Stillen Gedanken über ein bestimmtes Thema oder verschiedene Fragen zu machen und sie dann in einer im Vorhinein festgelegten Form festzuhalten, um sie in weiterer Folge im Gruppenplenum zu präsentieren. Auf Grund des Angewiesenseins auf die unterstützte Kommunikation wird diese Arbeit von einem Referenzgruppenmitglied gemeinsam mit einer Unterstützerin durchgeführt. Dabei diktiert die betreffende Person ihre Gedanken und Überlegungen und die Unterstützerin übernimmt die Aufgabe diese zu dokumentieren. Im Kontext dieser Zusammenarbeit konnte in einigen Fällen beobachtet werden, dass von der Unterstützerin immer wieder Zwischenfragen gestellt werden, die dazu dienen, den Inhalt der Gedanken vollständig zu erfassen, wodurch sich jedoch meist eine Diskussion zwischen dem Referenzgruppenmitglied und der Unterstützerin entwickelte. Die Ergebnisse dieser Arbeitseinheiten werden dann von der Unterstützerin den anderen Gruppenmitgliedern und den ModeratorInnen vorgestellt.

"Frau Rabl erarbeitet mit Frau Jentsch ihr Thema, indem sie Etwas sagt und Frau Jentsch das auf die Zettel schreibt" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 60-61).

6.1.4.3.3 Kode: Beantwortung von Fragen in Verbindung mit unterstützter Kommunikation (A.C.)

Wenn von den ModeratorInnen Fragen an die Gruppe gestellt werden, antwortet oft unverzüglich eines der Mitglieder, wodurch die Person, die unterstützt kommuniziert, vielfach nicht dazu kommt, sich zu Wort zu melden. Bei Fragen, die länger von niemandem beantwortet werden und es eine Zeit lang still ist, da niemand so richtig weiß, was er/sie antworten könnte oder sich nicht traut, besteht für sie daher eine größere Möglichkeit sich einzubringen.

Dabei konnten zwei Formen der unterstützten Kommunikation beobachtet werden:

a.) Wort für Wort-Übersetzung: Die Unterstützerin übersetzte in diesem Kontext exakt das, was vom Referenzgruppenmitglied gesagt wurde. Die Anzahl der gesagten Worte stimmt mit denen, die übersetzt werden überein und wenn die Tafel als Hilfsmittel benützt wird, wird Wort für Wort mitgelesen. Wenn Fragen an das Referenzgruppenmitglied gestellt werden, antwortet dieses darauf und die Unterstützerin übersetzt diese Antwort wiederum exakt für die anderen.

b.) Übersetzung unter Einfluss eigener Ansichten: Wenn die Unterstützerin ihre eigenen Ansichten mit einfließen lässt, dann geschieht das, indem sie Wortmeldungen des Referenzgruppenmitgliedes zuerst übersetzt und dann in eigenen Worten ergänzt. Sie gibt dann genauere Erklärungen ab, die darauf schießen lassen, dass sie der Meinung ist, dass die Ausführungen des

Referenzgruppenmitgliedes nicht ausreichend verständlich bzw. informativ sind. Weiters werden Rückfragen, die an das Referenzgruppenmitglied gestellt werden teilweise von der Unterstützerin beantwortet, was sie dann erst im Nachhinein mit dem Referenzgruppenmitglied abklärt, indem sie fragt, ob ihre Antwort so gepasst hat. Dabei kann es auch zu Diskussionen zwischen der Unterstützerin und anderen Mitgliedern kommen, die dann von den ModeratorInnen eingebremst werden.

6.1.4.3.4 Kode: Konfliktlösung mit Hilfe eines/r UnterstützerIn (A.C.)

Auf Grund eines Problems mit einem anderen Referenzgruppenmitglied, wird ein/e UnterstützerIn ins Vertrauen gezogen, der/die sich die Sachlage von Seiten der erzählenden Person anhört. Dann versucht er/sie mit den betreffenden Personen, den Konflikt zu lösen, indem er/sie zwischen den Konfliktparteien vermittelt und Lösungsansätze unterbreitet. Der/die UnterstützerIn ist im Kontext des Prozesses sozialer Interaktion der Konfliktlösung neutral und versucht die Situation so zu lösen, dass die beteiligten Referenzgruppenmitglieder zufrieden sind und sich wieder miteinander versöhnen.

6.1.4.4 Kateorie: Sonstige Interaktionen (A.C.)

An dieser Stelle werden einige Interaktionen angeführt, die zwar nicht als Interaktionen, die konkret zwischen zwei Personen(gruppen) stattfinden, bezeichnet werden können, die jedoch trotzdem von Relevanz für die Referenzgruppentreffen und deshalb auch für die Beantwortung der Fragestellung sind.

6.1.4.4.1 Kode: Ablenkung durch Objekte (A.C.)

Während der Treffen gibt es immer wieder Situationen, in denen sich die Referenzgruppenmitglieder von diversen Gegenständen ablenken lassen und vom Thema wegdriften. Dies geschieht vor allem in Settings, in denen die Gruppe sich nicht aktiv mit Inhalten auseinandersetzt, sondern eine passive Stellung einnimmt, wie es beim Anhören von Präsentationen, beim Vorstellen des Zeitplans, den Reflexionsrunden, usw. der Fall ist. Es kommt hier gelegentlich vor, dass Personen sich mit dem Handy beschäftigen oder Unterlagen lesen, die zu diesem Zeitpunkt nicht relevant sind.

6.1.4.4.2 Kode: Führen von Nebendiskussionen (A.C.)

Immer wieder finden während einem Gespräch oder einer Diskussion in der Gruppe Nebendiskussionen statt. Diese entstehen meist so, dass ein Gespräch, das zuvor im Plenum geführt wurde, weitergeführt wird, während bereits andere Personen am Wort sind. Oder aber, die Nebendiskussionen werden durch eine Wortmeldung angeregt, die von einer Person in der Gruppe eingebracht wurde. Es kommt dann zu einer Diskussion über diese Wortmeldung - jedoch nicht im Plenum, sondern flüsternd. Problematisch ist dabei, dass diese Nebendiskussionen die anderen Gespräche und Diskussionen, die währenddessen in der Gruppe weiterlaufen, negativ beeinflussen, da sie die an der Diskussion beteiligten Referenzgruppenmitglieder ablenken.

6.1.4.4.3 Kode: Unruhiges Verhalten (A.C.)

Wenn die Referenzgruppenmitglieder gelangweilt sind, unter anderem in Situationen, in denen zum Beispiel Handouts ausgeteilt werden oder der/die ModeratorIn besprochene Inhalte auf einem Plakat festhält, kann sich dies in unruhigem Verhalten äußern. Die Stimmung im Raum wird dann auf Grund von Gemurmel, Rascheln und ähnlichen Geräuschen angespannt und der erneute Einstieg in die Diskussion bzw. in das Thema fällt sichtlich schwer.

Weiters ist ein solch unruhiges Verhalten sowohl manchmal nach den Pausen als auch gegen Ende der Referenzgruppentreffen zu beobachten, was darauf schließen lässt, dass es mit einer Überlastung und der damit verbundenen Müdigkeit in Zusammenhang gesetzt werden kann.

"Nach der Pause ist eine aufgeregte Stimmung im Raum und alle reden durcheinander. Herr Nauerschnig und Herr Nagl unterbrechen die Moderation" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 427-428).

6.1.4.4.4 Kode: Individueller Stimmungszustand wird deutlich (A.C.)

Die einzelnen Referenzgruppenmitglieder sind bei jedem Treffen in einer spezifischen Stimmung, die sie auch manchmal nach außen tragen. Dieses Sichtbarmachen von Stimmungen - unter anderem tritt überdurchschnittlich häufiges Gähnen auf Grund von Müdigkeit auf oder es wird vermehrt auf die Uhr bzw. das Handy geschaut, wenn Personen sich langweilen - findet auch in der Gruppe Resonanz, da sich die Referenzgruppenmitglieder davon ablenken lassen und wirkt sich somit negativ auf die Referenzgruppentreffen aus.

6.1.4.5 Kategorie: Rahmenbedingungen (A.C.)

Das folgende Kapitel dient dazu, bestimmte Sequenzen der einzelnen Prozesse sozialer Interaktion einigen Rahmenbedingungen zuzuordnen, um dann in weiterer Folge Hypothesen über deren Zusammenhang mit der Gestaltung bzw. dem Ablauf der Referenzgruppentreffen zu generieren.

6.1.4.5.1 Kode: Arbeitssetting (A.C.)

Einige Prozesse sozialer Interaktion finden vermehrt in bestimmten Arbeitssettings statt:

a.) Großgruppe

Ein häufig genutztes Arbeitsformat der Referenzgruppe ist die Großgruppe[26]. Es konnte nun während der beobachteten Referenzgruppentreffen eine Tendenz zur Unsicherheit im Gruppenplenum festgestellt werden. Zum einen wurde diese Unsicherheit in Form von Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder geäußert und zum anderen wurden einige Prozesse sozialer Interaktion, die Unsicherheit zum Ausdruck bringen, im Rahmen der Großgruppe protokolliert. Unter anderem wurde beobachtet, dass es einigen Referenzgruppenmitgliedern in der Großgruppe schwer fällt auf die Aufforderung eine Entscheidung zu treffen bzw. auf eine Aufforderung seine Meinung oder andere Wortmeldungen zu einem Thema abzugeben.

Auch in Runden, die dafür gedacht sind, dass die Referenzgruppenmitglieder in der Großgruppe der Reihe nach etwas, zum Beispiel persönliche Veränderungen, mit den anderen Gruppenmitgliedern und den ModeratorInnen teilen, konnte Unsicherheit in Form von sehr kurzen Wortmeldungen, nervösem Verhalten, Versprechen oder gar der Verweigerung einer Wortmeldung beobachtet werden.

Auf der anderen Seite gibt es Referenzgruppenmitglieder, die auf Grund ihrer Erfahrung und Routine keine Schwierigkeiten mit Präsentationen, etc. in einem Plenum haben. Jene Personen halten lange Reden und strahlen sowohl in ihrer Rhetorik als auch in ihrem Verhalten ein Gefühl von (Selbst-)Sicherheit aus.

Weiters können in der Großgruppe vermehrt Prozesse sozialer Interaktion beobachtet werden, die einen störenden Charakter haben, wie zum Beispiel die Ablenkung durch Gegenstände, das Führen von Nebendiskussionen und unruhiges Verhalten.

b.) Kleingruppe

Eine weitere Arbeitsweise der Referenzgruppe ist die Arbeit in der Kleingruppe[27]. Der Großteil der Referenzgruppenmitglieder beschreibt diese Form des Arbeitens auf Nachfrage hin als angenehm und entspannt. Da in solchen Gruppen meist nur die Hälfte, oder auch weniger, von der Gesamtzahl der Referenzgruppenmitglieder anwesend ist, ist die Atmosphäre bzw. die Stimmung eine andere als in der Großgruppe.

Es konnte beobachtet werden, dass die Kleingruppe auch von den Mitgliedern, die sich in der Großgruppe wenig bis gar nicht einbringen, genutzt wird, um Inhalte aktiv mitzugestalten. Dies zeichnet sich dadurch aus, dass Personen, die in der Großgruppe nur dann etwas sagen - und das meist äußerst kurz - wenn sie direkt dazu aufgefordert werden, sich in der kleineren Gruppe auch aus eigener Initiative in Diskussionen einbringen. Weiters wurde das Sprechverhalten als entspannt und sicher wahrgenommen.

Auch von Seiten der Moderation ist die Kleingruppenarbeit mit einem höheren Grad an Flexibilität verbunden, denn durch die geringere Anzahl an Referenzgruppenmitgliedern verringert sich sichtlich auch die Häufigkeit der Situationen, in denen an die Gruppenregeln erinnert werden muss. Auch das Regulieren von Diskussionen ist seltener als in der Großgruppe, da die Referenzgruppenmitglieder sich besser untereinander verständigen können, wer gerade am Wort ist und Personen nicht so einfach übersehen werden.

c.) Einzelarbeit[28]

Es gibt auch Situationen, in denen die Referenzgruppenmitglieder sich einzeln Gedanken zu einem bestimmten Arbeitsauftrag machen. Einige ziehen sich dabei zurück, andere wiederum setzen sich gemeinsam um einen Tisch und arbeiten dann für sich alleine. Im Kontext der Einzelarbeit konnte beobachtet werden, dass die Referenzgruppenmitglieder sich vermehrt durch eine/n UnterstützerIn absichern. Es ist ihnen wichtig, dass ihre Arbeit bestätigt und für "richtig" erklärt wird, bevor sie ihre Ergebnisse im Plenum den anderen Referenzgruppenmitgliedern und den ModeratorInnen vorstellen.

Weiters ist die Einzelarbeit in Zusammenhang mit der unterstützten Kommunikation eine interessante Rahmenbedingung. Da ein Referenzgruppenmitglied die Ergebnisse seiner Einzelarbeit in Form der unterstützten Kommunikation mit der Gruppe teilt, ist auch die Vorbereitung dazu, sprich, die Einzelarbeit selbst in Kooperation mit der Unterstützerin, die sich teilweise auch selbst einbringt, zu gestalten.

6.1.4.5.2 Kode: Wertschätzung (A.C.)

Eine Grundhaltung die in vielen Prozessen sozialer Interaktion sichtbar wird und deshalb als Rahmenbedingung angesehen wird, ist die Wertschätzung.

Alleine die Tatsache, dass von den ProjektmitarbeiterInnen, die wie bereits erwähnt gleichzeitig als ModeratorInnen agieren, Referenzgruppentreffen initiiert werden, deutet darauf hin, dass die Ansichten, das Wissen, die Erfahrungen, etc. der einzelnen Gruppenmitglieder und auch die einzelnen Personen selbst, die als ExpertInnen in eigener Sache angesehen werden, wert geschätzt werden.

Als Ausdruck für jene Wertschätzung kann unter anderem auch die Bitte der ModeratorInnen angesehen werden, dass die Referenzgruppenmitglieder auf ihr "Bauchgefühl" hören sollen, das heißt, dass sie nur das erzählen sollen, was sie wollen oder dass sie so präsentieren sollen, wie es für sie angenehm ist. Diese Prozesse sozialer Interaktion zeugen von Respekt und Wertschätzung, da die Intuition und das Gefühl bzw. der individuelle Zustand der Mitglieder ernst genommen werden.

Weiters macht der Hinweis auf die Bedeutung der kontinuierlichen Anwesenheit der einzelnen Personen den Gruppenmitgliedern deutlich, dass es wichtig ist, dass sie zu den Treffen kommen. Diese Reaktion zeigt den Mitgliedern, dass die Referenzgruppe den ModeratorInnen wichtig ist, dass sie auch im Kontext des gesamten Forschungsprojektes einen hohen Stellenwert hat und dass sie - die einzelnen Mitglieder - die Verantwortung für das Gelingen des Projektes "Referenzgruppe" mitsamt den erarbeiteten Inhalten und Ergebnissen mittragen, was zugleich ein Faktor für Zutrauen und Wertschätzung ist.

Zusätzlich ist auch das Streben nach Transparenz der ModeratorInnen eine Art ihre Wertschätzung gegenüber der Gruppe auszudrücken, denn jene Tendenz macht es den Referenzgruppenmitgliedern sowohl möglich, den Umfang des gesamten Forschungsprozesses zu erfassen als auch den Stellenwert ihrer Gruppe einzuschätzen und diese in Zusammenhang mit dem Projekt zu stellen.

Die Beobachtung eines vermehrt selbstbewussten bzw. selbstsicheren Auftretens der Referenzgruppenmitglieder im Laufe der Treffen lässt darauf schließen, dass sich die Referenzgruppenmitglieder bei den Treffen und beim Tun ihrer Arbeit auf Grund der Vermittlung von Wertschätzung zunehmend sicherer fühlen.

Nicht außer Acht zu lassen ist, dass auch von Seiten der Referenzgruppenmitglieder Achtung gegenüber den ModeratorInnen und den UnterstützerInnen besteht, was dadurch sichtbar wird, dass viel Vertrauen in sie besteht, dass sie um Rat gefragt werden, dass sie darum gebeten werden den Referenzgruppenmitgliedern etwas zu erklären oder sie über bestimmte Tatbestände zu informieren.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich sowohl die Referenzgruppenmitglieder - einerseits in ihrer Kompetenz andererseits in ihrem Menschsein - als auch die ModeratorInnen und UnterstützerInnen gegenseitig und untereinander mit einer wertschätzenden Haltung gegenüberstehen.

6.1.4.5.3 Kode: Asymmetrische Struktur der Einflussnahme (A.C.)

Neben der oben beschriebenen wertschätzenden Grundhaltung, die von allen Seiten ausgeht, weisen einige Prozesse der sozialen Interaktion auf eine asymmetrische Struktur bei der Einflussnahme auf die Gestaltung der einzelnen Elemente der Treffen hin.

Einige Interaktionen verlaufen nach dem Muster, dass die ModeratorInnen die Referenzgruppenmitglieder auf etwas hinweisen - unter anderem werden die Gruppenregeln immer wieder betont. Auch das Regulieren von Diskussionen unterliegt einer asymmetrischen Struktur, die den ModeratorInnen das Recht gibt, die Gruppenmitglieder zu leiten und ihnen Anweisungen zu machen. Weiters werden im Kontext des Aufforderns eine Entscheidung zu treffen die Referenzgruppenmitglieder vor dem Hintergrund einer ungleichen Struktur der Einflussnahme von den ModeratorInnen gelenkt. Diese asymmetrische Struktur wird auch dann sichtbar, wenn Diskussionen bzw. Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder von ModeratorInnen eingebremst und beendet werden, da sie der Meinung der ModeratorInnen zufolge durch ihre Weitläufigkeit irrelevant für inhaltliches Arbeiten sind.

An dieser Stelle ist zu betonen, dass diese asymmetrische Struktur der Einflussnahme sowohl von Seiten der Moderation als auch von Seiten der Referenzgruppe genährt wird. Dies ist daran erkennbar, dass die Referenzgruppenmitglieder die Einflussnahme der Moderation auf einzelne Elemente der Treffen in Form von Zurechtweisungen, Regulierung von Diskussionen, etc. akzeptieren und Prozesse sozialer Interaktion daran anpassen, indem sie sich entweder an Gruppenregeln halten oder ihre Diskussion abbrechen, etc.

6.1.4.5.4 Kode: Vertrauen (A.C.)

Einige Prozesse sozialer Interaktion lassen vermuten, dass innerhalb der Referenzgruppe ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde. Zum einen gab es bereits vor Beginn der Referenzgruppentreffen einige Mitglieder, die in einer freundschaftlichen Beziehung zueinander standen. Zum anderen haben sich derartige Beziehungen im Laufe der Treffen entwickelt, was durch Situationen gefördert wurde, in denen sich die Mitglieder untereinander austauschen konnten, wie zum Beispiel die Pausen und die gemeinsamen Abendessen.

Die Existenz von Vertrauen untereinander ist vor allem dann bedeutend, wenn es darum geht, dass die Referenzgruppenmitglieder von persönlichen Erfahrungen, die zum Teil auch sehr problematisch waren, berichten. Wenn sich die Mitglieder gegenseitig und den ModeratorInnen nicht vertrauen würden, wäre es schwer möglich solche Ereignisse in die Inhalte der Referenzgruppenarbeit mit einfließen zu lassen.

Auch wurde im Rahmen von Prozessen sozialer Interaktion des Verbalisierens des Wohlfühlens in der Gruppe sichtbar, dass Vertrauen für die Referenzgruppenmitglieder sehr wichtig ist.

6.1.4.5.5 Kode: Unterstützte Kommunikation (A.C.)

Die unterstützte Kommunikation ist ein zentrales Element bei den Referenzgruppentreffen, das immer wieder eingesetzt wird und deshalb als Rahmenbedingung nicht außer Acht gelassen werden kann.

In der Beobachtung wurde festgestellt, dass sich die Referenzgruppenmitglieder sehr für diese Art zu kommunizieren interessieren, da sie unter anderem meist sehr aufmerksam zuschauen. Außerdem fiel auf, dass die Referenzgruppenmitglieder im Laufe der Treffen immer sensibler für diese Methode wurden, da sie vermehrt erkannten, wann das unterstützt kommunizierende Mitglied etwas sagen wollte. Auch wuchs die Bereitschaft zu Diskussionen, die mit Hilfe der unterstützten Kommunikation geführt wurden.

Weiters ist anzumerken, dass die ModeratorInnen das betreffende Mitglied in gleicher Form in Gespräche mit einbeziehen, wie die anderen Referenzgruppenmitglieder und sich sehr für dessen Ansichten interessieren.

6.1.4.5.6 Kode: Unterstützung (A.C.)

Da einige Referenzgruppenmitglieder Unterstützung benötigen, ist dies eine relevante Rahmenbedingung für einige Prozesse sozialer Interaktion, auf die an dieser Stelle hingewiesen wird.

Im Kapitel 3.1.1.2 wurde neben der Entstehungsgeschichte vom Prinzip der Unterstützung auch die Umsetzung in der Praxis dargestellt. Hierzu wird wiederholt, dass im Zusammenhang mit Unterstützung Prinzipien eines selbstbestimmten Lebens, wie Freiheit, Autonomie, Autorität und Verantwortung zu übernehmen von großer Bedeutung sind. (vgl. Kennedy / Lewin 2004)

Die Zusammensetzung der Referenzgruppe erfordert unterschiedliche Unterstützungsformen: zum einen wird die unterstützte Kommunikation eingesetzt und zum anderen gibt es UnterstützerInnen, die für Fragen aller Art zur Verfügung stehen. Die Referenzgruppenmitglieder nützen Unterstützung nun, neben dem Klären von Fragen auch, um sich, wie weiter oben beschrieben, abzusichern. Auch Konflikte unter den Referenzgruppenmitgliedern werden zum Teil mit Hilfe eines/r UnterstützerIn gelöst.

Im Zusammenhang mit der unterstützten Kommunikation konnte die Schwierigkeit beobachtet werden, dass nicht ausschließlich Inhalte des Referenzgruppenmitgliedes an die anderen weitervermittelt werden. Es gab Situationen, in denen Fragen, die an das Referenzgruppenmitglied gestellt wurden, von der Unterstützerin beantwortet wurden.

6.1.4.5.7 Kode: Situationen der Überforderung oder Unterforderung sowie verringerter Aufmerksamkeit (A.C.)

Wenn bei den Referenzgruppentreffen Situationen Auftreten, in denen die Referenzgruppenmitglieder überfordert oder unterfordert sind, sowie in Situationen in denen die Konzentration der Referenzgruppenmitglieder nachlässt und sie mit den Gedanken woanders sind, kommt es zu Prozessen sozialer Interaktion die als störend bezeichnet werden können.

Zum einen kommt es in einem solchen Kontext dazu, dass sich die Referenzgruppenmitglieder mit anderen Dingen, wie zum Beispiel Texten oder Handys, beschäftigen und dadurch abgelenkt werden. Zum anderen tuscheln sie miteinander, wenn gerade eine andere Person am Wort ist und stören so die Konzentration der übrigen Referenzgruppenmitglieder. Auch unruhiges Verhalten in Form von Herumzappeln, Murmeln, Rascheln, etc. fällt bei der Beobachtung von oben genannten Situationen häufig auf. Weiters zeigen die Referenzgruppenmitglieder bei Unterforderung, Überforderung oder wenn die Aufmerksamkeit beeinträchtigt ist oft, in welcher Stimmung sie gerade sind. Sie machen dabei durch Gähnen oder andere Ausdrucksweisen auf sich aufmerksam und beeinflussen so die gesamte Gruppe.

6.1.5 Zentrale Hypothesen (A.C.)

Im folgenden Kapitel steht die Generierung zentraler Hypothesen im Mittelpunkt. Dabei werden die oben beschriebenen Prozesse sozialer Interaktion und die Rahmenbedingungen miteinander in Zusammenhang gebracht, um deren Auswirkung auf die Referenzgruppentreffen darzustellen.

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass diese Annahmen auf der subjektiven Wahrnehmung von Situationen bestehen und deshalb nicht den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit haben. Sie sind ein Versuch, das Vorgehen in einer Referenzgruppe zu analysieren und zu strukturieren um sowohl die Arbeit der Referenzgruppe des Projektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" zugänglich zu machen als auch einen Anreiz für die künftige Arbeit mit diversen Gruppen dieser Art zu geben.

6.1.5.1 Hypothese 1 (A.C.)

Zwischen den ModeratorInnen und den Referenzgruppenmitgliedern liegt eine asymmetrische Struktur der Einflussnahme bezüglich der Gestaltung der einzelnen Elemente der Referenzgruppentreffen vor, welche auf Grund begrenzter zeitlicher Ressourcen für eine konstruktive Zusammenarbeit nötig ist

Es wird eine asymmetrische Struktur sichtbar, da die ModeratorInnen, die eine Leitungsfunktion innehaben, mehr Einfluss auf die Gestaltung einzelner Elemente der Referenzgruppentreffen haben als die Referenzgruppenmitglieder. Diese Struktur ist jedoch erforderlich, da die Treffen jeweils nur alle zwei Monate stattfinden und zwei Halbtage dauern. Wenn die ModeratorInnen keine Leitungsfunktion übernehmen würden, indem sie zum Beispiel Diskussionen regulieren oder auf Gruppenregeln hinweisen, wäre die Konstruktivität der Treffen auf Grund von Konfusion maßgeblich beeinträchtigt.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Motivation zu Wortmeldungen im Gruppenplenum

Dass Referenzgruppenmitglieder von den ModeratorInnen zu Wortmeldungen im Gruppenplenum motiviert werden, ist ein Ausdruck dafür, dass zwischen diesen beiden Personengruppen eine asymmetrische Struktur der Einflussnahme vorliegt. Denn durch den Prozess sozialer Interaktion des Motivierens von Seiten der ModeratorInnen und des darauf Reagierens der Referenzgruppenmitglieder wird deutlich, dass Erstere darauf Einfluss nehmen, wann die Referenzgruppenmitglieder sich in Form von Wortmeldungen in Diskussionen, Reflexionsrunden, etc. einbringen.

  • Informationsweitergabe über Struktur des Treffens und Gestaltungselemente

Wenn die ModeratorInnen Informationen über die Struktur und Gestaltungselemente an die Referenzgruppenmitglieder weitergeben, setzt dies voraus, dass sie das Wissen über diese beiden Faktoren der Referenzgruppentreffen haben und die Referenzgruppenmitglieder nicht. Dem geht weiters voraus, dass die Struktur bzw. Gestaltungselemente vor Beginn der Treffen von den ModeratorInnen festgelegt wurden, was auf mehr Einflussnahme der ModeratorInnen auf die Gestaltung einzelner Elemente hinweist.

  • Regulieren von Diskussionen

Die ModeratorInnen haben die Funktion, Diskussionen zu regulieren, was ihnen die Möglichkeit gibt, in die Gestaltung der Diskussionen einzugreifen.

  • Ergänzen von Wortmeldungen

Es wurde beobachtet, dass Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder von den ModeratorInnen ergänzt wurden, wenn sie es für nötig erachteten - unter anderem bei Präsentationen von Ergebnissen der Kleingruppenarbeit. Durch diesen Prozess sozialer Interaktion wird wiederum der bedeutende Einfluss der ModeratorInnen auf die Gestaltung einzelner Elemente, wie zum Beispiel die Ergebnispräsentation, deutlich.

  • Aufforderung eine Entscheidung zu treffen

In Situationen, in denen die Referenzgruppenmitglieder von den ModeratorInnen dazu aufgefordert werden, eine Entscheidung zu treffen, zeigt sich die asymmetrische Struktur der Einflussnahme dahingehend, dass der Zeitpunkt, wann sich ein Referenzgruppenmitglied zu etwas entscheidet - zum Beispiel in welche Kleingruppe es gehen will, welches Thema es am Meisten interessiert, etc. - maßgeblich von den ModeratorInnen mitbestimmt wird.

  • Zusammenfassen von Ergebnissen

Nachdem die Referenzgruppenmitglieder über bestimmte Themen diskutiert haben, werden diese häufig von den ModeratorInnen zusammengefasst und teilweise auf Flipchart-Plakaten dokumentiert. Durch diese Handlung nehmen sie deutlich Einfluss auf die Weitergabe dieser Ergebnisse an die anderen Mitglieder oder auch auf die weitere Arbeit an diesen Themen.

  • Hinweis auf Gruppenregeln

Die ModeratorInnen haben die Funktion, dass sie auf die Gruppenregeln hinweisen, wenn diese nicht eingehalten werden. Dieser Hinweis wird in den meisten Fällen von den Referenzgruppenmitgliedern beachtet und umgesetzt, wodurch die große Einflussnahme von Seiten der ModeratorInnen auf die Gestaltung und den Ablauf der Referenzgruppentreffen deutlich wird.

6.1.5.2 Hypothese 2 (A.C.)

Eine wertschätzende Grundhaltung bei den Referenzgruppentreffen ermöglicht eine selbstbestimmte Arbeitsweise.

Durch die Vermittlung von Respekt von Seiten der ModeratorInnen an die Referenzgruppenmitglieder, wird deren Selbstvertrauen und Sicherheitsgefühl gestärkt, was sich wiederum so auf die Referenzgruppentreffen auswirkt, dass vermehrt selbstbestimmt vorgegangen wird. Das bedeutet unter anderem, dass die Referenzgruppenmitglieder in ihrer Arbeitsweise eigenverantwortlich handeln.

Oben wurde erwähnt, dass bei den Referenzgruppentreffen eine wertschätzende Grundhaltung herrscht. Im Zusammenhang mit den beobachteten Prozessen sozialer Interaktion kann gefolgert werden, dass diese Wertschätzung ein notwendiger Aspekt in der Zusammenarbeit der ModeratorInnen mit den Referenzgruppenmitgliedern ist. Dies zeigt sich zum einen dadurch, dass diese Wertschätzung der Gruppe ein Gefühl von Sicherheit vermittelt, das wiederum ein produktives Arbeitsklima fördert. Es konnte beobachtet werden, dass das konstruktive Sich-Einbringen der Referenzgruppenmitglieder durch die Anerkennung der ModeratorInnen gefördert wird. Weiters kann das Entgegenbringen von Wertschätzung als ein Appell an eine selbstbestimmte Arbeitsweise der Referenzgruppenmitglieder gesehen werden, da jene immer wieder dazu aufgefordert werden, so zu arbeiten, zu handeln etc., wie sie es für richtig halten.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Informationsweitergabe über Struktur des Treffens und Gestaltungselemente

Dass die ModeratorInnen wichtige Informationen im Zusammenhang mit den Referenzgruppentreffen an die Mitglieder weitergeben, zeigt, dass es ihnen wichtig ist, dass die Menschen mit Lernschwierigkeiten auf dem gleichen Stand der Dinge sind wie sie selbst, was die Struktur und die Gestaltungselemente der Treffen betrifft. Weiters geben sie den Mitgliedern damit die Möglichkeit, Stellung zu dieser Information zu nehmen und Kritik zu üben. Dieser Prozess sozialer Interaktion ist Ausdruck dafür, dass eine wertschätzende Grundhaltung vorherrscht.

  • Bestreben nach Transparenz

Den ModeratorInnen ist es ein Anliegen, einen möglichst hohen Grad an Transparenz herzustellen. Dieses Bestreben ist ein weiterer Indikator für eine wertschätzende Grundhaltung bei den Referenzgruppentreffen, da den Referenzgruppenmitgliedern dadurch verschiedene relevante Aspekte zugänglich gemacht werden. Dies zeigt, dass es den ModeratorInnen ein Anliegen ist, dass die Referenzgruppenmitglieder umfassend, mit möglichst viel Information am Projekt mitarbeiten können, da sie ihre Arbeit wertschätzen.

  • Gemeinsame Reflexion über Gruppengröße

Die ModeratorInnen besprechen gemeinsam mit den Referenzgruppenmitgliedern, welche Gruppengröße für die einzelnen Mitglieder passend ist. Dabei ist es ihnen wichtig, die unterschiedlichen Meinungen der Gruppe anzuhören und möglichst so umzusetzen, dass sich alle wohl fühlen. Dies wiederum geht damit einher, dass passende Arbeitssettings für die Referenzgruppenmitglieder geschaffen werden, in denen sie sich sicher fühlen und so eine konstruktive Zusammenarbeit ermöglicht wird.

  • Entgegenbringen von Wertschätzung

Im Rahmen des Prozesses sozialer Interaktion des Entgegenbringens von Wertschätzung wird, neben den oben beschriebenen Faktoren der Vermittlung von Respekt, den Referenzgruppenmitgliedern immer wieder gesagt, dass es wichtig ist, das sie so handeln, arbeiten, etc., wie es für sie passend ist. Die Konsequenz dieser Interaktion ist, dass sich die Mitglieder sicher fühlen und in ihrer Arbeitsweise nach und nach immer selbstständiger vorgehen.

6.1.5.3 Hypothese 3 (A.C.)

Die Art der unterschiedlichen Arbeitssettings - die ihre Berechtigung in der Möglichkeit des Austausches (Großgruppe), in der Qualität und Konstruktivität von Diskussionen (Kleingruppe) und der individuellen Ideenfindung (Einzelarbeit) finden - hat Einfluss auf die Sicherheit bzw. Unsicherheit einiger Referenzgruppenmitglieder.

Die oben dargestellten Situationen der Arbeit in der Großgruppe lassen darauf schließen, dass einige Personen der Referenzgruppe das Sprechen in diesem Setting vermeiden, da sie sich unsicher fühlen. Im Gegensatz dazu kann diese Unsicherheit in einer Kleingruppe überbrückt werden. Dieser Tatbestand spricht dafür, dass die Kleingruppenarbeit ein bedeutendes Element der Arbeit in einer Referenzgruppe ist, da in diesem Rahmen, viele Sichtweisen eingebracht werden, die in der Großgruppe vielleicht nicht angesprochen werden würden. Auch in der Einzelarbeit, die eingesetzt wird, um die Ideen- bzw. Meinungsvielfalt der Referenzgruppe zum Vorschein zu bringen, sind die Referenzgruppenmitglieder weniger mit dem Faktor der Unsicherheit konfrontiert.

Weiters ist jedoch zu betonen, dass auch die Arbeit in der Großgruppe unerlässlich für die Referenzgruppentreffen ist, da der Austausch - unter anderem zu Ergebnissen der Kleingruppenarbeit oder über Informationen zum Projekt - zwischen allen Beteiligten nur in einem solchen Format möglich ist. Andererseits wird an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die Großgruppe störende Prozesse sozialer Interaktion begünstigt, was darauf zurückgeführt wird, dass durch die größere Anzahl anwesender Referenzgruppenmitglieder, das Gefühl des Angesprochenseins und Miteinbezogenseins verringert ist und die Aufmerksamkeit bzw. die Konzentration dadurch beeinträchtigt wird.

Es kann jedoch hier der Schluss gezogen werden, dass zum einen die Arbeit und der Austausch in der Großgruppe sowie die Kleingruppenarbeit und die Einzelarbeit trotz eines unterschiedlichen Sicherheitsgefühles der Referenzgruppenmitglieder ihre Berechtigung haben und ein wesentlicher Bestandteil eines Referenzgruppentreffens sind.

Diese Hypothese begründet sich in folgendem Kode:

  • Arbeitssetting

Wie bereits beschrieben ist der Sicherheitsfaktor der Referenzgruppenmitglieder in der Großgruppe oder der Kleingruppe oder der Einzelarbeit jeweils ein anderer.

6.1.5.4 Hypothese 4 (A.C.)

Ein Vertrauensverhältnis, sowohl unter den Referenzgruppenmitgliedern als auch zwischen den Referenzgruppenmitgliedern und den ModeratorInnen, ist bedeutend für das Einbringen persönlicher Erfahrungen und somit auch für die Qualität der Arbeitsinhalte.

Da bei den Referenzgruppentreffen das Erzählen von persönlichen Erfahrungen einen hohen Stellenwert einnimmt und auch für die Qualität der Inhalte von Bedeutung ist, da es um das Wissen bzw. Erkenntnisse von ExpertInnen in eigener Sache geht, ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen dafür vorhanden sind. Die Existenz von Vertrauen zwischen allen bei den Treffen anwesenden Personen ist demnach sehr förderlich.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Austausch

Der vermehrte Austausch unter den Referenzgruppenmitgliedern auch über belanglose Dinge, während der Pausen oder beim Abendessen, führt dazu, dass sich die Mitglieder, vor allem jene, welche sich im Vorhinein noch nicht kannten, immer besser kennen lernen. Diese Annäherung geht wiederum mit einem wachsenden Vertrauensverhältnis einher.

  • Verbalisieren des Wohlfühlens in der Gruppe

Einige Referenzgruppenmitglieder erzählen, dass sie sich in der Gruppe sehr wohl fühlen. Dies hängt, ihrer Aussage zufolge, vor allem auch damit zusammen, dass sie sich verstanden fühlen, wenn sie persönliche Erfahrungen mit ihren KollegInnen teilen, was bedeutet, dass die Referenzgruppenmitglieder sich untereinander vertrauen.

  • Abgeben eines freundschaftlichen Ratschlages

Wenn sich die Referenzgruppenmitglieder ihren KollegInnen anvertrauen, werden sie nicht selten von ihnen beraten. Es wird dann ein freundschaftliches Gespräch geführt, bei dem sich die anderen überlegen, wie sie dem betreffenden Referenzgruppenmitglied weiterhelfen können, wodurch Vertrauen vermittelt wird.

  • Entgegenbringen von Wertschätzung

Der Prozess sozialer Interaktion des Entgegenbringens von Wertschätzung ist vor allem auch damit verbunden, dass die ModeratorInnen das Vertrauen der Referenzgruppenmitglieder gewinnen, indem sie ihnen Sicherheit vermitteln und sie in ihren Erwartungen, in einer sicheren Atmosphäre zusammenzuarbeiten, nicht enttäuschen.

  • Vertrauen

Im Allgemeinen konnte von Treffen zu Treffen ein Zuwachs an gegenseitigem Vertrauen sowohl unter den Referenzgruppenmitgliedern als auch zwischen den Mitgliedern und den ModeratorInnen beobachtet werden.

6.1.5.5 Hypothese 5 (A.C.)

Unterstützte Kommunikation ist ein Konzept, das von den Referenzgruppenmitgliedern und den ModeratorInnen in gleicher Weise angenommen wird und sich nicht in negativer Form auf die Gestaltung von Diskussionen und Gespräche auswirkt.

Da sich die Referenzgruppenmitglieder und die ModeratorInnen auf die Form der unterstützten Kommunikation einlassen, was sich durch ernsthafte Diskussionen mit dem unterstützt kommunizierenden Mitglied sowie vermehrte Aufmerksamkeit auszeichnet, kann davon ausgegangen werden, dass sich jener Prozess sozialer Interaktion selbst in keinster Weise destruktiv auf die Referenzgruppentreffen und die dabei praktizierten Arbeitsweisen auswirkt.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Unterstützte Kommunikation

Dieser Kode schließt mit ein, dass die ModeratorInnen das unterstützt kommunizierende Mitglied der Referenzgruppe in gleicher Weise in die Arbeit und die Diskussionen mit einbezieht wie die anderen Mitglieder. Weiters wird durch mehrmaliges Nachfragen deutlich, dass sie sich sehr für die Ansichten dieser Person interessieren.

  • Zeigen von Interesse für den Vorgang der unterstützten Kommunikation

Im Rahmen dieses Prozesses sozialer Interaktion zeigen die Referenzgruppenmitglieder, dass sie sich dafür interessieren, wie die unterstützte Kommunikation funktioniert. Teilweise wurde beobachtet, dass sie sich auch in den Pausen intensiv mit dem betreffenden Mitglied unterhielten und sich mit ihrer Kommunikationstafel auseinandersetzten.

6.1.5.6 Hypothese 6 (A.C.)

Der tatsächliche Einfluss des unterstützt kommunizierenden Referenzgruppenmitgliedes auf Diskussionsinhalte ist wesentlich von der unterstützenden Person abhängig.

Der Vorgang der unterstützten Kommunikation ist immer sowohl von der unterstützt kommunizierenden Person als auch von dem/der UnterstützerIn abhängig. Zum einen werden vom Referenzgruppenmitglied Inhalte an den/die UnterstützerIn vermittelt, die diese wiederum an die Gruppe weitergibt. Dabei besteht die Gefahr, dass der/die UnterstützerIn seine/ihre Ansichten in die Aussage mit einfließen lässt oder aber auch selbst auf Nachfragen reagiert ohne das Referenzgruppenmitglied mit einzubeziehen.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Einzelarbeit in Verbindung mit unterstützter Kommunikation

Im Rahmen der Einzelarbeit konnte beobachtet werden, dass das unterstützt kommunizierende Mitglied seiner UnterstüzerIn mit Hilfe der Kommunikationstafel diktierte, was sie aufschreiben soll. Bevor es jedoch dazu kam, wurden vorher meist noch Rückfragen gestellt, die häufig in Gesprächen bzw. Diskussionen endeten. Dadurch unterschied sich diese Einzelarbeit von der der anderen Mitglieder, die großteils ohne Unterstützung vorgingen. Wenn die Unterstützerin einfach das aufgeschrieben hätte, was sie diktiert bekommen hätte, wäre die Einzelarbeit des unterstützt kommunizierenden Referenzgruppenmitgliedes identisch mit der Einzelarbeit der anderen Mitglieder.

  • Beantwortung von Fragen in Verbindung mit unterstützter Kommunikation

Auch die Qualität der Beantwortung von Fragen ist sehr von der Form der Unterstützung abhängig. Es konnte sowohl beobachtet werden, dass die Antworten des Referenzgruppenmitgliedes Wort-für-Wort an die anderen übermittelt wurden, als auch, dass die Antworten von der Unterstützerin modelliert, mitgestaltet und erweitert wurden. Weiters gab es Situationen, in denen die Diskussion zwischen dem unterstützt kommunizierenden Mitglied und anderen Personen in eine Diskussion zwischen der Unterstützerin und den anderen Personen überging.

6.1.5.7 Hypothese 7 (A.C.)

Das Angebot, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wird von den Referenzgruppenmitgliedern genutzt und wirkt sich positiv auf das Verständnis von Inhalten und in weiterer Folge auf eine konstruktive Arbeitsweise aus.

Es werden bei den Referenzgruppentreffen zum Teil Inhalte besprochen, die für die Referenzgruppenmitglieder nicht einfach zu erfassen sind. In diesem Zusammenhang haben sie die Möglichkeit, dass UnterstützerInnen ihnen diese Inhalte erneut und auf die individuellen Bedürfnisse hin verständlich erklären. Dieser Prozess sozialer Interaktion führt dazu, dass Unklarheiten, die bei einzelnen Referenzgruppenmitgliedern auftauchen, aus dem Weg geräumt werden können. Dies macht es möglich, die konstruktive Arbeit in der Referenzgruppe wieder aufzunehmen.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Absicherung durch eine/n UnterstützerIn

Die Referenzgruppenmitglieder sichern sich durch UnterstützerInnen ab und lassen sich von den UnterstützerInnen bestätigen, dass ihre Vorgehensweise richtig ist. Dadurch können sie Unsicherheiten in Bezug auf ihre Arbeitsweise beseitigen, wodurch dann eine konstruktive Arbeit möglich wird.

  • Konfliktlösung über eine/n UnterstützerIn

Auch im Zusammenhang mit Konflikten konnte beobachtet werden, dass diese mit Hilfe von Unterstützung konstruktiv gelöst wurden.

  • Unterstützung

Die Referenzgruppenmitglieder nutzen die Möglichkeit der Unterstützung, indem sie Fragen stellen und sich Dinge erklären lassen. Dies führt dazu, dass sie Missverständnisse klären und sich das nötige Wissen aneignen, um konstruktiv weiterarbeiten zu können.

6.1.5.8 Hypothese 8 (A.C.)

Situationen, in denen einzelne Referenzgruppenmitglieder überfordert oder unterfordert sind und Situationen, in denen die Aufmerksamkeit der Referenzgruppenmitglieder verringert ist, wirken sich in störender Weise auf die Referenzgruppentreffen aus.

Wenn einzelne Referenzgruppenmitglieder das Gefühl haben, dass sie den Inhalten nicht mehr folgen können oder dass ihnen auf Grund von Unterforderung langweilig ist bzw. wenn die Konzentration der Referenzgruppenmitglieder nachlässt, verhalten sie sich häufig so, dass der Rest der Gruppe gestört wird. Dies führt zu dem Schluss, dass es förderlich für die Gestaltung der Referenzgruppentreffen ist, wenn die Anzahl solcher Situationen möglichst gering gehalten wird.

Diese Hypothese begründet sich in folgenden Kodes:

  • Situationen der Überforderung oder Unterforderung sowie verringerter Aufmerksamkeit

Es konnten Situationen beobachtet werden in denen die Referenzgruppenmitglieder überfordert oder unterfordert waren, was jeweils mit einer geringen Aufmerksamkeit verbunden war. Diese Situationen sind an den unten beschriebenen Faktoren zu erkennen.

  • Führen von Nebendiskussionen

Häufig kam es dazu, dass sich die Referenzgruppemitglieder mit Nebendiskussionen beschäftigten, wenn sie überfordert oder unterfordert waren.

  • Ablenkung durch Objekte

Weiters verwendeten sie Objekte, die sie vom Geschehen ablenkten.

  • Unruhiges Verhalten

Wenn sich ein Referenzgruppenmitglied überfordert oder unterfordert fühlte und sich langweilte, war häufig unruhiges Verhalten, welches sich in nervösen Bewegungen, etc. äußerte vorhanden.

6.2 Auswertung des Schwerpunktes: Gestaltung von Prozessen der Erkenntnisgewinnung innerhalb der beobachteten Referenzgruppe (E.H.)

In diesem Kapitel erfolgen die Darstellung des Auswertungsprozesses, jene der Rolle der Beobachterin sowie eine Skizzierung der zentralen Erkenntnisse, die aus der Beobachtung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung, welche in der Referenzgruppe abgelaufen sind, hervorgehen. Den Abschluss bildet die Generierung zentraler Hypothesen im Hinblick auf die Beantwortung der eingangs formulierten Forschungsfrage, die in diesem Kapitel im Zentrum der Aufmerksamkeit steht:

Wie gestaltet sich der Prozess der Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe?

6.2.1 Vorgehensweise (E.H.)

Die Beschreibung der Vorgehensweise und die deren Erläuterung an Hand von schriftlichen Beispielen dient im Folgenden der Offenlegung und Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit des Auswertungsprozesses mit Hilfe der Grounded Theory in der Diplomarbeit.

6.2.1.1 Initial coding (E.H.)

Beim ersten Durchgehen der angefertigten Beobachtungsprotokolle wurden - im Sinne des "initial coding" nach Charmaz (2006) - offen und spontan Anmerkungen bzw. Kodes direkt neben den Textstellen angefertigt. In diesem ersten Auswertungsschritt gemäß der konstruktivistischen Grounded Theory wurde zwar offen kodiert, aber die Fragestellung Wie gestaltet sich der Prozess der Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe? ebenfalls im Blick behalten.

Die nachfolgende Tabelle dient der Verdeutlichung des ersten Durchgangs des Materials, bei welchem an manchen Passagen Zeile für Zeile und bei anderen wiederum Absatz für Absatz vorgegangen wurde.

Tabelle 3: Initial coding: Beobachtungsprotokoll 4 (2009)

"[...] Nachdem alle ihre Themen vorgestellt hatten, musste entschieden werden, wer zu welchem Thema arbeiten wollte.

Außerdem gab es fünf Themen und es konnten maximal 4 behandelt werden, da nur 4 ModeratorInnen und Räume zur Verfügung standen.

Die Referenzgruppenmitglieder wurden aufgefordert sich kurz zu überlegen welches Thema sie am meisten interessieren würde

und dann wollte Herr Koenig reihum von allen ihr gewähltes Thema hören

jeder stellte seine Themen aus Einzelarbeit vor, Themenzuteilung, Entscheidung wer arbeitet zu welchem Thema, jeder für sich entscheiden, in Gruppe darüber diskutieren - Gruppeneinteilungsmethode

nur 4 ModeratorInnen - 5 Themen

implizit wird mitgeteilt, dass ein Thema nicht behandelt werden kann, da nur 4 ModeratorInnen anwesend sind.

Aufforderung kurz zu überlegen, welches das favorisierte Thema ist, Zeit geben zum Überlegen (um Druck zu vermeiden)

Moderator gibt weitere Vorgehensweise vor (um schneller zu einem Ergebnis zu kommen, um schneller in die inhaltliche Diskussion einsteigen zu können?) - reihum (kann als Zwang, unangenehm empfunden werden)

Manche wollten es aber an dieser Stelle noch nicht sagen und wurden zum Schluss erneut gefragt

Sich (bei Aufforderung) noch nicht sofort äußern wollen, eigene Meinung sagen wollen - Angst davor eigene Präferenzen kund zu tun? Angst sich als Einzige/r für ein Thema zu interessieren? Mehrere Themen favorisiert und noch Zeit für Entscheidung benötigen, welches das favorisierte Thema ist?

Respektieren, wenn jemand noch Zeit braucht und sich noch nicht sofort für ein Thema, eine Gruppe oder zu einer Wortmeldung entscheidet. Die Zeit geben, die benötigt wird - Überforderung/Unwohlfühlen vermeiden zu späterem Zeitpunkt erneut nachfragen

Als Frau Lose ihr Thema wählte, war nicht ganz klar, zu welchem sie wollte, da die Nummer, die sie sagte, nicht zu dem Thema passte, das sie sagte. Daher wurden dann die jeweiligen Themen, die ander Wand hingen und zur Wahl standen, durchnummeriert, sodass dieses Missverständnis aus dem Weg geräumt werden und Frau Lose der gewünschten Gruppe betreten konnte. [...]" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 301-311).

bei Unklarheiten Hilfestellung bieten und versuchen Missverständnisse zu klären, aus dem Weg zu räumen.

klare Strukturen von Seiten der ModeratorInnen sind notwendig, um Unklarheiten/Missverständnisse zu vermeiden, aus dem Weg zu räumen

auf die Bedürfnisse der Refernzgruppenmitglieder nach Klärung von Unklarheiten eingehen, Klarheit schaffen.

Nach einem ersten Durchgang durch die einzelnen Beobachtungsprotokolle fanden Treffen mit Amelie Carraro statt, bei denen das Material erneut sehr offen und spontan durchgegangen, aber auch die bereits vorhanden Kodes diskutiert und eventuell umformuliert oder ergänzt wurden. Diese Ergänzungen und Veränderung sind bereits in Tabelle 3 berücksichtigt. Weiters wurde bei diesen Treffen versucht einzelne Kodes mit anderen in Verbindung zu bringen oder zu übergeordneten Kategorien zusammenzufassen sowie offene Fragen zu diesen Kodes zu besprechen.

Da einzelne erste Auswertungsphasen parallel zu Datenerhebungsphasen abliefen, machten sich die ersten Auswertungsschritte bei nachfolgenden Treffen dahingehend bemerkbar, dass die zuerst sehr offene Beobachtung im Hinblick auf die formulierte Fragestellung und erster dazugehöriger Kategorien immer fokussierter erfolgte. Dieses zirkuläre Wechselspiel zwischen Datenerhebungsphasen und Phasen der Analyse der Daten ist für die konstruktivistische Grounded Theory charakteristisch. (vgl. Charmaz 2006)

Zusätzlich zu den Auswertungstreffen mit Amelie Carraro, bei denen aus dem Material hervorgehende Kodes kritisch hinterfragt wurden, fanden vereinzelt Auswertungstreffen gemeinsam mit Mag. Oliver Koenig und Dr. Walter Krög statt, bei denen neue Sichtweisen und Aspekte im Datenmaterial zum Vorschein kamen. Bei einem dieser Auswertungstreffen wurde der Versuch unternommen, die Erkenntnisziele der methodischen Dimension einerseits und der inhaltlichen Dimension der ablaufenden Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe andererseits festzumachen. Da jedoch für die Beantwortung der Forschungsfrage dieser Diplomarbeit hauptsächlich die methodische Dimension von Bedeutung ist, bleibt die inhaltliche Dimension in dieser Arbeit weitgehend unbeachtet. Als Erkenntnisziele der methodischen Ebene wurden folgende Aspekte definiert:

  • Wie gestaltet sich der Prozess der Erkenntnisgewinnung und zu welchen Ergebnissen ist die Referenzgruppe gekommen?

  • Welche methodischen Elemente/Ebenen kommen zum Einsatz? Wie beeinflussen diese die Arbeit der Referenzgruppe?

  • Wie sind die Rahmenbedingungen der Treffen? Wie beeinflussen diese die Arbeit der Referenzgruppe?

Bei einem nächsten Auswertungstreffen, bei welchem bereits der Einsatz der Auswertungssoftware Atlas.ti fixiert war, wurde der gemeinsame Versuch der Entwicklung von Sammelkodes unternommen, unter welchen sich das gesamte Datenmaterial hinsichtlich der methodischen Dimension der Prozesse der Erkenntnisgewinnung einteilen lässt[29]. Ziel dieser Materialeinteilung nach drei Sammelkodes war eine Gliederung des Materials, um dieses in einer übersichtlicheren Form zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung zu haben. Die Sammelkodes der methodischen Dimension lauten:

  • Methoden/Arbeitsformate: Passagen, in denen eingesetzte Methoden und/oder verwendete Arbeitsformate beschrieben werden.

  • Passagen, in denen Rahmenbedingungen, Struktur, Ablauf der Treffen und/oder des Forschungsprojektes beschrieben werden.

  • Passagen, in denen Aufgaben, gesetzte Handlungen und/oder Interventionen (didaktische Elemente und/oder moderierende Elemente) einzelner TeilnehmerInnen beschrieben werden.

An Hand dieser Sammelkodes, welche teilweise aus dem Material hervorgingen, aber auch von außen an das Material herangetragen wurden, wurde das gesamte erhobene Datenmaterial mit Hilfe der Software Atlas.ti durchgegangen. Bei diesem Schritt wurden die Sammelkodes Textstellen zugeordnet, in denen Passagen beschrieben wurden, die auf die jeweiligen Sammelkodes zutrafen. Um später mit Kodes, die den jeweiligen Sammelkodes zugehörig sind, weiterarbeiten zu können, wurden in den zugehörigen Sammelkodes bereits Notizen zu spezifischeren Kodes, die direkt aus dem Datenmaterial entwickelt wurden, erstellt. Diese signifikanten Kodes dienten im Anschluss zur Sättigung der einzelnen Kategorien.

Nach der Klassifikation des gesamten erhobenen Datenmaterials an Hand der zuvor angeführten Sammelkodes mit Hilfe der Auswertungssoftware Atlas.ti erfolgten Auswertungstreffen mit weiteren Studierenden der Bildungswissenschaft im Diplomarbeitsstadium. Um gezielter vorgehen zu können, wurden zur Vorbereitung dieser Treffen vorab Textstellen ausgewählt, die den einzelnen Sammelkodes der methodischen Dimension zugeordnet wurden.

6.2.1.2 Focused coding (E.H.)

In der anschließenden Analyse des Datenmaterials wurden in der Phase des "focused coding" (Charmaz 2006) jene Kodes weiter analysiert, welche bereits aus der ersten Kodierphase hervorgingen und für die Beantwortung der Forschungsfrage als analytisch relevant angesehen wurden. Diese Kodes wurden mit anderen verglichen, ergänzt und an das Material zurückgetragen. Durch erste Versuche der Herstellung von Zusammenhängen zwischen den einzelnen Kodes wurden erste Kategorien aus dem Datenmaterial hervorgebracht, die sowohl seitlich der passenden Protokollpassage als auch auf Karteikarten festgehalten und mit einzelnen Aspekten bzw. Kodes, die in den entwickelten Kategorien subsummiert werden konnten, sowie mit Beschreibungen ergänzt.[30]

Tabelle 4: Focused coding: Beobachtungsprotokoll 4 (2009)

"[...] Nachdem alle ihre Themen vorgestellt hatten, musste entschieden werden, wer zu welchem Thema arbeiten wollte.

Außerdem gab es fünf Themen und es konnten maximal 4 behandelt werden, da nur 4 ModeratorInnen und Räume zur Verfügung standen.

Die Referenzgruppenmitglieder wurden aufgefordert sich kurz zu überlegen welches Thema sie am meisten interessieren würde

und dann wollte Herr Koenig reihum von allen ihr gewähltes Thema hören

jeder stellte seine Themen aus Einzelarbeit vor, Themenzuteilung, Entscheidung wer arbeitet zu welchem Thema, jeder für sich entscheiden, in Gruppe darüber diskutieren - Gruppeneinteilungsmethode

nur 4 ModeratorInnen - 5 Themen

implizit wird mitgeteilt, dass ein Thema nicht behandelt werden kann, da nur 4 ModeratorInnen anwesend sind.

-> Moderation hat Leitungs- und Lenkungsfunktion

Aufforderung kurz zu überlegen, welches das favorisierte Thema ist, -> Moderation hat Leitungs- und Lenkungsfunktion

Zeit geben zum Überlegen (um Druck zu vermeiden)

Moderator gibt weitere Vorgehensweise vor (um schneller zu einem Ergebnis zu kommen, um schneller in die inhaltliche Diskussion einsteigen zu können?) - reihum (kann als Zwang, unangenehm empfunden werden)

-> Moderation hat Leitungs- und Lenkungsfunktion

Manche wollten es aber an dieser Stelle noch nicht sagen und wurden zum Schluss erneut gefragt

sich (bei Aufforderung) noch nicht sofort äußern wollen, eigene Meinung sagen wollen - Angst davor eigene Präferenzen kund zu tun? Angst sich als Einzige/r für ein Thema zu interessieren? Mehrere Themen favorisiert und noch Zeit für Entscheidungen benötigen, welches das favorisierte Thema ist?

respektieren, wenn jemand noch Zeit braucht und sich noch nicht sofort für ein Thema, eine Gruppe oder zu einer Wortmeldung entscheidet. Die Zeit geben, die benötigt wird - Überforderung/Unwohlfühlen vermeiden

zu späterem Zeitpunkt erneut nachfragen

Als Frau Lose ihr Thema wählte, war nicht ganz klar, zu welchem sie wollte, da die Nummer, die sie sagte, nicht zu dem Thema passte, das sie sagte. Daher wurden dann die jeweiligen Themen, die ander Wand hingen und zur Wahl standen, durchnummeriert, sodass dieses Missverständnis aus dem Weg geräumt werden und Frau Lose der gewünschten Gruppe betreten konnte. [...]" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 301-311).

bei Unkarheiten Hilfestellung bieten und versuchen Missverständnisse zu klären, aus dem Weg räumen

klare Strukturen von Seiten der ModeratorInnen sind notwendig, um Unklarheiten/Missverständnisse zu vermeiden/aus dem Weg zu räumen

auf die Bedürfnisse der Referenzgruppenmitglieder nach Klärung von Unklarheiten eingehen, Klarheit schaffen

-> Moderation als erklärungsbietende Instanz

6.2.1.3 Selective coding (E.H.)

In der Phase des "selective coding" (Charmaz 2006) wurden die entwickelten Kategorien auf ihre Signifikanz hinsichtlich der Forschungsfrage überprüft und selektiert. Dabei wurde versucht Verbindungen und Zusammenhänge zwischen Kategorien herzustellen und diese mit Kodes zu sättigen, die für die Beantwortung der Forschungsfrage von Bedeutung sind.

Schlussendlich kristallisierten sich im Zuge der Auswertung im Hinblick auf die Fragestellung immer mehr drei zentrale Kategorien heraus, die dahingehend als entscheidend betrachtet werden, da sie den Prozess der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe maßgeblich mitbestimmen und beeinflussen. Zur Gewährleistung der Authentizität der entwickelten theoretischen Annahmen, werden die entwickelten Kategorien nach ihrer Herausbildung erneut mit dem konkreten Datenmaterial in Zusammenhang gebracht.

Arbeitssetting, Arbeitsmodi und Inputs sind die signifikanten Kategorien, die anschließend[31] samt den dazugehörigen Kodes beschrieben werden.

6.2.2 Reflexion der Beobachterinnenrolle (E.H.)

Zu Beginn der Referenzgruppentreffen war weder mir noch den Referenzgruppenmitgliedern genau klar, wie die Beobachtung innerhalb der Referenzgruppe ablaufen würde. Dies war mit Unsicherheiten von beiden Seiten verbunden. Beim ersten Treffen wurden die unterschiedlichen Rollen und somit auch jene der Beobachterinnen in der Gruppe geklärt, wobei die Erläuterung, dass die Beobachtung als Instrument der Datenerhebung im Rahmen einer Diplomarbeit stattfindet, erfolgte. Auch wenn es deutlich zu bemerken war, dass sich die Referenzgruppenmitglieder - manche mehr, manche weniger - unwohl fühlten, beobachtet zu werden, stimmten sie der Beobachtung zu. Im Laufe der Zeit konnte beobachtet werden, dass die Beobachterinnen, die sich ebenfalls immer im und nicht außerhalb des Sitzkreises befinden, während sie handschriftlich ihre Notizen machen, nicht stören, sondern als bereits der Gruppe zugehörig betrachtet wurden.

In Gesprächen mit den Referenzgruppenmitgliedern klärten die Beobachterinnen vorab, welche Prozesse, Dinge,... für ihre Diplomarbeit relevant sind. So wurde zum Beispiel im Vorhinein das Einverständnis aller für die Aufzeichnung von Diskussionen eingeholt und gleichzeitig legte man die Gründe für diese Aufzeichnungen offen. Weiters wurden die Referenzgruppenmitglieder für die Beschreibungen ihrer Personen direkt befragt und es wurden ihnen auch die verfassten Texte vorgelegt und nach deren Einverständnis hierzu gefragt. Es erfolgte ein Verweis auf die Anonymisierung, die im Zuge der vorliegenden Diplomarbeit durchgeführt wurde.

Gelegentlich kam während der Beobachtung das Gefühl auf, selbst von den Referenzgruppenmitgliedern beobachtet zu werden, da jene Referenzgruppenmitglieder, die direkt neben der Beobachterin saßen, immer wieder versuchten die Notizen zu lesen, oder deren Umfang kommentierten.

Zu Beginn der Treffen wurde versucht alles aufzuschreiben, was erfassbar und aufnehmbar war. Bei nachfolgenden Referenzgruppentreffen erfolgte die Beobachtung auf Grund einer formulierten Forschungsfrage bereits gezielter.

6.2.3 Darstellung der Gestaltung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung (E.H.)

In diesem Kapitel erfolgt die Skizzierung der für die Gestaltung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung zentralen Kategorien. Die Kategorien werden mit Hilfe von Kodes, die aus dem vorliegenden Datenmaterial gewonnenen wurden, in einzelne Teilaspekte aufgegliedert und durch die Kodes näher bestimmt und definiert.

6.2.3.1 Kategorie: Arbeitssetting (E.H.)

Arbeitssetting meint die unterschiedlichen Gruppenformate, welche im Rahmen der Referenzgruppentreffen zum Einsatz kommen. Das waren bisher entweder die Großgruppe[32] oder zwei bzw. bis zu vier Kleingruppen[33]. Im Laufe der Referenzgruppentreffen entwickeln sich feste Bestandteile, die den Treffen eine gewisse Routine in ihrem Ablauf verleihen. Diese Eckpfeiler, welche jeweils einem Setting zugeordnet werden können, werden an dieser Stelle - bereits dem zugehörigen Setting zugeordnet - näher beschrieben.

6.2.3.1.1 Subkategorie: Großgruppe (E.H.)

Das Setting der Großgruppe bildet dadurch, dass in diesem Umfeld der Beginn und das Ende der Treffen stattfinden, die Umrahmung für die Referenzgruppentreffen. In diesem Setting befinden sich alle anwesenden Personen in einem Sitzkreis, sodass die Referenzgruppenmitglieder gute Sicht zum Flipchart und auch auf die ModeratorInnen, die sich meist neben dem Flipchart aufhalten, haben.

Aspekte, die die gesamte Referenzgruppe betreffen, wie zum Beispiel organisatorische Angelegenheiten, werden im Großgruppensetting behandelt.

Aus den Beobachtungsprotokollen gehen zentrale Bestandteile der Großgruppensituation bzw. des Ablaufs eines Treffens hervor, welche sich von Treffen zu Treffen wiederholen und Auswirkungen auf die Gestaltung des Erkenntnisgewinnungsprozesses haben. In weiterer Folge werden diese zentralen Aspekte durch aus dem Datenmaterial gewonnene Kodes verdeutlicht und skizziert:

6.2.3.1.1.1 Kode: Begrüßung durch die ModeratorInnen und Präsentation des Ablaufes und der geplanten Inhalte des Treffens (E.H.)

In der ersten Arbeitseinheit eines Referenzgruppentreffens erfolgt die Begrüßung der Referenzgruppenmitglieder bei der die ModeratorInnen alle "herzlich willkommen" heißen und freundlich in Empfang nehmen. Anschließend findet die Vorstellung des geplanten inhaltlichen Ablaufes und des Zeitplanes, welcher bereits vor dem Treffen auf dem Flipchart niedergeschrieben wird, für das jeweilige Treffen durch die ModeratorInnen statt. Dadurch, dass dieser Plan für alle ersichtlich im Raum an der Wand hängt, erhalten die TeilnehmerInnen die Möglichkeit der Orientierung bezüglich dessen, was sie noch erwartet. Diese Vorgehensweise gestattet die Offenlegung des geplanten Vorhabens für die Referenzgruppenmitglieder.

6.2.3.1.1.2 Kode: Einholung der Zustimmung und Fragen nach Änderungswünschen (E.H.)

Die Referenzgruppenmitglieder werden nach der Präsentation des Ablaufes und der geplanten Inhalte des Treffens nach möglichen Änderungsvorschlägen bzw. -wünschen des geplanten Programmes bzw. nach ihrer Zustimmung gefragt und so aktiv in den Gestaltungsprozess der Treffen mit eingebunden. Sie werden nicht übergangen, sondern erhalten die Chance sich selbst aktiv in den Gestaltungsprozess der Treffen einzubringen und Änderungen durchzusetzen.

6.2.3.1.1.3 Kode: "Was ist seit dem letzten Mal passiert"-Runde (E.H.)

"Die TeilnehmerInnen der Referenzgruppe werden aufgefordert zu erzählen, was sich in der Zwischenzeit sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben verändert hat. Dabei kann jede/r erzählen, was er/sie will. Es wird niemand dazu gezwungen" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 100-103).

Die "Was ist seit dem letzten Treffen passiert"-Runde bietet für die Mitglieder der Referenzgruppe die Chance berufliche und private Veränderungen mit der Gesamtgruppe zu teilen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass niemand dazu gezwungen wird, über Veränderungen beruflicher und privater Natur zu sprechen, sondern, dass dies auf freiwilliger Basis erfolgt. Dieser Sachverhalt wird auch immer wieder von den ModeratorInnen betont. Die bisherigen Treffen zeigten, dass diese Möglichkeit, die von den ModeratorInnen eingeführt wurde, gut angenommen wird. Es stellt sich hierbei die Frage, ob diese Runden Auswirkungen auf die Arbeit der Referenzgruppe haben und welche. Dadurch, dass die Beobachtung als alleinige Datenerhebungsmethode eingesetzt wurde, kann diese Frage nicht beantwortet, sondern nur Vermutungen darüber angestellt werden. Es ist durchaus möglich, dass die Skizzierungen beruflicher/privater/persönlicher Veränderungen oder Themen, die Offenheit und das Wohlbefinden der TeilnehmerInnen in der Gruppe fördern. Fühlen sich die Personen in einer Gruppe wohl, steigt auch die Bereitschaft sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen.[34]

6.2.3.1.1.4 Kode: Was haben die ModeratorInnen seit dem letzten Mal gemacht? (E.H.)

Die Referenzgruppenmitglieder werden über die Vorgänge im Gesamtprojekt und die Tätigkeiten von Herrn Koenig und Frau Pinetz bzw. Herrn Krög auf dem Laufenden gehalten, indem sie darüber informiert werden, was diese zwischen den Treffen gemacht haben. Dadurch erlangen die Referenzgruppenmitglieder nicht nur Kenntnisse über Sachverhalte des Projektes, die direkt mit der Referenzgruppe in Bezug stehen, sondern sie erhalten auch Informationen zu anderen Aspekten, die im Forschungsprojekt fernab der Referenzgruppe ablaufen. Die Gruppenmitglieder werden etwa über die Durchführung der Interviews, aber auch über die Entwicklung der Erhebung der quantitativen Daten in Kenntnis gesetzt. Es wird versucht, die Vorgänge im Gesamtprojekt bis zu einem gewissen Grad für die Referenzgruppenmitglieder transparent zu halten.

6.2.3.1.1.5 Kode: Wiederholung der Inhalte des letzten Treffens (E.H.)

Eine Wiederholung der Inhalte des jeweils vorhergehenden Treffens findet ebenfalls im Großgruppensetting statt, um den Referenzgruppenmitgliedern den Anschluss an die bereits geführten Diskussionen zu erleichtern. Im Laufe der Referenzgruppentreffen konnte beobachtet werden, dass der Aspekt der Wiederholung der besprochenen Inhalte besonders wichtig zu sein scheint, da sich herausstellte, dass die Referenzgruppenmitglieder die Protokolle zum Großteil nicht lesen.[35]

"Auch eine Wiederholung der Inhalte und des Geschehens des ersten Treffens passiert in der ersten Einheit" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 69-70).

6.2.3.1.1.6 Kode: Besprechung der nachfolgenden Themenschwerpunkte und Einteilung der Kleingruppen (E.H.)

Im Großgruppensetting wird besprochen, welchen Inhalten und Themen bzw. Aspekten einzelner Themen sich die Referenzgruppe nachfolgend widmen wird. Nach der Fixierung dessen, welche Themen nachfolgend in Kleingruppen erarbeitet werden sollen, erfolgt die Einteilung der TeilnehmerInnen in Kleingruppen bzw. kleinere Arbeitsgruppen. Die Einteilung dazu erfolgt auf unterschiedliche Art und Weise. Entweder werden die Referenzgruppenmitglieder nach ihrem thematischen Interesse gefragt und danach eingeteilt, oder es erfolgt eine räumliche Teilung in zwei Hälften.

Sofern es sich vermeiden lässt, wird auch darauf geachtet, dass Referenzgruppenmitglieder, die nicht so gerne gemeinsam in einer Kleingruppe zusammenarbeiten dies auch nicht müssen. Der Prozess der Einteilung wird - wie nachfolgender Auszug aus einem Beobachtungsprotokoll zeigt - in der Regel von den ModeratorInnen angeleitet.

"Nach der Besprechung dieser allgemeinen Angelegenheiten in der Großgruppe gibt Herr Koenig den Anstoß zur Arbeit in den Kleingruppen und äußert von vornherein Vorgaben für die Einteilung der Gruppen. Da er in jeder Kleingruppe eine Mischung aus Tirolern und Wienern/Niederösterreichern haben will, schlägt er vor die Gruppen in der Mitte zu teilen und Frau Fürst soll - wie des Öfteren besprochen - bei Herrn Krög sein. Da bei dieser Einteilung jedoch zwei getrenntgeschlechtliche Gruppen entstanden wären, fragt er, ob er die Gruppen ein bisschen autoritär einteilen soll. Die Frage wird bejaht" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 480-486).

6.2.3.1.1.7 Kode: Präsentation und Diskussion der Kleingruppenergebnisse (E.H.)

Die Ergebnisse der Diskussionen in den Kleingruppen werden durch jeweils eine oder mehrere Personen der Kleingruppe in der Großgruppe präsentiert sowie anschließend von allen diskutiert. Hierbei wird Rücksicht darauf genommen, dass die präsentierenden Referenzgruppenmitglieder zuerst ausreden können und im Nachhinein erst einzelne Punkte, die weiteren Diskussionsbedarf aufweisen, besprochen werden. Es konnte beobachtet werden, dass es, wenn Zeitdruck herrscht, vorkommen kann, dass die Referenzgruppenmitglieder zu einer überblicksmäßigeren Präsentation angehalten werden, oder dass die ModeratorInnen die Präsentation der Kleingruppenergebnisse übernehmen.[36]

6.2.3.1.1.8 Kode: Tagesreflexion und Abendprogrammgestaltung (E.H.)

Nicht bei allen Treffen, aber doch bei einigen, findet am Ende des ersten Tages der Treffen eine Reflexion dessen statt, was an dem Tag passiert ist. Zusätzlich wird in der Großgruppe ausgemacht, wie der Abend gemeinsam gestaltet werden soll. Bei der Abendgestaltung steht es immer allen Referenzgruppenmitgliedern frei, sich daran zu beteiligen oder nicht. Im Rahmen des gemeinsamen Abendprogramms lernt sich die Gruppe besser kennen und findet zudem die Zeit, über Dinge fernab des Forschungsprojektes zu sprechen.

6.2.3.1.1.9 Kode: Festlegung der Themen für die nächsten Treffen bzw. die weitere Referenzgruppenarbeit (E.H.)

In diesem Setting wird von der gesamten Gruppe gemeinsam festgesetzt, welches Thema bzw. welche Themen beim nächsten Treffen diskutiert werden sollen. Beim ersten Treffen wurde eine Liste mit verschiedenen Themenvorschlägen angelegt, auf die die Moderation zurückgreift, wenn sie thematische Vorschläge für die nächsten Treffen tätigt. Das bedeutet, dass der Impuls der Festlegung der Themen für die jeweils nächsten Treffen bzw. für die nächsten inhaltlichen Auseinandersetzungen von der Moderation und nicht von den Referenzgruppenmitgliedern ausgeht.

6.2.3.1.1.10 Kode: Reflexionsrunde bzw. Abschlussrunde (E.H.)

Am Ende der einzelnen Treffen findet im Plenum eine Reflexions- bzw. Abschlussrunde statt, bei welcher alle Referenzgruppenmitglieder von der Moderation zu einem Statement - meist reihum - aufgefordert werden. Die Moderation stellte hierfür zu Beginn der Referenzgruppentätigkeit zur Orientierung Fragen wie "Was hat mir gefallen?", "Was hat mir nicht gefallen?", "Wünsche und Anregungen für die nächsten Treffen" zur Verfügung.

"Die Moderation kündigt an, dass nun die bekannte Reflexionsrunde am Ende des Treffens stattfinden soll. Dabei wird gefragt, ob reihum vorgegangen werden soll, oder ob sich die TeilnehmerInnen freiwillig melden wollen. Es wird entschieden so vorzugehen, dass sich jede/r freiwillig melden kann, wann er/sie will. [...] Nach Herrn Hofbauer geht es dann doch reihum [...]" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 933-940).

Um die Reflexionsrunde in gewisser Hinsicht ein wenig aufzulockern, wird beim vierten Treffen der Versuch unternommen, den Referenzgruppenmitgliedern bereits zu Beginn des Treffens einen orangefarbenen Reflexionszettel mit Orientierungsfragen zur Verfügung zu stellen. Ziel dieser Art der Reflexion ist es, dass die Referenzgruppenmitglieder während des gesamten Treffens ihre Reflexionen schriftlich festhalten können und dass am Ende des Treffens eine gezwungene, reihum erfolgende Reflexions- bzw. Abschlussrunde vermieden wird. Diese Art der Reflexion nahm die Referenzgruppe nicht an und es erfolgt daher weiterhin die bereits bekannte Reflexionsrunde am Ende des Referenzgruppentreffens.

Es stellt sich hier die Frage, warum diese Art der Reflexion nicht genutzt wird. Dazu gehen aus den Beobachtungsprotokollen keine Antworten hervor, weshalb lediglich Vermutungen angestellt werden können. Eventuell wäre es nötig, den TeilnehmerInnen gegen Ende jeder Einheit gezielt Zeit für eine kurze Reflexion zu geben. In den einzelnen Einheiten werden die TeilnehmerInnen mit Inputs und Diskussionen überhäuft und benötigen infolge dessen vermutlich die Pausen zur Erholung, zum erneut Energie tanken und zum Small-Talk mit den anderen TeilnehmerInnen. Zusätzlich dazu stehen in den Räumlichkeiten, die für die Treffen benutzt werden, wenig bis keine Tische zur Verfügung. Daher ist es den Gruppenmitgliedern kaum möglich, zwischendurch Notizen auf dem ausgeteilten Reflexionsbogen zu machen.

6.2.3.1.1.11 Kode: Klärung organisatorischer Angelegenheiten (E.H.)

In der Großgruppe werden die organisatorischen Angelegenheiten geklärt. Unter anderem wird dabei geklärt, (1) wie viele Treffen es gibt und wann diese stattfinden, (2) wer die Buchung der Unterkunft und die Besorgung der Zugtickets übernimmt und (3) wie eine Spesenabrechnung und eine Honorarnote ausgefüllt wird. Die Honorarnote wird ab dem zweiten Treffen immer von dem/der ModeratorIn soweit vorbereitet, dass die Referenzgruppenmitglieder diese nur noch unterschreiben müssen. Je mehr Referenzgruppentreffen stattgefunden haben, umso weniger Zeit nimmt die Klärung der organisatorischen Angelegenheiten in Anspruch, da diese gewissermaßen zur Routine geworden sind.

6.2.3.1.2 Subkategorie: Kleingruppe (E.H.)

Das Kleingruppensetting zeichnet sich dadurch aus, dass die gesamte Referenzgruppe in zwei oder mehr verschiedenen Räumen entweder zum selben Thema oder zu unterschiedlichen Themen arbeitet. Charakteristisch dafür sind ebenfalls eine kreisförmige Sitzordnung sowie die Anwesenheit einer moderierenden und einer beobachtenden Person.

Im Setting der Kleingruppe finden vor allem inhaltliche Diskussionen, aber auch die Arbeit am Interviewmaterial statt. Aus den zuvor referierten Reflexionsrunden geht hervor, dass manche Referenzgruppenmitglieder dieses Setting bevorzugen, da sie sich hier besser und aktiver in die Diskussionen einbringen können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich manche Referenzgruppenmitglieder in der Großgruppe nicht so wohl fühlen und sich daher weniger aktiv an den inhaltlichen Auseinandersetzungen beteiligen.

6.2.3.2 Kategorie: Arbeitsmodi (E.H.)

Die Kategorie der Arbeitsmodi, welche aus der Bearbeitung des Datenmaterials hervorgeht, beinhaltet Methoden, die zum Aufbereiten, Sammeln und Diskutieren von Inhalten im Zuge der Referenzgruppentätigkeit zum Einsatz kommen. Auch die Aufbereitung der Materialien, die der Referenzgruppe zur Verfügung gestellt werden, spielt im Zusammenhang mit den bisher eingesetzten Methoden eine wesentliche Rolle. Bislang wurden in der Referenzgruppe viele verschiedene Arbeitsmethoden ausgetestet und dann teilweise von den ModeratorInnen bzw. den Referenzgruppenmitgliedern darüber reflektiert. Mit einzelnen Arbeitsmethoden konnten in der Arbeit mit der Referenzgruppe große Erfolge erzielt werden und diese wurden auch von den Referenzgruppenmitgliedern bevorzugt angenommen, wodurch sie im weiteren Verlauf der Referenzgruppentreffen häufiger zum Einsatz kamen. Andere Ansatzpunkte - vor allem im Zusammenhang mit der Arbeit am Interviewmaterial - waren nicht so erfolgreich und bedürfen noch weiterer Modifikationen bis sie sich für alle Referenzgruppenmitglieder eignen und auf deren Kompetenzen zugeschnitten sind. In weiterer Folge wird an Hand ausgewählter, dieser Kategorie zugehöriger Kodes aus dem Material die Methodenvielfalt in der Arbeit mit der Referenzgruppe skizziert.

6.2.3.2.1 Kode: Moderierte Gruppendiskussion (E.H.)

Im Rahmen der Referenzgruppe finden sowohl im Großgruppen- als auch im Kleingruppensetting moderierte Gruppendiskussionen statt. Das läuft meist so ab, dass von den ModeratorInnen das Thema für die nachfolgende Diskussion vorgeschlagen und diese Anregung von den Gruppenmitgliedern angenommen wird. Die Moderation initiiert den Gruppendiskussionsprozess durch das Stellen einer allgemeinen Frage zum Thema oder durch die Verteilung einer Arbeitsaufgabe; das bedeutet, dass der Diskussionsanstoß von der Moderation ausgeht.

"Der nächste Themenwechsel bzw. die nächste Frage kommt von Frau Pinetz: ‚Was ist privat bzw. in der Ausbildung bzw. beruflich in der Zwischenzeit passiert?. Es wird darauf hingewiesen, dass niemand erzählen muss, aber wer mag, der/die kann und ist herzlich dazu eingeladen" (Beobachtungsprotokoll 3 2009, Zeile 104-106).

Kommt in einer Diskussion das Gespräch zum Erliegen, wird versucht dies durch einen erneuten Input bzw. durch eine Frage der Moderation wieder in Gang zu bringen.

Unterschiedliche moderierende Elemente, deren Beschreibung im Rahmen der Kategorie Inputs der ModeratorInnen[37] erfolgt, werden in der Arbeit mit der Referenzgruppe eingesetzt.

6.2.3.2.2 Kode: Brainstorming, "Mind Map" (E.H.)

"Zuerst wird ein Brainstorming zum Thema Familie gemacht. Es ist nicht allen klar, was ein Brainstorming ist und daher versucht Herr Renner es zu erklären. In diesem Fall sollen Schlagwörter zum Thema Familie gesammelt werden [...]" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 273-275).

Den Einstieg in eine inhaltliche Diskussion stellt häufig ein Brainstorming dar, wobei die einzelnen Referenzgruppenmitglieder ihre Ideen und Einfälle zum aktuellen Thema nennen und der/die ModeratorIn diese auf einem Flipchart-Plakat festhält. Das bedeutet, dass ein sehr offener Einstieg in eine nachfolgende inhaltliche Auseinandersetzung erfolgt, bei dem die Referenzgruppenmitglieder völlig frei ihre Assoziationen äußern können und alles gesammelt wird, was ihnen einfällt. Das Brainstorming ist eine Methode, bei der die Referenzgruppe nicht durch die Moderation in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Das Brainstorming bildet die Grundlage für die Schwerpunktsetzung in der anschließenden inhaltlichen Diskussion, da meist in einem gemeinsamen Prozess ausgewählt wird, welche Aspekte des Themas von der Referenzgruppe als besonders bedeutend angesehen werden und daher stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken sollen. Die ausgewählten Begriffe bzw. Konzepte werden aufgegriffen, genauer besprochen, definiert und mit Beispielen versehen.

6.2.3.2.3 Kode: Einzelarbeit (E.H.)

Vereinzelt werden im Rahmen der Referenzgruppentreffen Einzelarbeiten, bei denen die Referenzgruppenmitglieder aufgefordert werden, sich Gedanken zu einem bestimmten Thema oder zu bestimmten Fragen zu machen, durchgeführt. Die ModeratorInnen geben im Vorhinein Anweisungen dazu, in welcher Form die Gedanken festzuhalten sind, die anschließend in der Großgruppe präsentiert und Die Moderation stellt bei der Durchführung von Einzelarbeiten alle benötigten Materialien (Stifte und Papier) bereit. Wichtig ist, dass die ModeratorInnen während der Einzelarbeit für Fragen und weitere Erklärungen zur Verfügung stehen und die Referenzgruppenmitglieder bei auftretenden Schwierigkeiten unterstützen. Folgende Passage aus den Beobachtungsprotokollen belegt, wie dies in der Referenzgruppenarbeit durchgeführt wird.

"Während jedes Gruppenmitglied sich seine Notizen zu den einzelnen Fragen macht, geben die Moderatoren Hilfestellungen, wenn diese von den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern gefordert werden. [...] Herr Krög und Herr Koenig gehen während der Einzelarbeit immer wieder durch und bieten Unterstützung an" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 182-205).

6.2.3.2.4 Kode: Methode des Open Space (E.H.)

Die Methode des Open Space - offener Raum - kam bisher nur einmal zum Einsatz. Bei dieser Methode steht zu Beginn noch nicht fest, welches Thema bzw. welche Themen behandelt werden. Es geht darum, dass die Gruppe Vorschläge einbringen kann, zu welchen Themen sie diskutieren will. Dabei besteht auch die Möglichkeit, mehrere Kleingruppen zu unterschiedlichen Themen zu bilden. Die Gruppe bzw. jede/r Einzelne soll hierbei Vorschläge und Wünsche äußern; daher stellt der erste Schritt bei dieser Methode eine Einzelarbeit, während welcher alle Referenzgruppenmitglieder ihre Themenwünsche auf einem Zettel, der von der Moderation zur Verfügung gestellt wird, notieren sollen, dar. Zur Orientierung wurden die Referenzgruppenmitglieder darauf aufmerksam gemacht, dass sie sowohl bisher gänzlich unerwähnt gebliebene, als auch bereits diskutierte Themen, bei welchen noch Diskussionsbedarf besteht, wählen können. Es konnte beobachtet werden, dass es wichtig ist, dass den Referenzgruppenmitgliedern genügend Zeit für die Einzelarbeit eingeräumt wird, um sie nicht unter Druck zu setzen. Im zweiten Schritt sollen die Resultate der Einzelarbeit in der Großgruppe diskutiert und thematisch geordnet werden, um einen besseren Überblick über die verschiedenen Themenkomplexe zu erhalten. Nachdem diese Zuordnung gut sichtbar für alle an der Wand befestigt wurde, äußern die Referenzgruppenmitglieder ihren Wunschthemenkomplex zur weiteren Bearbeitung. Dadurch erfolgt die Gruppeneinteilung für die Arbeit in den Kleingruppen.

Abgeschlossen wird dieser methodische Vorgang dadurch, dass der Rapporteur, ein Strukturelement der Methode des Open Space, jeder Kleingruppe in der Großgruppe den Diskussionsverlauf und die wichtigsten Inhalte berichtet. Der Rapporteur wird zu Beginn der Kleingruppendiskussion gemeinsam bestimmt und präsentiert im Rahmen des Referenzgruppenplenums an Hand der erarbeiteten Flipchart-Plakate.

Durch die Methode des Open Space nimmt zwar der Prozess, bis ein Thema gefunden wird und schlussendlich in die inhaltliche Diskussion eingestiegen werden kann, viel Zeit in Anspruch. Diese Methode bietet aber auch die Möglichkeit, die Referenzgruppe aktiv in die Themenwahl mit einzubeziehen, wodurch deutlich wird, welche Themen für die Menschen mit Lernschwierigkeiten dieser Gruppe im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt von Bedeutung sind.

6.2.3.2.5 Kode: Arbeit am Interviewmaterial (E.H.)

Die Arbeit am Interviewmaterial sollte in der Referenzgruppe die Haupttätigkeit darstellen. Doch auf Grund von zeitlichen Verzögerungen durch den enormen Arbeitsaufwand für die ModeratorInnen im Gesamtprojekt werden bisher in der Referenzgruppe eher einzelne Themen im Zusammenhang mit dem Projekt ausgewählt und diskutiert und die tatsächliche Arbeit am Interviewmaterial wird vorläufig eher in den Hintergrund gerückt.

Bevor in der Referenzgruppe am Material gearbeitet wird, wählen die ModeratorInnen einen Interviewausschnitt aus und bearbeiten diesen. Das bedeutet, dass Interviews, die im Dialekt geführt und transkribiert sind, ins Hochdeutsche übertragen werden, damit die Interviewausschnitte für alle Referenzgruppenmitglieder verständlich sind. Dabei ist es wichtig, dass sich die ModeratorInnen die Frage stellen, ob dadurch eventuell wesentliche Inhalte und Bedeutungen verloren gehen. Bedeutsam ist, dass diese Aspekte (Vorauswahl eines Ausschnittes, Übertragung des Transkriptes ins Hochdeutsche,...) den ForscherInnen, die diese Auswahl und Entscheidungen treffen, bewusst sind und reflektiert werden.

Beim ersten Arbeiten mit ausgewählten und bearbeiteten Interviewausschnitten wurden von der Moderation Leitfragen zur Auseinandersetzung mit dem Material angeboten. An Hand dieses Leitfadens wurde pro Interview schrittweise und Abschnitt für Abschnitt vorgegangen. Es konnte beobachtet werden, dass die Referenzgruppenmitglieder gelegentlich mit der Arbeit am Material überfordert waren. Diese Überforderung führten die Referenzgruppenmitglieder darauf zurück, dass es schwierig ist, zwischen der Beschreibung dessen, was wirklich im Interview steht und eigenen Interpretationen zu unterscheiden.

Beim zweiten Arbeiten mit dem Interviewmaterial wurde eine andere, offenere Herangehensweise gewählt. Die Referenzgruppenmitglieder wurden aufgefordert einzelne Passagen bzw. das gesamte Interview - abhängig von der jeweiligen Moderation und den Mitgliedern der Kleingruppen - zu lesen und sich Notizen zu machen. In einer Kleingruppe las schlussendlich der Moderator immer wieder Abschnitte aus dem Interview vor, damit alle Anschluss in der nachfolgenden Diskussion finden. Anschließend wurde in den jeweiligen Kleingruppen besprochen, was den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern beim Lesen des Interviews aufgefallen ist.

6.2.3.2.6 Kode: Präsentationen (E.H.)

Im Laufe der Referenzgruppentreffen wird immer wieder in Kleingruppen an bestimmten Themen, aber auch am Interviewmaterial gearbeitet. Um nach diesen Einheiten die Mitglieder der anderen Kleingruppe/n über die besprochenen Inhalte auf dem Laufenden zu halten, finden im Anschluss an die Kleingruppeneinheiten Präsentationen der Ergebnisse aus den Kleingruppendiskussionen im Plenum statt. Diese Präsentationen erfolgen meist an Hand der Stichworte auf den Flipchart-Plakaten, die während der Diskussion von dem/der ModeratorIn angefertigt werden. In der Regel präsentiert jeweils ein Mitglied aus der Kleingruppe, wobei es auch vorkommt, dass sich zwei oder mehr Mitglieder die Präsentation aufteilen, da manche Referenzgruppenmitglieder sehr gerne präsentieren, während andere sich dabei eher im Hintergrund halten. Zum Großteil werden erst im Anschluss an die Präsentationen Anmerkungen durch die Moderation vorgenommen und somit die präsentierenden Personen nicht im Redefluss unterbrochen. Weiters besteht nachfolgend für die gesamte Gruppe die Möglichkeit, die erarbeiteten Erkenntnisse der Kleingruppe zu diskutieren und zu vertiefen. Dabei ist es ganz unterschiedlich, ob dieses Angebot angenommen wird oder ob bereits alles, was von Bedeutung ist, erwähnt wurde und somit kein weiterer Diskussionsbedarf besteht.

6.2.3.2.7 Kode: Festhalten der wichtigsten Inhalte und des Diskussionsverlaufes auf Flipchart (E.H.)

Von den Diskussionen, die sowohl in der Großgruppe als auch in der Kleingruppe stattfinden, halten die ModeratorInnen in Stichworten den inhaltlichen Diskussionsverlauf auf Flipchart-Plakaten fest. Gelegentlich werden auch Zusammenhänge und Sachverhalte graphisch dargestellt. Das kontinuierliche Festhalten der aktuellen Diskussionsstränge auf den Plakaten wird von der Referenzgruppe vorgeschlagen und sehr begrüßt. Dadurch wird es den Referenzgruppenmitgliedern ermöglicht, jederzeit wieder in die Diskussion mit einzusteigen und Anschluss zu finden, falls sie den Faden verlieren, etwas auf Grund der teilweise vorherrschenden Unruhe im Raum nicht verstehen oder kurz unkonzentriert sind.

"Ein weiterer Wunsch ist, dass während den Diskussionen auf Flipchart mitgeschrieben wird, wo die Diskussion gerade inhaltlich verläuft, weil wenn alle durcheinander sprechen, kann man nicht mehr mitdenken, kennt sich nicht mehr aus und verliert den Faden" (Beobachtungsprotokoll 1 2008, Zeile 550-553).

Diese fortdauernde Skizzierung des Diskussionsverlaufes ist auch in jenen Situationen von Vorteil, wenn die Diskussion in Richtung eines anderen Themas abschweift. Der Vorteil besteht darin, dass an Hand der notierten Schlagwörter die gesamte Gruppe zum Thema zurückgeführt werden kann, welches gerade im Zentrum der Aufmerksamkeit steht.

Flipchart-Plakate werden in der Referenzgruppe aber nicht nur dazu verwendet, zentrale Aspekte des Diskussionsverlaufes für alle sichtbar zu dokumentieren, sondern auch, um der Referenzgruppe mittels Programmplan eine Orientierung über Bevorstehendes zu ermöglichen. Diese Orientierungshilfe wird ebenfalls von der Referenzgruppe selbst eingefordert, da sie gewissermaßen Aspekte von Unabhängigkeit in der Form beinhalten kann, dass die Arbeitseinheiten und Pausensequenzen selbstständig abgelesen werden können und nicht ständig der/die ModeratorIn danach gefragt werden muss.

Manche Plakate (Programmablauf, Orientierungsfragen zu bestimmten Themen,...) werden bereits im Vorfeld durch die Moderation angefertigt. Der Großteil der Plakate wird jedoch direkt während der Treffen mit Inhalten aus den Diskussionen gefüllt. Von Vorteil ist es, wenn die beschriebenen Plakate nicht einfach umgeblättert, sondern für alle gut sichtbar an den Wänden aufgehängt werden. Somit wird weiterhin gewährleistet, dass bereits besprochene zentrale Aspekte der Diskussion sofort präsent sind bzw. dass der gesamte Diskussionsverlauf noch einmal nachvollzogen oder zusammengefasst werden kann. Vor allem nach Pausen scheint es häufig nötig zu sein, sich die inhaltliche Auseinandersetzung der vorausgegangenen Einheit erneut zu vergegenwärtigen, um an der Stelle wieder anzuschließen an der zu Gunsten der Pause abgebrochen wurde. Nicht alle Räumlichkeiten, die für die Referenzgruppentreffen genutzt werden, lassen es zu, alle Plakate, die bei einem Treffen entstehen, gut sichtbar aufzuhängen, da enorme Umfänge an Inhalten von der Referenzgruppe produziert und gesammelt werden.

Die Verwendung der Flipchart-Plakate ermöglicht es, die Referenzgruppe nicht nur auf akustischer Ebene zu erreichen, sondern auch auf der visuellen. Durch das Senden von Impulsen auf verschiedenen sensorischen Ebenen wird die Konzentration bzw. Aufnahmefähigkeit und somit die Aufmerksamkeit der TeilnehmerInnen für die aktuellen Diskussionen erhöht. Die Gestaltung der Flipchart-Plakate nimmt in der Referenzgruppenarbeit eine zentrale Rolle ein, da diese Plakate es den Referenzgruppenmitgliedern einerseits erleichtern, den roten Faden zu behalten. Andererseits bilden diese Plakate die Grundlage für Präsentationen im Großgruppensetting von Inhalten, die in Kleingruppenarbeiten hervorgebracht werden.

6.2.3.2.8 Kode: Wiederholung (E.H.)

Zu Beginn der jeweiligen Referenzgruppentreffen werden die Referenzgruppenmitglieder aufgefordert, sich die Inhalte des jeweils letzten Treffens vor Augen zu führen und diese im Plenum zu wiederholen. Bei den Treffen stellte sich heraus, dass dieser Aspekt in der Arbeit der Referenzgruppe enorm wichtig ist, da die Protokolle, die den Referenzgruppenmitgliedern zur Verfügung gestellt werden, kaum gelesen werden. Durch die Wiederholung der zentralen Themen und Aspekte des vorhergehenden Treffens wird der Referenzgruppe der Anschluss an vorausgehende Diskussionen gewährt. Dies gilt ebenfalls für Wiederholungen der Inhalte des Vortages.

"Bevor es am Samstag so richtig losgeht, wird aufgezählt, was am Freitag gemacht worden ist und es werden vor allem die Gruppenregeln noch einmal wiederholt" (Beobachtungsprotokoll 1 2008, Zeile 284-285).

6.2.3.2.9 Kode: Reflexion[38] (E.H.)

Dieser Aspekt wurde bereits im Rahmen des Großgruppensettings der Kategorie Arbeitssetting ausführlich beschrieben. Da jedoch die Reflexion des Treffens bzw. des Tages oder einer einzelnen Arbeitseinheit auch eine Methode darstellt, die in der Arbeit der Referenzgruppe zum Einsatz kommt, findet dieser Code an dieser Stelle ebenfalls Erwähnung.

6.2.3.2.10 Kode: Gebrauch von Leichter Sprache / "Easy-to-read" (E.H.)

Die bisherigen Referenzgruppentreffen zeigen, dass der Gebrauch von Leichter Sprache in der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten unerlässlich ist. Gelegentlich kommt es vor, dass Fremdwörter oder schwierige Wörter von ModeratorInnen ausgesprochen werden und die Referenzgruppenmitglieder sofort nach einer Erklärung verlangen. Wenn nach einer Erläuterung von unbekannten Begriffen gefragt wird, übergibt der/die ModeratorIn oft die Frage nach der Bedeutung der Termini bzw. Ausdrücke oder Redewendungen an die anderen Referenzgruppenmitglieder. Häufig ist jemand aus der Gruppe in der Lage eine Erklärung des Begriffes zu geben. Ist dies jedoch nicht der Fall, übernehmen das die ModeratorInnen und erklären bzw. definieren die unbekannten Begriffe. Hierzu werden die erfolgten Definitionen mit nachvollziehbaren (alltäglichen) und nicht mit abstrakten Beispielen untermauert.

Leichte Sprache bedeutet im Rahmen der Referenzgruppentätigkeit zudem, dass komplexe Sachverhalte herunter gebrochen und schrittweise, manchmal auch mehrmals mit anderen Worten und lebensnahen Beispielen erklärt werden müssen.

"Da das Thema UN-Konvention sehr schwierig ist, benötigte es viel Geduld von Seiten der TeilnehmerInnen und auch des Moderators, da dieser auf Anfrage der TeilnehmerInnen hin, viele Dinge des Öfteren und auf verschiedene Art und Weise erklären muss, bis sie jedem und jeder klar sind und der nächste Punkt im Zusammenhang mit diesem Thema angesprochen werden kann" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 916-919).

Bereits zu Beginn der Referenzgruppentreffen tauchten in der Skizzierung des Gesamtprojektes viele schwierige und unbekannte Termini auf, die einer Erklärung bedurften. Daher wurde schon bei der gemeinsamen Erarbeitung der Gruppenregeln die Verwendung von Leichter Sprache in diesen festgehalten. Durch den Gebrauch von Leichter Sprache und somit der Vermeidung von Fachausdrücken wird eine gemeinsame Ausgangslage geschaffen, die einigermaßen faire Diskussions- und Kommunikationsbedingungen innerhalb der Referenzgruppe und in weiterer Folge ein produktives Arbeiten gewährleistet. Durch die Beobachtungen kann festgehalten werden, dass die Verwendung von Leichter Sprache einer eventuellen Überforderung und Frustration einzelner Referenzgruppenmitglieder aktiv entgegenwirkt.

Die Verwendung von Leichter Sprache erfolgt nicht nur in den Diskussionen bei den Referenzgruppentreffen, sondern zieht sich durch alle Materialien, wie Protokolle, Handouts, Wörterbuch für Leichte Sprache, die die Referenzgruppenmitglieder von den ModeratorInnen zur Verfügung gestellt bekommen.

6.2.3.2.11 Kode: Protokolle (E.H.)

Während der Treffen sollen sich die Referenzgruppenmitglieder voll und ganz auf die laufenden Diskussionen und thematischen Auseinandersetzungen konzentrieren. Damit ihnen jedoch auch nach den Treffen eine breite Reflexion des Treffens samt den behandelten Inhalten möglich ist, wird von der Moderation bzw. den Beobachterinnen oder studentischen PraktikantInnen zu jedem Treffen ein Protokoll mit den wesentlichen Punkten in Leichter Sprache verfasst. Das bedeutet, dass sich in diesen Protokollen die Themen, die diskutiert werden, sowie zentrale Aspekte dieser Auseinandersetzungen wieder finden. Wie es für Dokumente in Leichter Sprache üblich ist, werden auch die Protokolle mit treffenden Piktogrammen[39] untermauert, um damit Impulse auf unterschiedlichen Ebenen - Text und Bild - zu setzen.

"Es kommt auch zur Sprache, dass viele TeilnehmerInnen das Protokoll gar nicht gelesen haben bzw. es nur überflogen oder schlampig gelesen haben. Als Grund führen sie an, dass ihnen das Protokoll zu lang war" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 78-80).

Im Laufe der Treffen stellt sich heraus, dass die Protokolle von den Referenzgruppenmitgliedern kaum genutzt bzw. meist nur überflogen und nicht dezidiert gelesen werden. Dabei stellt sich die Frage, warum das so ist. Aus den Beobachtungsprotokollen geht hervor, dass das erste Protokoll, welches keine Piktogramme enthielt, zu lang war und daher nicht gelesen wurde. Daraus lässt sich schließen, dass sich die Referenzgruppenmitglieder durch die Konfrontation mit einem derart langen Protokoll überfordert fühlten und sich weigerten es zu lesen.

Als Konsequenz daraus werden in weiterer Folge die Protokolle für die Referenzgruppenmitglieder möglichst kurz gehalten und mit Piktogrammen versehen. Einerseits werden die Protokolle noch immer kaum zur Hand genommen, andererseits werden sie auf Grund der begrenzten zeitlichen Ressourcen der Moderation teilweise erst sehr spät - gelegentlich nach dem nächsten Treffen - an die TeilnehmerInnen per Mail bzw. per Post versendet.

Ist es möglich, dass die Referenzgruppenmitglieder nicht motiviert sind, sich außerhalb der Treffen mit diesen zu beschäftigen? Diese Frage betrifft auch das Thema des Forschungstagebuches, welches - wie unten geschildert - ebenfalls kaum genutzt wird. Hängt es damit zusammen, dass die Referenzgruppenmitglieder außerhalb ihrer Forschungstätigkeit in diesem Projekt mit vielen anderen Aktivitäten eingedeckt sind, die für die einzelnen Mitglieder Priorität haben?

6.2.3.2.12 Kode: Handouts (E.H.)

Im Zuge der Referenzgruppentreffen werden den TeilnehmerInnen immer wieder Handouts zur Verfügung gestellt, die für die Bearbeitung einzelner Themen, aber auch für die Arbeit am Interviewmaterial notwendig sind. Diese Unterlagen werden im Vorfeld von der Moderation in adäquater Art und Weise vorbereitet. Prinzipiell werden alle Unterlagen (auch Protokolle und Einladungen zu den Treffen) entsprechend der "Easy-to-read"-Richtlinien aufbereitet. Besonders wird dabei auf ein Mitglied Rücksicht genommen, welches gezielt eigene Unterlagen in einer noch größeren Schrift bekommt.

Wie bereits bei dem Kode Arbeit am Interviewmaterial beschrieben, werden vor allem bei den Interviewtranskripten auf linguistischer Ebene Veränderungen vorgenommen, sodass Menschen mit Lernschwierigkeiten diese problemlos, das heißt, ohne überfordert zu werden, verwenden können.

Im Zusammenhang mit den Handouts taucht vor allem jene Schwierigkeit auf, dass die Referenzgruppenmitglieder ihre Aufmerksamkeit diesen zuwenden, sobald sie verteilt sind und sich in Folge dessen nicht mehr auf die Diskussion bzw. auf die Einleitung zum Thema oder die Erklärung des nachfolgenden Arbeitsauftrages des/der ModeratorIn konzentrieren. Daher ist es wichtig, sich im Vorhinein dazu Gedanken zu machen, an welcher Stelle vorbereitete Handouts der Gruppe ausgeteilt werden, ohne dass dies den Ablauf störend beeinflusst.

6.2.3.2.13 Kode: Forschungstagebuch (E.H.)

"Ein Forschungstagebuch ist ein Heft für alle Gedanken und Ideen, die in der Zeit zwischen den Treffen kommen. [...] Es soll die Möglichkeit geben, alles aufzuschreiben, was einem im Zusammenhang mit dem Projekt einfällt. Einfach Dinge, die man gerne in der Gruppe beim nächsten Treffen diskutieren möchte. Da zwischen den Treffen immer so ein großer Zeitraum ist, kann man sich natürlich nicht alles merken, darum ist es hilfreich, sich einige Notizen dazu zu machen. Das können natürlich auch eigene Erfahrungen im Alltag sein" (Beobachtungsprotokoll 1 2008, Zeile185-192).

Den Referenzgruppenmitgliedern wurde beim ersten Treffen von der Moderation ein Heft als Forschungstagebuch zur Verfügung gestellt und erklärt, was ein Forschungstagebuch ist. Das Thema Forschungstagebuch wird anschließend bei mehreren Referenzgruppentreffen ausführlich diskutiert und trotzdem wird nur vereinzelt ein Forschungstagebuch geführt. Zu Beginn war vielen Gruppenmitgliedern unklar, was ein Forschungstagebuch ist, und wofür genau es verwendet und genutzt wird. Daher erhalten die Referenzgruppenmitglieder bei nachfolgenden Treffen von dem/der ModeratorIn ein Handout, worauf sich eine Erklärung dazu befindet, was ein Forschungstagebuch ist, und wie es genutzt werden kann. Nachdem ein Mitglied der Referenzgruppe einen Text im eigenen Forschungstagebuch verfasst hat, bittet die Moderation um Erlaubnis, diesen als Beispiel für die Verwendung des Forschungstagebuches allen vorlesen zu dürfen. Ein weiteres Referenzgruppenmitglied verfasst gelegentlich am Computer Einträge ins Forschungstagebuch.

Ziel des Forschungstagebuches ist es, dass die Referenzgruppenmitglieder Gedanken und Fragen zum Projekt in der langen Zeit zwischen den Referenzgruppentreffen darin notieren können, damit nicht wertvolle Gedanken verloren gehen, sondern diese festgehalten und bei den nächsten Treffen diskutiert werden können.

Trotz der anfangs häufigen Thematisierung und Erklärung dieses Themas wird dieses Angebot von den Referenzgruppenmitgliedern kaum bis gar nicht genutzt und infolge dessen bei den Referenzgruppentreffen nicht mehr beachtet.

6.2.3.2.14 Kode: Wörterbuch für Leichte Sprache (E.H.)

Zu Beginn der Referenzgruppentreffen wird den TeilnehmerInnen der Gruppe ein Wörterbuch in Leichter Sprache zugesichert. Dieses Wörterbuch soll Begriffe enthalten, die in der Tätigkeit der Referenzgruppe vorkommen und von zentraler Bedeutung sind. Es sollte parallel zu den Treffen der Gruppe ergänzt werden und dadurch zu einem nützlichen Endprodukt für die TeilnehmerInnen anwachsen. Da jedoch die Zeitressourcen der ModeratorInnen ziemlich begrenzt sind, werden seit längerem keine zusätzlichen Begriffe in Leichter Sprache im Wörterbuch erklärt und definiert. Dieses Vorhaben liegt daher derzeit auf Eis und wird auch von den Referenzgruppenmitgliedern nicht aktiv eingefordert.

Dieses Wörterbuch in Leichter Sprache wurde von der Moderation initiiert und hat das Ziel, durch die Definition schwieriger Wörter bzw. von Fachtermini, Missverständnissen vorzubeugen.

Im Rahmen der Treffen wird das Wörterbuch für Leichte Sprache kaum thematisiert. Dies kann vermutlich darauf zurückgeführt werden, dass während den Treffen schwierige Wörter an Ort und Stelle erklärt werden und somit im Nachhinein kaum mehr ein Klärungsbedarf besteht, wodurch eine Nutzung dieses Angebotes unnotwendig werden würde.

6.2.3.3 Kategorie: Input (E.H.)

Im Rahmen dieser Kategorie wird erörtert, in welcher Art und Weise bzw. durch welche Handlungen einerseits die ModeratorInnen durch ihre Inputs und andererseits die Referenzgruppenmitglieder zur Entstehung von Wissen bzw. zum Prozess der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe beitragen.

6.2.3.3.1 Subkategorie: ModeratorInnen (E.H.)

Im Rahmen der Referenzgruppe nehmen die ModeratorInnen einen sehr zentralen Stellenwert in Form einer Leitungsfunktion ein. Diese Leitungsfunktion lässt sich an Hand unterschiedlicher aus dem Material entstandener Kodes verdeutlichen.

Im Zuge der Darstellung der Inputs von Seiten der ModeratorInnen erfolgt zudem eine Skizzierung der Aufgaben der Moderation im Rahmen der Referenzgruppe, da diese beiden Aspekte, wie sich im Auswertungsprozess herausstellte, nicht voneinander getrennt zu betrachten sind.

Moderierende Elemente, die im Laufe der Referenzgruppentreffen immer wieder zum Einsatz kommen, werden in dieser Diplomarbeit als Inputs der Moderation angesehen und haben Einfluss auf die Inhalte, die in der Referenzgruppe erarbeitet werden. Dadurch werden moderierende Elemente als wesentlich für die Mitgestaltung des Prozesses der Erkenntnisgewinnung angesehen.

6.2.3.3.1.1 Kode: ModeratorInnen geben Impuls für inhaltliche Diskussion (E.H.)

Meist legt der/die ModeratorIn die Schwerpunkte der inhaltlichen Auseinandersetzung für die jeweiligen Referenzgruppentreffen bereits im Vorhinein fest und notiert sie auf Flipchart-Plakaten, wobei die Referenzgruppenmitglieder beim Treffen selbst nach deren Zustimmung gebeten werden.

In der ersten Phase der Referenzgruppenarbeit wird die thematische Auseinandersetzung von der Moderation vorgegeben und gelenkt. Dies ist auch daran erkennbar, dass die ModeratorInnen bereits im Vorfeld Plakate zu den jeweiligen Themen mit diversen Leitfragen zur Orientierung im Diskussionsverlauf anfertigen. Daraus ist zu schließen, dass sich die Moderation bereits zuvor Gedanken bezüglich dessen macht, welche Aspekte eines Themas für das Gesamtprojekt relevant sind und daher im Zuge der Referenzgruppe ebenfalls in die Diskussion einfließen sollen.

Beim vierten Treffen wurde dies so gehandhabt, dass die Referenzgruppenmitglieder im Zuge der Methode des Open Space die Themen selbstständig auswählen konnten. Beim fünften Treffen hingegen wurde die Richtung teilweise sehr stark von der Moderation - mit zuvor ausgewählten Themenkomplexen und dazugehörigen Leitfragen - vorgegeben. Dies war bei diesem Treffen notwendig, um das gesetzte Ziel - in der Referenzgruppe die Rolle als ForscherInnen zu klären und deutlich und klar darzustellen - erreichen zu können.

Die Moderation wählt zur Bearbeitung in der Referenzgruppe Themen, die einerseits zu Beginn gemeinsam mit den Referenzgruppenmitgliedern erarbeitet wurden und die andererseits im Gesamtprojekt eine wesentliche Rolle einnehmen und zu denen der/die ModeratorIn die Ansichten und Standpunkte der Menschen mit Lernschwierigkeiten aus der Referenzgruppe als zentral erachtet.

6.2.3.3.1.2 Kode: Bei Abschweifungen zum Thema zurückführen (E.H.)

Im Laufe jedes Treffens kommt es zu thematischen Abschweifungen, da entweder ein Mitglied eine persönliche Angelegenheit zum gerade aktuellen Thema beschäftigt und er/sie diese einbringen möchte, oder auch, weil im Zuge der Diskussionen aus Interesse eins zum anderen kommt und sich die Diskussion schließlich um ein Thema fernab der eigentlich zentralen Auseinandersetzung dreht. Dabei handelt es sich für einzelne Personen oft um brisante und emotional geladene Themen, von denen sie selbst direkt betroffen sind und zu denen sie sich durch Gespräche in der Gruppe eine Lösung erhoffen. Wenn diese Themen inhaltlich nicht dem gegenwärtigen Diskussionsthema entsprechen, besteht die Aufgabe der Moderation darin, die Aufmerksamkeit der Referenzgruppenmitglieder bei derartigen Abschweifungen zurück zum tatsächlichen Diskussionsthema zu lenken und andere Diskussionen abzubrechen oder auf die Pause zu verschieben. Bei thematischen Vorgriffen von Seiten der Referenzgruppenmitglieder schränken die ModeratorInnen diese ein und verweisen darauf, dass diese Themen an späterer Stelle erörtert werden.

6.2.3.3.1.3 Kode: Abstrahieren von einzelnen Wortmeldungen (E.H.)

Wie bereits erwähnt, werden in der Referenzgruppe die zentralen Inhalte der Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder auf Flipchart festgehalten, um den Diskussionsverlauf präsent zu halten. Dazu ist es von Bedeutung, dass die ModeratorInnen die Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder zusammenfassen und abstrahieren. Das bedeutet, sie formulieren die Aussagen der Referenzgruppenmitglieder so um, dass sie zusammengefasste Hauptthemen bzw. übergeordnete oder abstraktere Sammelbegriffe notieren können. Wie folgender Ausschnitt zeigt, erfolgt dabei immer wieder eine Rücksprache mit den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern, ob sie mit den umformulierten, prägnanteren Aussagen zufrieden sind.

"Frau Nussbaumer schlägt das Thema "Wohnen alleine oder zu zweit" - also die Wahl der Wohnform - sowie "Arbeit mit anderen Menschen" (behindert oder nicht behindert) vor.

Frau Fasching fasst den Beitrag von Frau Nussbaumer zusammen und vergewissert sich dann, ob es passt wie sie es zusammengefasst hat" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 287-290).

6.2.3.3.1.4 Kode: Bewusstsein für sprachliche Formulierungen schaffen (E.H.)

Im Laufe der Referenzgruppentreffen zeigt sich, dass es notwendig ist, die Referenzgruppenmitglieder darauf aufmerksam zu machen, dass in der Forschung und speziell auch in der Analyse von Interviewtranskripten Sprache und Formulierungen wesentliche Aspekte sind. Es wurde ihnen erklärt, dass im Zuge der Auswertung von Ausschnitten aus Interviewtranskripten die Interpretationen immer auf den tatsächlichen Text bezogen sein müssen und nicht willkürlich erfolgen dürfen. Weiters ist es wichtig, dass nicht Formulierungen, wie "Das ist so." verwendet werden, sondern "Es könnte sein....".

"Frau Pinetz erklärt Herrn Renner, dass man sich bei Interpretationen immer auf den Text, den man interpretiert, beziehen muss. Und dass man nie sagen darf: "Das ist so", sondern, dass man Formulierungen wählen soll wie "es könnte sein". Bei Interpretationen handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen. Bei einer Auswertung von Interviews richtet man sich nach einer Forschungsfrage" (Beobachtungsprotokoll 2 2008, Zeile 777-781).

Beim ersten Treffen wurden Fragen formuliert, die die ModeratorInnen eventuell den InterviewpartnerInnen stellen könnten. Nachdem einige Fragen formuliert waren, verwies die Moderation darauf, dass diese Fragen zu schwierig formuliert sind. Die Interviewfragen müssen den jeweiligen sprachlichen Kompetenzen der InterviewpartnerInnen entsprechen und sollten daher von der Referenzgruppe "einfacher" formuliert werden.

6.2.3.3.1.5 Kode: ModeratorInnen als erklärungsbietende Instanz (E.H.)

Der Zuständigkeitsbereich der ModeratorInnen dieser Referenzgruppe umfasst die Rolle einer erklärungsbietenden Instanz. In der Referenzgruppe äußert sich das so, dass die Referenzgruppe bei auftretenden Unklarheiten bzw. bei Unverständnis Erklärungen von den ModeratorInnen einfordert, um somit eventuell vorhandene Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Wie sich zeigt, kann es dabei notwendig sein, bei schwierigen und komplexen Themen einzelne Begriffe, aber auch ganze Sachverhalte und Zusammenhänge mehrmals und auch auf verschiedene Art und Weise erklären zu müssen.

Gegebenenfalls kann es auch von Nöten sein, dass manches schrittweise und langsam durch besprochen und erklärt wird, damit es für alle Referenzgruppenmitglieder klar verständlich ist. Dies ist unerlässlich, um zu gewährleisten, dass alle Referenzgruppenmitglieder den Diskussionen aktiv folgen können und Überforderung, welche sich in weiterer Folge als destruktiv erweisen würde, vermieden wird.

Erklärungen sind demnach nicht nur bei schwierigen Wörtern bzw. Wörtern, die nicht Leichte Sprache sind, erforderlich, sondern auch, wenn ganze Aussagen und Zusammenhänge von Referenzgruppenmitgliedern nicht erfasst bzw. verstanden werden. Von Vorteil kann es daher sein, nach einer Pause eine kurze Zusammenfassung der Inhalte der vorhergehenden Einheit durchzuführen, um erneut alle Referenzgruppenmitglieder auf die gleiche Ausgangsbasis für die nachfolgende Diskussion zu holen.

Im Zusammenhang damit, dass die Moderation Erklärungen anbietet und zur Verfügung stellt, wenn diese von der Referenzgruppe gefordert werden, fragen die ModeratorInnen von sich aus bei schwierigen Worten oder komplexen Sachverhalten, ob die Bedeutung der Worte bekannt und allen alles klar sei. Bevor die Diskussion zu einzelnen Themen endgültig als beendet gilt, erkundigen sich die ModeratorInnen, ob es noch offene Fragen dazu gäbe.

6.2.3.3.1.6 Kode: ModeratorInnen als Ordnungsinstanz (E.H.)

Dieser Kode umfasst jene Aspekte der Aufgaben der Moderation, die die Regelung des Diskussionsverhaltens beinhalten. Dazu zählen alle Handlungen, die von den ModeratorInnen dahingehend gesetzt werden, um einerseits die Wortmeldungen der Referenzgruppenmitglieder zu koordinieren und andererseits auch jene, die auf die Einhaltung der Gruppenregeln, die während dem ersten Treffen gemeinsam erarbeitet wurden, verweisen.

Es kommt immer wieder vor, dass Diskussionen zu Themen, die aktuell diskutiert werden, durch abschweifende und private Gesprächsthemen unterbrochen werden. Die ModeratorInnen versuchen Persönliches, das nicht für die Inhalte der aktuellen thematischen Auseinandersetzung relevant ist, auszugrenzen und auf die Pause zu verschieben.

"[...] An dieser Stelle startet Herr Nauerschnig den Versuch genau zu erklären, wie lang diese Ausbildung dauert und welche Aspekte behandelt werden würden. Er will auch seine Unterlagen herausholen, die er mit hat, als er bei seiner Erklärung an einer Stelle nicht weiter weiß. Aber da unterbricht ihn Herr Koenig und verweist darauf, dass die genaue Erklärung der Ausbildung eher eine Pausenfrage wäre" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 39-43).

6.2.3.3.1.7 Kode: ModeratorInnen haben Leitungsfunktion bzw. Lenkungsfunktion (E.H.)

Der Verlauf der bisherigen Referenzgruppentreffen zeigt, dass die ModeratorInnen in unterschiedlicher Art und Weise die Referenzgruppe leiten. Dies passiert in etwa bei diversen Entscheidungsprozessen, in denen es zum Beispiel darum geht, wer welches Thema wie und in welchem Rahmen diskutieren will. Auch die Methoden, die jeweils zur Anwendung kommen, werden maßgeblich von der Moderation bestimmt. Die Moderation nimmt demnach in den Entscheidungsprozessen, die in der Referenzgruppe zum Tragen kommen einerseits eine unterstützende, andererseits jedoch eine lenkende Funktion ein. Durch den Versuch der ModeratorInnen Gruppeneinteilungsprozesse zu bestimmten Themen oder auch zu Kleingruppen zu koordinieren, wird diese Leitungs- bzw. Lenkungsfunktion deutlich.

Weitere Aspekte dieser Rolle der ModeratorInnen scheinen im Zusammenhang mit Leitfragen, die im Vorhinein zu bestimmten Themen von den ModeratorInnen formuliert werden, auf. Diese Leitfragen haben eine strukturierende und orientierungsgebende Funktion im Diskussionsprozess und bieten dabei Anknüpfungspunkte für Diskussionen. Vorformulierte Leitfragen auf Flipchart zu bestimmten Themen werden der Referenzgruppe dann angeboten, wenn bereits vor dem jeweiligen Treffen feststeht, welche Themen inhaltlich diskutiert werden. Um in der ersten Auseinandersetzung mit dem Interviewmaterial den Referenzgruppenmitgliedern eine gewisse Struktur zu bieten, wurden in diesem Zusammenhang ebenfalls Leitfragen angeboten, an Hand derer ausgewählte Ausschnitte aus Interviewtranskripten bearbeitet wurden.

Die Leitungsfunktion der ModeratorInnen kommt auch darin zum Ausdruck, dass diese sowohl vor als auch während den inhaltlichen Auseinandersetzungen Anweisungen geben und erklären, welche Arbeitsschritte in Folge durchgeführt werden sollen.

6.2.3.3.1.8 Kode: Beispiele zur Veranschaulichung (E.H.)

Um den Referenzgruppenmitgliedern schwierige und komplexe Sachverhalte, wie zum Beispiel einzelne Artikel der UN-Konvention, klar verdeutlichen zu können, ist es notwendig, auf Beispiele zurückzugreifen. Beispiele können somit hilfreich sein, theoretische und abstrakte Konzepte oder Themen so darzulegen, dass diese Informationen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich werden. Mit Beispielen können schwierige Themen demonstriert und fassbar abgehandelt werden. Im Sinne des Konzeptes der Leichten Sprache ist es von Vorteil, auf bereits bekannte Beispiele oder auf solche, die von den Referenzgruppenmitgliedern selbst eingebracht werden, zurück zu greifen.

"Bevor man sich jedoch mit seinem Anliegen bezüglich eines aufgedeckten Missstandes an den Monitoringausschuss wenden kann, müssen alle Möglichkeiten ausprobiert und ausgeschöpft werden. Was dies bedeutet, wurde an Hand von einem Beispiel besprochen. Frau Yeri macht eine Peer-Beratung in der Landeshauptstadt von Tirol und es wendet sich ein 34-jähriger Mann an sie, der aus der Beschäftigungstherapie raus möchte" (Beobachtungsprotokoll 4 2009, Zeile 936-940).

6.2.3.3.1.9 Kode: Einbindung aller Referenzgruppenmitglieder und deren Anregungen (E.H.)

In der Referenzgruppe treffen viele verschiedene Persönlichkeiten aufeinander, die sich in diversen Diskussionen unterschiedlich häufig aktiv einbringen. Es konnte beobachtet werden, dass gelegentlich Referenzgruppenmitglieder, die sich in einzelnen Einheiten noch kaum an den Diskussionen beteiligt haben, direkt von den ModeratorInnen angesprochen werden. Auf diese Art und Weise kann gewährleistet werden, dass sich alle Referenzgruppenmitglieder an den Diskussionen beteiligen und niemand "übersehen" wird. Aus den Beobachtungen kann abgeleitet werden, dass die Diskussionsbereitschaft mancher Referenzgruppenmitglieder in Abhängigkeit des Arbeitssettings, teilweise aber auch - vor allem im Kleingruppensetting - in Abhängigkeit von zusätzlich anwesenden Personen zu sehen ist.

Die Referenzgruppenmitglieder werden von den ModeratorInnen jedoch nicht nur in die inhaltlichen Diskussionen aktiv mit einbezogen, sondern auch bei Entscheidungen, die die Vorgehensweise bei einzelnen Treffen an sich und für die Treffen in Zukunft betreffen. Zudem werden die Referenzgruppenmitglieder regelmäßig danach gefragt, ob sie mit den Vorschlägen, die die ModeratorInnen bezüglich Themenauswahl, Methode, etc. tätigen, einverstanden sind und sie haben weiters die Möglichkeit, Änderungsvorschläge vorzubringen.

Im Laufe der Referenzgruppentreffen wurden fallweise Änderungswünsche von Seiten der Referenzgruppenmitglieder eingebracht, welche von der Moderation zur Kenntnis genommen und umgesetzt wurden.

6.2.3.3.2 Subkategorie: Referenzgruppenmitglieder (E.H.)

Die Themen und Leitfragen, die von den ModeratorInnen für die jeweiligen Treffen vorgegeben werden, füllen die Referenzgruppenmitglieder durch Diskussionen in Groß- und Kleingruppen sowie durch Einzelarbeiten mit Inhalten, eigenen Erfahrungen und Erfahrungen aus ihren beruflichen Tätigkeiten.

Aus den Beobachtungen geht hervor, dass die Inputs der Referenzgruppenmitglieder hauptsächlich inhaltlicher Natur sind, während jene der ModeratorInnen sowohl inhaltliche als auch organisatorische und lenkende bzw. leitende Aspekte beinhalten.

Die Referenzgruppenmitglieder bringen ihre Wortmeldungen ein, wenn sie aufgezeigt haben und infolge dessen an der Reihe sind, bzw. wenn sie direkt durch eine/n ModeratorIn angesprochen werden. Wie bereits zuvor erwähnt, weisen die Referenzgruppenmitglieder unterschiedliche Grade an Bereitschaft zu aktiver Teilnahme am Diskussionsprozess in den verschiedenen Settings auf und werden daher gelegentlich von ModeratorInnen direkt angesprochen, um Beiträge zu Diskussionen zu leisten.

Die Referenzgruppenmitglieder steuern aber auch Inputs zu den Referenzgruppentreffen bei, die nicht inhaltlicher Natur sind, sondern die Gestaltung der Treffen anbelangen. So wurde zum Beispiel von den Referenzgruppenmitgliedern gefordert, die aktuellen Diskussionsverläufe stichwortartig auf Flipchart festzuhalten, um bei etwaigen Ablenkungen wieder in den Diskussionsprozess zurückfinden zu können. Ein anderes Beispiel dafür ist, dass einigen Referenzgruppenmitgliedern bei dem ersten Treffen die Pausen zu kurz waren und diese daher längere Erholungsphasen zwischen den intensiven Arbeitseinheiten vorschlugen. Daraus ergab sich, dass eine Arbeitseinheit zwischen 60 und 70 Minuten und eine Pause zwischen 20 und 30 Minuten dauert.

Ein weiterer Verbesserungsvorschlag eines Referenzgruppenmitgliedes wurde beim letzten Treffen, das in dieser Diplomarbeit berücksichtigt wird, eingebracht. Dabei wurde gefordert, dass das Treffen am ersten Tag (Freitag) um eine halbe Stunde später beginnen soll, da es vor allem für die TeilnehmerInnen aus Tirol immer sehr stressig ist, rechtzeitig am Veranstaltungsort zu sein. Die Referenzgruppenmitglieder wünschen sich, wenn sie am Veranstaltungsort ankommen, noch ein wenig Zeit zu haben, um sich mit den anderen Referenzgruppenmitgliedern austauschen, sich etwas zum Trinken holen und in Ruhe ankommen zu können. Zuvor wurde es meist so gehandhabt, dass mit dem Treffen sofort begonnen wurde, als alle anwesend waren und Platz genommen hatten.

Auch wenn die Referenzgruppenmitglieder in geringem Maße an Entscheidungen bezüglich der Gestaltung der Referenzgruppentreffen aktiv beteiligt sind, wird von der Moderation immer darauf geachtet, die Referenzgruppe nach ihrer Zustimmung bzw. nach Änderungsvorschlägen zum geplanten Vorhaben zu fragen. Die Referenzgruppenmitglieder können in einem gewissen Rahmen eigenständig wählen, welchen der vorgeschlagenen Themen sie sich in der inhaltlichen Auseinandersetzung widmen.

6.2.4 Zentrale Hypothesen (E.H.)

In diesem Kapitel steht die Generierung von Hypothesen bezüglich des Prozesses der Erkenntnisgewinnung in der Referenzgruppe im Mittelpunkt. An dieser Stelle sei noch einmal ausdrücklich erwähnt, dass die nachfolgend aufgestellten Hypothesen Konstruktionen von subjektiven Wahrnehmungen sind und keinen Anspruch auf Objektivität stellen.

Im Zuge der kommunikativen Validierung wurden die Hypothesen 1, 3, 4 und 5 (aus den unten ausführlicher beschriebenen Hypothesen) ausgewählt und der Referenzgruppe umformuliert in Leichte Sprache und mit Erklärungen versehen in Form eines Handouts zur Verfügung gestellt. Auf Grund des regen Interesses und der hohen Diskussionsbereitschaft der Referenzgruppenmitglieder und der sehr begrenzten zeitlichen Ressourcen für diese Validierung beim insgesamt sechsten Referenzgruppentreffen im November 2009, konnten nur wenige Hypothesen im direkten Gespräch mit der Gruppe validiert werden.

Aus dem Versuch, die oben angeführten Kategorien und darin beschriebenen Kodes, die sich aus der Bearbeitung und Auswertung des Datenmaterials ergaben, miteinander zu verknüpfen und Zusammenhänge herzustellen, können folgende Hypothesen festgemacht werden:

6.2.4.1 Hypothese 1 (E.H.)

Durch die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Kompetenzen aller Referenzgruppenmitglieder können sowohl Unterforderung als auch Überforderung einzelner Personen vermieden und gleichzeitig ein konstruktiver Prozess der Erkenntnisgewinnung gefördert werden.

Aus den Beobachtungen geht hervor, dass manche Referenzgruppenmitglieder spezifische Bedürfnisse hinsichtlich der Aufbereitung der zur Verfügung gestellten Materialen aufweisen. So benötigt zum Beispiel ein Referenzgruppenmitglied auf Grund einer Sehschwäche eine große Schriftgröße (mind. 18 pt), um die Handouts und Interviewtexte einigermaßen lesen zu können. Für dieses Referenzgruppenmitglied ist es von Vorteil, wenn Texte, die gleich anschließend besprochen werden, von den ModeratorInnen vorgelesen werden. Dadurch wird es diesem Referenzgruppenmitglied möglich, sich ohne Einschränkungen an nachfolgenden Diskussionen, die auf den Text Bezug nehmen, zu beteiligen. Dieses Mitglied fühlt sich dadurch weder aus der Diskussion noch aus der Gruppe ausgegrenzt und auch nicht überfordert. Diese Aspekte gehen aus dem Kode Gebrauch von Leichter Sprache / "Easy-to-read" aber auch aus jenem der Arbeit am Interviewmaterial hervor. In der Beschreibung des Kodes Einzelarbeit wird darauf aufmerksam gemacht, dass es zu den Aufgaben der Moderation zählt, Unterstützung und Hilfestellungen anzubieten, wenn dies gefordert wird, da dadurch ebenfalls Überforderung vermieden werden kann.

Das Gegenteil dazu ist auch in der Referenzgruppe vertreten. Es gibt Referenzgruppenmitglieder, die sehr viel schneller lesen als andere. Um zu gewährleisten, dass dieses Mitglied sich nicht unterfordert fühlt während andere noch lesen und auch diese nicht im Prozess des Lesens stört, könnte es von Vorteil sein, diesem Mitglied zusätzliche, vertiefende Arbeitsanweisungen aufzutragen. Wie folgendem Ausschnitt aus den Beobachtungsprotokollen zu entnehmen ist, ist dies auch geschehen. Während der Rest der Gruppe noch mit dem leisen Lesen des Interviews beschäftigt ist, ist Herr Hofbauer bereits fertig und bekommt von Herrn Koenig weitere Aufgaben zugeteilt, um die Anderen nicht zu stören.

"Herr Hofbauer sagt laut: "OK, das war‟s!" Herr Koenig fordert ihn daraufhin auf, leise zu sein. [...] Herr Hofbauer sitzt nach kurzem wieder demonstrativ auf der Couch und beobachtet die meiste Zeit Herrn Koenig und seufzt dann laut. Herr Koenig fordert ihn erneut auf, seine Gedanken aufzuschreiben. Herr Hofbauer meint, dass es so viele seien. [...] Herr Hofbauer sagt, er will nichts mehr schreiben, sonst werde es noch ein Roman. Herr Koenig meint, dass das gut ist, und Herr Hofbauer schreibt doch weiter. Er ist der Einzige, der Etwas aufschreibt. [...]" (Beobachtungsprotokoll 5 2009, Zeile 782-790).

Auf Grund der unterschiedlichen Lese- und Arbeitstempi innerhalb der Gruppe ist es notwendig genügend, aber auch nicht zu viel Zeit für die einzelnen Arbeitsaufgaben zur Verfügung zu stellen. Auch kann durch Reize auf unterschiedlichen Ebenen (auditiv und visuell - durch Festhalten der Diskussionsstränge auf Flipchart) die Aufmerksamkeit auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung fokussiert und dieser somit in förderlicher Weise beeinflusst werden.

Durch derartige Maßnahmen ist es möglich zu gewährleisten, dass sich alle Referenzgruppenmitglieder wohl fühlen und somit durch aktive Diskussionsbeiträge einen konstruktiven Prozess der Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe anzukurbeln und zu fördern.

6.2.4.2 Hypothese 2 (E.H.)

Die Verwendung von Leichter Sprache sowie sofortige Erklärungen schwieriger Wörter bei deren Auftauchen innerhalb der Referenzgruppe beeinflusst die Qualität des Prozesses der Erkenntnisgewinnung.

Die Verwendung von Leichter Sprache und das Erklären schwieriger Wörter bei deren Auftauchen sind in der Arbeit mit der Referenzgruppe sehr zentral und spiegeln sich daher in unterschiedlichen aus dem Datenmaterial hervorgehenden Kodes wider. Dies sind unter anderem: Gebrauch von Leichter Sprache / "Easy-to-read", ModeratorInnen als erklärungsbietende Instanz und Beispiele zur Veranschaulichung. Aus diesen Kodes geht hervor, dass in der Arbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten darauf geachtet werden muss, theoretische und abstrakte Konzepte oder Themen so darzulegen, dass diese Informationen für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich werden.

In Kapitel 6.2.3.2.10 ist folgende Aussage zu lesen:

"Durch den Gebrauch von Leichter Sprache und somit der Vermeidung von Fachausdrücken, wird eine gemeinsame Ausgangslage geschaffen, die einigermaßen faire Diskussions- und Kommunikationsbedingungen innerhalb der Referenzgruppe und in weiterer Folge ein produktives Arbeiten gewährleistet."

Wie sich zeigte, ist es wichtig Wörter in Leichter Sprache zu verwenden, da es dadurch im Großen und Ganzen allen Referenzgruppenmitgliedern möglich ist, sich an den laufenden Diskussionen zu beteiligen ohne dass Missverständnisse das Geschehen prägen. Dadurch, dass sprachliche Formulierungen und Ausdrücke verwendet werden, die allen zugänglich sind und falls nötig Erklärungen angeboten werden, wird eine gemeinsame Ausgangsbasis für konstruktive und qualitativ hochwertige inhaltliche Auseinandersetzungen gesichert. Dies sind Faktoren, die einerseits die Produktivität und Kreativität der Referenzgruppenmitglieder steigern und andererseits Überforderung und eventuell nachfolgende Frustration vermeiden.

6.2.4.3 Hypothese 3 (E.H.)

Impulse dazu, wie die Referenzgruppentreffen ablaufen, welche Kernthemen behandelt werden und in welcher Weise diese Themen erarbeitet werden, werden maßgeblich durch die ModeratorInnen, die innerhalb der Referenzgruppe eine Leitungsfunktion einnehmen, vorgegeben.

Die ModeratorInnen haben innerhalb der Referenzgruppe eine Leitungsfunktion, die sich durch viele strukturierende Elemente, die teilweise von den Referenzgruppenmitgliedern selbst gefordert, zum Großteil jedoch von den ModeratorInnen eingeführt wurden, positiv auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung auswirkt.

Diese Hypothese fundiert in diversen Kodes der Kategorie Input und der Subkategorie ModeratorInnen, in welcher versucht wurde, darzulegen, welche Bereiche des Referenzgruppengeschehens die ModeratorInnen beeinflussen. Besonders erwähnenswert erscheinen in diesem Zusammenhang die Kodes ModeratorInnen geben Impuls für inhaltliche Diskussion, Bei Abschweifungen zum Thema zurückführen, ModeratorInnen als Ordnungsinstanz, ModeratorInnen haben Leitungsfunktion bzw. Lenkungsfunktion und Einbindung aller Referenzgruppenmitglieder und deren Anregungen. Aber auch unterschiedliche Kodes der Kategorie Arbeitssetting und jener der Arbeitsmodi belegen diese Hypothese, da vor allem die bislang verwendeten Arbeitsmodi hauptsächlich von den ModeratorInnen eingebracht wurden. Zusätzlich geht aus den Beobachtungsmaterialien hervor, dass vor allem die ModeratorInnen das Grobkonzept des Ablaufes sowie den Einsatz bestimmter Arbeitsmodi initiieren.

Im Rahmen einer derartigen Referenzgruppe, bei welcher die zeitlichen Ressourcen knapp und die Treffen durch lange zeitliche Abstände getrennt sind, kann eine eher autoritär vorgegebene Strukturierung des Ablaufs und der Inhalte im Hinblick auf die Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Gruppe durchaus positive Folgen nach sich ziehen.

6.2.4.4 Hypothese 4 (E.H.)

In der Referenzgruppe werden mit dem Ziel geeignete Methoden für die Arbeit mit einer Referenzgruppe zu evaluieren, verschiedene Arbeitsmethoden verwendet und ausgetestet.

Wie sich oben bei der Beschreibung der Kategorie der Arbeitsmodi zeigte, werden im Zuge der Referenzgruppentreffen viele unterschiedliche Methoden zur Gestaltung des Prozesses der Erkenntnisgewinnung eingesetzt. Diese Methoden wurden von den ModeratorInnen an die Referenzgruppe herangetragen. Einige haben sich gut bewährt und werden weiterhin fortgesetzt und mit neuen kombiniert. Andere hingegen wurden nicht so gut angenommen und mussten daher fallen gelassen werden.

Es zeigte sich, dass vor allem in der Arbeit mit dem Interviewmaterial die geeignete Methode für die Gestaltung eines konstruktiven Prozesses der Erkenntnisgewinnung noch nicht gefunden wurde, da es teilweise zu Überforderungen einzelner Referenzgruppenmitglieder kommt.

6.2.4.5 Hypothese 5 (E.H.)

Da die Referenzgruppentreffen zeitlich so weit auseinander liegen, werden die zur Verfügung gestellten Begleitmaterialien zu den Referenzgruppentreffen (Forschungstagebuch, Protokolle) von den Referenzgruppenmitgliedern wenig genutzt.

Dass die Begleitmaterialien wenig bis gar nicht benutzt werden, geht aus den Schilderungen einzelner Aspekte der Kategorie Arbeitsmodi im vorhergehenden Auswertungskapitel hervor. Dabei zeigte sich vor allem, dass die angebotenen Protokolle in Leichter Sprache kaum genutzt bzw. meist nur überflogen und nicht genau gelesen werden. Auch das Forschungstagebuch, welches das Ziel verfolgt, dass wesentliche Ideen und Einfälle der Referenzgruppenmitglieder, die zwischen den Treffen auftauchen, notiert werden sollten und somit nicht verloren gehen würden, wurde nicht in der erhofften Art und Weise angenommen.

Es wird vermutet, dass diese kaum genutzt werden, weil die Treffen zeitlich weit auseinander liegen und die Referenzgruppenmitglieder zum Großteil beruflich, aber auch privat in der Zwischenzeit sehr engagiert sind. Dadurch, dass die Referenzgruppenmitglieder außerhalb dieses Forschungsprojektes viele wichtige Beschäftigungen (Job, Freunde, Freizeit, Selbstvertretung,...) haben, ist es möglich, dass die Arbeit in der Referenzgruppe sowie das Forschungsprojekt generell zwischen den Treffen kaum präsent sind und daher auch diese Materialien, die zur Bearbeitung außerhalb der Treffen gedacht und bereit gestellt sind, nicht zum Einsatz kommen. Des Weiteren gaben die Referenzgruppenmitglieder an einer Stelle das Feedback, dass das Protokoll auf Grund seines Umfanges nicht gelesen wurde. Aber auch die Kürzung des Umfanges der nachfolgenden Protokolle führte nicht zu einer erhöhten Bereitschaft von Seiten der Referenzgruppenmitglieder, sich außerhalb der Treffen mit den angebotenen Materialien zu beschäftigen.

6.2.4.6 Hypothese 6 (E.H.)

Das Kleingruppensetting ermöglicht im Rahmen der Referenzgruppe ein intensiveres und ausführlicheres Arbeiten an den Inhalten.

Diese Annahme wird in der Beschreibung des Arbeitssettings Kleingruppe fundiert. Im Kleingruppensetting sind weniger Personen anwesend, wodurch einzelne Personen sich aktiver an den Diskussionen beteiligen können. Auf Grund der kleineren Anzahl der anwesenden Personen ist es meist in geringerem Maße notwendig, auf Gruppenregeln zu verweisen, wodurch ein insgesamt angenehmeres und ruhigeres Arbeitsklima herrscht. Infolge dessen wird es möglich, sich besser auf die tatsächlichen Inhalte und Diskussionen zu konzentrieren, da eventuelle Ablenkungen weniger häufig auftreten.

Aus den Beobachtungsprotokollen geht jedoch hervor, dass manche Referenzgruppenmitglieder dieses Setting bevorzugen, weil sie sich mehr und besser einbringen können während für andere dies im Großgruppensetting gilt. Dennoch konnte beobachtet werden, dass im Kleingruppensetting die inhaltlichen Diskussionen intensiveren Charakter haben und tiefer in die Materie eintauchen.



[23] vgl. dazu auch Kap. 2.6

[24] Im Weiteren Verlauf der Untersuchung werden bestimmte Strukturierungsprinzipien verfolgt: Es werden sowohl Kategorien als auch Kodes aus dem Datenmaterial identifiziert. Dabei ist anzumerken, dass die Kodes den angeführten Kategorien untergeordnet sind und dazu dienen, die jeweilige Kategorie zu sättigen bzw. in ihrer ganzen Dimension zu beschreiben. Um klar zu stellen, ob es sich um eine Kategorie oder einen Kode handelt, wird der zutreffende Terminus vor die jeweilige Bezeichnung, die gleichzeitig die Überschrift bildet, gestellt.

[25] vgl. Kap. 5.2

[26] An dieser Stelle wird nicht genauer auf den Begriff der Großgruppe und der damit verbundenen Arbeitsweisen eingegangen, vgl. dazu eine detaillierte Darstellung in Kap. 6.2.3.1.1

[27] vgl. dazu Kap. 6.2.3.1.2

[28] vgl. dazu Kap. 6.2.3.2.3

[29] Hinsichtlich der inhaltlichen Dimension innerhalb der Referenzgruppe wurden ebenfalls Erkenntnisziele sowie drei Sammelkodes zur Einteilung des Materials entwickelt. Parallel zur Kodierung des Materials mit der Auswertungssoftware Atlas.ti im Hinblick auf die Dimension der Prozesse der Erkenntnisgewinnung wurde die inhaltliche Dimension mit kodiert. Auf eine ausführlichere Darstellung die inhaltliche Dimension betreffend, wird an dieser Stelle verzichtet, da der Fokus dieser Diplomarbeit bei der Gestaltung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung liegt und in der Referenzgruppe diskutierte Themen aus den Verlaufsprotokollen (vgl. Kap. 5.4) bzw. den Beobachtungsprotokollen im Anhang entnommen werden können.

[30] Aspekte und deren Deutung, die für die Auswertung der Beobachtungsprotokolle von Bedeutung erscheinen und die weiterhin verfolgt, beachtet und differenzierter ausgearbeitet werden, sind in der folgenden Tabelle fett hervorgehoben.

[31] vgl. dazu Kap. 6.2.3

[32] Die Großgruppe umfasst alle anwesenden Referenzgruppenmitglieder, beide ModeratorInnen, anwesende UnterstützerInnen sowie beide Beobachterinnen.

[33] Im Kleingruppensetting ist ein/eine ModeratorIn, mehrere Referenzgruppenmitglieder und eine Beobachterin anwesend. Gegebenenfalls befindet sich in einzelnen Kleingruppen auch ein/eine UnterstützerIn, wenn Personen, die unterstützt werden, dieser Kleingruppe angehören.

[34] Auf die Diskussionsbereitschaft im Kleingruppensetting der Referenzgruppenmitglieder wird in Kap. 6.2.3.1.2 genauer eingegangen.

[35] Auf die Protokolle für die Referenzgruppenmitglieder wird in Kap. 6.2.3.2.11 noch eingegangen.

[36] Der Kode Präsentationen (Kap. 6.2.3.2.6) wird in der nachfolgenden Kategorie der Arbeitsmodi genauer erläutert.

[37] vgl. dazu Kap. 6.2.3.3.1

[38] vgl. dazu Kap. 6.2.3.1.1.10

[39] Im Anhang dieser Diplomarbeit befindet sich ein gekürztes Protokoll als Beispiel für ein Protokoll, wie es im Anschluss an die jeweiligen Referenzgruppentreffen den Referenzgruppenmitgliedern zur Verfügung gestellt wird.

Schlussbemerkung (A.C. / E.H.)

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wurde den Fragen nachgegangen, wie sich Prozesse sozialer Interaktionen der Referenzgruppe des Projektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf" sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben" am Beispiel Österreichs" gestalten und wie sich diese wiederum auf die Treffen auswirken bzw. wie die Prozesse der Erkenntnisgewinnung ablaufen und wodurch diese bestimmt sind. Dieser Untersuchung ging dabei die Auseinandersetzung mit für die Forschungsfragen relevanter Theorie und der Methode bzw. Methodologie der Forschung voraus.

Der eben beschriebene Prozess, der im Rahmen der Diplomarbeit durchlaufen wurde, konnte mit der Bildung zentraler Hypothesen, die die Beantwortung der Forschungsfragen im Blick hatte, abgeschlossen werden.

Dabei konnte festgestellt werden, dass sich einzelne Prozesse sozialer Interaktion, die im Auswertungsteil detailliert beschrieben wurden, vor allem in Zusammenhang mit den einzelnen Rahmenbedingungen in bestimmter Art und Weise - zum Beispiel konstruktiv oder destruktiv - auf die Referenzgruppentreffen auswirken.

Weiter kann der Schluss gezogen werden, dass Prozesse der Erkenntnisgewinnung im Rahmen dieser Referenzgruppe maßgeblich durch die ModeratorInnen determiniert wurden und diese in Folge dessen die Referenzgruppe in der Gestaltung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung leiten und lenken. Wie bereits im Kap. 6.2. geschildert wirken sich der hohe Grad der Strukturiertheit der Treffen - welcher einerseits von den ModeratorInnen vorgegeben, andererseits in gewissen Zusammenhängen von den Referenzgruppenmitgliedern gefordert wurde - sowie die Anleitungen der ModeratorInnen positiv auf eine gesteigerte Produktivität aus. Diese Dominanz, die in Bezug auf die Prozesse der Erkenntnisgewinnung auffiel, konnte ebenfalls in der Gestaltung bestimmter Prozesse sozialer Interaktion beobachtet werden, die zu einer asymmetrischen Struktur der Einflussnahme auf einzelne Elemente der Referenzgruppentreffen führten.

In der vorliegenden Diplomarbeit wurde eine heterogene Referenzgruppe untersucht, die mit fortschreitender Dauer des Projektes immer eingespielter zusammenarbeitete, wodurch sich gewisse Routinen im Ablauf der Gestaltung der Treffen ergaben, die den Referenzgruppenmitgliedern in ihren sozialen Interaktionen untereinander, mit den ModeratorInnen, UnterstützerInnen und Beobachterinnen sowie während den Prozessen der Erkenntnisgewinnung bzw. inhaltlichen Auseinandersetzungen eine gewisse Sicherheit gaben.

Welche Methoden in den einzelnen Arbeitssettings der Referenzgruppe zum Einsatz kommen, ist unter anderem von der Gruppenzusammensetzung, aber auch von den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern und ihren persönlichen Bedürfnissen (u.a. größere Schriftgröße, Notwendigkeit von mehr Zeit zum Lesen,...) abhängig. Das bedeutet, dass davon ausgegangen wird, dass in jeder einzelnen Gruppe unterschiedliche Methoden favorisiert werden und dass in der Zusammenarbeit mit Referenzgruppen mit Menschen mit Lernschwierigkeiten kein allgemein gültiges Rezept angewandt werden kann. Es ist notwendig, methodische und didaktische Ideen so an die persönlichen Bedürfnisse aller Referenzgruppenmitglieder anzupassen, dass diese mit dem eingegangenen bzw. entwickelten Konsens arbeiten können und nicht überfordert oder unterfordert werden. Methodische und didaktische Vorgehensweisen müssen daher in jeder einzelnen Gruppenzusammensetzung neu modifiziert werden. In der Arbeit mit dieser Referenzgruppe bedarf es weiterhin einer Modifikation im Hinblick auf die Bearbeitung von Interviewausschnitten, da in diesem Zusammenhang bisher noch keine angemessene Vorgehensweise erprobt wurde, die die Überforderung und in weiterer Folge die Motivationslosigkeit einzelner Referenzgruppenmitglieder verhindert bzw. dieser vorbeugt.

Veränderungen der Gruppenzusammensetzung (zum Beispiel persönliche AssistentInnen, die nicht bei jedem Treffen anwesend sind oder aber auch Veränderungen auf der personalen Ebene bei den ModeratorInnen) ziehen anfangs Unsicherheiten von Seiten der Referenzgruppenmitglieder nach sich, die jedoch nach kurzer Zeit - wenn sich alle an die neue Situation angepasst und daran gewöhnt haben - verschwinden. Beim Auftreten von Veränderungen sind sowohl auf der Ebene der sozialen Interaktion als auch auf der Ebene der Erkenntnisgewinnung Unsicherheiten der Referenzgruppenmitglieder festzustellen.

Weiters wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Schluss gezogen werden kann, dass sich der Aspekt der Wertschätzung aller beteiligten Personen untereinander positiv auf die Arbeitsweise, wie Erkenntnisse generiert werden, auswirkt, da das Selbstvertrauen und das Gefühl von Sicherheit von Referenzgruppenmitgliedern dadurch gestärkt werden kann. Dabei spielt ebenfalls das wachsende Vertrauen zwischen den Referenzgruppenmitgliedern bzw. zu den ModeratorInnen und UnterstützerInnen eine nicht unwesentliche Rolle für die Qualität der Arbeitsinhalte.

Auch verdeutlichte sich im Zuge der Beobachtung, dass sich die Teilnahme von Referenzgruppenmitgliedern, die auf unterstützte Kommunikation angewiesen sind, keineswegs in negativer Art und Weise auf die Gestaltung von Diskussionen auswirkt. Es ist hier jedoch zu betonen, dass im Zuge dessen nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Person, die in der Kommunikation unterstützt, maßgeblichen Einfluss auf die Diskussionsinhalte im Rahmen der unterstützten Kommunikation hat. Daher wird es als notwenig erachtet, bei Referenzgruppentreffen besonderes Augenmerk darauf zu legen, damit die unterstützt kommunizierende Person gleichberechtigt am Prozess teilhaben kann.

Im Allgemeinen konnte festgestellt werden, dass Personen, die Referenzgruppenmitglieder unterstützend zur Seite stehen, ein bedeutender Bestandteil der Gruppe sind, da sich ihre Anwesenheit positiv auf das Verständnis von Inhalten und damit auch auf eine konstruktive Arbeitsweise auswirkt.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist der Einsatz von Referenzgruppen die häufigste Methode, um Menschen mit Lernschwierigkeiten in partizipativen Forschungsprojekten mit einzubeziehen. (vgl. Walmsley / Johnson 2003) Dabei sind jeweils unterschiedliche Grade der Partizipation von RepräsentantInnen der untersuchten Personengruppe vorzufinden. (vgl. Flieger 2005) In der Referenzgruppe, die in der vorliegenden Untersuchung erforscht wurde, ist auf Grund der eingeschränkten zeitlichen Ressourcen die aktive Teilhabe der Referenzgruppenmitglieder an der Planung und Gestaltung der Referenzgruppentätigkeit sehr gering. Weiters hat die Referenzgruppe in der Planung und Durchführung des Gesamtprojektes nicht die Möglichkeit sich aktiv einzubringen und mitzuarbeiten. Dadurch wird erneut verdeutlicht, dass die Partizipation der Referenzgruppe im oben genannten Forschungsprojekt auf niedriger Ebene erfolgt.

Partizipative Forschung gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten, das bedeutet im Bereich der Integrations- und Inklusionsforschung, ist ein relativ junger Zweig, in welchem weitere Theoriegenerierung notwendig sein wird. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Erforschung der Prozesse sozialer Interaktion sowie der Gestaltung der Prozesse der Erkenntnisgewinnung innerhalb einer in ein partizipatives Forschungsprojekt eingebundenen Referenzgruppe bestehend aus 12 Menschen mit Lernschwierigkeiten. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist eine Darstellung der in der untersuchten Gruppe ablaufenden Prozesse sozialer Interaktion und der Prozesse der Erkenntnisgewinnung. In dem Projekt, in dessen Rahmen die vorliegende Diplomarbeit erstellt wurde, wurden jene Menschen mit Lernschwierigkeiten, die zugleich RepräsentantInnen der untersuchten Personengruppe darstellen, in Form einer Referenzgruppe, jedoch nicht in die Gestaltung und Durchführung des Gesamtprojektes, aktiv eingebunden.

Für weitere wissenschaftliche Studien in partizipativen Forschungszusammenhängen wäre es deshalb interessant Projekte durchzuführen und zu untersuchen, in denen die Menschen mit Lernschwierigkeiten als RepräsentantInnen der betroffenen Personengruppe aktiv in den gesamten Forschungsprozess und nicht nur in einen Teilaspekt des gesamten Projektes eingebunden wären. Um dies durchführen zu können, wären jedoch deutlich andere Ressourcen (sowohl finanziell, zeitlich und personell) von Nöten, als die, die in diesem Projekt zur Verfügung standen.

Weiters wäre es sehr spannend, die Referenzgruppe des FWF-Projektes zum Thema Teilhabeerfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit Lernschwierigkeiten bis zum Ende des Projektes zu beobachten. Dadurch könnte der gesamte Forschungsprozess unter Einbezug der Referenzgruppe erfasst werden. Mögliche Veränderungen in der Zusammenarbeit - bezogen auf die Prozesse sozialer Interaktion - der Referenzgruppenmitglieder untereinander, mit den ModeratorInnen und UnterstützerInnen bzw. in der Arbeitsweise in Bezug auf die Prozesse der Erkenntnisgewinnung könnten beobachtet und vollständig erfasst werden.

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Ohrenschmaus:http://www.ohrenschmaus.net/docs/Gedichte%20Koenig_Paulmichl.pdf; [letzter Aufruf: 15.10.2009]

OTS - Originaltext Service:http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20061127_OTS0041; [letzter Aufruf: 15.10.2009].

Tafie Tirol:http://www.tafie-il.at/index.htm; [letzter Aufruf: 30.9.2009].

WIBS - Wir informieren, bestimmen und beraten selbst. - Online im WWW unter URL: http://www.selbstbestimmt-leben.net/wibs/?site=92 [letzter Aufruf: 13.4.2009]

WIBS - Wir informieren, bestimmen und beraten selbst.- Online im WWW unter URL: http://www.selbstbestimmt-leben.net/wibs/?site=147; [letzter Aufruf: 30.9. 2009].

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kommunikation als Element von Interaktion (Linke et al. 1996, 173)

Abbildung 2: Gütezeichen für Texte in Leichter Sprache. (Capito 2009)

Abbildung 3: Die Methodologie konstruktivistischer Forschung (Guba / Lincoln 1989, 174)

Abbildung 4: Screenshot Atlas.ti

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Initial coding: Beobachtungsprotokoll 2 (2008)

Tabelle 2: Focused coding: Beobachtungsprotokoll 2 (2008)

Tabelle 3: Initial coding: Beobachtungsprotokoll 4 (2009)

Tabelle 4: Focused coding: Beobachtungsprotokoll 4 (2009)

Anhang[40]

I Muster einer Einladung zum Referenzgruppentreffen

Nachfolgend wird ein Beispiel einer Einladung, die die Referenzgruppenmitglieder vor jedem Treffen von den ModeratorInnen der Referenzgruppe zugeschickt bekommen, gezeigt.

Einladung zum 2. Treffen der

Referenzgruppe

"Berufliche Teilhabe von Menschen mit einer intellektueller Behinderung"

Das 2. Treffen der Referenzgruppe des Forschungsprojekts "Berufliche Teilhabe von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" findet bald statt.

Was wird es beim 2. Treffen geben?

O Kennen lernen der Personen, die beim 1. Treffen noch nicht dabei sein konnten.

O Was ist seit dem 1. Treffen passiert?

O Auseinandersetzung mit den Themen Familie und Schule

O Arbeit an Interviewausschnitten. Das nennt man Auswertung

O Reflexion des 2. Treffens

O Offene Fragen

Wichtige Infos:

Wann: Freitag, 5. Dezember 2008

14.30 bis cirka 18.30 Uhr

Ab 18.30 Uhr Besuch eines

Christkindlmarktes

Samstag, 6. Dezember 2008

9.30 - 13.30 Uhr

Ab 13.30 Uhr gemeinsames Mittagessen

Heimreise

Wo: NIG (Neues Institutsgebäude)

Universitätsstraße 7/ 6.Stock

Raum: Beratung

A-1010 Wien

Zur Abrechung für die TeilnehmerInnen aus Tirol :

Alle TeilnehmerInnen sowie deren UnterstützerInnen aus Innsbruck bekommen die Übernächtigung im Hotel bezahlt. Mit dem Hotel "IBIS Wien Messe" haben wir vereinbart, dass dieses direkt die Rechnung an die Universität Wien schickt. Es ist keine Barzahlung Eurerseits erforderlich.

Anschrift des Hotels und Link zur Homepage [41]

Die Fahrscheine (Zugtickets und U-Bahnfahrscheine) müsst Ihr selbst bezahlen. Bitte nach dem Treffen an uns senden. Hier ist das Formular Spesenabrechnung pro Person zu verwenden. Du bekommt das Geld dann von der Universität Wien bezahlt.

Die Honorarnoten bereiten Oliver Koenig und Petra Pinetz schon vor. Du musst diese dann am Samstag vor deiner Heimreise unterschreiben.

Mitzubringen:

Alles was Du für die Übernächtigung und für die zwei Tage brauchst.

Anmeldung:

Es wäre schön, wenn alle zum 2. Treffen kommen könnten. Sollte jemand nicht teilnehmen können, dann bitten wir um rasche Bekanntgabe.

Auf Dein Kommen und auf die gemeinsame Zusammenarbeit

freuen sich

Oliver Koenig & Petra Pinetz

Telefon: Telefon:

E-Mail: E-Mail

II Auszug aus einem Protokoll in Leichter Sprache

Der nachfolgende Abschnitt stellt einen Auszug[42] aus einem Protokoll eines Referenzgruppentreffens in Leichter Sprache dar, welches die Referenzgruppenmitglieder nach dem jeweiligen Treffen von den ModeratorInnen per E-Mail bzw. per Post zugesandt bekommen.

Protokoll des 2. Referenzgruppentreffens im

Forschungsprojekt

"Berufliche Teilhabe von Menschen mit einer

intellektuellen Beeinträchtigung

Wann: 5. und 6. Dezember 2008

Wo: Institut für Bildungswissenschaften der Universität Wien

Diese Personen waren beim 2. Treffen dabei: [43]

Das Protokoll ist in geschlechtergerechter Sprache geschrieben. Geschlechtergerecht bedeutet, dass beide Geschlechter, also Mann und Frau, berücksichtigt werden. Um den Text geschlechtergerecht zu halten, wird das große "I" verwendet. Das große I schreibt man dann, wenn Frauen und Männer gemeint sind. Zum Beispiel: UnterstützerInnen, SchülerInnen, FreundInnen.

1.

Begrüßung und Vorstellen des Programms für die beiden Tage:

  • Nochmaliges Kennen lernen

  • Was haben Oliver Koenig und Petra Pinetz seit dem 1. Treffen gemacht?

  • Was ist seit dem 1. Treffen bei den TeilnehmerInnen passiert?

  • Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten.

  • Auseinandersetzung mit den Themen Familie und Schule

  • Arbeit an Transkripten zu den Themenbereichen Familie und Schule.

  • Was passiert bis zum nächsten Treffen?

2.

Das Forschungstagebuch

In das Forschungstagebuch schreibt man alle Gedanken, Ideen, Fragen, persönliche Dinge hinein, die für die TeilnehmerInnen nach und zwischen den Treffen auftauchen.

3.

Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten

In der großen Gruppe haben wir uns mit den Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinandergesetzt. Dabei haben wir uns 3 Fragen gestellt:

  1. Warum ist es wichtig, sich mit den Lebensgeschichten von Menschen mit Lernschwierigkeiten auseinanderzusetzen?

  2. Was sind wichtige Stationen in einer Lebensgeschichte?

  3. Welche Fragen soll man Menschen mit Lernschwierigkeiten zu ihrer Lebensgeschichte stellen?

Ergebnisse der Diskussion:

An dieser Stelle erfolgte für die Referenzgruppenmitglieder eine Auflistung der zentralen Diskussionsergebnisse.

4.

 

Auseinandersetzung mit den Themen "Familie" und "Schule"

Wir haben uns mit den Themen "Familie" und "Schule" beschäftigt. Um diese Themen zu bearbeiten, haben wir uns in 2 Gruppen geteilt.

5.

Inhaltliche Auseinandersetzung mit Ausschnitten von Transkripten - Thema "Familie" und Thema "Schule".

Wir haben uns mit den Ausschnitten von Transkripten von interviewten Personen beschäftigt. Hierzu haben Oliver Koenig und Petra Pinetz Ausschnitte aus bereits durchgeführten Interviews ausgewählt.

In einer kleinen Gruppe haben wir uns zum Thema "Familie" und mit dem Thema "Schule" mit folgenden Fragen beschäftigt:

  • Was erzählt die Person?

  • Wie sieht die Person die Situation?

  • Wie geht es der Person?

6.

Organisatorisches

Anstatt Honorarnoten werden nun Aufwandsentschädigungen verwendet. Das hat für die TeilnehmerInnen der Referenzgruppe den Vorteil, dass sie für das verdiente Geld keine Steuern bezahlen müssen.

7.

Nochmalige Klärung der Rolle der UnterstützerInnen

Einige Mitglieder der Referenzgruppe werden bei den Treffen von UnterstützerInnen begleitet. Die Aufgaben der UnterstützerInnen sind unterschiedlich.

Alle TeilnehmerInnen der Referenzgruppe haben das Recht, die UnterstützerInnen bei bestimmten Themen jederzeit aus dem Raum zu schicken.

8.

Reflexion des 2. Treffens

Am Ende des zweiten Referenzgruppentreffens haben wir noch eine kurze Reflexionsrunde gemacht. Jede/r hat gesagt, was ihm/ihr gefallen hat und was nicht. Es wurden auch Wünsche für die nächsten Treffen geäußert.

Was passiert bis zum 3. Treffen?

Das 3. Treffen der Referenzgruppe findet am 13. und 14. Februar 2009 in Innsbruck statt.

Das Thema des Treffens im Februar 2009 wird "Auseinandersetzung mit Behinderung " sowie "Ausbildung" sein.

   

III Beobachtungsprotokolle

In diesem Abschnitt werden die gesamten Beobachtungsprotokolle, die im Zuge der Beobachtung der Referenzgruppe des FWF-Projektes angefertigt wurden und die außerdem die Grundlage für die erfolgte Auswertung bilden, der vorliegenden Diplomarbeit beigefügt.

Beobachtungsprotokoll des ersten Referenzgruppentreffens

Dieses Protokoll ist in "Easy-to-read" verfasst.

Freitag, 3. Oktober 2008

Wer war beim ersten Referenzgruppentreffen im Trewi in Innsbruck dabei?

Referenzgruppenmitglieder: Frau Yeri, Frau Lose, Frau Rabl, Herr Renner, Herr Leitner, Herr Nagl, Herr Ruez, Herr Amann, Frau Fürst, Herr Nauerschnig

ModeratorInnen: Frau Pinetz, Herr Koenig

UnterstützerInnen: Frau Roth, Herr Krög, Herr Eichinger

Beobachterinnen: Frau Carraro, Frau Hintringer

Kennen lernen

Zu Beginn werden alle begrüßt. Es folgt eine Vorstellungsrunde, die mit Hilfe von Papiermännchen gestaltet wird. Jede Person erhält eine Figur aus Karton, auf die sie die wichtigsten Informationen über sich selbst, wie Name, Alter, Arbeit und Wohnort bzw. Wohnform, schreibt. Dann gibt es noch die Möglichkeit, auf einen extra Zettel mehr über sich zu schreiben, wenn man gerne hätte, dass die Anderen noch etwas anderes erfahren. Auf einem anderen Zettel wird von allen Anwesenden aufgeschrieben, was sie sich von dem Forschungsprojekt erwarten.

Dann wird geklärt, warum einige Leute, die eigentlich dabei sein sollten, nicht da sind. Einerseits aus persönlichen Gründen, andererseits wegen einer sehr zeitaufwändigen Berufsausbildung, die es nicht zugelassen hätte, auch noch an dem Projekt mitzuarbeiten. Ein Mitglied der Referenzgruppe kann wegen einer Erkrankung beim ersten Treffen leider nicht dabei sein.

Anschließend steht die Frage im Mittelpunkt, worum es in dem Forschungsprojekt überhaupt geht. Damit es von Vornherein keine Missverständnisse und Unklarheiten gibt, wird vorgeschlagen, alle schwierigen Begriffe zu sammeln. Aus diesen Begriffen soll dann ein Wörterbuch als Produkt entstehen, das immer wieder zu Hilfe genommen werden kann. Auch der Abschlussbericht des Projektes wird in leichter Sprache verfasst werden, damit die Menschen, um die es geht, alles genau verstehen.

Worum geht es in dem Projekt?

Es ist vor eineinhalb Jahren entstanden. Ein Antrag wurde auf Englisch verfasst, da Leute aus englischsprachigen Ländern ihn lasen. Diese Leute entschieden dann, ob das Projekt durchgeführt werden kann und ob sie dafür die benötigten Gelder zur Verfügung stellen.

Momentan hat das Projekt nur einen Arbeitstitel, der aber sehr kompliziert ist. Bis zum nächsten Mal sollten sich die Referenzgruppenmitglieder überlegen, wie es heißen könnte, damit alle den Titel verstehen.

Arbeitstitel: "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biografie von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung"

Der Begriff "intellektuelle Beeinträchtigung" ist eigentlich nicht sehr gut, jedoch ist er wissenschaftlich anerkannt. Das ist der Grund dafür, warum er im Arbeitstitel des Projekts verwendet wurde. In diesem Zusammenhang werden die "Disability Studies" erwähnt, die auch von Dr. Volker Schönwiese vertreten werden. Ihm ist es wichtig von "behinderten Menschen" zu sprechen, da Menschen behindert bzw. beeinträchtigt werden und somit behindert sind.

Statt dem Begriff Mensch mit intellektueller Beeinträchtigung wird immer mehr der Begriff Mensch mit Lernschwierigkeiten verwendet. Daraufhin wird die Frage gestellt, warum Menschen als intellektuell beeinträchtigt bezeichnet werden, da Menschen mit Lernschwierigkeiten auch sehr gescheit sein können. Die Beantwortung dieser Frage wird auf den nächsten Tag verschoben, da bis dahin vielleicht einiges klarer sein würde.

Der Begriff Partizipation, der im Arbeitstitel des Projekts vorkommt, ist ein Fremdwort. Einige Mitglieder der Referenzgruppe kennen das Wort schon, da sie es bereits auf der Uni in einem Seminar kennen gelernt haben, andere nicht. Darum wird die Frage gestellt:

Was ist Partizipation?

Die einfachste Übersetzung ist "Teilhabe". Doch was bedeutet das genau? Für die Referenzgruppe bedeutet Teilhabe, "dazu gehören", in einer Beziehung zu einem Menschen stehen, nicht ausgeschlossen sein, dieselben Rechte zu haben wie Menschen ohne Behinderung, "nicht über uns ohne uns" (People First) und seine Zukunft selbst bestimmen zu können.

Es wird besprochen, dass es im Forschungsprojekt darum geht, herauszufinden, was für Erfahrungen Menschen mit Lernschwierigkeiten im Arbeitsleben gemacht haben. Dafür ist es auch wichtig, die Biografie, also die Lebensgeschichte dieser Menschen kennen zu lernen.

Ist das Thema "Arbeit" ein wichtiges Thema?

Für alle Mitglieder der Referenzgruppe hat "Arbeit" eine große Bedeutung. Alle haben in diesem Bereich Erfahrungen. Unter anderem wird thematisiert, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten oft sehr schlecht für ihre Arbeit bezahlt werden. Meist bekommen sie sogar nur ein Taschengeld, was ungerecht ist.

Das Thema Arbeit wird außerdem mit der Existenz eines jeden Menschen in Verbindung gebracht. Es wird festgestellt, dass es ohne Arbeit schwierig ist, zu existierten. Denn der Beruf ist ein sehr wichtiger Bestandteil im Leben in unserer Gesellschaft. Er ist notwendig, denn er dient zur Existenzsicherung. Er gibt die Möglichkeit Geld zu verdienen, mit dem man sich Essen, Strom usw. kaufen kann. Außerdem ist Arbeit wichtig, damit man einen Sinn im Leben hat. Wenn man den ganzen Tag nur zuhause in seiner Wohnung sitzt, dann fällt einem die Decke auf den Kopf und man hat das Gefühl nutzlos zu sein. Ein fixer Job bringt Struktur ins Leben und man kann darauf aufbauen. Was für die Referenzgruppe noch wichtig ist, ist, dass man ernst genommen wird, wenn man Arbeit hat. Man verdient sein eigenes Geld, das man dann auch viel lieber ausgibt als z.B. Arbeitslosengeld.

Ein Problem, das im Zusammenhang mit Arbeit erwähnt wird, ist, dass viele Menschen mit Lernschwierigkeiten in ihrem Job unterfordert werden und jahrelang dasselbe machen müssen, da sie wenig Wahlmöglichkeiten haben. Ein Mitglied erzählt, dass er seit Jahren 20 Stunden in der Woche im gleichen Betrieb arbeitet. Doch er muss immer das Gleiche machen, er bezeichnet es als "Praktikantenarbeit" und nennt als Beispiel, Zettel zusammenlegen. Dies frustriert ihn, da er sich sogar durch einige Auslandspraktika weitergebildet hat und sich dadurch Aufstiegschancen erhofft hat.

Dieses Beispiel führt dann zum Thema Beschäftigungstherapie. Einige der Referenzgruppe sind zurzeit in einer Beschäftigungstherapie-Werkstatt tätig, aber eigentlich sind dabei alle unzufrieden. Die Arbeit dort wird als monoton beschrieben, was dazu führt, dass man geistig unterfordert wird. Eine anwesende Person hat es geschafft, von der Beschäftigungstherapie wegzukommen. Aber erst nach über zehn Jahren, da sie davor gar nicht wusste, dass es überhaupt etwas anderes gibt. Doch als sie das erfahren hat, wollte sich nur noch weg aus der Werkstätte.

Vorgehensweisen

Da diese Diskussion ziemlich vom momentanen Thema abschweift, wird darum gebeten, wieder darauf zurück zu kommen und das Projekt zu erklären.

Als Hilfsmittel wird ein Plakat verwendet, auf dem die Struktur des Projekts aufgezeichnet ist. Es wird genau erklärt, wer welche Aufgaben hat. Herr Biewer und Frau Fasching sind die Chefs, die über dem Ganzen stehen. Frau Pinetz und Herr Koenig sind die Projektleiter, die Interviews mit Menschen führen, um herauszufinden, welche Erfahrungen diese im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt gemacht haben. Dabei wird Frau Pinetz die Jüngeren befragen, die gerade im Übergang von der Schule zum Beruf sind und Herr Koenig wird Menschen befragen, die bereits im Berufsleben stehen. Sie befragen sehr viele Menschen, die sich in unterschiedlichsten Stationen befinden. Jeder Mensch hat eine andere Geschichte, was dazu führt, dass wir viele verschiedene Lebensgeschichten kennen lernen werden. Sie werden nicht nur ein Interview machen, sondern sie werden im Zeitraum von zwei Jahren ungefähr acht Gespräche mit allen Personen führen. Dies ist wichtig, da es auch darum geht, wie sich das Leben der befragten Personen verändert. Wenn man nur ein Mal mit den zu befragenden Menschen spricht, dann wird man viel weniger herausfinden, als wenn man sich in regelmäßigen Abständen trifft. In zwei Jahren tut sich viel im Leben eines Menschen und es verändert sich einiges. Außerdem kann durch häufige Treffen Vertrauen und eine Beziehung aufgebaut werden, was dazu führt, dass die Befragten offener erzählen. Was dabei ganz wichtig ist, ist die Anonymität. Das bedeutet, dass niemand erfahren wird, wie die Menschen heißen, die befragt werden. Auch wenn jemand aus der Referenzgruppe das Gefühl hat, zu wissen, über wen gerade gesprochen wird, sollte er/sie das für sich behalten und nicht herumerzählen, um wen es sich handelt.

Die Interviews werden auf ein Tonband aufgenommen und dann von Studierenden transkribiert. Transkribieren bedeutet, dass das Gespräch auf dem Tonband ganz genau, Wort für Wort, aufgeschrieben wird. Es entsteht ein Text, der dann analysiert wird. Auch die Referenzgruppe wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Da die Gruppe aus Menschen besteht, die selbst viel Erfahrung zum Thema Menschen mit Lernschwierigkeiten im Arbeitsmarkt haben, ist es wichtig, dass sie diese bei der Auswertung der Interviews einfließen lassen. Die Referenzgruppe wird in diesem Forschungsprojekt vor allem folgende zwei Aufgaben haben: (1) Analysieren und interpretieren der Transkripte, sich Gedanken zu den Lebensgeschichten der befragten Personen machen und (2) wichtige, anstehende Themen diskutieren.

Wenn das Projekt abgeschlossen ist, wird es einen Abschlussbericht geben. Er wird auch in leichter Sprache verfasst und beinhaltet die Ergebnisse des Projekts.

Ein anderes Ziel des Projektes ist es, Zahlenmaterial zu sammeln, um einen guten Überblick über die Situation von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der österreichischen Arbeitswelt zu schaffen.

Als das Projekt erklärt wird, werden auch einige Fachausdrücke, wie zum Beispiel "qualitative und quantitative Forschung", benutzt. Einige Leute aus Wien sind mit diesen Begriffen vertraut, da sie schon Erfahrung mit Forschung haben. Der Grund dafür ist, dass sie auch in einem Seminar von Herrn Koenig zum Thema "Partizipative Forschung" mitarbeiten und somit ständig mit Fachausdrücken zu tun haben. Es wird geklärt, dass das jedoch kein Hindernis für die Zusammenarbeit in der Gruppe sein darf. Es soll darauf geachtet werden, dass solche Begriffe entweder nicht verwendet oder erklärt werden, um eine faire Ausgangssituation für alle zu schaffen.

Ein Missverständnis, das bei der Beschreibung des Projekts entstanden ist, ist, dass die Referenzgruppe die Interviews führen wird. Es ist nicht ganz klar gewesen, dass die Interviews von Herrn Koenig und Frau Pinetz geführt werden und die Aufgabe der Referenzgruppe darin besteht, sie zu analysieren. Durch dieses Missverständnis kommt das Thema "Flexibilität des Projekts" auf und es wird darüber gesprochen, dass man sich überlegen kann, ob auch Referenzgruppenmitglieder Interviews führen, wenn sie das wollen.

Was ist eine Referenzgruppe? Welche Aufgaben hat die Referenzgruppe?

Die erste Idee zu dieser Frage ist, dass die Gruppe über Lebensgeschichten diskutiert und sie interpretiert. Es arbeiten nicht nur so genannte ExpertInnen an dem Projekt mit, sondern auch ExpertInnen in eigener Sache. Die Referenz soll auch von Menschen mit Lernschwierigkeiten kommen, die großteils Erfahrung mit Selbstvertretung und Beratung haben. Sie haben durch ihre vielen Erfahrungen mit Lebensgeschichten anderer ein besonderes Expertenwissen.

Es wird darüber gesprochen, dass es in dieser Referenzgruppe darum geht, gemeinsam die Interviews zu bearbeiten. Es werden alle gemeinsam darüber reden und die Köpfe zusammenstecken, denn gemeinsam hat man mehr Ideen und es ist ein intensiveres Arbeiten.

Aus welchem Grund braucht es eine Referenzgruppe?

Die Referenzgruppe hat eine Steuerungsfunktion. Es ist wichtig, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten Entscheidungen mit treffen, da sie ExpertInnen in eigener Sache sind und somit eine wichtige Aufgabe im Projekt haben. Auch sind durch eine Referenzgruppe neue Ideen möglich und Änderungen im Projektplan können sich ergeben.

Was bedeutet es, Mitglied bzw. ForscherIn in einer Referenzgruppe zu sein?

Für einige bedeutet es, regelmäßig zu den Treffen der Gruppe zu kommen. Dies ist wichtig, damit man mitkommt, denn wenn man fehlt, verpasst man viel. Außerdem hat es etwas mit Verantwortung zu tun, denn jedes einzelne Mitglied ist wichtig und deshalb ist es auch wichtig, sich an den Treffen zu beteiligen.

ForscherIn zu sein bedeutet auch, eigene Ideen in das Projekt und vor allem in die Analyse der Interviews einzubringen. Auch die Ideen aller anderen Referenzgruppenmitglieder zu akzeptieren und gelten zu lassen wird damit in Zusammenhang gesetzt. Was auch als wichtig erachtet wird, ist der Austausch innerhalb der Referenzgruppe über die gemeinsame Arbeit. Dies führt zu der Frage, was zwischen den Treffen passiert, da sie ja nur alle zwei Monate stattfinden. Es wird darüber gesprochen, dass es möglich ist, sich per E-Mail oder über ein Forum im Internet zu vernetzen - genaueres wird jedoch zu einem späteren Zeitpunkt geklärt.

Zurück zur Frage, was es bedeutet, ein/e ForscherIn zu sein: unter anderem, in seine Arbeit hineinzuwachsen. Man muss wissen, woran man arbeitet, um sich richtig damit beschäftigen zu können. Für andere bedeutet es, etwas zu bewegen, etwas selbst in die Hand zu nehmen. Auch, dass die Referenzgruppe durch ihre Arbeit etwas verändern kann bzw. etwas Neues herausfinden kann, wird erwähnt. Mitglied in der Referenzgruppe zu sein, heißt für einige auch, etwas zu lernen, auch für sich selbst, für die eigene Persönlichkeit. Außerdem ist für ein Mitglied wichtig, selbst diszipliniert zu sein und sich einem speziellen Thema ganz zu widmen, das heißt, dran zu bleiben und geduldig sein.

Forschungstagebuch

Ein Forschungstagebuch ist ein Heft für alle Gedanken und Ideen, die in der Zeit zwischen den Treffen kommen. Herr Koenig und Frau Pinetz haben für alle aus der Referenzgruppe so ein Heft besorgt, es wird aber betont, dass es nicht verwendet werden muss, wenn man nicht will. Es soll die Möglichkeit geben, alles aufzuschreiben, was einem im Zusammenhang mit dem Projekt einfällt. Einfach Dinge, die man gerne in der Gruppe beim nächsten Treffen diskutieren möchte. Da zwischen den Treffen immer so ein großer Zeitraum ist, kann man sich natürlich nicht alles merken, darum ist es hilfreich, sich einige Notizen dazu zu machen. Das können natürlich auch eigene Erfahrungen im Alltag sein.

Welche Aufgaben hat die Referenzgruppe?

Als erste Antwort auf diese Frage kommt, dass die Referenzgruppe die Aufgabe hat, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Doch wobei? Es wird Unterstützung gefordert, bei der Umsetzung von Ideen. Auch soll die Referenzgruppe darauf achten, dass es allen in der Gruppe gut geht. Es wird betont, dass niemand mit dem Projekt überfordert sein soll und dass alle nur soweit gehen, wie es für sie passt.

Im Bezug auf die Unterstützung kommt die Angst auf, dass das auch zu viel werden könnte. Es ist für die Personen wichtig, dass nicht zu viel geholfen wird, denn jede/r soll seine/ihre Ideen selber bringen. Außerdem wird erwähnt, dass sich einzelne Mitglieder der Gruppe nicht als "obergescheit" darstellen und so tun als wüssten sie schon alles.

Rollen - wer macht was und warum?

UnterstützerInnen

Personen, die andere unterstützen, sind vor allem auch wichtig, um Unklarheiten zwischen den Treffen zu besprechen. Sie machen mit den Menschen, die von ihnen unterstützt werden, vor den Treffen eine Vorbesprechung und nach den Treffen eine Nachbesprechung. Darin können auch Dinge gefragt werden, die man sich während der Treffen nicht anzusprechen getraut hat. UnterstützerInnen dürfen aber keinesfalls bevormundend sein. Sie können auch nicht, wie von einem Referenzgruppenmitglied geglaubt, mit BezugsbetreuerInnen verglichen werden. Ihre Rollen vermischen sich oft. Es kann auch nicht gesagt werden, dass nur UnterstützerInnen unterstützen. Es kann auch ein Mitglied der Referenzgruppe ein anderes unterstützen, obwohl es kein/e "UnterstützerIn" ist. Es wird auch festgehalten, dass zuviel Unterstützung auch überfordernd sein kann und dass man sich überlegen muss, wie man damit umgeht. Es ist wichtig zu betonen, dass die UnterstützerInnen sich inhaltlich nicht einbringen dürfen, das ist nicht ihre Aufgabe. Denn in den Treffen der Referenzgruppe geht es um die Erfahrungen und die Meinungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten und nicht um die von Unterstützerinnen.

Es wird dann auch die Unsicherheit der Tiroler Mitglieder angesprochen, dass sie vielleicht weniger vom Projekt mitbekommen als die Wiener, da die sich ja zwischendurch immer wieder treffen. Doch auch die TirolerInnen können sich untereinander treffen, wenn sie wollen. Außerdem wird immer wieder ein Austausch zwischen allen Beteiligten per E-Mail stattfinden.

BeobachterInnen

Es wird auch über die Rolle der BeobachterInnen gesprochen, die bei den Referenzgruppentreffen dabei sind. Sie werden sich, genau wie die UnterstützerInnen, nicht in den Inhalt der Gespräche einmischen. Sie werden bei den folgenden Treffen vor allem zwei Aspekte beobachten: (a) die Inhalte (Was wurde besprochen? Haben sich Ansichten verändert? Wie wurde etwas analysiert? usw.)

(b) die Interaktion (Veränderungen in der Gruppe, Wie entwickelt sich die Gruppe im Laufe des Projekts? usw.)

Sie werden ihre Beobachtungen bei jedem Treffen mit der Referenzgruppe besprechen.

Wie werden in der Referenzgruppe Prozesse festgehalten?

Es wird die Frage gestellt, ob es für alle passen würde, wenn eine Kamera zur Aufzeichnung der Treffen verwendet werden würde. Es geht dabei darum, Inhalte festzuhalten und dabei auch ein Bild zu haben. Das wäre der Unterschied zur Aufnahme mit einem Diktiergerät, mit dem nur der Ton aufgenommen werden kann. Das Problem dabei ist, dass man sich beobachtet fühlt, wenn eine Kamera im Raum ist. Die Treffen in Wien finden in der Beratungseinheit des Instituts statt. Der Raum dort hat an einer Wand einen Einwegspiegel. Von außen kann durch diesen Spiegel in den Raum geschaut werden wie durch ein Fenster, von innen jedoch kann nicht hinausgeschaut werden. Wenn also die Kamera vor diesem Spiegel stehen würde, könnte man das Treffen filmen, ohne dass man viel davon mitbekommen würde - man würde sich dann vielleicht nicht so beobachtet fühlen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass klargestellt wird, dass eine Kamera nur dann verwendet wird, wenn alle damit einverstanden sind. Es passiert bei diesem Projekt im Bezug auf die Referenzgruppe nichts ohne die Zustimmung aller Mitglieder. Einige Personen sind sich nicht sicher, ob sie die Kamera wollen, für andere ist es kein Problem. Um keine voreiligen Schlüsse zu fassen, wird vorgeschlagen, noch eine Nacht darüber zu schlafen und am nächsten Tag zu entscheiden.

Dann stellt sich noch die Frage, wie gefilmt wird - denn, wenn die Kamera vor dem Spiegel steht, könnte man das Treffen nur in einer Einstellung filmen. Auch diese Frage wird auf später verschoben, da man ja zuerst abklären soll, ob überhaupt alle wollen, dass gefilmt wird.

Erarbeitung von gemeinsamen Gruppenregeln

Was ist mir für eine Zusammenarbeit wichtig?

Was brauche ich, um mich in dieser Gruppe wohl zu fühlen?

Was brauche ich, dass ich in dieser Gruppe gut arbeiten kann?

Es ist ein Anliegen noch einmal zu erwähnen, dass es für eine gute Zusammenarbeit wichtig ist, jede Meinung zu 100% zu akzeptieren. Um sich in dieser Gruppe wohl zu fühlen, wird der Vorschlag gemacht, dass ein/e ModeratorIn regelt, wer wann spricht. Dies ist wichtig, damit jede/r zu Wort kommt. Um ein angenehmes Klima zu schaffen wird auch die Regel, dass nicht dazwischen gesprochen werden darf, aufgestellt. Es soll immer nur eine Person sprechen und die Anderen hören aktiv zu.

Für das Wohlfühlen in der Gruppe wird als Voraussetzung auch genannt, dass man nicht hinter dem Rücken lästert, wenn einen etwas ärgert. Es wird darum gebeten, solche Probleme gleich zu besprechen und die betreffende Person auch direkt anzusprechen.

Damit die Arbeit in der Gruppe gut funktioniert, wird vorgeschlagen, immer gleich nachzufragen, wenn etwas nicht verstanden wird. Dazu werden beim nächsten Treffen bunte Karten verwendet:

  • Die grüne Karte bedeutet: O.K., ich habe alles verstanden.

  • Die gelbe Karte bedeutet: bitte langsamer, ich komme nicht so gut mit.

  • Die rote Karte bedeutet: Stopp!

Auch, dass ausreichend Zeit gegeben wird und Missverständnisse aus dem Weg geschaffen werden, ist ein wichtiger Punkt für eine gut funktionierende Arbeit. Was sowieso immer beachtet werden muss, ist die leichte Sprache. Wenn zu komplizierte Formulierungen oder Wörter, die nicht verstanden werden, verwendet werden, dann ist es unmöglich eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Eine Regel, die zuerst allen ein bisschen kindisch vorgekommen ist, sich dann aber als nötig herausgestellt hat, ist, dass man nicht tuscheln darf, denn das stört die Diskussionen. Auch die Handys sollen immer abgedreht oder auf lautlos sein. Damit man nicht länger arbeitet also nötig und der Plan durcheinander kommt, wird die Regel aufgestellt, dass eine Person auf die Zeit achten soll und der Tagesplan für alle ersichtlich aufgehängt wird.

Samstag, 4. Oktober 2008

Bevor es am Samstag so richtig losgeht, wird aufgezählt, was am Freitag gemacht worden ist und es werden vor allem die Gruppenregeln noch einmal wiederholt. Dabei sind der Gruppe noch ein paar zusätzliche Regeln eingefallen:

  • Was wir reden, bleibt in der Gruppe

  • Jeder/jede erzählt nur das, was erzählt werden will

Klären von finanziellen und organisatorischen Dingen

  • Anzahl der Treffen und Dauer

  • Ort der Treffen

  • Reisekosten und Übernächtigung

  • Honorar Auszahlung

  • TeilnehmerInnenliste (Protokolle per Post oder per E-Mail?)

(All diese Informationen finden die Referenzgruppenmitglieder auf dem Zettel, den Frau Pinetz am Samstag ausgeteilt hat. Im Anhang des Protokolls finden die Referenzgruppenmitglieder die Informationen für die Referenzgruppe noch einmal.)

ÄNDERUNG: Zwei Personen können am Treffen am 6. und 7. Februar 2009 in Wien nicht teilnehmen. Damit alle teilnehmen können, findet dieses Treffen nun in Innsbruck statt.

Die Treffen der Referenzgruppe waren ursprünglich für Donnerstag und Freitag geplant. Da jedoch die meisten Mitglieder der Referenzgruppe dabei Probleme mit ihren Urlaubstagen bekommen hätten, wurden die Treffen auf Freitag und Samstag gelegt. Manche Mitglieder der Referenzgruppe bevorzugen Donnerstag und Freitag. Daher werden die Referenzgruppentreffen auch ab und zu am Donnerstag und Freitag stattfinden.

Der Großteil der Treffen wird aus folgenden Gründen in Wien stattfinden:

  • Es sind mehr TeilnehmerInnen an diesen Treffen aus Wien und daher ist es günstiger, wenn wir in Wien bleiben.

  • In Wien ist es einfacher leistbare barrierefreie Hotels zu finden.

WICHTIG: Wer Fahrkarten für die Fahrt zu den Treffen kauft, muss diese im ORIGINAL bei Frau Pinetz oder Herrn Koenig abgeben. Dann bekommt man die Kosten zurück.

Die TirolerInnen kaufen ihre Tickets selbst (oder Herr Krög oder Frau Roth übernehmen diese Aufgabe für alle) und bekommen bei Abgabe der originalen Fahrkarte ihr Geld zurück.

Die Hotels werden von Frau Pinetz und Herrn Koenig gebucht. Frau Yeri und Frau Lose bekommen gemeinsam ein Doppelzimmer. Frau Rabl, Frau Roth, Herr Renner und Herr Krög bekommen jeweils ein Einzelzimmer.

Wenn jemand an einem Termin nicht kann, dann bitte bald genug Bescheid sagen. (Damit nicht unnötig Tickets gekauft und Hotels reserviert werden.)

Die Honorarnoten werden ab dem nächsten Treffen immer von Frau Pinetz und Herrn Koenig für das jeweilige Treffen vorbereitet. (Das ging jetzt noch nicht, weil sie die Daten der Referenzgruppenmitglieder (Adresse, Kontonummer, Bankleitzahl, usw.) noch nicht hatten.)

Die Honorarnote müssen die Referenzgruppenmitglieder mit der Post schicken, weil sie sie unterschreiben müssen.

Das Geld für die Treffen kann nicht bar ausbezahlt, sondern nur auf das Konto überwiesen werden. Die Einnahmen aus diesem Projekt sind steuerfrei. Sie sind in der Freibetragsgrenze. Nur wenn die Referenzgruppenmitglieder zusätzlich noch mehr dazu verdienen, könnte es sein, dass sie aus dieser Grenze heraus fallen.

Teilhabe oder Partizipation

Teilhabe ist ein zentraler Begriff in diesem Forschungsprojekt

  • Was bedeutet Arbeit?

  • Was bedeutet Teilhabe?

  • Was bedeutet Teilhabe für uns in der Gruppe und für das Projekt?

  • Worauf soll Augenmerk gelegt werden?

Arbeit bedeutet:

einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen

dran bleiben bis zum Schluss und bei allen Treffen dabei sein

neue Sachen ausprobieren

sich nicht von Anderen sagen lassen, was man kann und was nicht

Fehler machen dürfen

Ist Arbeit immer positiv?

Arbeit kann auch negativ sein. Zum Beispiel wenn Ziel und Durchführung nicht nach der eigenen Vorstellung ablaufen. Es funktioniert nicht immer alles gleich gut und man muss sich überlegen, was besser funktionieren würde.

Arbeit und Assistenz

Menschen mit Lernschwierigkeiten bekommen oft nicht die nötige Assistenz am Arbeitsplatz. Meist dauert es lange, bis eine Assistenz genehmigt wird. Man soll die Chance haben, sich die Assistenz selbst aussuchen zu können und nicht irgendjemanden vorgesetzt zu bekommen. Wobei in dieser Angelegenheit jetzt schon mehr mitgesprochen werden kann.

Menschen mit Lernschwierigkeiten haben selten Zugang zu Assistenz, da das vom Einkommen abhängig und relativ teuer ist. Assistenz kann von der finanziellen und rechtlichen Seite oft nicht gedeckt werden und hat viele Grenzen. Wenn man Assistenz in Anspruch nehmen will, muss man einen Selbstbehalt zahlen. Dieser Selbstbehalt ist abhängig vom Einkommen. Es besteht auch ein Unterschied in den Bundesländern, ab wann man Assistenz zugesprochen bekommt und wie hoch der Selbstbehalt ist.

Es wäre daher nötig, rechtliche Grundlagen für die Inanspruchnahme einer Assistenz zu schaffen.

Der Unterschied zwischen Assistenz und Arbeitsassistenz liegt darin, dass die Arbeitsassistenz vom Arbeitgeber bezahlt wird. Der/die ArbeitnehmerIn nimmt die Arbeitsassistenz in Anspruch, ohne dafür bezahlen zu müssen.

Wenn man keine Pflegestufe hat, heißt das nicht, dass man keine Behinderung hat. Man kann also auch ohne eine zugewiesene Pflegestufe eine Behinderung haben.

Eine Assistenz oder auch Unterstützung am Arbeitsplatz wäre wünschenswert, um eine Überforderung der ArbeitnehmerInnen zu vermeiden. Es soll aber durch eine Assistenz nicht zu einer Unterforderung der ArbeitnehmerInnen kommen.

In der Gruppe werden zwei Beispiele genannt, welche Aufgaben ein/e UnterstützerIn am Arbeitsplatz zu erledigen hat.

  1. Gesagtes der Arbeitnehmerin übersetzen oder aufschreiben. Die Unterstützerin hat in diesem Fall ein so genanntes Vorschlagsrecht. Wenn die Unterstützerin der Meinung ist, dass die Arbeitnehmerin etwas falsch macht, kann sie ihr andere Vorschläge unterbreiten. Dieses Recht hat ein/e AssistentIn nicht.

  2. Der Unterstützer hilft beim Verfassen von Powerpointpräsentationen, Aussuchen der Texte, nachkontrollieren der Monatsberichte, verfasst Protokolle über die Gespräche mit dem Chef, erstellt den Wochenarbeitsplan und begleitet die Arbeitnehmerin bei öffentlichen Terminen als moralische Unterstützung.

-> die Arbeitnehmerin legt fest, was sie sich vom Unterstützer erwartet. Sie bremst ihn auch ein, wenn er zu viel übernimmt.

Eine Unterstützung in der Werkstätte sieht ganz anders aus. Sie wird von den Referenzgruppenmitgliedern als nicht gut befunden. In der Werkstätte wird das Werkstück richtig hingelegt, Hilfe bei WC-Gängen und beim Essen geleistet. Es werden Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, die für die Ausführung einer Tätigkeit benötigt werden.

Eine Teilnehmerin der Referenzgruppe hatte in der Werkstätte keinerlei Unterstützung bekommen. Es wäre die Aufgabe der WerkstättenmitarbeiterInnen gewesen, sie bei der Suche eines Arbeitsplatzes zu unterstützen. Diese Unterstützung bekam sie in der Werkstätte nicht.

In der Literatur gibt es verschiedene Arten der Hilfestellung:

Betreuung, Unterstützung und Assistenz. Worin unterscheiden sie sich?

ArbeitnehmerInnen in einer Beschäftigungstherapiewerkstätte (BT) erwarten sich mehr Unterstützung und Hilfe bei der Vorbereitung auf eine normale Arbeit. ArbeitnehmerInnen in einer BT erfahren teilweise respektlosen Umgang von den BetreuerInnen.

Dabei wird die Frage gestellt, ob ArbeitnehmerInnen in einer BT Unterstützung zusteht? Es ist nicht der offizielle Auftrag einer BT seinen ArbeitnehmerInnen Unterstützung zu geben, um in den freien Arbeitsmarkt zu kommen.

Im Laufe der nachfolgenden Diskussion werden Fragen aufgeschrieben, die für das Forschungsprojekt wichtig sind. Im Rahmen eines Forschungsprojektes ist es wichtig Fragen zu stellen.

Die Gruppe hat Interesse daran, eine Antwort auf folgende Frage herauszufinden: Haben Leute am Arbeitsplatz/im Ausbildungsbereich die Unterstützung, die sie wollen?

Ein Mitglied der Referenzgruppe wurde nach der Schule in eine Beschäftigungstherapie gesteckt. Ihr wurde nie gesagt, dass es auch etwas anderes gibt. Sie wurde nicht darüber aufgeklärt, dass ihr auch andere Möglichkeiten offen stehen. Sie erfuhr von ihren Wahlmöglichkeiten per Zufall.

1) Bekommen Menschen genügend Informationen über ihre Möglichkeiten?

2) Haben Menschen das Gefühl Entscheidungen treffen zu können?

Aspekte von Teilhabe sind für die Mitglieder der Referenzgruppe genügend Informationen zu erhalten und selbst Entscheidungen treffen zu können.

3) Haben Personen das Gefühl an Orten, an denen sie eine Ausbildung machen oder arbeiten, gute Unterstützung zu bekommen?

Ein Referenzgruppenmitglied hat 6 Jahre in einer BT gearbeitet und ist dann freiwillig gegangen. Dann hat er eine Ausbildung am Institut Keil begonnen. Diese Ausbildung ist selbst zu bezahlen. Das ist sehr schwierig bei wenig bis keinem zur Verfügung stehenden Geld. Diese Ausbildung dauert 4 oder 5 Jahre. Das erste Jahr ist ein Orientierungsjahr. Man bekommt erst ab dem 4. Jahr ungefähr 50€ Taschengeld, wenn man jeden Tag arbeitet. Im vierten Jahr muss man drei 8-wöchige Praktika machen. Das Institut Keil läuft als BT, in der man eine Ausbildung machen kann. Mit dieser Ausbildung ist es aber schwierig einen Job am freien Arbeitsmarkt zu finden, weil sie kein Zertifikat von der Wirtschaftskammer ausgestellt bekommen. Das Institut Keil beschäftigt viele Personen, die eine BT-Bewilligung haben. Daher kann daraus keine integrative Berufsausbildung gemacht werden.

Zwei Mitglieder der Referenzgruppe machen eine integrative Berufsausbildung. Dabei erhalten sie eine Lehrlingsentschädigung und am Ende der Ausbildung ein Zertifikat der Wirtschaftskammer. Danach können sie eine Tätigkeit am freien Arbeitsmarkt aufnehmen.

In Österreich ist es schwierig eine Ausbildungsstelle für eine teilqualifizierte Arbeitsstelle zu finden. Es wird angesprochen, dass man die Chance haben will, eine gute Ausbildung (teilqualifiziert) machen zu können. Das Ziel ist die BT verlassen zu können und eine Stelle am freien Arbeitsmarkt zu finden.

4) Welche Möglichkeiten haben Menschen wahrgenommen? Sind das gute Wahlmöglichkeiten?

Das Ziel soll die Beschreibung von angemessenen Möglichkeiten sein. Möglichkeiten zu bekommen hängt aber viel vom Engagement der Eltern, der BetreuerInnen, des Vereins, etc. ab. Viele Möglichkeiten und Chancen die Menschen mit Lernschwierigkeiten haben, haben sie durch Zufälle. Sie müssen daher die Unterstützung, die sie wollen und brauchen, aktiv einfordern.

In Vorarlberg gibt es den Verein Spagat, in Wien gibt es den FSW. Gibt es dabei Unterschiede in den Bundesländern?

In der Referenzgruppe werden unterschiedliche Unterstützungsangebote betrachtet werden und die Erfahrungen damit ausgetauscht werden.

5) Haben Personen in unterschiedlichen Bundesländern unterschiedliche Wahlmöglichkeiten (Gesetze, Maßnahmen, ...)?

Woher bekommt man die Unterstützung? Aus einem Unterstützerkreis? Der Begriff Unterstützerkreis kommt aus der persönlichen Zukunftsplanung. In einem Unterstützerkreis arbeiten alle Leute mit, von denen sich der Betroffene Unterstützung erwartet. Wichtig ist dabei diesen Kreis zusammenzuführen. Die UnterstützerInnen werden aufgefordert Möglichkeiten für den Betroffenen aufzuzeigen. Im Zentrum eines Unterstützerkreises steht die betroffene Person. Dann folgen die Familie, Freunde, Bekannte und schließlich Professionelle (Arzt/Ärztin, TherapeutIn,...).

Was macht ein/e UnterstützerIn im Rahmen der persönlichen Zukunftsplanung, wenn der Mensch mit Behinderung in der Beschäftigungstherapie bleiben will? Wenn er/sie sich die Veränderung noch nicht zutraut? Im Rahmen der persönlichen Zukunftsplanung wird niemanden etwas aufgezwungen. Die persönliche Zukunftsplanung soll von einer unabhängigen Person moderiert werden.

Ein weiteres mögliches Thema für die Treffen könnte die persönliche Zukunftsplanung und der Unterstützerkreis sein.

6) Wo bekommt man Informationen? Welche Informationen und in welcher Weise hat die Person diese bekommen?

7) Wie wird die Person aufgeklärt

Informationen sollen neutral sein, damit die betroffene Person die Informationen zu ihrem Vorteil nutzen kann.

8) Wie haben Personen persönliche Zukunftsplanung/Unterstützungskreise erlebt?

9) In welcher Art und Weise werden Unterstützerkreise durchgeführt?

Menschen mit Lernschwierigkeiten sollen selbst entscheiden, was sie wollen. Aber die UnterstützerInnen sollen Wahlmöglichkeiten aufzeigen, die noch nicht bekannt sind. Wichtig ist, dass niemand zu etwas gezwungen wird. Auch Gespräche mit Personen in ähnlichen Situationen können hilfreich sein.

10) Welche Wahlmöglichkeiten kennt die Person?

11) Welche Wahlmöglichkeiten werden von der Person wahrgenommen?

Für die nächsten Treffen soll es eine inhaltliche Struktur geben.

Was ist Betreuung, Unterstützung Assistenz?

Betreuung

Unterstützung

Assistenz

- "Aufpasserrolle"

- Gefühl etwas wird gemacht, ohne gefragt zu werden

- Zwang etwas tun zu müssen

- betreut wird ein kleines Kind (Mensch mit Lernschwierigkeiten wird unterstützt.)

- BetreuerInnen schaffen an, was zu tun ist

- Betreuung ist eine Art von Bevormundung

- Privatsphäre wird oft nicht akzeptiert oder respektiert (aber: jeder Mensch hat Recht auf Privatsphäre)

- BetreuerInnen entscheiden über die Person (z.B.: beim Geld)

- BetreuerInnen haben Macht

- BetreuerInnen sind keine FreundInnen

- Vereinbarung

- Anleitung

- Vorschläge machen

- Vereinbarung

- Anleitung

- "tun müssen" - AssistentIn muss tun, was ihm/ihr aufgetragen wurde

Unterschiede zwischen Unterstützung und Assistenz:

Unterstützung wäre zum Beispiel, wenn der/die UnterstützerIn darauf hinweist, dass der Text etwas anders formuliert eventuell besser verständlich wäre. Er hat also das Recht Vorschläge einzubringen. Ein Assistent hat zum Beispiel die Aufgabe Gesprochenes einer Person mit Sprachproblemen zu übersetzen. Der/die AssistentIn macht, was ihm/ihr aufgetragen wird.

Manche Leute brauchen Unterstützung und Assistenz und andere brauchen entweder Unterstützung oder Assistenz. Im Idealfall entwickelt sich die Unterstützung zur Assistenz. (Aber Dinge können auch unterschiedlich wahrgenommen werden)

Als ein weiteres Beispiel zum Klären des Unterschiedes zwischen Unterstützung und Assistenz dient die Honorarnote. Jetzt ist die Hilfestellung beim Ausfüllen der Honorarnote noch eine Unterstützung, da beim ersten Mal eine Erklärung nötig ist, wie die Honorarnote ausgefüllt werden muss. Wenn die Referenzgruppenmitglieder die Honorarnote ohne zusätzliche Erklärung ausfüllen können und eine Person nur jemanden zum Ausfüllen braucht, weil er/sie nicht schreiben kann, dann ist das Assistenz. Diese Person diktiert also dem/der AssistentIn, was er/sie schreiben muss.

Bei Assistenz ist ein Mensch mit Lernschwierigkeiten der/die AuftraggeberIn und entscheidet daher, was der/die AssistentIn zu machen hat. Er/sie muss auch für die Assistenz bezahlen. Wenn er/sie mit der Assistenz nicht zufrieden ist, kann er/sie sich von ihm/ihr trennen.

In Wien gibt es auch eine ambulante Betreuung. Diese Betreuung gibt Hilfestellungen bei der Alltagsbewältigung. Alltagsbewältigung heißt, dass man in alltäglichen Bereichen (Kochen, Essen, Körperpflege,...) Hilfestellungen bekommt, um sie durchführen oder um sie bewältigen zu können.

Menschen mit Lernschwierigkeiten haben den Wunsch "Selbstständigkeit zu üben". Dabei benötigen sie Unterstützung. Wenn sie selbstständig sind und gewisse Dinge können, leiten sie den/die AssistentInnen an, was zu tun ist. In diesem Fall spricht man von Assistenz.

Ein Referenzgruppenmitglied erzählt, dass BetreuerInnen darauf hinwiesen, dass sie keine Freunde sind und dass sie den Menschen mit Lernschwierigkeiten sagten, was zu tun ist. Jetzt ist die betroffene Person in einer eigenen Stadtwohnung und kann vieles alleine machen. Freundschaften und Beziehungen wären auch ein wichtiges Thema im Rahmen des Projektes.

In der Gruppe werden Themenvorschläge gesammelt, um die Lebensgeschichten der interviewten Personen daraufhin durchzuarbeiten. Dabei geht es nicht so sehr um die eigenen Erfahrungen, sondern um die Gedanken und die Ideen, die jedem zu diesen Lebensgeschichten einfallen. Aber die eigenen Erfahrungen prägen das eigene Denken. In dieser Weise fließen die eigenen Erfahrungen in die Arbeit der Referenzgruppe ein.

In den einzelnen Treffen wird sich die Gruppe hauptsächlich auf jeweils eine biographische Situation konzentrieren. Das Thema des Treffens im Dezember wird "Familie und Schule" sein.

Weitere mögliche Themen für nachfolgende Treffen sind

  • Schule, Übergang

  • Werkstatt

  • Ausbildungsorte

  • Arbeitsplätze

  • Freundschaften und Beziehungen

  • Unterstützerkreise

  • Öffentlichkeit und Gesellschaft

  • Politik

Die Themen wird die Gruppe von Treffen zu Treffen gemeinsam fixieren.

Die Referenzgruppe ist dann noch einmal zum Thema Ausbildung am Institut Keil oder integrative Berufsausbildung zurückgekommen. Es muss jedem klar sein, in welcher Art der Ausbildung er sich befindet. Wenn man im Rahmen einer BT eine Ausbildung macht, dann sollte vom Institut klar dargelegt werden, das es sich um eine BT handelt. Es soll vermieden werden, von "Scheinausbildungen" zu sprechen, die sich dann als BT-Ausbildungen äußern. Im Institut Keil hat man BT-Status. Diese Konditionen im Institut Keil sind wie in einer BT und müssen von Anfang an bewusst sein und erklärt werden. Wichtig ist, dass man Wahlmöglichkeiten bekommt und immer wieder neu Entscheidungen treffen kann. Dafür sind aber noch rechtliche Grundlagen nötig, die bis jetzt noch nicht vorhanden sind.

Reflexion

Am Ende des ersten Referenzgruppentreffens wird noch eine kurze Reflexionsrunde gemacht. Den TeilnehmerInnen hat dieses Wochenende sehr gut gefallen. Vor allem das Kennenlernen anderer Gruppen und anderer Leute, die Diskussionen mit einer großen Themenvielfalt und die Zusammenarbeit haben ihnen gut gefallen. Ebenfalls super ist es, durch das Projekt neue Erfahrungen machen zu können.

Es ist aber auch eine Herausforderung in etwas ganz Neues einzusteigen. Manche haben den Freitag als anstrengend, aber trotzdem interessant empfunden.

Wünsche für die nächsten Treffen?

Wünschenswert für die nächsten Treffen wären längere Pausen. Beim nächsten Treffen wird die Gruppe ca. 20 Minuten Pause machen. Ein weiterer Wunsch ist, dass während den Diskussionen auf Flipchart mitgeschrieben wird, wo die Diskussion gerade inhaltlich verläuft, weil wenn alle durcheinander sprechen, kann man nicht mehr mitdenken, kennt sich nicht mehr aus und verliert den Faden.

Was passiert bis zum nächsten Treffen?

Frau Pinetz und Herr Koenig werden mit fast allen TeilnehmerInnen der Studie ein erstes Interview führen. Dieses wird dann transkribiert und an die Referenzgruppenmitglieder per Mail oder per Post versendet.

Das Online-Diskussionsforum wird erst ab dem nächsten Treffen eingerichtet, weil dann können sich das alle Referenzgruppenmitglieder gemeinsam in Wien ansehen, wie es funktioniert. Zwischenzeitlich wird der Kontakt per Mail oder per Post gehalten.

Momentan ist die Gruppe auf dem Stand, dass die Treffen der Referenzgruppe nicht gefilmt werden.

Beobachtungsprotokoll des zweiten Referenzgruppentreffens

Wer war mit dabei?

Bei dem zweiten Referenzgruppentreffen in Wien waren folgende Personen anwesend:

Referenzgruppenmitglieder: Frau Yeri, Frau Rabl, Frau Lose, Herr Renner, Herr Leitner, Herr Nagl, Herr Amann, Frau Nussbaumer, Frau Fürst, Herr Nauerschnig, Herr Ruez und Herr Hofbauer

ModeratorInnen: Frau Pinetz, Herr Koenig

UnterstützerInnen: Frau Roth, Herr Krög

Praktikant: Herr Kuehs (um zu filmen)

Beobachterinnen: Frau Carraro, Frau Hintringer

Der Rahmen

Das zweite Treffen der Referenzgruppe findet in Wien statt. Die TeilnehmerInnen aus Tirol fahren mit dem Zug von Innsbruck nach Wien und werden dann von Herrn Nauerschnig, einem Wiener Mitglied, am Bahnhof abgeholt und in das Hotel begleitet. Dafür hat er sich bereits im Vorfeld bereit erklärt. Im Hotel liefern sie ihr Gepäck ab und fahren dann gleich weiter ins NIG, wo das Treffen stattfindet. Planmäßig hätte das Treffen um 14.30 Uhr beginnen sollen, was auf Grund der Verspätung der Tiroler Gruppe inklusive Herrn Nauerschnig und Herrn Leitner, die auch mit ihnen unterwegs sind, nicht möglich ist. Andere TeilnehmerInnen hingegen sind überpünktlich und bereits um 13.30 Uhr anwesend.

Räumlichkeiten

Der Raum, in dem dieses Referenzgruppentreffen stattfand, ist die Beratungseinheit der Forschungseinheit für Heil- und Integrative Pädagogik. Er befindet sich im sechsten Stock und ist für RollstuhlfahrerInnen barrierefrei erreichbar. Für eine Gruppe von 12 Referenzgruppenmitgliedern, zwei Moderierende und zwei Beobachterinnen ist der Raum relativ klein, was sich dadurch äußert, dass im Vorfeld Überlegungen zur Sitzordnung gemacht werden müssen. Ansonsten ist das Zimmer nicht sonderlich auffällig. Die Wände sind weiß und werden teilweise mit Plakaten vom letzten Treffen behängt. Der Raum ist so ausgerichtet, dass das Geschehen darin über vier Kameras, die jeweils in einer Ecke hängen, gefilmt werden kann. Theoretisch könnte man den Raum mittels einer Schiebewand in zwei kleinere Räume teilen. Es sind zwei Türen vorhanden, von denen nur eine genutzt und die andere durch Stühle verstellt ist. Auf der gegenüberliegenden Seite der Türen sind zwei große Fenster. An der Rückwand befindet sich ein Einwegspiegel, hinter dem ein weiterer kleiner Raum mit dem Equipment für das Aufnehmen ist. Dieser Spiegel wird jedoch von einer Jalousie verdeckt, damit er möglichst wenig auffällt und die Personen sich nicht so beobachtet fühlen. Der Stuhlkreis ist so angeordnet, dass die zwei Moderierenden gegenüber dem Einwegspiegel stehen. Außerdem gibt es noch ein kleines Buffet, das sich in der Ecke neben der Eingangstür befand.

Freitag, 5. Dezember 2008

Bevor das Treffen anfängt, richten die ModeratorInnen und die Beobachterinnen den Raum her, so dass genug Platz für alle ist.

Unerwartet kommt währenddessen Frau Nussbaumer, die beim ersten Treffen nicht dabei war, im NIG an. Die Situation ist komisch, da eben niemand genau gewusst hat, ob sie nun kommt oder nicht. Ursprünglich ist geplant gewesen, dass sie auch in der Referenzgruppe ist - in Innsbruck war sie jedoch nicht dabei, weil sie persönliche Probleme hatte. Es war unklar, ob es ihr bis zum zweiten Treffen besser geht und ob sie daran teilnehmen möchte und sie hat dies auch niemandem mitgeteilt.

Um 14.30 Uhr sind bereits Herr Hofbauer, Herr Nagl, Herr Amann und Frau Nussbaumer da und warten auf die Anderen.

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

Zusätzlich zu den Mitgliedern der Referenzgruppe sind auch Herr Biewer und Frau Fasching, die beiden Leiter des Forschungsprojektes, anwesend. Es ist ihnen ein Anliegen die Mitglieder der Referenzgruppe kennenzulernen, damit sie ein Bild zum Thema Referenzgruppe haben. Das Thema Referenzgruppe spielt in den Besprechungen bzw. in diesem Forschungsprojekt eine wesentliche Rolle.

In der ersten Einheit am Freitag geht es um ein erneutes Vorstellen und Kennenlernen der TeilnehmerInnen. Vor allem weil zwei neue Referenzgruppenmitglieder sowie ein Praktikant anwesend sind. Die Aufgabe des Praktikanten ist es das Treffen zu filmen und ein kurzes Protokoll zu schreiben. Herr Eichinger, der in Innsbruck beim ersten Treffen als Unterstützer für einige TeilnehmerInnen aus Wien mit dabei war, ist bei diesem Treffen nicht anwesend. Weiters wird in der ersten Einheit das Programm für dieses Treffen vorgestellt. Es wird kurz erklärt, was Frau Pinetz und Herr Koenig zwischen dem ersten und dem zweiten Referenzgruppentreffen gemacht haben.

Auch das Thema "Filmen des Treffens" wird noch einmal angesprochen. Von Frau Lose kommt ein kurzes Zögern. Aber sie stimmt schlussendlich zu.

Auch eine Wiederholung der Inhalte und des Geschehens des ersten Treffens passiert in der ersten Einheit. Dazu spricht Frau Pinetz Herrn Nagl direkt an. Das Thema Einrichtungen/Mitbestimmung in den Einrichtungen/Ausbildung vs. Beschäftigungstherapie war beim ersten Treffen sehr wichtig und erregte die Gemüter mancher TeilnehmerInnen.

Beim ersten Treffen wurde geklärt, was Partizipation heißt, um was es im Forschungsprojekt geht und dass es für schwere und unbekannte Begriffe ein Wörterbuch in leichter Sprache geben wird. Auch die Rollen unterschiedlicher Personen (UnterstützerInnen, Beobachterinnen) wurden besprochen.

Während Frau Yeri erzählt, was beim letzten Treffen passiert ist, blättert Herr Nauerschnig im Protokoll. Es kommt auch zur Sprache, dass viele TeilnehmerInnen das Protokoll gar nicht gelesen haben bzw. es nur überflogen oder schlampig gelesen haben. Als Grund führen sie an, dass ihnen das Protokoll zu lang war. Während Frau Rabl spricht, unterbricht sie Herr Nagl. Herr Koenig verweist auf die Gruppenregeln, welche ebenfalls beim ersten Treffen gemeinsam ausgearbeitet und diskutiert wurden. Währenddessen tuschelt Frau Fürst mit Frau Fasching. Die Moderatoren der Referenzgruppe weisen darauf hin, dass das Getuschel nebenbei störend ist und eingestellt werden soll.

Bevor die erste Einheit zu Ende geht und die Pause beginnt, verabschieden sich Frau Fasching und Herr Biewer noch. Herr Biewer möchte gerne später einmal bei einem Referenzgruppentreffen in Wien dabei sein, weil ihn die Arbeit der Referenzgruppe sehr interessiert. Dies möchte er aber nur, wenn er dabei den Betrieb in der Referenzgruppe nicht stört.

In der Pause haben die Mitglieder der Referenzgruppe aus Tirol erst mal die Chance anzukommen und sich mit den TeilnehmerInnen aus Wien auszutauschen, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist. Da die TeilnehmerInnen aus Tirol sowie deren UnterstützerInnen und Herr Nauerschnig zu spät gekommen sind und das Treffen sofort begonnen hat, als alle ihre Mäntel und Jacken abgelegt und Platz genommen haben, war das vorher nicht möglich. Das Treffen findet im 6. Stock des NIG statt. Es ist daher eigentlich unmöglich in einer Pause von 20 Minuten an die frische Luft zu gehen. Die RaucherInnen haben jedoch die Möglichkeit einen Stock höher in die Mensa zu gehen.

In der zweiten Einheit (ab 16.00 Uhr) sind Frau Fasching und Herr Biewer nicht mehr anwesend. Der erste Themenbereich ist ein persönlicher. Die TeilnehmerInnen der Referenzgruppe werden aufgefordert zu erzählen, was sich in der Zwischenzeit sowohl im beruflichen als auch im privaten Leben verändert hat. Dabei kann jede/r erzählen, was er/sie will. Es wird niemand dazu gezwungen.

Frau Fürst erzählt, dass sie in der Zwischenzeit mit einem SchriftstellerInnenkurs begonnen hat. Auch Frau Yeri lässt alle an ihren privaten und beruflichen Veränderungen teilhaben, die sie während dem ersten und dem zweiten Referenzgruppentreffen beschäftigt haben. In beruflicher Hinsicht hat sich der Standort ihres Büros verändert. Das Übersiedeln in ein neues Büro war anstrengend. Im privaten Bereich hat sie nach langem Kämpfen endlich die Pflegestufe 2 erreicht.

Nachdem Herr Koenig Frau Rabl bezüglich ihres bevorstehenden beruflichen Aufstiegs anspricht, erzählt sie, dass sie ab März die Projektleitung bei WIBS übernehmen wird.

Frau Pinetz spricht Herrn Leitner auf die Veränderungen in seinem Leben in den letzten zwei Monaten an. Seine Firma wird sich vergrößern. Er hat einen anderen Sitzplatz beim Chef bekommen. Herr Leitner empfindet diesen Sitzplatz als besser als den vorhergehenden. Die Berufsschule verläuft an sich gut, aber es gibt Verständnisprobleme mit den Lehrpersonen. Im März steht seine Abschlussprüfung für die teilqualifizierte Lehre bevor. Danach wird er wahrscheinlich ab April weiter in der Firma arbeiten.

Herr Nauerschnig würde gerne eine verlängerte Lehre machen. Dafür hat er kommenden Donnerstag ein Vorstellungsgespräch. Diese verlängerte Lehre würde 4 Jahre dauern.

Es kommt zu einer Stille/Pause, da ansonsten keiner erzählen will, was sich in den letzten zwei Monaten in seinem Leben verändert hat.

Daher sprechen die ModeratorInnen das nächste Thema an: das Forschungstagebuch. Herr Nauerschnig meldet sich gleich zu Wort und erzählt, dass er sein Forschungstagebuch zum heutigen Thema benutzt hat. Aber er hat es jetzt leider verlegt und hätte gerne ein neues (Er hat am Samstag, am Ende des zweiten Referenzgruppentreffens auch ein Neues bekommen.). Herr Nauerschnig äußert, dass die Familie zum Beispiel hilft in einen Beruf rein zu kommen. Andererseits stellt er sich und auch allen anderen die Frage, ob es gut ist, wenn die Familie/das soziale Umfeld die ganze Zeit im Arbeitsleben dabei ist. Herr Koenig weist Herrn Nauerschnig darauf hin, dass es jetzt erst mal nur um das Forschungstagebuch generell geht. Das spezielle Thema Familie wird erst später im Referenzgruppentreffen besprochen werden.

Frau Yeri, Frau Lose, Herr Renner und Herr Leitner sprachen zwischen den Referenzgruppentreffen Herrn Krög auf das Forschungstagebuch an. Das Forschungstagebuch war bei diesen Personen zwischen den beiden Treffen sehr wohl ein Thema. Es ist aber unklar (vor allem für Frau Yeri) was tatsächlich in das Forschungstagebuch hineingeschrieben werden soll. Daraufhin wird ein Handout ausgeteilt, auf dem Frau Pinetz und Herr Koenig zusammengestellt haben, was ein Forschungstagebuch ist, wofür es verwendet wird und was eventuell hineingeschrieben werden könnte. Während das Gespräch weiterläuft, beginnen einige der TeilnehmerInnen in dem Handout zu lesen, bis Frau Pinetz sie darauf hinweist, dass sie das später oder im Zug lesen sollen.

Frau Fürst schrieb bis jetzt auch noch nichts in ihr Forschungstagebuch. Aber sie möchte jetzt damit beginnen.

Frau Yeri würde es als hilfreich empfinden, wenn sie die Interviewausschnitte bereits vor den jeweiligen Treffen bekommen könnte, damit sie sich ihre Gedanken dazu machen und diese dann im Forschungstagebuch festhalten kann.

16.17 Uhr

Das Thema Lebensgeschichte wird als zentrales Thema der ersten Interviewphase im Rahmen der Referenzgruppe als eigentlicher Einstieg in die inhaltliche Auseinandersetzung der Referenzgruppe angesprochen. Herr Kuehs verlässt jetzt den Raum und beginnt mit der Videoaufzeichnung des Treffens.

Warum ist es wichtig, sich mit Lebensgeschichten auseinanderzusetzen? (Herr Koenig)

Durch die Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten bzw. durch das Sprechen über die Lebensgeschichte kann es zu einer Verbesserung der Lebenssituation kommen (Herr Amann). Dadurch, dass man sich verschiedene Lebensgeschichten anschaut, denkt man über die eigene nach - so eine Art Selbstreflexion. Man stellt sich dabei die Frage, warum war mein Leben so und ein Anderes anders? (Frau Yeri).

Die Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten kann auch Gleichheiten aufzeigen. Man hinterfragt dann, warum in manchen Situationen gleich gehandelt wurde? (Herr Nauerschnig). Frau Rabl beschäftigt sich mit Lebensgeschichten, um Andere besser verstehen zu können. Frau Fürst spricht in dieser Diskussion ein persönliches Thema und persönliche Gefühle an. Sie ist zurzeit gefühlsmäßig im Keller und fühlt sich in der Arbeit beengt. Sie wünscht sich eine radikale berufsmäßige Veränderung, weil sie sich in ihrem Beruf als Außenseiterin fühlt. Die Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten kann daher eine Motivation sein, sein eigenes Leben zu verändern. Zu einem späteren Zeitpunkt kommt Frau Yeri noch mal auf dieses persönliche Statement von Frau Fürst zu sprechen. Als Frau Yeri selbst in dieser Lage war, schrieb sie sich ihre Probleme immer auf. Für sie war es wichtig alles Schritt für Schritt gemeinsam mit Anderen abzuarbeiten. Es ist ein langer Prozess und man benötigt viel Geduld. Das Wichtige aber ist, dass man seine Probleme nicht "runterschluckt", sondern versucht sie schrittweise zu lösen. (Diesen Rat gibt Frau Yeri Frau Fürst, nachdem Frau Fürst sagt, dass die eigenen Schwierigkeiten durch die Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte besser erkannt werden können.)

Herr Hofbauer sieht in der Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten die Möglichkeit die eigene Lebensgeschichte mit anderen vergleichen zu können und eventuell auch sein eigenes Leben dadurch verändern zu können. Frau Pinetz fasst zusammen, dass schon mehrere TeilnehmerInnen angesprochen haben, dass jede Lebensgeschichte einzigartig ist. Die Lebensgeschichten der Menschen sind wichtig für die Gesellschaft.

Es entsteht eine kurze Pause. Daraufhin wird gefragt, wer sich mit Lebensgeschichten von anderen Personen beschäftigt. Frau Rabl, Frau Fürst, Frau Yeri, Herr Hofbauer und Herr Nauerschnig beschäftigen sich mit Lebensgeschichten. Herr Renner meldet sich erst später.

Was macht ihr, wenn ihr euch mit den Lebensgeschichten anderer Menschen beschäftigt? Herr Hofbauer hört zu, redet, reflektiert und versucht sich in die andere Person hineinzuversetzen. Frau Rabl findet das Mitfühlen zentral in der Beratung. Wichtig ist auch, dass man sagt, dass man das von der Person Geschilderte auch kennt. Man soll signalisieren, ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben.

Herr Renner hat vor kurzem ein Beratungsgespräch per Telefon geführt. Dabei wurden ihm Teile einer Lebensgeschichte im privaten Bereich erzählt.

Frau Yeri erzählt von einer Frau, die ausziehen wollte. Sie unterstützte sie bei der Umsetzung ihres Wunsches. Wenn andere Schwierigkeiten haben, ist es wichtig zu erzählen, welche Schwierigkeiten man selbst hat oder in einer ähnlichen Situation hatte. Dadurch werden die Menschen motiviert auch Veränderungen durchzuführen und nicht aufzugeben. Frau Yeri sieht sich in der Beratungstätigkeit in einer Vorreiterrolle.

Herr Renner ist Leiter von einem Lehrlingstreff. Er sagt, dass das Erzählen von der eigenen Lebensgeschichte viel Mut erfordert. Das hat er aus seiner Tätigkeit als Leiter dieses Lehrlingstreffs gelernt. Viele junge Menschen melden sich dort an und wollen dann bei den Treffen doch nicht darüber sprechen. Die TeilnehmerInnen dieser Treffs wollen angesprochen werden.

16.37 Uhr

Für Herrn Nauerschnig heißt die Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten, dass er anderen Personen Kontakte vermitteln und sie zu aktivem Handeln bestärken kann bzw. Strategien für mögliche Lösungswege anzubieten.

Wenn man über die eigene Lebensgeschichte spricht, kann man eigene Schwierigkeiten besser erkennen (Frau Fürst). (An dieser Stelle gibt Frau Yeri Frau Fürst einen Rat; dieser wurde bereits weiter oben genauer geschildert.)

Herr Hofbauer sagt, dass man bei Veränderungen strategisch vorgehen muss. Er spricht auch Themen an, die in Lebensgeschichten problematisch sein können, zum Beispiel Krankheiten. Er ist der Meinung, dass man manchmal auch egoistisch sein muss.

16.45 Uhr

Herr Koenig leitet zum nächsten Thema über. Stationen in einer Lebensgeschichte. Dazu teilt Frau Pinetz ein Handout aus, auf dem eine Lebensgeschichte mit möglichen Stationen abgebildet ist. Diese Abbildung stammt von Stefan Doose und heißt der Lebensweg. Während Frau Pinetz das Handout austeilt, wird es unruhig in der Gruppe.

Herr Hofbauer sagt, Bedürfnisse, wie zum Beispiel eine Freundin, eine eigene Wohnung oder die Arbeit gehören ebenfalls zu einer Lebensgeschichte. Herr Hofbauer schaut meist auf den Boden, wenn er spricht.

Probleme mit den Eltern, der Prozess des Loslassens sind ebenfalls Teil einer Lebensgeschichte. Denn manches erstreckt sich über das ganze Leben einer Person. (Frau Rabl)

Während Frau Rabl spricht, streichelt Frau Lose Frau Yeri über den Rücken.

Herr Nauerschnig zählt keine Stationen in einer Lebensgeschichte auf, sondern stellt die Frage, wie es den Menschen auf der Gefühlsebene in den einzelnen Lebensabschnitten wohl gehen wird.

Eltern haben beim Loslassen der Kinder oft Ängste (Frau Yeri).

Herr Koenig fragt nach, ob man genau weiß, was gemeint ist, wenn einem jemand folgende Aufgabe stellt: Erzähl mir deine Lebensgeschichte. Er verweist darauf, dass in den bis jetzt geführten Interviews das Thema, welches viele sehr bewegt hat, das Thema Eltern war.

Ab hier beginnen die Referenzgruppenmitglieder klare Stationen in einer Lebensgeschichte zu benennen.

Herr Nauerschnig: Kindheit

Frau Fürst: Jugend, Pubertät, Teenager

Frau Rabl: Leben im Heim, Wie kommt man dahin? Kennt man nur ein Leben im Heim? Das Leben bei einer Familie ist anders als das Leben im Heim.

Herr Hofbauer: Viele Menschen hatten eine schwierige Vergangenheit. Es ist wichtig, dass man darüber offen und ehrlich spricht und man sich etwas von der Seele reden kann.

16.55 Uhr

Welche Fragen kann man in Bezug auf die Stationen in einer Lebensgeschichte stellen?

Wie war die Schule? Wie war die Schulzeit?

Wie würdest du deine Kindheit beschreiben wollen? Das Wort wollen wird dann diskutiert. Es kann nämlich zweideutig verstanden werden. Einerseits kann es dazu auffordern nur das zu erzählen, was man erzählen will. Andererseits kann es missverstanden werden und der/die Befragte erfindet eine Kindheit, die er/sie sich wünschen würde und die aber nicht der tatsächlich erlebten Kindheit entspricht. Daher wird nach einer anderen Formulierung gesucht: Magst du mir von deiner Kindheit erzählen? Oder Wie hast du deine Kindheit erlebt?

Wie hast du gelernt mit deinen eigenen Lernschwierigkeiten umzugehen? Das Thema der eigenen Lernschwierigkeiten ist ein sehr heikles. Viele der InterviewpartnerInnen haben das Wort Lernschwierigkeiten noch nie gehört und können damit nichts anfangen. Nach drei weiteren Kommentaren will Herr Renner den Begriff Lernschwierigkeit noch klären. Lernschwierigkeit betrifft die mentale Behinderung.

Frau Nussbaumer: Hattest du Schwierigkeiten in deinem Leben?

Herr Hofbauer: Wie erlebst du deine Ausbildung/Arbeit?

Herr Amann: Wie brachte oder bringt man den Umgang mit Jugend und Behinderung in Einklang? Das Bewusstsein über die eigene Behinderung nimmt mit steigendem Alter zu. In der Kindheit wird man eh behütet.

Herr Nauerschnig: Hat sich deine Behinderung auf deine Berufswahl, -wunsch ausgewirkt?

An dieser Stelle wirft Herr Koenig ein, dass viele der formulierten Fragen eine Reflexion der Personen voraussetzen. Die TeilnehmerInnen sollen versuchen einfachere Fragen zu stellen.

Betreutes Wohnen ist kein Ersatz für die Familie, da es keine richtige Familie ist. Die richtige Familie fehlt Herrn Amann sehr. Er wohnt seit 1992 in einem betreuten Wohnen und trauert innerlich immer noch dem Familienverband nach. Als Herr Amann diese persönlichen Gefühle schildert, bekommt er eine zittrige Stimme.

Auch Frau Rabl spricht an, dass ein Heim kein daheim ist.

17.09 Uhr

Herr Koenig verweist auf die Zeit und es wird eine 20-minütige Pause verkündet. Bevor jedoch die Pause beginnt, erklärt Herr Koenig noch, dass nach der Pause zu den Themen Familie und Schule gearbeitet wird. Die ReferenzgruppenteilnehmerInnen sollen sich dazu - je nach Interesse - selbstständig zu dem Bereich zuordnen, welcher ihnen am Besten zusagt.

17.30 Uhr

Nach der Pause wird in zwei Gruppen weitergearbeitet. Die Gruppe, die sich mit dem Thema Schule auseinandersetzt, geht mit Frau Pinetz in den Leseraum des Instituts für Heil- und Integrative Pädagogik. Dieser Raum befindet sich ebenfalls im 6. Stock des NIG's; bietet aber nicht die Möglichkeit, die Diskussion zu filmen. Die Gruppe, die sich mit dem Thema Familie auseinandersetzt, bleibt mit Herrn Koenig in der Beratungseinheit und wird auch gefilmt.

Zum Themenbereich Familie arbeiten folgende Personen: Frau Nussbaumer, Herr Ruez, Herr Leitner, Herr Renner, Herr Amann, Frau Rabl, Herr Nagl, Frau Lose und Herr Koenig. Herr Krög und Frau Roth sind auch anwesend.

Zuerst wird ein Brainstorming zum Thema Familie gemacht. Es ist nicht allen klar, was ein Brainstorming ist und daher versucht Herr Renner es zu erklären. In diesem Fall sollen Schlagwörter zum Thema Familie gesammelt werden.

Herr Renner ist in dieser Arbeitseinheit aktiver als er es in der Einheit zuvor war.

Herr Krög übernimmt die Koordination der Wortmeldungen, damit Herr Koenig die genannten Schlagwörter auf dem Flipchart festhalten kann. Bevor das Brainstorming richtig beginnt, fragt Herr Nagl noch einmal nach, ob jetzt auch die Kamera mitläuft. Das wird bejaht.

Schlagwörter: Zusammenhalt, Konflikt, Lösungen der Konflikte gemeinsam suchen, Loslassen, zueinander stehen, Ängste, Sorgen, Frieden, Respekt, Stress (bei diesem Wort macht sich allgemeines Lachen breit), Geborgenheit, Freiraum, Bevormundung, Zuhören, Akzeptanz, eingesperrt, ausgesperrt, Hass, Boshaftigkeit Aggressivität, Unfrieden, Verzweiflung, Unzufriedenheit, schwieriges Thema.

Herr Nagl bringt ein, dass er alleine ist und sozusagen keine Familie hat. Für ihn ist das Thema Familie ein sehr schwieriges Thema.

In dieser Kleingruppenarbeit des Brainstormings bringen sich auch Herr Ruez und Herr Nagl mehr ein, als zuvor in der Großgruppe. Obwohl sich Herr Ruez einerseits mehr einbringt, schenkt er kurz darauf wieder mehr Aufmerksamkeit seinem Handy.

17.40 Uhr

Im nächsten Schritt soll der Versuch unternommen werden, die gesammelten Begriffe zu ordnen und einzuteilen. Herr Renner schlägt den Begriff "Zusammenhalt" vor. Zusammenhalt innerhalb einer Familie ist nicht immer selbstverständlich und kann auch brechen, beispielsweise durch ein behindertes Kind. In schwierigen Situationen soll man sich in einer Familie gegenseitig unterstützen und zusammenhalten. (Während Herr Renner seine Gedanken zu dem Schlagwort Zusammenhalt ausführt, wird er durch das Umhergehen von Herrn Koenig und Herrn Krög irritiert. Herr Krög und Herr Koenig suchen nach einem Tixo, damit sie das Plakat mit den zuvor gesammelten Begriffen so aufhängen können, so dass in der nachfolgenden Diskussion die einzelnen Begriffe weiterhin für alle sichtbar sind.) Behinderte Kinder werden in Familien oft ausgegrenzt und sind nicht so präsent wie die Kinder ohne Behinderung. Eltern sind oft verlegen, wenn sie von einem Kind mit Behinderung sprechen oder erzählen. Für den Zusammenhalt einer Familie ist es wichtig, dass alle Kinder unabhängig von einer Behinderung Akzeptanz finden.

Frau Lose sagt etwas. Herr Nagl versteht sie nicht und ergreift die Initiative und fragt nach.

17.46 Uhr

Herr Koenig spricht nun der Reihe nach die TeilnehmerInnen an, dass sie sich einen Begriff aus den zuvor gesammelten aussuchen und ihre Gedanken dazu bzw. was sie damit verbinden, sagen sollen.

Herr Nagl sucht sich den Begriff "Akzeptanz" aus. Akzeptanz bedeutet, dass die Behinderung eines Menschen gesehen und erkannt wird. Wichtig dabei ist, dass der Mensch mit Behinderung akzeptiert wird. Man soll behinderte Kinder nicht als dumm oder faul abstempeln und ihnen keine Vorwürfe machen.

Frau Rabl wählt "Loslassen". Loslassen ist eine harte Nuss und schwierig für Eltern. Es war nicht ganz klar, was sie mit "harte Nuss" meint und andere TeilnehmerInnen helfen ihr zu erklären, was sie meint. Das Thema Loslassen ist präsent, wenn man auszieht und die Eltern das nicht wollen und ständig nein, nein, nein sagen. Aber nicht nur Eltern, sondern auch BetreuerInnen und Organisationen wollen oft nicht, dass Menschen mit Behinderung ausziehen und selbstständig leben. Loslassen bedeutet auch das Umfeld und die Umgebung alleine zu erkunden.

Während Frau Rabl spricht, tuscheln Herr Amann und Herr Renner. An dieser Stelle rechtfertigt Herr Renner sein Tuscheln mit Herrn Amann zuvor.

Herr Krög bringt sich inhaltlich ein und verlässt seine Rolle als Unterstützer. Für ihn hat Loslassen viel mit den vorhandenen Angeboten zu tun. Loslassen ist nicht nur ein psychisches Problem. Aus der Elternperspektive gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Angebote gesehen werden können. Einerseits gibt es Angebote in Richtung Selbstbestimmung. Es gibt sie aber auch in Richtung Überbehütung.

Es entsteht eine hitzigere Diskussion. Frau Roth ergreift die Initiative und weist darauf hin, dass es in diesem Rahmen um die Sicht der Menschen mit Lernschwierigkeiten geht.

17.55 Uhr

Herr Amann wählt den Begriff "miteinander" aus. In einer Geschwisterbeziehung geht es um ein miteinander. Kinder ohne Behinderung sollen auch etwas mit ihren Geschwistern mit Behinderung unternehmen. Herr Renner fragt hier zu den Begriffen "gesunde Kinder" und "kranke Kinder" nach. Ihm stellt sich die Frage, ob ein behindertes Kind ein krankes Kind ist. Herr Amann sagt daraufhin, dass Behinderung keine Krankheit sei. Herr Koenig betont, dass die Behinderung für manche Menschen eine Krankheit ist und für Andere wiederum ihre Stärke. Es hängt davon ab, wie die Personen selbst dazu stehen und wie sie es sehen. Herr Renner resümiert, dass es eine Frage der eigenen Perspektive ist. Frau Nussbaumer wiederholt dann den Beitrag von Herrn Amann und Herr Leitner fragt nach, was Miteinbeziehung heißt. Miteinbezogen sein heißt, dass man eingebunden ist und nicht nur bloß mitkommt. Man wird miteinbezogen, wenn man gefragt und nicht einfach übergangen wird (Frau Roth) bzw. nicht überrollt wird (Herr Ruez).

Herr Renner wählt den Begriff "Ängste" aus. Menschen stellen sich die Frage, ob sie ihr Leben in den Griff bekommen können mit einer neuen Unterstützung. Familienmitglieder haben oft Angst, wenn Menschen mit Lernschwierigkeiten ausziehen. Es kommt oft vor, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten unterdrückt werden. Menschen mit Lernschwierigkeiten bekommen oft zu hören, dass sie etwas nicht können. Frau Lose, die sich bis jetzt eher ruhig verhalten hat, wirft dann ein, dass die Eltern, etc. sagen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten etwas nicht können, weil die Eltern selbst es ihnen nicht zutrauen. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben selbst Ängste; zum Beispiel die Angst vor der eigenen Familienplanung oder -gründung (Herr Ruez).

Herr Nagl hält sich bei diesen Diskussionen im Hintergrund.

18.05 Uhr

Herr Leitner wählt das Schlagwort "Konflikte" aus. In der Familie soll man nicht streiten. Herr Koenig wirft ein, dass in vielen Interviews vorkam, dass in der Familie nicht gestritten wird. Daraufhin sagen viele anwesende TeilnehmerInnen, dass es das nicht gibt. Es könnte eine Sache des Vertrauens sein, dass man über die Konflikte innerhalb einer Familie nicht mit jemand anderen spricht. Weil aus der Familie darf nichts rauskommen und der Familienschein muss aufrecht erhalten werden. Diese Diskussion über die Konflikte in einer Familie und das Sprechen darüber erregt die Gemüter der TeilnehmerInnen. In den Interviews kam auch der Satz "bei uns wurde nie gestritten" vor. Die TeilnehmerInnen vermuten, dass es wahrscheinlich immer kleinere Streitereien gegeben hat, aber nichts Gravierendes. Hinter dieser Aussage könnte aber auch der Versuch stecken, abzublocken, um weitere Nachfragen zu verhindern. Das Aushalten von Konflikten ist sehr schwer (Frau Rabl).

Herr Ruez will noch etwas zu diesem Thema sagen, aber Herr Koenig stresst, dass sich Frau Nussbaumer nun einen Begriff aussuchen soll, da er unter Zeitdruck steht.

Frau Nussbaumer wählt den Begriff "eingesperrt". Das bedeutet für sie, wenn man in der Familie nicht akzeptiert und eingesperrt wird und nicht hinaus darf. Jemanden einzusperren könnte die Konsequenz von Ängsten und fehlender Akzeptanz sein. Familienmitglieder sperren aus Angst ein (Frau Lose). Herr Koenig hat Frau Lose falsch verstanden und Frau Nussbaumer hilft ihr es noch einmal zu erklären, da Frau Lose unsicher wurde. Eingesperrt sein heißt auch, dass man keinen Freiraum hat bzw. nur einen eingeschränkten Bewegungs- und Handlungsspielraum.

18.12 Uhr

Frau Lose soll sich einen Begriff aussuchen. Sie überlegt ein wenig und ist sich unsicher, was sie nehmen soll. Dann will sie den Begriff "Geborgenheit" auswählen. Sie muss aber zuerst nachfragen, was Geborgenheit heißt. Geborgenheit heißt sich wohlfühlen. Herr Koenig fordert sie auf sich einen Begriff auszusuchen, der ihr bekannt ist. Sie wählt "Respekt". Noch bevor sie sagen kann, was das für sie bedeutet, wirft Herr Amann ein: Respekt zu einander. Für Frau Lose bedeutet es sich gegenseitig zu respektieren. Menschen mit Behinderung akzeptieren Menschen ohne Behinderung und umgekehrt. Wenn man sich respektiert fühlt, dann fühlt man sich gut. Es ist ein angenehmes und positives Gefühl. Wenn man ausgeschlossen und überrollt wird bzw. fehlende Anerkennung erlebt, dann fühlt man sich nicht respektiert.

Während der Auseinandersetzung mit dem Begriff Respekt will Frau Pinetz schon mit ihrer Gruppe in den Raum kommen, da sie bereits mit ihrer Ideensammlung und Diskussion zum Thema Schule fertig sind.

Herr Renner will in der Auseinandersetzung mit den Interviews neue Aspekte zum Thema Familie finden, die sie hier in ihrer Sammlung nicht aufgezählt haben. Er findet, dass dadurch das Forschen noch interessanter wird.

Da nun die andere Gruppe endgültig in den Raum kommt, wird es laut und unruhig.

Das gegenseitige Vorstellen der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen wird, schon bevor die Aufsplittung in die Arbeitsgruppen erfolgt, auf Samstag früh verschoben.

Wenn Frau Pinetz nicht auf die Wortmeldungen achtet und diese koordiniert, wird es sehr laut und unruhig. Dadurch, dass dann viele sich nicht so genau an die Gruppenregeln halten und dazwischen reden bzw. sich gleich einhaken, entstehen gelegentlich hitzigere Diskussionen.

Jetzt soll in der großen Gruppe noch kurz geklärt werden, dass es noch die Möglichkeit gibt auf den Christkindlmarkt und dann erst essen zu gehen bzw. gleich essen zu gehen. Herr Hofbauer sitzt in diesen letzten paar Minuten schon wie auf Nadeln. Er stresst, ist ungeduldig und will unbedingt schon nach Hause gehen. Herr Nagl und Herr Hofbauer sind die einzigen, die nicht mehr mit auf den Christkindlmarkt und Essen gehen.

Soziale Interaktionen

15:00 Uhr

Begrüßung durch Frau Pinetz. Auch Herr Biewer und Frau Fasching sind am Anfang dabei, um die Referenzgruppe kennen zu lernen.

Es steht die Frage im Raum: Was hat sich seit dem letzten Treffen getan?

Während Frau Pinetz erzählt, was sie und Herr Koenig in den letzten zwei Monaten gemacht haben, hören alle zu. Es ist ein schneller Einstieg in das Treffen, die Referenzgruppenmitglieder verhalten sich etwas unruhig und scheinen noch nicht richtig angekommen zu sein. Anschließend gibt es noch eine kurze Vorstellungsrunde, für die, die beim letzten Treffen nicht dabei waren (Herr Hofbauer, Frau Nussbaumer, Herr Biewer und Frau Fasching). Großteils wird von den anderen aufmerksam zugehört, ab und zu wird aber auch dazwischengefragt.

15:20 Uhr

PROTOKOLL

Herr Nagl sagt, dass er sich das Protokoll vom letzten Treffen am Vortag kurz durchgelesen hat und versucht zu wiederholen, was dort besprochen und erarbeitet wurde. Auch Herr Nauerschnig und Frau Yeri sagen etwas zu dem Thema. Als Frau Rabl redet, wird sie von Herrn Nagl unterbrochen.

15:35 Uhr

PAUSE

Herr Nagl, Herr Hofbauer und Herr Leitner halten sich jeweils alleine auf dem Gang auf. Herr Amann, Frau Roth, Frau Rabl und Frau Nussbaumer sitzen beisammen und reden miteinander. Frau Yeri, Frau Lose und Frau Hintringer sitzen ebenfalls beisammen und reden. Kurz steht die Frage im Raum, ob Frau Fürst vielleicht weg muss. Sie telefoniert und verkündet dann ganz erfreut, dass sie "dank Herrn Renner" zum Glück bleiben kann. Dann umarmt sie Herrn Renner und bedankt sich bei ihm, auch Herr Nauerschnig wird von ihr umarmt.

16:00 Uhr

Nach der Pause ist eine aufgeregte Stimmung im Raum und alle reden durcheinander. Herr Nauerschnig und Herr Nagl unterbrechen die Moderation.

Frau Fürst erzählt, was sich bei ihr seit dem letzten Mal geändert hat und berichtet von ihrem neuen Buch.

Frau Yeris Firma ist umgezogen.

Frau Rabl ist ab März Projektleiterin im WIBS.

Herrn Leitners Firma ist auch umgezogen und es geht ihm jetzt besser als früher, denn er ist mit seinem Chef gemeinsam in einem Zimmer. Zuerst dachte er, dass das nicht gut geht. Außerdem kann er nach Abschluss seiner Lehre in dieser Firma bleiben, was ihn sehr freut. Herr Leitner macht den Anschein, als ob er sich in der Gruppe schon viel wohler fühlt, als beim letzten Referenzgruppentreffen.

Herr Nauerschnig erzählt stolz, dass er eine Lehre anfangen kann. Zurzeit ist er arbeitslos. Er weiß noch nicht genau, was er machen könnte. Wenn es geht, würde er gerne eine verlängerte Lehre im Büro oder Einzelhandel machen.

16:05 Uhr

FORSCHUNGSTAGEBUCH

Herr Nauerschnig sagt, dass er das Forschungstagebuch, das beim letzten Treffen ausgeteilt wurde, benutzt hat. Er hat sich einiges überlegt und stellt eine Frage zum sozialen Umfeld in den Raum. Er hat das Tagebuch jedoch verloren und hätte gerne ein Neues.

Frau Yeri sagt, dass sie das Tagebuch an sich eine gute Idee findet. Sie hatte bis jetzt aber noch keine Zeit, etwas hinein zu schreiben.

Es wird noch besprochen, dass sich die TirolerInnen zwischen den beiden Treffen nicht getroffen haben.

Herr Krög meint, er hatte das Gefühl, dass alle das Forschungstagebuch gerne benutzen würden, aber nicht genau wissen, was sie hineinschreiben sollen. Die Anderen bestätigen ihn, dass sie noch nicht genau verstanden haben, wie sie dieses Tagebuch verwenden sollen.

Frau Fürst teilt dann mit, dass sie mit dem Forschungstagebuch auch noch nicht angefangen hat.

Herr Ruez schaut sehr müde und abwesend aus. Er hat Frau Carraro in der Pause gesagt, dass er gerne nach Hause würde, weil er so müde ist. Außerdem schaut er immer wieder auf seinem Handy, wie spät es ist.

16:15 Uhr

Es wird nach Dingen gefragt, die in dem Protokoll stehen, das nach dem letzten Treffen ausgeschickt wurde. Zum Beispiel nach Terminen und was Teilhabe bedeutet. Frau Pinetz weist darauf hin, dass das alles im Protokoll steht und dass es gut wäre, wenn alle dies kurz vor den Treffen durchlesen, damit sie wieder im Thema drinnen sind.

LEBENSGESCHICHTE

Frau Fürst zeigt auf, doch Herr Koenig sieht es nicht und fordert Herrn Amann auf, zu sprechen. Dann sagt Frau Yeri etwas dazu, dann Herr Nauerschnig. Frau Fürst zeigt wieder auf und kommt wieder nicht zu Wort. Frau Rabl sagt etwas zum Thema Lebensgeschichte, aber Herr Hofbauer spricht dazwischen.

Alle reden eher allgemein über das Thema Lebensgeschichte, z.B. warum es wichtig ist, die ProbandInnen über ihre Lebensgeschichte erzählen zu lassen. Frau Fürst erzählt von ihrer eigenen Lebensgeschichte; sie fühlt sich in ihrer Arbeit als Außenseiterin.

Herr Hofbauer wirkt sehr nervös, er wackelt mit dem Fuß und schaut konzentriert zu Boden.

Großteils wird aufgezeigt, wenn eine Frage gestellt wird.

Als Frau Rabl etwas sagt, wird sie von Frau Nussbaumer bestätigt.

16:30 Uhr

Herr Amann hört aufmerksam zu und gibt zustimmende Meldung zu Frau Yeris Beitrag ab. Während Herr Renner spricht, seufzt Herr Nagl immer wieder. Herr Amann steigt wieder auf eine Diskussion ein.

Herr Nagl zu lesen, was Frau Carraro, die neben ihm sitzt, mitschreibt.

Frau Fürst erzählt, dass sie ihr Leben ändern muss, da sie Probleme hat. Frau Yeri versucht daraufhin, ihr Tipps zu geben: sie sollte den Menschen, mit denen sie Probleme hat, sagen, was nicht passt.

Herr Hofbauer zeigt die gelbe Karte, die dafür da ist, zu zeigen, wenn man etwas nicht versteht, und macht einen Witz. Er spielt den "Clown" - macht klare Ansagen, wie man vorgehen muss, wenn man Probleme hat.

Herr Ruez ist sehr müde und schaut aus, als ob er gleich einschlafen würde.

16:45 Uhr

STATIONEN UND THEMEN AUF DEM LEBENSWEG

Frau Fürst zeigt auf und möchte noch etwas sagen, doch Herr Koenig meint, dass das Thema jetzt abgeschlossen ist.

Frau Pinetz teilt ein Blatt aus, auf dem "Mein Lebensweg" aufgezeichnet ist. Alle schauen ihn genau an. Herr Hofbauer wirft einen kurzen Blick drauf und faltet ihn zusammen, dann zeigt er auf und sagt etwas zu dem Thema. Während Frau Rabl redet, packt Herr Hofbauer relativ geräuschvoll eine Mappe aus und ordnet das Blatt in einer Klarsichtfolie ein. Herr Nauerschnig schreibt währenddessen etwas auf einem Zettel auf, dann redet er. Frau Lose wirft ein, dass Herr Nauerschnig lauter reden soll, weil sie ihn sonst nicht versteht.

Frau Yeri möchte, dass erklärt wird, um was es gerade geht, was Herr Koenig dann auch macht. Herr Ruez zeigt auf und während er redet, möchte Frau Fürst dazwischenreden.

Herr Nauerschnig sagt, dass Kindheit eine Station ist. Frau Fürst sagt Jugend und Pubertät. Frau Rabl sagt auch etwas dazu. Herr Renner studiert den Zettel ganz genau.

Herr Hofbauer zeigt auf, er hat eine ganz auffällige Gestik - er starrt immer zu Boden.

16:50 Uhr

Frau Fürst "leiht" Herrn Hofbauer ein Wort und lacht herzhaft, dann möchte sie mit Herrn Leitner tuscheln, der aber nicht darauf einsteigt.

Frau Fürst zeigt auf, dann stellt Herr Koenig eine Frage und Frau Pinetz weist darauf hin, dass Frau Fürst etwas sagen möchte. Anschließend redet Frau Yeri. Als Frau Fürst spricht und Herr Nauerschnig und Herr Hofbauer dazwischen reden, macht Frau Pinetz sie auf die Gruppenregeln aufmerksam.

Nach Frau Yeri wäre eigentlich Frau Nussbaumer an der Reihe, Herr Hofbauer regt sich auf, dass er nicht gleich dran kommt. Herr Amann sagt, dass man als Baby und als Kleinkind noch gar nicht weiß, dass man behindert ist, sondern erst draufkommt, wenn man älter ist.

Die Reihenfolge, wann wer etwas sagt, kommt durcheinander. Herr Nagl versucht wieder das Protokoll von Frau Carraro zu lesen.

Herr Hofbauer macht gelangweilte Geräusche und zuckt nervös mit dem Fuß.

Herr Amann redet viel mehr als beim letzten Mal.

17:10 Uhr

PAUSE

Herr Nagl und Herr Amann wollen von Herrn Kuehs Genaueres über das Filmen wissen. Herr Nagl und Herr Krög führen ein Gespräch und Herr Renner und Herr Ruez reden miteinander.

17:30 Uhr

Die Großgruppe wird auf Wunsch der Referenzgruppenmitglieder in zwei Kleingruppen geteilt, von denen eine über das Thema "Schule", die andere über "Familie" diskutiert. Auch räumlich werden die Gruppen aufgeteilt. Die Gruppe "Familie" bleibt in der Beratungseinheit, die Gruppe "Schule" geht in den Leseraum.

Frau Carraro geht mit in den Leseraum, da dort nicht gefilmt wird, und die sozialen Prozesse daher nicht festgehalten werden können. Frau Pinetz ist die Moderatorin der Gruppe "Schule", für die sich Herr Hofbauer, Frau Yeri, Herr Nauerschnig und Frau Fürst entschieden haben.

Es wird mit einem Brainstorming zum Thema begonnen:

  • Integration wird von Frau Fürst genannt. Herr Hofbauer wirft provokant ganz viele Sachen ein, so dass Frau Pinetz unmöglich alles mitschreiben kann, was sie ihm dann auch sagt.

  • LehrerInnen

  • Frontalunterricht

  • Disziplin

Herr Nauerschnig und Frau Fürst essen Erdnüsse. Herr Hofbauer klopft nervös mit zwei Kugelschreibern aufeinander.

  • LehrerInnen haben oft kein Zutrauen in behinderte Kinder.

Herr Nauerschnig versucht immer zu erklären, was Frau Fürst gerade gesagt hat. Dann fragt er, ob sie das vielleicht gemeint hat, obwohl sich eigentlich niemand gemeldet hat, dass er Frau Fürst nicht verstanden hat. Und Frau Fürst sagt dann etwas wie: "Ja genau, das wollte ich sagen."

  • StützlehrerInnen sind unkooperativ.

  • Schule kann auch Spaß machen.

  • Sonderschule: beim Lernen mehr Zeit.

Herr Hofbauer spielt mit seinen zwei Stiften Flugzeug und versteckt sich hinter seiner Schildkappe. Während Herr Hofbauer spricht, plaudern Frau Fürst und Herr Nauerschnig.

  • Lehrerinnen üben häufig Macht aus.

Herr Nauerschnig und Frau Fürst sind aufs Essen konzentriert. Herr Hofbauer will sich auch ein paar Erdnüsse nehmen, woraufhin Herr Nauerschnig erwidert, er soll sich in der Beratungseinheit welche holen.

  • Kinder und Jugendliche werden zu BeobachterInnen in Bezug auf die Stimmung der Lehrer. - Frau Yeri

Frau Fürst sagt etwas und Herr Nauerschnig möchte wieder erklären, was sie meint.

Herr Nauerschnig hat eine Mappe mit Zeugnissen, da er nächste Woche ein Vorstellungsgespräch hat, die er stolz in der Gruppe herzeigt.

  • Wenn ein Unterricht nach eigenen Lehrplänen abgehalten wird, dann sollte das den Kindern und Jugendlichen mitgeteilt werden.

  • Schullandwochen machen Spaß, da sich die SchülerInnen untereinander besser kennen lernen können.

  • LehrerInnen haben häufig kein Vertrauen in Kinder.

  • Mobbing und Diskriminierung.

Frau Yeri stellt sehr differenzierte Überlegungen an. Herr Nauerschnig hat das Bedürfnis, sich überall einzubringen. Er stellt bei allen Wortmeldungen einen Bezug zu seinen Erlebnissen her (z.B.: "Ich hab`s bei mir gemerkt...") - er gibt vor, es den Anderen so zu erklären.

  • Finanzielles fehlt für Integration.

Im Allgemeinen werden eigene Erlebnisse erzählt und Frau Pinetz versucht dann, diese zu allgemeinen Aussagen umzuformulieren.

Herr Nauerschnig sagt, dass irgendjemand "feig" ist, woraufhin Frau Yeri erwidert, dass "feig" ziemlich hart klingt. Herr Nauerschnig antwortet in einem überspitzten Ton: "Ist aber so!"

  • Mobbing wird toleriert - Opfer, Angst, Schutz fehlt.

  • Behinderten Kindern wird oft die Teilnahme an einer Projektwoche verwährt.

Herr Nauerschnig erzählt, "so war`s bei mir...". Herr Hofbauer spielt mit den Stiften Flugzeug und macht Brumm-Geräusche dazu. Frau Fürst: "Da war noch was Wichtiges, was ich dir erzählen wollte...". Sie erzählt, dass sie eine Zahnspange hatte und dass ein Lehrer zu ihr gesagt hat, dass sie die gar nicht braucht, da sie ja sowieso behindert ist - sie soll lieber mit Puppen spielen. Dann kommt es zu einer kurzen Diskussion über die Pause. Danach kommt Frau Fürst noch einmal auf die Zahnspangengeschichte zu sprechen.

Frau Pinetz fragt, was andere Kinder über ihre Erfahrungen in der Schule erzählen. Herr Nauerschnig meldet sich als erster und sagt: "Ich wollte noch mal zu mir kommen..."

  • Oft keine Zusammenarbeit zwischen Regel- und SonderschullehrerInnen.

Herr Nauerschnig erzählt eine persönliche Geschichte bis ins kleinste Detail. Frau Yeri erzählt, dass sie ursprünglich aus der Türkei kommt. Dort konnte sie nicht in die Schule gehen, weil die Eltern ihrer MitschülerInnen nicht wollten, dass ein Mädchen mit Lernschwierigkeiten mit ihren Kindern in die Klasse geht. Sie haben sogar eine Unterschriftenliste gemacht, woraufhin Frau Yeris Mutter sie aus der Schule nahm und sie zuhause selbst unterrichtet hat. Mit elf ist sie dann nach Österreich gekommen, wo ihr die Schule sehr viel Spaß gemacht hat. Herr Nauerschnig will Frau Yeri erklären, was Migration ist. Frau Yeri sagt ihm freundlich, dass sie weiß, was Migration ist.

  • Schule kann Kinder "kaputt machen".

Herr Nauerschnig erzählt von seiner Zeit in der Hauptschule. Frau Fürst hätte gerne, dass Frau Pinetz auch ihre Geschichte mit der Zahnspange aufschreibt. Frau Pinetz erklärt ihr, dass es darum geht allgemeine Sätze aufzuschreiben, die für mehrere persönliche Erlebnisse gültig sind.

  • Zusammenarbeit mit SchulkollegInnen.

Herr Nauerschnig erzählt, dass das auch bei ihm so war.

  • LehrerInnen als Vertrauenspersonen.

Bei Herrn Nauerschnig war die Vertrauensperson seine Direktorin. Während Herr Hofbauer redet, schaut Herr Nauerschnig seine Zeugnisse an.

  • In Berufsschulen fehlt Kooperation unter MitschülerInnen und LehrerInnen.

Als Frau Fürst etwas sagt, möchte Herr Nauerschnig wieder erklären, was sie meint.

  • Verständnis für Menschen mit Lernschwierigkeiten fehlt.

Samstag, 6. Dezember 2008

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

Das Treffen am Samstag beginnt ebenfalls wieder mit Verspätung, da die Tiroler Gruppe mit Herrn Nauerschnig noch nicht da ist. Auch Herr Ruez fehlt noch. Nach dem Eintreffen der Tiroler startet das Treffen um 9.50 Uhr, obwohl Herr Ruez noch immer nicht da ist.

Da am Abend die Frage aufgetaucht ist, ob die UnterstützerInnen während des ganzen Treffens dabei sein sollen oder nicht, wird diese im Rahmen des Treffens erörtert. Viele sind dafür, dass die UnterstützerInnen vor allem bei heiklen Themen, wie zum Beispiel Familie, draußen sein sollen. Andere hingegen empfinden die Anwesenheit der UnterstützerInnen nicht als störend oder unangenehm und hemmend. Herr Koenig resümiert, dass seinem Gefühl nach Frau Roth und Herr Krög die Gruppe nicht beeinflussen. Daher wird entschieden, dass jetzt einmal die UnterstützerInnen in der Gruppe bleiben, da manche TeilnehmerInnen die Unterstützung noch brauchen. Es besteht aber jederzeit die Möglichkeit, dass man die UnterstützerInnen hinausschickt und sie wieder hereinholt, wenn weniger heikle und persönliche Themen besprochen werden. Es sind einerseits viele Referenzgruppenmitglieder, die dafür sind, dass die UnterstützerInnen bei heiklen Themen den Raum verlassen sollen. Andererseits sind jedoch noch einige der Referenzgruppenmitglieder dabei, für die die Forschungstätigkeit neu ist und daher noch Unterstützung benötigen.

10.06 Uhr

Reflexion - Wie fühle ich mich? Was hat mich gestern noch beschäftigt?

Herr Ruez kommt zum Referenzgruppentreffen hinzu.

Frau Fürst haben ihre StützlehrerInnen und Schwierigkeiten mit ihnen nach dem gestrigen Treffen noch beschäftigt. Für Herrn Hofbauer war nach dem Treffen das Thema Mobbing präsent. Er empfand, dass die LehrerInnen immer wegschauten und sich nicht verantwortlich fühlten, wenn es in der Schule zu Mobbingakten kam. Frau Yeri wurde durch die Gespräche zum Thema Schule bewusst, dass es vielen in der Schule schlecht gegangen ist. Herr Nauerschnig wurde in seiner Lehre gemobbt. Nachdem während des gestrigen Treffens darüber gesprochen wurde, fühlte er sich schlecht. Es ist ihm in der Schule "scheiße" gegangen und durch die Gespräche in der Gruppe hat er erkannt, dass seine Situation mit Anderen aus der Gruppe vergleichbar ist.

10.10 Uhr

Überleitung auf die Kleingruppenarbeit

Aus der Kleingruppe, die am Vortag zum Thema Schule gearbeitet hat, wollten gleich drei Personen präsentieren.

Herr Nauerschnig beginnt mit der Präsentation und liest die Begriffe vor, die auf dem Flipchart standen: Integration, LehrerInnen/Frontalunterricht, Disziplin und Zusammenhalt, strenges Regiment der LehrerInnen (Zweierreihe, Aufzeigen), LehrerInnen trauen behinderten Kindern oft nichts zu, StützlehrerInnen sind unkooperativ, ausgrenzend, diskriminierend (Frau Fürst hat dazu eigene Erfahrungen erzählt. Die StützlehrerInnen sagten zu ihr, dass sie mit Puppen spielen solle, anstatt Mathematik zu lernen und dass ein behindertes Kind keine Zahnspange bräuchte. Herr Renner fragt, warum LehrerInnen bei derartigen Aussagen nicht zur Verantwortung gezogen werden. Herr Koenig verweist darauf, dass damals noch alles ein wenig anders war als jetzt und dass Frau Fürst die erste Sonderschülerin von Österreich war.)

Weitere Aspekte, die am Vortag gesammelt wurden, sind: Abwechslung und Spaß in der Schule und auf der Schullandwoche; Mobbing wird toleriert (Angst, Opfer, Schutz fehlt), behinderte Kinder dürfen oft nicht bei Projektwochen teilnehmen. Obwohl Herr Hofbauer jetzt präsentiert, steht Herr Nauerschnig immer noch und hat sich nicht hingesetzt. Er gibt auch Beispiele und will sich noch weiter einbringen. Kinder und Jugendliche mit Behinderung wissen oft nicht, dass sie nach dem Allgemeinen Sonderschullehrplan unterrichtet wurden. Die Schule kann Kinder mit Behinderung kaputt machen.

Das sind nicht alle Begriffe, die am Vortag zum Thema Schule gesammelt wurden, sondern nur die Wichtigsten und Zentralsten.

10.24 Uhr

Dann sind wir zur Gruppe, die sich mit dem Thema Familie beschäftigt hat, übergegangen. Herr Renner präsentiert die Ergebnisse. Zuerst liest er alle Schlagwörter vor und dann geht er auf die Diskussionen der einzelnen ausgewählten Begriffe ein.

Nachdem Herr Renner erklärt hat, was zu den Begriffen Zusammenhalt, Akzeptanz und Loslassen diskutiert wurde, unterbricht ihn Herr Koenig und setzt mit der Erklärung fort. Herr Renner sagt, dass ihn Herr Koenig unterbrochen hat, damit es schneller geht und alle lachen.

Nach der Vorstellung der Ergebnisse der Diskussionen in den beiden Gruppen, wechselt Herr Renner von der Gruppe Familie zur Gruppe Schule. Diesmal bleibt die Gruppe mit dem Thema Schule in der Beratungseinheit, wo die Kamera mitläuft und die Gruppe zum Thema Familie wechselt in den Leseraum. Nach dieser Einteilung der Kleingruppen startet die Pause.

10.55 Uhr

In dieser Arbeitseinheit wird das erste Mal direkt mit einzelnen Interviewausschnitten gearbeitet. Die Ausschnitte wurden im Vorfeld von Frau Pinetz und Herrn Koenig ausgewählt und aus dem vorarlbergerischen Dialekt ins Hochdeutsche übertragen. Die TeilnehmerInnen haben zuerst die Aufgabe, die Ausschnitte aus dem ersten Interview zu lesen. Dabei treten einige Fragen auf. Herr Nauerschnig verweist zum Beispiel darauf, dass er aus seiner Forschungstätigkeit im Seminar von Herrn Koenig und Herrn Buchner schon weiß, was "I" (= Interviewer) und "IP" (Interviewpartner) heißt. Frau Yeri will wissen, was im Transkript "xxx" heißt (= wenn etwas beim Transkribieren vom Tonband nicht verstanden wurde) und was es heißt, wenn etwas unterstrichen ist (= wenn gleichzeitig gesprochen wurde). Herr Nauerschnig fragt nach, was "(1)" heißt (= verstrichene Sekunden im Interview). Herr Hofbauer sagt beim leisen Lesen des ersten Interviews ständig etwas, wie "ja", "guat" oder "passt schon". Nachdem er mit dem Lesen fertig ist und die Anderen noch nicht, bückt er sich und hebt sein gelbes Kärtchen auf. Dann spielt er mit seiner Kappe.

Nachdem alle mit dem Lesen fertig sind, erklärt Frau Pinetz, was jetzt gemacht werden soll. Herr Koenig und Frau Pinetz haben sich im Vorfeld drei Fragen überlegt, an Hand denen die Interviewausschnitte durch besprochen werden sollen.

  1. Was erzählt die Person? (Was steht wirklich da?)

  2. Wie sieht die Person die Situation? (Dabei kann man an Hand des Textes Vermutungen äußern)

  3. Wie geht es der Person?

Nachdem es immer lauter wird, weist Frau Pinetz auf die Disziplin hin. Herr Hofbauer will die gelben Kärtchen verteilen, damit sie jede/r zum Aufzeigen verwenden kann. Herr Renner, Frau Yeri und Frau Fürst wollen keine, Herr Nauerschnig schon.

Zur Beantwortung der ersten Frage zum ersten Abschnitt im ersten Interview meldet sich Herr Hofbauer sofort.

  • Stationen: Kindergarten, Vorschule, Sonderschule, Berufssupport

(Flipchart-Plakat hält nicht gut und fällt runter)

  • Orte: Lochau und Bregenz

Herr Hofbauer und Frau Fürst melden sich immer wieder zu Wort und kommentieren.

Auf das Nachfragen des Interviewers erfährt man, dass sich die Vorschule und auch die Sonderschule in Lochau befanden.

  • Zufriedenheit in der Schule, gute Zeit (Frau Yeri), Freude am Lernen (Frau Pinetz); Herr Renner sagt, dass die Freude am Lernen nicht jeder nachvollziehen kann und dass es aber bei der Interviewperson so war.

11.07 Uhr

Beantwortung der zweiten und dritten Frage zum ersten Abschnitt in Interview 1:

- Die Interviewperson war zufrieden in der Schule und hatte Freude am Lernen. Der Person ging es also gut (Frau Pinetz). Herr Hofbauer, Frau Yeri und Herr Renner bestätigen das.

Frau Pinetz soll das zweite Interview laut vorlesen und dabei die Stimmlage ändern, weil es die TeilnehmerInnen als schwerer empfanden als das Erste. Nachdem das ausgemacht wurde, sagt Herr Hofbauer "gut, alright" und Frau Fürst reagiert darauf: "Das war englisch".

Frau Pinetz beginnt zu lesen. Dann läutet jedoch das Handy von Frau Fürst. Auch Herr Renner steht auf und sucht nach seinem Handy, um es lautlos zu stellen. Daraufhin fängt Frau Pinetz noch einmal von vorne an mit dem Vorlesen des zweiten Interviews und alle lesen auf ihrem Handout mit. Als Frau Pinetz "gefundet" vorliest, fängt Herr Hofbauer an zu lachen. Frau Fürst hat dann Probleme mit dem Umblättern und Frau Pinetz wartet, bis alle fertig sind mit dem Umblättern und wieder mitlesen können. Bei den Wörtern "gequ, gehänselt" gibt Herr Hofbauer wieder einen Laut von sich: "pf".

Als Frau Pinetz mit dem Lesen des Interviews fertig ist, sagt sie, dass das bei ihr eine Schwere im Bauch ausgelöst hat. Bei Frau Yeri ist das ebenfalls so. Herr Hofbauer kann das nicht nachvollziehen, bei ihm löste es nichts aus.

Bei der Auswertung dieses Interviews wird nicht gleich das ganze Interview ausgewertet, sondern das Interview wird in Abschnitte unterteilt, da es ansonsten zu lang gewesen wäre.

Beantwortung der Fragen in Bezug auf den ersten Abschnitt:

  1. Herr Hofbauer meldet sich wieder als erster zur Beantwortung der Frage und kann den Ort nicht aussprechen. Frau Pinetz und Herr Nauerschnig helfen aus. Frau Yeri merkt an, dass nicht ab der Kindheit erzählt wird, sondern ab der Schulzeit, wobei angemerkt werden muss, dass hier nach der Schulzeit und nicht nach der Kindheit gefragt wurde.

Die Person des zweiten Interviews beschreibt die Stationen gut und bringt sie auch gleich mit den jeweiligen Orten in Verbindung; anders als im vorhergehenden Interview.

  • Vorschule im Heimatort

  • Volksschule - Integrationsklasse - im Heimatort

  • Hauptschule - Integrationsklasse - im Heimatort

  • SPZ (ist dem Poly ähnlich) à dabei taucht die Frage auf, was das heißen könnte. Aber das wäre dann schon eine Interpretation, da es nicht im Interview steht.

Herr Renner ist verwirrt, weiß nicht mehr, was er jetzt machen soll und fragt daher nach. Frau Pinetz erklärt es ihm noch einmal.

Herr Nauerschnig meint zuvor einen Fehler gemacht zu haben und Herr Renner sagt ihm, dass es schon passt und dass er keinen Fehler gemacht hat.

  • Jobsuche

Herr Renner: Zum Poly müsste man noch einmal nachfragen und auch was es heißt, wenn die Interviewperson sagt: haben wir Job gesucht. Wer ist wir? Was bedeutet für die Interviewperson Poly?

Herr Hofbauer will auch etwas dazu sagen und sucht die gelbe Karte. Er kommentiert das auch. "Wo ist jetzt meine Karte schon wieder?" Frau Yeri redet bei Herrn Hofbauer dazwischen und dann spricht nur Frau Yeri.

Frage 2 und 3:

Frau Yeri und Herr Renner wollen sprechen. Herr Renner will Frau Yeri den Vortritt lassen, damit sie genügend Redezeit bekommt. Dieses Thema wurde in der Pause schon angesprochen und geklärt. Frau Yeri sprach Herrn Renner nach der ersten Einheit darauf an, dass er zu viel geredet hat und sie daher nicht das sagen konnte, was sie wollte. Frau Yeri wollte daher, dass Herr Krög bei der Kleingruppe dabei ist, wenn Herr Renner auch dabei ist, damit er auf die Redezeiten achtet. Aber es geht in dieser Diskussion auch ohne ihn. Herr Renner hat sich das sehr zu Herzen genommen, dass er laut Frau Yeri zu viel redete. Das beschäftigt ihn sehr.

Die Person spricht sehr neutral über ihre Schulzeit und gibt keine Bewertung ab (Herr Renner). Herr Hofbauer bestätigt dies. Frau Yeri meint, dass die Person nervös gewesen sein muss, weil sie oft "mhm" wiederholt. Frau Pinetz verweist, dass dieses "mhm" mehr bedeuten kann, zum Beispiel auch Unsicherheit. Herr Hofbauer deutet das "mhm", dass die Interviewperson zur nächsten Passage übergehen will und will auch im Interview weitergehen. Frau Pinetz bremst ihn und will wissen, was dieses "mhm" noch bedeuten könnte: etwas Unangenehmes (Frau Yeri), Unsicherheit (Herr Hofbauer)

Herr Nauerschnig weist darauf hin, dass er vorher schon etwas sagen wollte und nicht zu Wort kam, woraufhin sich Frau Pinetz entschuldigt. Herr Nauerschnig spricht dann sehr leise und Herr Hofbauer bittet ihn lauter zu sprechen. Das ignoriert Herr Nauerschnig und fährt fort. Frau Pinetz weist ihn auf die Aussage von Herrn Hofbauer hin; Herr Nauerschnig entschuldigt sich und spricht lauter.

Das "mhm" verwirrt Herr Nauerschnig. Er meint auch, dass die Interviewperson verwirrt war. Frau Yeri sieht das nicht so, da die Interviewperson die Stationen klar schildert. Für sie war die Interviewperson eher nervös.

Herr Renner glaubt, dass bei der Interpretation der Spielraum unbegrenzt sei. Herr Nauerschnig versteht nicht was Herr Renner sagt und bittet um Wiederholung. Frau Pinetz erklärt Herrn Renner, dass man sich bei Interpretationen immer auf den Text, den man interpretiert, beziehen muss. Und dass man nie sagen darf: "Das ist so", sondern, dass man Formulierungen wählen soll wie "es könnte sein". Bei Interpretationen handelt es sich um Wahrscheinlichkeitsaussagen. Bei einer Auswertung von Interviews richtet man sich nach einer Forschungsfrage.

Herr Nauerschnig und Frau Fürst wollen etwas sagen. Frau Pinetz weist Herrn Nauerschnig zurecht, weil Frau Fürst zuerst aufgezeigt hat. Herr Nauerschnig macht dann einen Exkurs und Frau Pinetz führt ihn wieder zum Interview zurück.

Das "mhm" im Interview darf man nicht überbewerten. Es kann auch in dem Sinne verwendet werden wie die Ostösterreicher am Ende des Satzes "ja?" anhängen oder die Westösterreicher "oder?". Das "mhm" könnte auch als ein nachdenklicher Zwischenlaut verstanden werden. Herr Hofbauer sagt wieder "alright".

11.37 Uhr

Frau Pinetz liest die zweite Passage des Interviews noch einmal laut vor.

Herr Hofbauer meldet sich wieder als Erster zu Wort und sagt, dass diese Passage ein ganz typisches Beispiel für Mobbing und Diskriminierung ist. Herr Nauerschnig widerspricht ihm, da im Interview von Vorurteilen gesprochen wird. Frau Yeri sieht das ebenfalls nicht als Mobbing. Frau Yeri wird von Herrn Nauerschnig übergangen, da sie aufgezeigt hat und nicht einfach drauf los spricht.

Innerhalb der Gruppe kommt es zu Irritationen, da es für die Gruppenmitglieder schwer ist, zwischen Interpretation und Beschreibung zu trennen. Daher führt sie Frau Pinetz wieder zurück zum ebenenweisen Vorgehen nach den Fragen, die auf einem Flipchart-Plakat stehen und für alle gut ersichtlich sind.

Beantwortung der ersten Frage:

  • Vorurteile von Mitschülern, die mit dem Älterwerden stärker wurden

  • Gut gelernt à Herr Nauerschnig fragt wo das steht und findet es dann. Dann fragt auch Frau Fürst wo das steht.

Frau Pinetz fragt Herrn Renner, ob alles klar ist. Er entschuldigt sich, weil er mit den Gedanken gerade wo anders war. Herr Hofbauer verlässt den Raum.

Beantwortung der zweiten Frage:

Frau Pinetz stellt eine Frage und Herr Nauerschnig lacht. Herr Renner will zu reden beginnen und Frau Pinetz verweist auf die Gruppenregel des Aufzeigens. Herr Hofbauer kommt wieder.

  • Die Person kann gut lernen, hat aber Probleme mit den Mitschülern wegen deren Vorurteilen (Herr Renner)

Frau Fürst erklärt daraufhin, was für sie Vorurteile sind und was dazu gehört. Das steht jedoch nicht im Interviewtext. Frau Fürst weiß nicht, wo wir sind und Frau Pinetz zeigt es ihr. Während Frau Fürst spricht, geht Herr Hofbauer langsam durch den Kreis und stöhnt beim Niedersetzen.

  • Vorurteile nehmen mit dem Älterwerden zu (Herr Nauerschnig).

Herr Hofbauer weiß auch nicht, wo wir sind. Auch ihm zeigt es Frau Pinetz. Herr Renner steht auf und geht durch den Kreis, um sich einen Kuchen zu holen. Dann holt sich auch Herr Nauerschnig etwas zu essen. Es entsteht Unruhe.

Frau Yeri geht zur Beantwortung der dritten Frage über:

  • Die Interviewperson beschreibt die eigene Situation als eher nicht gut. Die Interviewperson weist keine guten Gefühle auf (Herr Nauerschnig).

Frau Fürst steht nun auch auf, um sich einen Kuchen zu holen.

  • Emotionen kommen vor (Herr Hofbauer).

Frau Pinetz schlägt auf Grund der Unruhe und des ständigen Durch-den-Raum- Gehens eine Pause vor. Aber alle Referenzgruppenmitglieder wollen weitermachen.

Frau Pinetz beginnt den nächsten Abschnitt vorzulesen. Obwohl dieser noch auf der vorhergehenden Seite beginnt, hat Frau Fürst schon umgeblättert. Während Frau Pinetz liest, isst Herr Nauerschnig immer noch an seinen Nüssen und macht Geräusche beim Aufmachen der Nüsse.

Beantwortung der Fragen zum dritten Abschnitt des zweiten Interviews:

Diesmal fängt Herr Renner mit der Beantwortung der ersten Frage an.

  • Ausgrenzung

  • Kannst du eh nicht / wenig zutrauen

  • Wurde nachgeahmt

  • Lehrperson nicht immer unterstützend, ignorierten Probleme oder nahmen sie nicht wahr

Während Frau Pinetz schon schreibt, schlägt Herr Nauerschnig ihr vor, dass sie Schlagwörter aufschreiben soll. Sie sagt ihm, dass sie schon dabei sei. Herr Nauerschnig weiß nicht, wo wir sind.

Herr Renner schlägt für den letzten Punkt eine andere Formulierung vor, da er das Wort "unterstützend" bereits als eine Interpretation empfindet. Herr Nauerschnig empfindet das nicht so. Herr Hofbauer sagt darauf: "Wirklich Herr Kollege?" und Herr Nauerschnig antwortet: "Ja Herr Kollege". Beide lachen.

  • Interviewperson wurde gehänselt (Frau Fürst).

Während Frau Fürst spricht, redet Herr Hofbauer dazwischen. Dann spricht Herr Nauerschnig und Frau Fürst lacht.

11.57 Uhr

"oder, oder einfach nur so" à was bedeutet das?

Frau Yeri will etwas sagen, aber es ist ihr wieder entfallen und sie lacht.

Für Herrn Renner ist es schwierig etwas objektiv widerzugeben, weil er selbst viel erlebt hat.

Als Frau Pinetz mit dem Lesen des letzten Abschnittes fertig ist, pfeift Herr Hofbauer.

Beantwortung der ersten Frage:

  • Die Interviewperson versucht zu ignorieren (Herr Nauerschnig)

  • Irgendwann ging das nicht mehr / Es gab Tage an denen es wirklich schlimm war. (Herr Nauerschnig)

Herr Nauerschnig wird unsicher und fragt nach, ob er jetzt noch auf der Ebene der Beschreibung ist, oder ob er schon interpretiert hat.

Während Frau Pinetz schreibt, reden Andere durcheinander. Teilweise auch zu einem anderen Thema, wie zum Beispiel über die Schiedsrichter beim Fußballspiel.

Herr Hofbauer interpretiert und wird dabei lauter. Frau Yeri sagt ihm, dass die Hälfte von dem was Herr Hofbauer gesagt hat, gar nicht im Interview stand. Herr Nauerschnig sagt, dass er aber das Gleiche wie Herr Hofbauer heraus gelesen hat.

Während Frau Pinetz erneut schreibt, blödeln Herr Hofbauer und Herr Nauerschnig wieder herum (bam oida, fix oida)

  • Gefühle: schlecht, mit zunehmender Dauer anstrengender

Während Frau Fürst spricht, liest Herr Hofbauer den Spruch auf seinem gelben Kärtchen und liest dann auch schon beim nächsten Interview weiter, obwohl der Rest der Gruppe noch immer über das zweite Interview diskutiert.

  • dann kannst halt irgendwann nicht mehr à möglicherweise ist der Interviewperson die Kraft ausgegangen, aufgeben (Frau Yeri).

Frau Fürst und Herr Nauerschnig wollen gleichzeitig etwas sagen. Frau Fürst setzt an und entschuldigt sich dann. Herr Renner will wissen, weshalb sie sich entschuldigt. Frau Fürst erklärt ihm, dass sie sich bei Herr Nauerschnig entschuldigt, weil er auch etwas sagen wollte.

  • Ignoriert von den LehrerInnen

  • Ich geb auf, scheiß drauf (Herr Nauerschnig). Der Großteil empfindet das ebenso.

12.07 Uhr

Es klopft an der Tür und jemand bringt Flipchart-Stifte.

- Die Interviewperson ist widerwillig in der Schule

- "Oh Gott" könnte bedeuten, dass noch keine Lösungen gefunden wurden und dass die Situation noch gleich ist wie vorher. Die Situation hat sich nicht verändert.

Herr Hofbauer gibt Laute von sich.

Das "Oh Gott" könnte Verzweiflung ausdrücken und auch, dass die Interviewperson keine Kraft mehr hatte weiter zu kämpfen. Es wurde alles zu viel. (Frau Fürst)

Frau Fürst wird unsicher und fragt, ob man das so sagen kann. Frau Yeri fragt nach, ob wir eine Pause machen könnten. Daraufhin macht Frau Pinetz noch eine kurze Abschlussrunde, da die Zeit bereits weit fortgeschritten ist.

Frau Pinetz: Die Schlagwörter, die gestern zum Thema Schule gesammelt wurden, fanden sich teilweise in den Interviews wieder. Zum Beispiel: Schule kann kaputt machen, Mobbing wird toleriert. Möglicherweise werden sich die ReferenzgruppenteilnehmerInnen in der weiteren Arbeit mit den Interviews in manchen davon wiederfinden. Danach beginnt um 12.12 Uhr die Pause.

Bei der Interviewauswertung ist den Referenzgruppenmitgliedern oft nicht klar, wo sie im Text gerade sind und greifen in Folge dessen oft vor.

Wenn nur ein Moderator im Raum ist und dieser auch noch schreiben muss und daher dem Rest der Gruppe den Rücken zudreht, dann entsteht schneller eine gewisse Unruhe.

In der Pause zeigt Herr Kuehs Herrn Hofbauer, Herrn Nauerschnig und Herrn Renner die Technik für die Videoaufnahmen. Herr Nagl erzählt Frau Hintringer, dass er beim Auswerten der Interviews Probleme gehabt hat und dass er nicht mit gekommen ist - vor allem beim letzten Interview - da er sehr langsam liest. Es scheint, dass Herr Nagl mit der Situation des Interviewauswertens überfordert war.

12.38 Uhr

Nach der Pause fragen Frau Pinetz und Herr Koenig nach einem Feedback zum ersten Arbeiten mit den Interviews.

Das Auswerten des kürzeren Interviews war einfacher als die Auswertung des zweiten Interviews, welches länger war. Beim zweiten Interview verfiel man leichter ins Interpretieren. (Frau Yeri)

Es war schwer zwischen Beschreibung und Interpretation zu unterscheiden. Auch die eigene Sicht / Standpunkte und Erlebtes fließen ein. (Herr Renner)

Herr Hofbauer meint, dass es unbekannt ist, ob die Interviewperson die Wahrheit sagt, oder ob bereits bei der Interviewperson Interpretationen einfließen. Es ist schwer die Wahrheit herauszufinden. Es wird daraufhin geklärt, dass es bei der Auswertung nicht darum geht die Wahrheit heraus zu finden, sondern es geht um das, was die InterviewpartnerInnen erlebt haben und wie sie es erlebt haben. Wenn man Eltern befragen würde, würde man andere Antworten bekommen, als wenn man die betroffenen Personen selbst befragt. Bei der Befragung von Eltern würden andere Sichtweisen zum Tragen kommen. Es geht bei der Interviewauswertung darum, herauszufinden, warum eine Person das Gesagte gerade jetzt erzählt und was es bei der Person auslöst bzw. zur Folge hat, die etwas erzählt.

Herr Nauerschnig fühlte sich bei der Auswertung der Interviews überfordert und wollte schon aufgeben. Aber dann hat er sich gedacht, dass er jetzt nicht aufgeben kann. Er fragt sich, warum es so schwer ist, zwischen Beschreibung und Interpretation zu unterscheiden. Während Herr Nauerschnig all das erzählt, bindet er sich seine Schuhbänder zu.

Frau Fürst fand das Auswerten der Interviews schwer, aber toll. Sie entschuldigt sich auch für ihre Verwechslungen während der Auswertung.

Frau Rabl war beim zweiten Interview verwirrt und kannte sich nicht mehr aus. Es kann auch ein Ausdruck darüber sein, dass auch die Interviewperson in ihrem Leben Verwirrung empfindet.

Während Frau Rabl spricht, fragt Herr Renner nach den Schuhbändern von Herrn Nauerschnig.

12.50 Uhr

Nach der Feedbackrunde zum ersten Arbeiten mit den Interviewtexten werden organisatorische Dinge besprochen. Auch das Filmen wird thematisiert. Herr Nagl fühlte sich wie ein Schauobjekt. Aber jetzt weiß er die Hintergründe weshalb das Filmen von Vorteil für das Forschungsprojekt ist.

13.03 Uhr

Beginn der Reflexionsrunde

- Die Arbeit in der Kleingruppe wird von ziemlich allen als positiv empfunden, da sie sich besser konzentrieren und sich auch mehr einbringen können. Manche trauen sich in der Großgruppe weniger sagen.

- eventuell Interviews vorlesen, weil manche Personen sehr lang zum Lesen brauchen.

- Themen für das nächste Treffen: Umgang mit eigener Lernschwierigkeit

Ausbildung

Soziale Interaktionen

9:50 Uhr

Das Treffen kann wieder erst 20 Minuten später als geplant begonnen werden, da die Tiroler Referenzgruppenmitglieder den Weg vom Hotel zur Uni unterschätzt haben.

Es wird darüber diskutiert, ob die UnterstützerInnen bei bestimmten Themen aus dem Raum gehen sollen, weil die Leute sich dann vielleicht mehr zu sagen trauen. Herr Renner findet, dass das keine gute Idee ist. Frau Rabl meint, dass man sich dann vielleicht mehr traut. Frau Yeri sagt, dass es bei manchen Themen gut wäre, wenn die UnterstützerInnen nicht da sind. Herr Nauerschnig erläutert die Problematik, dass Herr Krög der Lebensgefährte von Herrn Leitners Mutter ist und dass es vielleicht ein Problem für ihn sein könnte vor Herrn Krög zum Beispiel über das Thema Familie zu sprechen. Herr Leitner meint daraufhin, dass es zwar plausibel ist, was Herr Nauerschnig gesagt hat, bei ihm aber nicht zutrifft. Er findet nämlich, dass es wichtig ist, dass die UnterstützerInnen dabei sind, da sonst nicht im Nachhinein über Inhalte oder Geschehenes bei den Treffen gesprochen und nachgefragt werden kann.

Im Allgemeinen würde Frau Carraro die Atmosphäre als ruhig und angenehm beschreiben.

10:05 Uhr

WIE FÜHLE ICH MICH HEUTE? WAS HAT MICH GESTERN NOCH BESCHÄFTIGT?

Die UnterstützerInnen haben Frau Pinetz erzählt, dass vor allem das Thema Familie ziemlich belastend gewesen sein muss. Einige Personen hätten beim Frühstück geweint, weil es ihnen nicht gut gegangen ist.

Frau Fürst sagt, dass sie am Abend noch über die Zahnspangen-Geschichte nachdenken musste. Sie fühlt sich befreit und ist froh, dass sie sie erzählt hat. Frau Yeri geht es heute besser, da sie nicht mehr so müde ist von der Zugfahrt. Es hat sie beschäftigt, dass es so vielen in der Schule schlecht gegangen ist.

Herr Nauerschnig ging es gestern Abend "scheiße" nachdem er von seiner Schulzeit erzählt hat. - Warum? Er fand es gut, von Anderen zu hören, wie es ihnen gegangen ist.

10:10 Uhr

SCHULE

Wer präsentiert die Ergebnisse von gestern? Herr Nauerschnig sagt, er könne es machen. Herr Hofbauer und Frau Fürst sagen, sie könnten es auch machen. Herr Nauerschnig sagt, dass sie es ja zu dritt machen können und beginnt. Ein Punkt, der von Frau Fürst gekommen ist, wird nicht verstanden. Herr Nauerschnig fordert sie auf, ihn zu erklären. Sie fängt an und Herr Nauerschnig unterbricht sie: "Bring ein Beispiel!"

Herr Renner versteht nicht warum das (Bsp.) passieren konnte und Frau Pinetz verweist ihn darauf, nur Verständnisfragen zu stellen. Herr Hofbauer präsentiert weiter, Herr Nauerschnig erklärt jedoch bei jedem Punkt zusätzlich, was er bedeutet.

10:20 Uhr

FAMILIE

Herr Renner präsentiert die Ergebnisse der Gruppe und auch Herr Amann versucht immer wieder etwas zu erklären. Herr Amann zeigt durch seine Einwürfe, die er schon seit gestern immer wieder bringt, dass er konzentriert dabei ist, da sie immer auf das Thema bezogen sind und überlegt klingen. Auch Herr Nagl, der für seine Verhältnisse ziemlich ruhig ist, gibt einen Kommentar zum Thema ab. Herr Renner wirkt bei der Präsentation sehr kompetent, so, als ob er so etwas schon oft gemacht hat.

10:35 Uhr

PAUSE

Frau Yeri hat Probleme damit, dass Herr Renner in die Gruppe "Schule" wechseln will. Sie beschwert sich bei Herrn Krög, was Herr Renner mitbekommt. Er ist sehr betroffen davon. Sie diskutieren zu dritt und versuchen eine Lösung zu finden.

10:55 Uhr

INTERVIEWS: FAMILIE

Die Gruppe "Familie" wechselt nun in den Leseraum. Sie besteht aus Herrn Koenig als Moderator, Herrn Ruez, Herrn Amann, Frau Lose, Frau Rabl, Frau Nussbaumer, Herrn Leitner - die Referenzgruppe, und Frau Roth und Herrn Krög als UnterstützerInnen. Es werden Zettel mit Passagen aus den bereits geführten Interviews zum Thema Familie ausgeteilt.

Herr Ruez erwähnt zu Beginn, dass er sich mit dem Arbeiten mit Interviews auskennt, da er das im Seminar "Partizipative Forschungsmethoden" schon oft gemacht hat.

Zuerst sollen die ersten zwei Seiten gelesen werden. Frau Nussbaumer und Herr Leitner sind sehr schnell, Herr Nagl braucht sehr lange. Während Herr Nagl noch am Lesen ist, reden Frau Nussbaumer und Herr Amann miteinander.

Es gibt zwei Ebenen, die zu beachten sind:

  1. Was erfahren wir über die Person?

  2. Was ist euch beim Lesen in den Sinn gekommen?

INTERVIEW 1:

  • Es besteht kein Kontakt zur leiblichen Familie, bis auf den Vater.

Die Person ist mit ihren Geschwistern im Kinderdorf aufgewachsen.

Der Vater hat sich lange nicht gemeldet, dann ist er wieder aufgetaucht, jetzt ist er tot.

  • Die Kindheit ist nicht so schön verlaufen, weil die Eltern sich nicht um sie gekümmert haben.

Man kennt den Grund nicht, warum sie von ihrer Familie weggegeben wurde. Es könnte sein, dass:

  • die Mutter zu jung war, um mit der Situation klar zu kommen

  • sich die Eltern vielleicht geschämt haben

  • sie alleine gelassen wurde

  • Gefühle nicht ausgesprochen wurden

  • Vermutung: negative Gefühle

  • Verwahrlosung von vier Kindern

Alle bringen sich in die Diskussion ein. Frau Rabl hat es etwas schwer mitzureden. Herr Ruez und Herr Nagl sind viel aktiver als in der Großgruppe. Es scheint jedoch so, als ob Herr Nagl am Anfang konzentrierter war und mit der Zeit wieder ein bisschen abgedriftet ist, so als ob er der Diskussion nicht folgen konnte.

Herr Ruez erzählt, wie es bei ihm war und warum er nicht bei seinen leiblichen Eltern aufgewachsen ist.

Herr Koenig schlägt eine mögliche Interpretation vor und fragt, was die Gruppe davon hält. Er meint, die Wahrheit wird von ihr, einer weiblichen Person, ferngehalten. Auch Frau Lose sagt ihre Meinung dazu.

11:15 Uhr

Rolle der Kinderdorfmutter:

  • große Rolle

  • fixe Ansprechperson, die sich um sie gekümmert hat

  • Mutterersatzrolle

  • Wahrscheinlich gute Beziehung, wie sich aus den gemeinsamen Aktivitäten und dem Übernachten ableiten lässt

11:30 Uhr

INTERVIEW 2:

(1)

  • Auszug:

  • erst, wenn die Eltern tot sind

  • muss zuerst lebenspraktische Sachen lernen

  • Die befragte Person lebt gerne bei ihren Eltern:

  • möchte selbstständig werden

(2) Alle denken über das Interview nach. Was ist noch aufgefallen?

  • Es ist verwirrend:

  • sie weiß eigentlich nicht, was sie will

  • sie wird verwirrt gemacht

  • Einrichtung sagt, sie muss selbstständiger werden

Es gibt viele Abhängigkeiten, z.B. erst wenn die Eltern tot sind, erst wenn sie selbstständiger ist, dann kann sie ausziehen.

Herr Nagl ist wieder konzentriert dabei und meint, die Situation in dem Interview ist vergleichbar mit den "typischen Methoden in Einrichtungen".

  • Angst:

  • dass die Eltern einmal nicht mehr können.

  • "typische Methoden in Einrichtungen"

  • Sie hat das Ausziehen selber angesprochen:

  • Eltern wollen vielleicht nicht los lassen.

  • "mindere Leute": weniger wert

12:00 Uhr

INTERVIEW 3:

(1)

  • Leben in WG seit langer Zeit

  • Erste Zeit bei Mama gelebt.

  • Psychische Erkrankung

  • Hat sehr früh Verantwortung übernehmen müssen.

  • Schwer vorzustellen

  • Wurde viel hin und her gereicht.

12:15 Uhr

GEMEINSAMKEITEN & UNTERSCHIEDE IN DEN INTERVIEWS

  • Familie ist stark mit dem Thema Wohnen verbunden.

  • Geschwisterbeziehungen.

Da wenig kommt, fragt Herr Koenig die Leute gezielt - Frau Lose

  • Erinnerung an schmerzliche Erfahrungen.

Herr Leitner geht hinaus, bevor er an die Reihe kommt und lacht als er darauf angesprochen wird.

  • Starker Wunsch nach Kontakten trotz schwieriger Verhältnisse.

  • Alle haben irgendwelche Wünsche gehabt.

WIE IST ES EUCH MIT DEN INTERVIEWS GEGANGEN?

Herr Amann: gut, es war viel Information, recht dicht, konnte Parallelen und Zusammenhänge herstellen.

Frau Rabl findet es gut und wichtig, dass sich Herr Koenig und Frau Pinetz getraut haben, die Interviews zu führen.

12:30 Uhr

PAUSE

Herr Hofbauer sitzt alleine da und wirft ab und zu einen Scherz in die Runde.

12:40 Uhr

FEEDBACK ZUR ARBEIT MIT DEN INTERVIEWS

Es herrscht eher eine rege Diskussion, die Gruppenregeln werden nicht sehr beachtet. Herr Nauerschnig betont im Zuge des Feedbacks zur Arbeit mit den Interviewtranskripten, dass die Leute aus dem Seminar schon Erfahrung haben müssten.

Frau Fürst entschuldigt sich bei Frau Pinetz, dass sie vielleicht etwas gesagt hat, was sie nicht hätte sagen sollen. Frau Pinetz meint, sie muss sich nicht entschuldigen.

FILMEN:

Frau Yeri sagt, es war ihr egal, es war nicht so schlimm, wie sie sich das vorgestellt hat. Herr Nagl jedoch fühlte sich beobachtet, als Schauobjekt.

13:00 Uhr

(1) WAS HAT MIR GEFALLEN? (2) WAS HAT MIR NICHT GEFALLEN? (3) ANREGUNGEN FÜRS NÄCHSTE MAL?

Frau Yeri: (1) kleine Gruppen, Interviews

(2) dass ohne Aufzeigen gesprochen wurde

Herr Hofbauer: (1) kleine Gruppen, aber auch die große Gruppe hat sich gut verstanden, gute Pauseneinteilung

(2) Karten wurden wenig benutzt, auch in den kleinen Gruppen haben Einzelne mehr gesprochen als Andere

(3) so wie dieses Mal

Herr Nagl: (1) es hat ihm sehr gut gefallen

(2) die ersten zwei Interviews waren einfach, er braucht jedoch länger zum Lesen - es hat ihn genervt, dass er in einer gewissen Zeit fertig werden musste und gleichzeitig alles verstehen hätte sollen

Herr Ruez: (1) es hat ihm auch sehr gut gefallen, er war zwar ruhig, aber hat mitgedacht

(2) der Dialekt im Interview

Frau Nussbaumer: (1) fand die kleine und die große Gruppe interessant

Frau Rabl: (1) die kleinen Gruppen

(2) das Herkommen vom Hotel war stressig

Herr Renner: (1) gemeinsames Forschen, Christkindlmarkt

(2) für ihn ist es schwierig, Andere ausreden zu lassen und nicht so lange zu reden - er meint, er hat da keine Disziplin

(3) wie man mit längeren Beiträgen umgeht

Herr Leitner: (1) es hat ihm gut gefallen, die kleinen Gruppen waren besser, denn die Leute trauen sich mehr

Frau Fürst: (1) sehr gut gefallen, vor allem der Abend, dort konnte man offen über Sachen reden, auch mit Herrn Krög reden, das Zusammensein

(2) dass sie manchmal nicht zum Reden gekommen ist

(3) versuchen, mehr miteinander zu reden

Frau Yeri liest einen Zettel, Frau Pinetz weist sie daraufhin, diesen später zu lesen und auch den Anderen zuzuhören.

Herr Nauerschnig: (1) kleine Gruppen, hat die Leute von Innsbruck gerne abgeholt

(3) anderer Raum, WIBS

Herr Amann: (1) sehr gut, nachdenklich, Austausch, gutes gemeinsames Arbeiten

Frau Lose: (1) sehr gut, nett, dass Herr Nauerschnig sie abgeholt hat, kleine Gruppen

THEMEN FÜR DAS NÄCHSTE TREFFEN:

  • Wie gehen Menschen mit ihrer Behinderung um?

  • Ausbildung

Herr Hofbauer sitzt auf Nadeln und springt schon zum zweiten Mal auf und fragt, ob es jetzt aus ist. "Is scho fertig?"

Beobachtungsprotokoll des dritten Referenzgruppentreffens

Wer ist mit dabei?

Bei diesem Referenzgruppentreffen sind folgende Personen anwesend:

Referenzgruppenmitglieder: Frau Yeri, Frau Rabl, Frau Lose, Herr Renner, Herr Leitner, Herr Nagl, Herr Amann, Frau Nussbaumer, Frau Fürst, Herr Nauerschnig und Herr Ruez. Herr Hofbauer kann leider auf Grund einer Grippe nicht dabei sein und hat sich im Vorfeld entschuldigt und abgemeldet.

ModeratorInnen: Frau Pinetz und Herr Koenig

UnterstützerInnen: Frau Roth und Herr Krög

Persönliche AssistentInnen: Frau Kremsner (Frau Nussbaumer), Herr Kuehs (Herr Amann) und Herr Eichinger (Herr Ruez)

Beobachterinnen: Frau Carraro und Frau Hintringer

Räumlichkeiten

Das dritte Referenzgruppentreffen des Forschungsprojekts "Berufliche Teilhabe von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung" findet in den Räumlichkeiten des "WIBS" (Wir informieren, beraten und bestimmen selbst) in Innsbruck statt. Dort stehen ein großer und ein kleinerer Besprechungsraum zur Verfügung, die jeweils ideal für Kleingruppenarbeiten sind. Die Räume sind schlicht gehaltene Besprechungszimmer mit jeweils nur einem Regal und weißen Wänden. Nur im großen Besprechungszimmer sind Bilder aufgehängt. Es gibt also in beiden Räumen genügend Möglichkeit die während dem Treffen entstandenen Flip-Chart-Bögen aufzuhängen, damit diese für alle sichtbar sind. Das Gebäude in dem sich "WIBS" befindet ist vollständig barrierefrei zugänglich. Dadurch, dass wir im Erdgeschoss sind, ist es in jeder Pause problemlos möglich, dass diejenigen, die frische Luft schnappen wollen, auch hinausgehen können.

Freitag, 13. Februar 2009

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

14.40 Uhr

Auch dieses Referenzgruppentreffen startet offiziell wieder mit einer Verspätung. Diesmal sind es nur 10 Minuten. Herr Renner ist zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht anwesend und vorerst auch am Handy nicht zu erreichen, was Herrn Krög dann aber doch gelingt. Bevor Herr Renner zu erreichen ist, werden Vermutungen darüber angestellt, wo er denn sein könnte, da niemand etwas von ihm weiß. Es wird befürchtet, dass Herr Renner eventuell im Trewi (dort fand das erste Referenzgruppentreffen statt) wartet, da er eventuell die Einladung ungenau gelesen haben könnte. Es stellt sich jedoch heraus, dass er sich lediglich in der Zeit geirrt und die Busfahrzeiten unterschätzt hat.

Bei diesem Treffen werden zum ersten Mal die farbigen Kärtchen (rot, gelb, grün) verwendet, die eigentlich vom ersten Treffen an Einsatz finden sollten. Rot bedeutet stopp und wird verwendet, wenn jemand etwas nicht versteht bzw. verstanden hat. Gelb wird verwendet, wenn jemand langsamer oder deutlicher sprechen sollte, aber auch wenn Gesagtes noch mal wiederholt werden sollte. Grün bedeutet, dass alles in Ordnung ist. Frau Yeri bemerkt, dass dieses Kartensystem wie eine Ampel funktioniert.

Nach der Begrüßung stellt Frau Pinetz den Ablauf für Freitag und Samstag vor. Diesmal arbeitet die Referenzgruppe nicht mit Interviews, sondern der Schwerpunkt soll bei den Diskussionen liegen. Es wird angekündigt, dass das nächste Mal dann verstärkt am Material gearbeitet wird. Diese Entscheidung haben Frau Pinetz und Herr Koenig getroffen, weil sie beim letzten Treffen das Gefühl hatten, dass zu viel begonnen und nichts zu Ende gebracht wurde, weil einfach die Zeit fehlte, wenn zuerst ein Thema allgemein diskutiert und dann noch mit dem Material gearbeitet wurde. Die Themen für dieses Treffen sollen "Ausbildung" und "Auseinandersetzung mit Behinderungserfahrungen" sein. Frau Pinetz und Herr Koenig planen jedoch noch ein weiteres Querschnittsthema - nämlich "Rechte und Gesetze" - und holen sich dafür das Einverständnis der Referenzgruppenmitglieder. Zentral in der Auseinandersetzung mit Rechten und Gesetzen ist das Thema "Arbeit". Sie interessieren sich für die Sichtweisen der Referenzgruppenmitglieder zu diesem Thema und fragen sie, ob die Behandlung dessen für alle in Ordnung ist.

Weiters wird besprochen, dass dieses Forschungsprojekt bereits mehrmals veröffentlicht wurde und Frau Pinetz und Herr Koenig gebeten wurden, nicht nur Textmaterialien zu diesem Thema bereit zu stellen, sondern auch Fotos. Daher besteht der Wunsch von den ModeratorInnen am Ende dieses Treffens ein Gruppenfoto zu machen. Herr Eichinger soll auch während dem Treffen ab und zu Fotos schießen. Es wird jedoch betont, dass bevor Fotos veröffentlicht werden immer alle Personen, die darauf zu finden sind, gefragt werden, ob es für sie passt, wenn ein bestimmtes Foto veröffentlicht wird. Alle sind damit einverstanden, dass Fotos gemacht werden.

Es wird bei diesem Treffen von allen das Einverständnis eingeholt, dass die Diskussionen auf Tonband aufgezeichnet werden dürfen um sie dann anschließend zu transkribieren.

REFLEXION DES 2. REFERENZGRUPPENTREFFENS

Der nächste Punkt ist die Reflexion des zweiten Treffens sowie der Zeit zwischen den Treffen. Dabei wird zuerst die Frage gestellt, was beim letzten Treffen gemacht wurde. Herr Nauerschnig meldet sich sofort zu Wort und sagt "Schule". Dann rätselt er herum, welches zweite Thema ebenfalls behandelt wurde. Auch Herr Nagl schließt sich dem Rätseln an, bis Herr Nauerschnig schließlich doch noch einfällt, dass wir zusätzlich über das Thema Familie gesprochen haben. Bereits an dieser Stelle kommt das erste Mal der Hinweis auf die Gruppenregeln und dass sich alle per Handzeichen zu Wort melden sollen und auch die anderen Wortmeldungen respektieren sollen. Herr Nauerschnig erwähnt auch, dass wir Material interpretiert haben und Frau Yeri ergänzt, dass das nicht einfach war. Auch das Thema Lebensgeschichten war ein sehr zentrales (Frau Rabl). Bevor Frau Rabl jedoch dieses Thema nennt, erwähnt Frau Pinetz, dass ihr noch ein sehr wichtiges Thema fehlt und dass manche hier beruflich damit zu tun haben.

Die nächste Frage ist, ob jemanden in der Zwischenzeit noch etwas vom letzten Mal beschäftigt hat. Frau Yeri beschäftigte noch, dass viele Menschen mit Lernschwierigkeiten schlimme Erfahrungen in der Schule gemacht haben, da sie selbst die Schulzeit nicht so erlebt hat. Während Frau Yeri das sagt, reißt Frau Fürst Zettel aus ihrem Heft, die sie vorher beschrieben hat. Sie hat begonnen den Ablauf vom Flip-Chart abzuschreiben.

Frau Rabl hat noch darüber nachgedacht, dass manche Lebensgeschichten sehr problematisch waren.

14.58 Uhr

Herr Renner kommt und entschuldigt sich für die Verspätung. Frau Rabl fährt währenddessen fort und sagt, dass sie sich kaum vorstellen kann, dass dies echte Geschichten sind. Herr Koenig ergänzt, dass es viele tragische Lebensgeschichten innerhalb der Gruppe der InterviewpartnerInnen gibt.

Herr Nauerschnig hat zu Hause allein versucht, die Interviewtexte vom letzten Mal zu interpretieren und auszuwerten, was seiner Ansicht nach sehr schwierig war. Er verweist wiederholt auf das Universitätsseminar von Herrn Koenig, in welchem er dabei ist und fragt, ob es Richtlinien gibt, wie man das Interpretieren erlernen kann. Herr Koenig fragt dann, ob allen klar ist, was "interpretieren" heißt und erklärt es noch einmal, weil es vielen unklar ist. Interpretieren heißt, dass man an das Material Fragen stellt, Annahmen und Hypothesen formuliert und auch Überlegungen zum Thema anstellt. Danach soll dies mit den InterviewpartnerInnen rück besprochen werden. Herr Nauerschnig wirft den Fachterminus "kommunikative Validierung", den er vom oben erwähnten Seminar kennt, ein.

Für Frau Fürst sagt, dass für sie beim letzten Treffen das Thema Schule sehr zentral war.

Der nächste Themenwechsel bzw. die nächste Frage kommt von Frau Pinetz: "Was ist privat bzw. in der Ausbildung bzw. beruflich in der Zwischenzeit passiert?". Es wird darauf hingewiesen, dass niemand erzählen muss, aber wer mag, der/die kann und ist herzlich dazu eingeladen.

Frau Yeri beginnt sofort zu erzählen. Sie hat seit Jänner ein neues Büro, welches zwar kleiner, aber dafür zentraler gelegen ist. Sie hat jetzt auch andere und mehr Aufgaben, aber es macht ihr Spaß. Es läuft gut für sie in der Arbeit.

Frau Rabl ist die nächste in der Runde. Bei Frau Rabl hat sich auch Neues ergeben. Sie ist seit 1. Jänner Projektleiterin von "WIBS" und ist gerade dabei sich einzuarbeiten. Herr Nauerschnig: "Herzlichen Glückwunsch." Frau Yeri ergreift die Initiative und fragt: "Wie geht's dir damit?" - Am Anfang ging es Frau Rabl nicht so gut dabei, aber jetzt geht's schon, wobei noch vieles geregelt werden muss. Frau Pinetz fragt: "Wie fühlt sich das an?" - Frau Rabl: "Es ist noch ungewohnt und bei ein paar Sachen bin ich noch unsicher." Herr Nagl zückt zum ersten Mal die rote Karte, weil er nicht mitbekommen hat, wovon Frau Rabl die Projektleitung übernommen hat. Nachdem ihm gesagt wird, dass sie die Projektleitung von "WIBS" übernommen hat, fragt er, was das ist. Es wird ihm erklärt und dann will er wissen, ob man das mit dem "Zentrum für Kompetenzen" gleichsetzen kann. Aber man kann "WIBS" und das "Zentrum für Kompetenzen" nicht ganz gleichsetzen.

Weil sich Herr Nagl hier zu Wort gemeldet hat, fordert Frau Pinetz Herr Nagl auf zu erzählen, was sich bei ihm verändert hat, da er ihrer Aussage nach, zuvor etwas zu dem Thema im Taxi erzählt hat. Herr Nagl erzählt, dass er seit 21. Jänner der Präsident von "Freak-Radio" ist, welches es seit 11 Jahren gibt. Herr Nagl hat 2002 einen Journalismuslehrgang absolviert. Früher machte er im "Freak-Radio" 30-minütige Radiosendungen für Menschen mit Behinderung. Jetzt werden diese nicht mehr im Radio ausgestrahlt, sondern sind nur noch per Internet abrufbar. Jede/r, der/die diese Sendungen hören will, muss einen Internetzugang besitzen.

Anschließend meldet sich Herr Leitner freiwillig und erzählt, dass er Ende Jänner die Berufsschule mit gutem Erfolg abgeschlossen hat und ab April fix in seiner Firma mit 30 Stunden pro Woche weiterarbeiten kann.

Auch Frau Fürst meldet sich freiwillig. Ihr geht es zurzeit privat nicht so gut und sie sagt, dass sie darauf wartet bis sie Philosophie und Germanistik studieren kann. Das wäre ein großer Wunsch von ihr. In der Arbeit gibt es einen neuen Zivildiener durch den sie sich sehr wohl fühlt und beim Malen lockerer wird.

Herr Nauerschnig erzählt dann, dass er, Frau Fürst und Herr Ruez ab Oktober 2009 an der Pädagogischen Hochschule eine Ausbildung zum/zur EmpwermentberaterIn absolvieren werden. Privat plant er einen Umzug und Zusammenzug mit einem Freund.

Frau Nussbaumer zieht arbeitstechnisch bald in das Künstlerhaus, welches derzeit gebaut wird. Während sie das erzählt, schaut sie Frau Carraro und Frau Hintringer an, weil sie mit den beiden, im Rahmen des bereits öfters erwähnten Seminars an der Universität Wien, zu diesem Thema geforscht haben. Auch Herr Amann wird mit ihr in dieses Künstlerhaus umziehen. Während Frau Nussbaumer das erzählt wird es unruhig und es wird dazwischen gesprochen.

FORSCHUNGSTAGEBUCH

Es wird dann erneut von den ModeratorInnen das Thema gewechselt. Wer nutzt das Forschungstagebuch? Zuerst meldete sich nur Herr Nauerschnig. Er sagt aber, dass er sich beim Reden leichter tut, als beim Schreiben. Da nur er das Forschungstagebuch nutzt, fragt Herr Koenig, ob noch unklar ist, was in das Forschungstagebuch hineingeschrieben werden kann. Frau Yeri erzählt dann, dass sie das Heft nicht verwendet. Sie sitzt aber oft beim Computer und deshalb schreibt sie ihre Gedanken zum Forschungsprojekt und zur Referenzgruppe auf dem Computer. Herr Koenig erklärt ihr, dass es viele verschiedene Varianten gibt, wie ein Forschungstagebuch geführt werden kann und dass jede/r selber seinen/ihren Weg herausfinden müsste.

Frau Rabl erwähnt, dass ihr noch unklar ist, was sie in das Forschungstagebuch hineinschreiben soll bzw. kann.

Soziale Interaktionen

14.40 Uhr

Nachdem sich alle außer Herr Renner eingefunden und sich um einen runden Tisch gesetzt haben, eröffnet Frau Pinetz das Treffen. Kärtchen in verschiedenen Farben, die in erweiterter Form zum klassischen Aufzeigen verwendet werden können, werden ausgeteilt. Die rote Karte bedeutet "Stopp", die gelbe Karte bedeutet "Langsamer und deutlicher sprechen" und die grüne Karte bedeutet, dass alles in Ordnung ist.

Anschließend erklärt Frau Pinetz den Ablauf der kommenden zwei Tage. Sie sagt, sie hoffe, alle Mitglieder haben im Protokoll des zweiten Referenzgruppentreffens nachgelesen, welche Themen beim letzten Mal besprochen wurden und zu welchen Schlüssen die Gruppe gekommen ist. Daraufhin lachen Herr Nagl und Frau Nussbaumer und Frau Nussbaumer sagt: "Oh Gott, i hob des nur so kurz überflogen.", Herr Nagl bestätigt sie durch ein Kopfnicken.

Es ist eine ruhige Stimmung im Raum, Frau Pinetz und Herr Koenig können ungestört reden. Frau Fürst schreibt auf einem Block mit, was auf den Plakaten steht und Herr Nauerschnig malt etwas auf den Umschlag seines Blocks. Während Herr Koenig erklärt, warum die Themen "Rechte und Gesetzte" heute bearbeitet werden, bestätigt ihn Frau Rabl immer wieder mit "ja".

Herr Nagl schaut öfters zu Boden und gähnt - er hat nur drei Stunden geschlafen, wie er mir vor dem Treffen erzählt hat. Als Frau Pinetz mit der Vorstellung des Ablaufs abschließt und sagt, dass die Gruppe dann am Samstag gegen 13.30 Uhr in Richtung Bahnhof geht, ergänzt Herr Nagl: "Wo ma dann im Zug schlafen kann." und lacht gemeinsam mit Herr Nauerschnig.

Im Anschluss wird es eher unruhig und es wird durcheinander geredet woraufhin Frau Pinetz die Gespräche unterbricht und darum bittet, zum Thema zurück zu kehren.

REFLEXION DES 2. REFERENZGRUPPENTREFFENS

Auf die Frage, welche Themen beim letzten Referenzgruppentreffen besprochen wurden, antworten viele gleichzeitig und keine Antwort wird richtig verstanden. Frau Pinetz und Herr Koenig weisen darauf hin und meinen, die Leute sollen lieber einzeln sprechen. Herr Nauerschnig sagt, dass Schule ein Thema war, dann überlegt er, in dem er das Überlegen kommentiert, was sonst noch bearbeitet wurde. Herr Nagl geht darauf ein und überlegt mit ihm. Dann fällt Herr Nauerschnig plötzlich ein, dass auch das Thema Familie zentral war. Nachdem Frau Pinetz daraufhin weist, dass noch etwas ganz wichtiges Gegenstand des letzten Treffens war, meldet sich Frau Rabl zu Wort und sagt: Lebensgeschichten.

Frau Pinetz fragt dann, ob den Referenzgruppenmitgliedern nach dem zweiten Treffen noch etwas in den Sinn gekommen ist. Frau Yeri sagt, dass es sie sehr beschäftigt hat, dass die anderen so schlimme Erfahrungen in der Schule gemacht hatten und sie fragt sich, warum. Währenddessen reißt Frau Fürst einige Blätter aus ihrem Block, was ziemlich laut ist und faltet diese dann zusammen. Als ein paar Leute schauen, woher das Geräusch kommt, lacht Herr Nauerschnig verlegen und zeigt auf Frau Fürst, als ob er sagen will: "Sie war`s!".

Als Frau Rabl über die Lebensgeschichten redet, schauen die anderen gespannt zu, wie sie auf ihre Tafel tippt und so Wörter formuliert.

15.00 Uhr

Herr Renner kommt im "WIBS" an und Frau Fürst begrüßt ihn freudig, wodurch sich Frau Rabl nicht unterbrechen lässt. Sie redet weiter, während sich Herr Renner einen Platz sucht, sich hin setzt und sich die bunten Kärtchen anschaut.

Frau Pinetz fragt, ob noch jemand sich in der Zwischenzeit mit dem Projekt beschäftigt hat. Herr Nauerschnig erzählt, dass er versucht hat, sich mit den Interviews zu beschäftigen und er sagt, er sei dabei ins Strudeln gekommen obwohl er das, wie er betont, auch schon im Universitätsseminar gemacht hat. Er merkt an, dass er sich für Auswertungsrichtlinien interessieren würde.

Herr Koenig fragt, ob allen klar ist, was interpretieren ist und alle nicken. Daraufhin spricht er Herr Leitner direkt an, ob ihm auch klar ist, was interpretieren ist. Frau Rabl ist dann die erste, die nach einer genaueren Erklärung fragte. Während Herr Koenig erklärt, schaute Herr Ruez auf sein Handy. Herr Nauerschnig unterbricht Herrn Koenig und fragt, ob das, was er gerade besschreibt hat, eine kommunikative Validierung ist. Frau Pinetz lächelt und sagt: "Mhm.".

Frau Fürst zeigt schon lange auf und sagt, dass sie seit dem letzten Mal das Thema Schule sehr beschäftigt hat.

Frau Pinetz begrüßt Herrn Renner bevor sie fragt, was bei den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern seit dem letzten Mal privat und im Job passiert ist. Während Frau Yeri von ihren Veränderungen im Job erzählt, schreibt Frau Fürst wieder etwas in ihren Block. Als Frau Rabl erzählt, dass sie nun Projektleiterin von "WIBS" ist, klopfen alle auf den Tisch und Herr Nauerschnig sagt: "herzlichen Glückwunsch". Alle hören Frau Rabl zu. Frau Roth ergänzt teilweise das, was Frau Rabl sagt und man merkt, dass auch sie sehr stolz ist. Als Frau Pinetz, Frau Rabl fragt, ob sie noch jemanden anstellen, antwortet Frau Roth, dass sie noch eine Unterstützerin anstellen, Frau Rabl sagt gleichzeitig: "ja". Herr Nagl benutzt die rote Karte um nachzufragen, was eine Projektleiterin ist, was ihm Frau Rabl dann auch erklärt. Es entsteht daraufhin ein Zweiergespräch zwischen Frau Rabl und Herrn Nagl. Herr Ruez gähnt und Herr Renner schaut abwesend auf seine Karten. Herr Nagl will dann genaueres über die Bezahlung wissen, worüber ihm Frau Roth Auskunft gibt. Frau Pinetz spricht Herrn Nagl daraufhin auf eine Geschichte an, die er ihr anscheinend im Taxi erzählt hat. Er ist ein bisschen verlegen und erzählt dann, dass er seit Neuestem Vorsitzender beim "Freak Radio" ist - alle klopften auf ihre Tische - und beschreibt, was das "Freak Radio" ist. Herr Nauerschnig unterbricht ihn und sagte: "Ihr macht Interviews und so, oder?"

Frau Pinetz meint, wir sollen beim Thema bleiben. Dann zeigt Herr Leitner auf und erzählt von seinem Berufsschulabschluss woraufhin wieder auf den Tisch geklopft wird. Herr Nagl interessiert sich für die Bezahlung in Herr Leitners Job.

Frau Fürst erzählt im Zuge der Reflexion, dass es ihr privat momentan nicht so gut geht und dass sie gerne Philosophie und Germanistik studieren möchte. Außerdem hat sie eine Frage. Herr Koenig meint jedoch, dass das jetzt nicht hier her gehört. Sie berichtet auch noch von einem neuen Zivildiener in der Arbeit, mit dem sie sich sehr gut versteht, er sei sehr nett und sie kann nun viel mehr malen.

Herr Nauerschnig teilt uns stolz mit, dass er einen Empowermentlehrgang an der Uni machen wird und dass er mit einem Freund zusammenzieht. Die neue Wohnung ist in der Nähe der Uni, was Herr Nauerschnig sehr wichtig ist, da er ja ziemlich oft dort ist, wie er betont.

Frau Nussbaumer zieht mit der Arbeit um in ein neues Künstlerhaus. Sie sagt, dass auch Herr Amann mit umzieht. Dann lacht sie und sagt, dass das alles ist und dass jetzt Herr Amann dran ist. Frau Pinetz erwidert, dass niemand etwas sagen muss und fragt, ob noch jemand was sagen möchte. Daraufhin reden alle durcheinander, was Frau Pinetz dann auch kritisch bemerkt.

15.20 Uhr

FORSCHUNGSTAGEBUCH

Es zeigt sich, dass eigentlich nur Herr Nauerschnig das Forschungstagebuch benutzt - er hatte es wie auch beim letzten Mal zu Hause vergessen. Herr Koenig fragt dann nach, ob die Referenzgruppenmitglieder die Idee des Forschungstagebuchs sinnvoll finden. Dann stellt sich heraus, dass auch Frau Yeri eine Art Forschungstagebuch an ihrem Computer schreibt. Herr Koenig erklärt, dass auch das hilfreich ist und eigentlich dasselbe, wie wenn forschungsbezogene Gedanken in ein Heft geschrieben werden. Frau Rabl ist noch unklar, was sie mit dem Forschungstagebuch anfangen soll. Herr Koenig versucht dann, deutlich zu machen, was ein Forschungstagebuch ist. Seine Erklärungen werden von Herr Nauerschnig ergänzt. Frau Pinetz fordert dann die Referenzgruppenmitglieder auf, sich bis zum nächsten Mal mit dem Forschungstagebuch zu beschäftigen. Außerdem sagt sie Frau Fürst, dass sie nicht mitschreiben soll, da es auch wieder ein Protokoll geben wird, das an alle ausgeschickt wird. Frau Pinetz meint, sie soll lieber mitdenken woraufhin Frau Fürst antwortet, dass sie ja mitdenkt.

Als es zur Aufteilung in Kleingruppen geht, wollen alle außer Frau Fürst und Herr Nauerschnig, die das Thema Ausbildung bearbeiten wollen, in die Gruppe zum Thema Behinderungserfahrungen. Herr Nauerschnig teilt uns mit, dass er das Thema Ausbildung sehr interessant findet, Frau Fürst bestätigt ihn darin. Dann fragt sie, was eigentlich das andere Thema ist. Nachdem es ihr gesagt wird, wille sich doch lieber auch zu der Gruppe "Behinderungserfahrungen".

15.30 Uhr

PAUSE

Herr Renner und Frau Fürst, Herr Nauerschnig und Herr Krög, Frau Nussbaumer, Frau Hintringer und Frau Carraro und Frau Lose und Frau Rabl reden miteinander. Herr Ruez und Herr Nagl telefonieren, nach dem Telefonat starrt Herr Nagl abwesend auf sein Handy. Herr Amann sitzt alleine da während die übrigen den Raum verlassen.

BEHINDERUNGSERFAHRUNGEN - Gruppe Herr Koenig

16.00 Uhr

Es gibt zwei Kleingruppen, die sich mit Behinderungserfahrungen auseinander setzen, da sich für das Thema Ausbildung zu wenige Leute interessieren. In der Kleingruppe, die Frau Carraro beobacht sind Frau Lose, Herr Renner, Herr Leitner, Herr Amann und Frau Nussbaumer, der Unterstützer Herr Krög, der Assistent Herr Eichinger, der Moderator Herr Koenig und Frau Carraro als Beobachterin. Das Gespräch in der Gruppe wird nun auch von einem Diktiergerät aufgenommen. Das aufgenommene Material wird transkribiert und ist im Anhang zu finden.

Herr Koenig schlägt vor, ein Brainstorming zum Thema zu machen. Nachdem sich Herr Amann und Frau Nussbaumer gemeldet haben, fragt er Frau Lose, was ihr dazu einfällt. Sie sagt jedoch nichts. Frau Nussbaumer unterbricht das Schweigen und auch Herr Leitner sagt etwas zu dem Thema. Danach kommt die Frage, wie man mit Behinderung umgeht. Während des Gesprächs ist es sehr ruhig im Raum und es redet immer nur eine Person.

Es wird etwas persönlicher, da es um den Umgang mit der eigenen Behinderung geht. Herr Koenig betont in diesem Zusammenhang, dass jedeR nur das sagen soll, was er/sie möchte. Herr Renner sagt als erster etwas dazu. Herr Koenig fragt nach, was er genau meint. Herr Renner überlegt und zögert, kann es aber schlussendlich nicht genau erklären.

Herr Krög mischt sich daraufhin ein und erzählt, dass er und Herr Renner immer wieder darüber reden. Er sagt, dass Herr Renners Problem in der Unsichtbarkeit seiner Behinderung liegt. Nach seiner Wortmeldung wird es Still und niemand sagt etwas dazu. Herr Koenig fragt dann Frau Lose, wie es ihr damit geht und ob sie etwas dazu sagen mag. Es entsteht eine Pause und Frau Lose erklärt, dass sie momentan nicht weiß, was sie sagen soll. Herr Koenig erkundigt sich, ob Herr Leitner sich dazu äußern möchte, doch auch er verneint. Schließlich bemerkt Herr Koenig, dass das ein ziemlich schweres Thema ist.

Allgemein herrscht eine eher schleppende Gesprächsatmosphäre. Alle sitzen nachdenklich da. Frau Nussbaumer und Herr Amann wechseln sich kurz mit einigen Meldungen zum Thema Rollstuhl ab worauf wieder eine lange Schweigepause folgt.

Herr Koenig versucht, das Thema noch einmal anzuschneiden und fragt, wie es sich noch im Leben auswirkt. Herr Renner versucht darauf zu antworten. Er redet jedoch nicht von sich sondern stellt eine allgemeine Vermutung darüber an, wie es Menschen mit Behinderung vielleicht gehen könnte. Herr Koenig stellt weitere Fragen, von denen nicht alle beantwortet werden. Dann kommt doch eine Antwort. Auch Frau Lose meldet sich zum ersten Mal ohne Aufforderung zu Wort. Das Gespräch wird dann im Weiteren von Herrn Renner und Herrn Koenig geführt. Dann versucht Herr Koenig anhand eines Beispiels von zwei Personen mit Down Syndrom - eine hat einen tollen Job, eine eigene Wohnung usw. und die andere ist in einer Beschäftigungstherapie und lebt in einer WG - im Gespräch mit der Referenzgruppe herauszufinden, wovon der Lebensweg von Menschen mit Behinderung abhängig sein kann. Es gibt eine kurze Diskussion bei der alle durcheinander reden. Es werden zentrale Punkte der Diskussion auf dem Plakat festgehalten. Herr Amann erzählt dann auch etwas aus seiner eigenen Geschichte zu dem Thema.

Herr Koenig fragt, ob alle die Gedankengänge verstanden haben. Als niemand etwas sagt, fragte er Frau Lose, ob sie es verstanden hat worauf sie mit "geht so" antwortet. Er meint dann, sie solle in so einem Fall die dafür vorgesehenen Karten verwenden.

Herr Krög will etwas sagen und wird aber von Herrn Koenig unterbrochen, der Herrn Amann eine Frage stellt.

16.30 Uhr

BARRIEREN

Es scheint, als ob es leichter fällt über dieses Thema zu reden. Zuerst geht es hauptsächlich um die Rollstuhlproblematik, dann fragt Herr Koenig Herrn Renner, ob er auch Barrieren hat. Nachdem Herr Renner etwas dazu sagt, fragt Herr Koenig, ob auch Frau Lose Barrieren hat woraufhin sie von ihren Barrieren beim Auszug aus der WG erzählt. Herr Leitner erzählt, auf Herrn Koenigs Aufforderung hin, von seinen Barrieren. Er sagt, dass Barrieren baulicher Natur sind.

Herr Koenig versucht, eine Geschichte zu erfinden um zu verdeutlichen, dass Barrieren sehr vielseitig sein können. Es wird dadurch ein Gespräch angeregt, an dem sich fast alle beteiligen. Frau Lose wirkt, als ob sie total abwesend ist, sie kramt in ihrer Tasche und sucht etwas darin. Das Gespräch verläuft im Weiteren vorwiegend zwischen Herrn Koenig und Herrn Renner wobei Herr Koenig Fragen stellt, die Herr Renner beantwortet. Nachdem Herr Renner eine ziemlich lange Wortmeldung ausführt, hebt Frau Lose die gelbe Karte, da es ihr zu schnell geht. Herr Koenig erklärt ihr, was besprochen wird und betont, dass es wichtig ist, dass Frau Lose alles versteht, Frau Lose nickt währenddessen immer wieder, hält jedoch keinen Blickkontakt.

Als Herr Leitner etwas von seinem Praktikum erzählt, mischte Herr Krög sich ein und erläutert seine Sichtweise zu dem Thema.

17.40 Uhr (Wechsel der Beobachterin nach der Pause)

Zu Beginn dieser Einheit versucht Herr Koenig den Bogen zur letzten Einheit zu spannen. In der Anfangsphase dieser Einheit spricht die meiste Zeit Herr Koenig und die Referenzgruppenmitglieder hören zu. Gelegentlich kommen Kommentare oder Wortmeldungen von den Mitgliedern.

Herr Renner will eine Frage stellen, um etwas zu klären. Dabei sagt er: "Lieg i da richtig?" - Herr Amann wirft ein: "Du sitzt momentan.". Die gesamte Gruppe lacht.

Herr Koenig fordert die Gruppe auf, das Wort "Barriere" zu definieren. Bei diesem Versuch einer Definition bringen sich alle ein und sind aufmerksam dabei. Oft sprechen mehrere Personen gleichzeitig.

Herr Koenig bringt sehr viele Beispiele. Er bringt oft ein Beispiel mit Herr Amann im Rollstuhl. Aber einmal sagt er: "Ich hoff du verzeist mir Fredi.". Alle lachen. Ein weiteres Beispiel ist, dass Herr Koenig zu Frau Nussbaumer hingeht, den Rollstuhl nimmt und sagt: "Soll ich dir helfen?" Frau Nussbaumer ist überrumpelt. Herr Renner kommentiert dies.

Frau Lose niest und Frau Nussbaumer bietet ihr ein Taschentuch an.

Herr Koenig spricht Frau Lose direkt an, um sie in die Diskussion einzubinden. Während er mit ihr sprechen will, diskutieren Herr Renner, Herr Krög und Herr Leitner lautstark über die Verwendung schwieriger Wörter, wodurch Herr Koenig und Frau Lose zu sprechen aufhören.

17.57 Uhr

Herr Renner erinnert Herr Koenig, dass er zu Beginn der Einheit das positive herausholen wollte. Dabei bezog er sich auf den Aspekt "Eintreten können für sich selbst". Wodurch wird dies möglich?

Herr Koenig formuliert seine Frage anders, nachdem nur eine Wortmeldung auf seine Frage kam und dann Stille entstand. Vielleicht wird seine Frage in dieser Form nicht verstanden.

Herr Amann scheint müde zu sein.

18.02 Uhr

Vor allem Herr Amann und Frau Nussbaumer diskutieren mit Herr Koenig. Zuvor war es eher Herr Renner. Manchmal bringt sich auch Herr Leitner ein. Frau Lose ist eher zurückhaltend und still. Während Herr Koenig schreibt ist es immer wieder still.

Herr Koenig blättert häufig mit den Flipchart-Plakaten hin und her und sucht Aspekte, die bereits in der ersten Einheit gesammelt wurden, um die positiven herauszufiltern, die nötig sind, damit man fähig ist, für sich selbst einstehen zu können.

Herr Renner hat erklärt, was für ihn Betreuung und Unterstützung ist. Daraufhin spricht Herr Koenig Frau Lose direkt an und fragt sie, was Betreuung für sie ist. Frau Lose scheint abwesend zu sein. Aber dann antwortet sie auf die Frage von Herrn Koenig. Auch von Herrn Leitner will Herr Koenig eine Wortmeldung zu diesen Begrifflichkeiten.

Herr Renner fragt dann noch einmal nach, was Betreuung wirklich bedeutet, weil seine Definition ja nicht stimmen muss. Herr Koenig sagt ihm, dass diese Begriffe jeder für sich definieren muss und dass sie für jeden in der Gruppe etwas anderes bedeuten.

Frau Lose weist darauf hin, wie spät es ist, und wann der nächste Bus in die Stadt hinein fährt.

Das Gespräch findet in dieser Einheit sehr oft zwischen Herrn Koenig und Herrn Renner statt. Gelegentlich bringen sich auch Frau Nussbaumer und Herr Amann viel ein. Auch Herr Leitner beteiligt sich teilweise aktiv am Gespräch. Frau Lose verhält sich überwiegend ruhig und spricht nur dann, wenn sie direkt angesprochen wird. Herr Krög hält sich in dieser Einheit sehr zurück und bringt sich nicht ein.

BEHINDERUNGSERFAHRUNGEN - Gruppe Frau Pinetz

Herr Ruez, Herr Nauerschnig, Frau Roth, Frau Rabl, Frau Fürst, Herr Nagl, Frau Yeri, Frau Pinetz.

Diese Einheit wird digital aufgezeichnet. Als das Diktiergerät eingeschaltet wird, zögert Herr Nagl ein wenig.

16.00 Uhr

Diese Einheit wird von Frau Pinetz mit der Aufforderung zu einem Brainstorming zum Thema Behinderungserfahrungen eröffnet.

Für Frau Yeri bedeuten Behinderungserfahrungen Diskriminierung zu erleben. Frau Fürst verbindet damit, dass man nicht immer seine eigene Meinung vertreten kann.

Es dauert sehr lange, bis jemand auf die Fragen von Frau Pinetz antwortet.

Frau Fürst spricht dann Herrn Nauerschnig an.

Frau Yeri verbindet mit Behinderungserfahrungen auch Angst, die Menschen haben, die sie sehen. Frau Yeri wird oft angestarrt und nicht angesprochen. Vielen ist es unklar, wie sie Menschen mit Behinderung ansprechen sollen. Die Mitmenschen treten Menschen mit Behinderung mit Unsicherheit gegenüber.

Herr Nauerschnig wirft ein, dass Behinderungserfahrungen auch bedeuten können, dass man mit Behinderung nicht der Norm entspricht. Dann erklärt er, was das für ihn heißt und fragt nach seiner Erklärung nach, ob allen klar ist, was er meint. In weiterer Folge bringen sich alle in die Diskussion ein. In der Hitze des Gefechts wird Frau Rabl übersehen. Frau Pinetz weist die Gruppe darauf hin.

Frau Yeri macht von der gelben Karte Gebrauch, um noch einmal zu dem Beispiel zurückzukehren, welches Herr Nauerschnig zuvor brachte. Menschen mit Behinderung müssen sich nicht runtermachen. Egal ob im Bereich von der Arbeit oder Freunden. Auch Menschen mit Behinderung führen ein normales Leben so wie Nicht-Behinderte.

Herr Nauerschnig unterbricht des Öfteren Diskussionsbeiträge anderer. Dann fragt er nach, ob er sie jetzt unterbrochen hat und ob er etwas sagen darf und entschuldigt sich für die Unterbrechung.

16.12 Uhr

Frau Fürst spricht und Herr Nauerschnig packt währenddessen seine Jause aus, raschelt mit dem Papier und fängt zu Essen an. Herr Ruez wirkt abwesend und schaut auf den Tisch.

Frau Fürst ist der Ansicht, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten anders mit dem Tod eines Elternteils umgehen als Menschen ohne Lernschwierigkeiten. Frau Pinetz fragt sie, warum sie dieser Ansicht ist. Frau Yeri widerspricht dieser Ansicht von Frau Fürst. Sie ist der Meinung, dass jeder - egal ob mit oder ohne Lernschwierigkeiten - einen anderen, eigenen Weg findet, um mit Trauer umzugehen. Währenddessen steht Herr Nauerschnig auf und wirft sein Jausenpapier in den Mistkübel.

Herr Nauerschnig lässt Frau Yeri bei der Wortmeldung den Vortritt, weil er ihr vorher dazwischen geredet und sie unterbrochen hat, was zur Folge hatte, dass sie nicht mehr wusste, was sie sagen wollte. Herr Nauerschnig bestärkt Frau Yeri in ihrer Meinung. Auf die Wortmeldung von Herr Nauerschnig hin sagt Frau Fürst: "Ja, da hast du eh recht."

Frau Pinetz regelt die Wortmeldungen des Öfteren.

Während Frau Pinetz das voll geschriebene Plakat von der Tür entfernt und daneben an die freie Wand hängt, um an der Tür ein neues, unbeschriebenes Plakat aufzuhängen, kommt es beim Rest der Gruppe zu Diskussionen über die Chefqualitäten von Frau Rabl, da Frau Pinetz vorher gefragt hatte, ob die Plakate an der Wand aufgehängt werden.

Herr Nagl, Frau Rabl und Herr Ruez halten sich in der Diskussion eher zurück und sind ruhig. Aber Herr Ruez gibt oft Kommentare zu Wortmeldungen anderer ab, bringt aber selbst keine Themen auf.

Frau Roth bringt sich in die Diskussionen ein. Auch als es um den Zusammenhang zwischen WG-Platz und Beschäftigungstherapie geht, bringt sie sich ein. Sie schaut verständnislos und bittet um Erklärungen. Herr Nauerschnig und Herr Ruez geben ihr diese.

Frau Yeri erzählt von ihren Problemen mit einer Assistentin in der WG. Frau Roth bringt sich erneut inhaltlich ein und bittet um Erklärungen bzw. will sie Frau Yeris Aussage keinen Glauben schenken, da sie von der Variante von Frau Yeri noch nie was gehört hat. Die Diskussion soll auf die Pause verschoben werden.

16.52 Uhr

Nach dem Diskussionsbeitrag von Herr Ruez fragt Frau Fürst Frau Rabl aus heiterem Himmel, ob bei ihr alles in Ordnung sei. ("Alles klar?" Frau Rabl nickt mit dem Kopf. Frau Fürst: "Ja?")

Herr Nauerschnig ist der nächste mit einem Diskussionsbeitrag. Er will warten bis Frau Pinetz mit dem schreiben fertig ist. Sie fordert ihn jedoch auf bereits zu beginnen. Während er erklärt, wieso er noch gewartet hatte, verspricht er sich und korrigiert sich dann wieder. Frau Fürst lacht dazu. Herr Nauerschnig sagt dann auch "Dingsbums". Frau Fürst wiederholt dieses Wort. Frau Pinetz verweist Herrn Nauerschnig darauf, dass das Thema Gesetze erst morgen zur Diskussion steht und hier nicht hingehört.

Der nächste Beitrag kommt von Frau Rabl. Während sie spricht steht Herr Nauerschnig auf und verlässt den Raum. Frau Fürst hält die Tafel von Frau Rabl, während jene darauf die Wörter buchstabiert und Frau Roth mitliest. Frau Roth antwortet, wenn Frau Pinetz den Beitrag von Frau Rabl zusammenfassen will oder versucht an Frau Rabl rückzufragen, ob sie mit dem Schlagwort das trifft, was Frau Rabl gemeint hat.

16.58 Uhr

Frau Pinetz sagt, dass sie schon ein Pausenbedürfnis hat, weil sie vergessen hatt, welchen dritten Punkt sie auf das Plakat schreiben wollte. Auch Herr Ruez und Herr Nagl wirken bereits müde.

Frau Fürst fragt Frau Pinetz: "Soll ich dir was helfen?" - Frau Pinetz: "Nein, danke.". Während Frau Pinetz weiter schreibt und es im Raum ruhig ist, sagt Frau Fürst: "Wir haben schon ziemlich viel schon.".

Herr Ruez und Herr Nauerschnig sprechen teilweise miteinander, während andere sich an der Diskussion beteiligen oder Frau Pinetz schreibt. Herr Nauerschnig sucht aber auch oft die Kommunikation mit Frau Roth.

Herr Ruez fragt Frau Yeri nach sehr persönlichen Dingen bezüglich ihrer Assistentin, weshalb sie damals nicht zur nächst höheren Instanz gegangen ist usw.. Frau Pinetz weist darauf hin, dass sie nicht antworten muss, wenn sie nicht will. Frau Yeri soll sich nicht rechtfertigen müssen.

PAUSE

Frau Pinetz spricht in der Pause Frau Yeri noch einmal darauf an, dass sie auf zu persönliche Sachen nicht antworten muss:

17.30 Uhr

Frau Carraro wechelt nach der Pause in die andere Kleingruppe, die von Frau Pinetz moderiert wird. Sie besteht aus Frau Fürst, Herrn Nagl, Frau Yeri, Herrn Ruez, Frau Rabl und Herrn Nauerschnig. Außerdem dabei sind die Unterstützerin Frau Roth, der Assistent Herr Kuehs und wiederum Frau Carraro als Beobachterin. Der Raum ist ziemlich klein sodass alle sehr eng beisammen sitzen. Frau Pinetz muss die Flipchart-Bögen an die Türe kleben um darauf zu schreiben und sie dann anschließend an die Wände rund um den Tisch hängen. Ansonsten ist der Raum schlicht gestaltet und ein großes Fenster lässt viel Licht herein.

Für Frau Carraro ist es etwas schwierig einzusteigen, da sie ja zuvor in der anderen Gruppe war und nicht wusste, an welchem Punkt diese Gruppe vor der Pause stehen geblieben ist. Frau Pinetz beginnt damit, dass sie darauf aufmerksam macht, dass es Frau Yeri unangenehm war, dass vor der Pause so viele persönliche Fragen an sie gestellt wurden. Frau Yeri sitzt mit einem traurigen Blick da und nickt.

Das Gespräch wendet sich dann wieder anderen Themen zu. Frau Fürst sagt etwas und fragt Herrn Nauerschnig dann, was er dazu meint. Frau Pinetz sagt, dass Herr Nauerschnig nicht immer etwas sagen muss.

Nach einer längeren Pause scheint es so, als ob alle darauf warten, dass Frau Pinetz sagt, wie es jetzt weiter geht. Mitten im Gespräch fragt Frau Roth, ob sie etwas dazu sagen darf und redet ziemlich lange. Danach flüstern Frau Roth und Herr Nauerschnig miteinander. Herr Nauerschnig schreibt etwas mit und versucht immer wieder sich mit Frau Roth zu unterhalten. Es scheint schwer, beim Thema zu bleiben, da immer wieder davon abgeschweift wird und die Leute sich teilweise in persönlichen Geschichten verlieren. Mehrere Referenzgruppenmitglieder zeigen auf und Frau Pinetz bestimmt die Reihenfolge, in der sie dran kommen.

Frau Roth fragt Frau Rabl leise, ob sie aufgezeigt hat, während jemand anderes gerade spricht. Herr Nauerschnig flüstert daraufhin mit Frau Roth und verkündet Frau Pinetz, dass Frau Rabl etwas sagen will. Er liest auf dem Buchstabenbrett mit und kommentiert das, was er liest bevor Frau Roth es für die anderen übersetzt, dann sagt er etwas über das Gelesene zu Frau Roth.

Im Laufe des weiteren Gesprächs beugt sich Frau Roth, die etwas versetzt saß, nach vorne und will auf Frau Rabls Armbanduhr schauen. Da diese etwas von ihrem Pullover verdeckt ist, musst sie ihn zuerst zurückschieben und die Uhr dann so hin drehen, dass sie sie lesen kann.

Als Frau Rabl wieder etwas sagen möchte, hält Frau Fürst ihr die Buchstabentafel, damit sich auf dem Tisch nicht verrutscht und Frau Rabl ungestört deuten kann. Frau Roth ist jedoch verhindert mit zu lesen, da Herr Nauerschnig mit ihr flüstert.

Herr Ruez fragt Frau Rabl etwas zu dem, was sie gesagt hat und Frau Roth antwortet ihm ohne zu warten, was Frau Rabl dazu sagt. Schließlich unterhsltn sich Herr Ruez und Frau Roth über das Thema.

Herr Nauerschnig redet mit Frau Roth während Frau Pinetz etwas auf das Plakat schreibt.

18.00 Uhr

Als Frau Pinetz das Plakat aufhängt, entsteht eine kleine Diskussion über Sachwalterschaft zwischen Herrn Ruez, Herrn Nagl und Herrn Nauerschnig. Frau Pinetz leitet dann wieder zum Thema zurück.

Während weiter Diskutiert wird, sitzt Herr Nagl mit geschlossenen Augen da. Frau Fürst zeigt auf, kommt jedoch nicht gleich dran.

Herr Ruez versucht, nachdem Herr Nauerschnig etwas gesagt hat, genauer zu erklären, was er gemeint haben könnte. Darauf reagiert Herr Nauerschnig gereizt und sagt, dass er ja gerade das Selbe gesagt hat.

Als Herr Ruez etwas sagt, stellt ihm Frau Roth eine Frage dazu auf die dann jedoch Herr Nauerschnig antwortet. Frau Pinetz versucht, die Reihenfolge der Wortmeldungen aufgrund der Aufzeige - Reihenfolge zu kontrollieren.

Während Frau Pinetz etwas auf das Plakat schreibt, entsteht wieder eine Diskussion hinter ihrem Rücken.

Frau Yeri beschäftigt sich während des Gesprächs unter dem Tisch mit ihrem Handy woraufhin Frau Pinetz sie mahnend anschaut und etwas dazu sagt.

Nachdem Frau Rabl etwas gesagt hat, fragt Herr Ruez sie etwas und Herr Nauerschnig antwortet darauf. Frau Rabl redet und Frau Roth ergänzt mit ihren Worten und ihrer Meinung. Herr Ruez reagiert dann auf Frau Roths Wortmeldung.

Herr Nagl nickt kurz ein und schrickt dann wieder hoch, es ist ihm sichtlich peinlich, denn er schaut in die Runde, ob es jemand bemerkt hat.

18.15 Uhr

Frau Pinetz kommt zum Schluss und fragt, wer morgen die Ergebnisse präsentieren möchte. Daraufhin zeigen Frau Fürst und Herr Nauerschnig fast zeitgleich auf, woraufhin Frau Fürst Herrn Nauerschnig anschaut und ihn fragte: "Du und ich Georg?".

Samstag, 13. Februar 2009

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

9.35 Uhr

EINSTIEG - REFLEXION

Herr Ruez und Herr Eichinger sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend, weil der Bus an der Haltestelle vorbei gefahren ist.

In dieser Einheit wird das Programm für den heutigen Tag vorgestellt und dann sollen alle, die etwas sagen wollen, sagen, was sie vom bzw. am Vortag noch beschäftigt hat. Frau Yeri beginnt. Sie haben die Auseinandersetzungen, Diskussionen des letzten Tages beschäftigt. Nach Frau Yeri kommt keine Wortmeldung mehr. Daher stellt Herr Koenig eine Frage. Für Frau Rabl war der gestrige Tag anstrengend, weil sie Zugang zum Thema finden musste. Sie sagt, dass sie dazu länger gebraucht hat, aber jetzt ist sie konzentrierter als gestern. Am Vortag war es ihr in der Kleingruppe zu unruhig. Frau Rabl war gestern die Zuordnung in der dritten Einheit unklar. Die Referenzgruppenmitglieder haben Frau Rabl ausreden lassen, das gefällt ihr. Sie merkt an, dass nicht nebenher getratscht wurde. Herr Nauerschnig blättert und liest währenddessen in Prospekten, die er sich zuvor vom Eingangsbereich des "WIBS" mitgenommen hat.

Herr Nauerschnig erzählt, dass ihn gestern noch die Auseinandersetzungen mit Gesetzen und Rechten beschäftigte. Dabei erklärt Frau Yeri denen, die nicht in ihrer und Herrn Nauerschnigs Kleingruppe sind, dass Herr Nauerschnig am Vortag nicht klar war, weshalb es wichtig ist, sich mit den eigenen Behinderungserfahrungen auseinanderzusetzen. Herr Nauerschnig versteht nicht, was PND heißt. Herr Koenig erklärt es nicht, sondern beauftragt Frau Fürst, dass sie Herrn Nauerschnig das später erklären sollte, da sie angeblich Expertin in diesem Thema ist.

Für Frau Fürst ist die Beschäftigung mit der Behinderung sehr wichtig. Sie findet das bedeutend und ihr fällt auch immer wieder auf, dass es schwer für viele ist.

9.50 Uhr

Vorstellung der Ergebnisse der Kleingruppendiskussionen vom Vortag.

Frau Fürst beginnt und liest die Schlagwörter vom Plakat ab. Herr Nauerschnig unterbricht Frau Fürst immer wieder und fragt dann erst nach, ob er etwas dazu sagen darf. Frau Fürst macht weiter und Frau Pinetz hilft ihr. Später will Herr Nauerschnig weiterpräsentieren und Frau Fürst sagt zu. Es kommt zu einem Präsentationsgespräch zwischen Frau Fürst, Herrn Nauerschnig und Frau Pinetz. Beim Thema Sachwalter schweift Herr Nauerschnig ein wenig aus. Auch Frau Nussbaumer kommentiert die Wortmeldungen von Herrn Nauerschnig. Frau Pinetz führt Herrn Nauerschnig wieder zur Präsentation zurück.

10.00 Uhr

Herr Ruez und Herr Eichinger kommen und werden von Frau Pinetz begrüßt. Sie erklärt ihnen, was wir gerade machen. Herr Nauerschnig steht auf, und holt sich etwas zu trinken.

Bei der zweiten Gruppe präsentiert nur Herr Renner. Die ModeratorInnen lassen Herrn Renner für die Präsentation Zeit. Herr Nagl schläft währenddessen fast ein und manche schauen in ein Loch (Herr Nauerschnig und Frau Lose). Dann nimmt Herr Nauerschnig wieder die Broschüren und blättert darin.

10.10 Uhr

Herr Koenig steht auf, unterbricht Herrn Renner und dankt ihm für die Präsentation. Er lobt ihn auch. Zusätzlich gibt er aber noch eine kurze Erklärung ab, dass die Vorgehensweise gestern eine andere war und Herr Renners Präsentation nicht exakt mit dem Ablauf vom Vortag übereingestimmt hat.

Dann wird gefragt, ob noch Ergänzungs- und Erklärungsbedarf besteht. Herr Amann erklärt daraufhin den Ausgangspunkt seiner Gruppe für die Diskussion. Herr Koenig stellt eine Hypothese auf, die dann diskutiert werden soll. Es meldet sich nur Frau Yeri zu Wort. Dann wird zum nächsten Thema übergegangen, da kein weiterer Diskussionsbedarf vorhanden zu sein schien.

Das neue Thema sind die Gesetze und Rechte - die Beschäftigung mit der UN-Konvention und mit bestimmten Artikeln daraus, die für das Forschungsprojekt relevant sind. Zuerst wird jedoch die Gruppe gefragt, ob sie die Kleingruppen so beibehalten wollen oder ob jemand wechseln will. Herr Renner und Frau Yeri tauschen. Auch Frau Fürst will tauschen. Sie will zu Herrn Koenig, doch er sagt, dass er das nicht will und dass sie das bereits besprochen hätten. Diese Aussage löst bei Frau Fürst Unverständnis aus.

Herr Koenig gibt dann eine allgemeine Einführung in die UN-Konvention, während Frau Pinetz die Handouts austeilt. Einige Referenzgruppenmitglieder beginnen in den Handouts zu lesen und hören vermutlich kaum zu. Herr Nagl bekommt auf Grund seines verringerten Sehvermögens eigene Handouts in größerer Schrift.

Frau Fürst hat schon 3 Mal aufgezeigt und wird nicht drangenommen. Sie stellt dann einfach ihre Frage.

Frau Pinetz teilt dann erneut Unterlagen aus und ermahnt Frau Fürst, dass sie zuhören soll.

Herr Nauerschnig will wissen, was ein Artikel ist. Bei der Klärung dieses Wortes bringt sich Frau Roth in das Diskussionsgeschehen ein.

Soziale Interaktionen

9.30 Uhr

REFLEXION

Am Samstagvormittag beginnt das Treffen, wie am Vortag besprochen um 9.30 Uhr. Alle sind pünktlich, bis auf Herrn Ruez und Herrn Eichinger, die Probleme mit dem öffentlichen Bus hatten.

Frau Yeri meldet sich als erste um ihre Eindrücke von gestern zu reflektieren, dann Frau Fürst. Als Frau Rabl an der Reihe ist, fängt Herr Nauerschnig an, einen Flyer zu lesen. Frau Lose, Herr Renner und Frau Yeri schauen Frau Rabl an, was darauf schließen lässt, dass sie ihr aufmerksam zuhören. Auch Herr Leitner liest währenddessen in irgendwelchen Unterlagen.

Herr Koenig fragt, als sich niemand mehr meldet, ob sonst noch jemand etwas sagen möchte. Herr Nagl zuckt mit den Schultern.

Nach einem kurzen Diskurs zwischen Herrn Nauerschnig und Frau Yeri, warum es wichtig ist, sich mit dem Thema Behinderung zu beschäftigen, fragt Herr Nauerschnig, was eigentlich die Pränatale Diagnostik ist. Als Frau Fürst etwas dazu sagt, liest Herr Nauerschnig in einer Mappe.

9.50 Uhr

PRÄSENTATION

Frau Fürst fängt an, zu präsentieren, was gestern in ihrer Kleingruppe erarbeitet wurde. Herr Nauerschnig unterbricht sie und erklärt ein Wort. Frau Fürst fährt dann fort, das vorzulesen, was auf den Plakaten steht. Die anderen sind ruhig, während Frau Fürst präsentiert.

Herr Ruez kommt mit seinem Assistenten Herrn Eichinger im WIPS an, er sieht ziemlich verfroren aus.

Herr Renner präsentiert die Ergebnisse seiner Kleingruppe. Er referiert in eigenen Worten und verändert auch die Reihenfolge um den anderen zu erklären, welche Gedankengänge sie gestern angestellt haben. Mir fällt auf, dass Frau Nussbaumer währenddessen auf Frau Hintringers Protokoll schaut, die direkt neben ihr sitzt. Alle sind still und Herr Nauerschnig dreht sich ab und zu um, um die Plakate zu lesen, die hinter seinem Rücken hängen. Frau Lose scheint auch, die Plakate zu lesen. Frau Fürst, Herr Ruez, Herr Amann und Herr Nauerschnig sitzen so, dass sie nicht auf die Plakate schauen können. Herr Renner redet eine Weile, dann wird er von Herrn Koenig gelobt, der das Wesentliche noch einmal in seinen Worten zusammenfasst. Auf die Frage, ob wir die Hypothese, die sie gestern aufgestellt haben, so stehen lassen können, bekommt er keine Antwort.

Herr Renner merkt an, dass er gerne die Gruppe wechseln möchte um neue Erfahrungen zu sammeln. Frau Yeri erklärt sich dazu bereit, ebenfalls zu wechseln, damit die Größe der Gruppen halbwegs ausgeglichen ist. Auch Frau Fürst will wechseln, was von Herrn Koenig jedoch abgelehnt wird.

Frau Pinetz teilt dann Zettel zur UNO aus, die Herr Ruez, Frau Fürst und Herr Renner gleich lesen. Herr Nauerschnig meldet sich, um zu erklären, was die UN-Konvention ist, liegt jedoch falsch woraufhin Herr Koenig es erklärt.

Frau Fürst zeigt auf und bekommt von Frau Pinetz ein Zeichen, dass sie sie gesehen hat. Herr Koenig redet weiter, dann fragt Frau Fürst ohne Aufforderung nach, was eine "Konvention" ist.

Frau Pinetz teilt weitere Zettel aus, während Herr Koenig etwas erklärt. Als sie an Frau Fürst vorbei geht, sagt sie ihr, sie soll zuhören und nicht lesen. Frau Fürst hört daraufhin kurz zu und liest dann aber wieder weiter. Als Herr Koenig dann mit der Erklärung fertig ist, sagt Frau Fürst, dass sie das jetzt nicht ganz verstanden hat.

Frau Nussbaumer flüsterte mit dem Assistenten Herrn Kuehs, dass Herr Nagl gerade fast eingeschlafen wäre und lächelte.

10.25 Uhr

PAUSE

Herr Leitner und Herr Krög und Frau Lose und Frau Rabl reden miteinander. Die anderen holen sich etwas zu trinken oder verlassen den Raum.

Gruppe Herr Koenig

10.40 Uhr

Nach der Pause beobachtet Frau Carraro die Kleingruppe, in der Frau Nussbaumer, Frau Lose, Frau Yeri, Herr Amann und Herr Leitner sind. Ebenfalls anwesend sind Herr Koenig als Moderator, Herr Krög als Unterstützer und Herr Kuehs als Assistent.

Es geht zuerst darum, was "Recht" überhaupt ist. Herr Koenig sitzt dabei mit den anderen am Tisch und fasst das Gesagte auf einem Flipchart zusammen. Das Gespräch verläuft hauptsächlich zwischen Herrn Koenig und Frau Yeri, die während dem reden auch immer wieder nickt.

Herr Koenig fragt Herrn Amann, der so sitzt, dass er sein Gesicht nicht sehen kann, ob er bei der Sache ist und lacht. Es gelingt ihm, alle fünf Referenzgruppenmitglieder mit einzubeziehen.

Herr Koenig liest die Rechte, die die anderen auf einem Zettel vor sich haben, vor und fragt, ob sie auch in der Realität umgesetzt werden. Frau Lose wirkt sehr abwesend, sie schaut nach unten. Mir scheint, als ob sich hauptsächlich Frau Yeri angesprochen fühlt, wenn Fragen gestellt werden. Herr Koenig spricht Frau Lose direkt an und es entsteht eine kurze Frage-Antwort-Situation. Dann beteiligen sich alle, außer Frau Lose an dem Gespräch. Herr Koenig achtet darauf, dass alle zu Wort kommen und fragt auch nach, z.B. bei Herrn Amann oder Frau Lose. Diese Kleingruppe setzt sich ausschließlich aus eher ruhigen Menschen zusammen, was sich auf die Diskussionsatmosphäre auswirkt.

Auch Herr Krög wird von Herr Koenig gefragt, ob er jemanden kennt, der bei der Schlichtungsstelle war.

Später fragt Herr Koenig, ob schon jemand bei einer Berufsberatung gewesen ist. Frau Yeri überlegt und schaut dann Herrn Krög fragend an.

Frau Lose spielt abwesend mit ihrem Ring und versteckt sich hinter ihren Haaren. Was mir auffällt ist, dass Herr Amann oft sagt, dass er etwas "noch" nicht gemacht hat, z.B. die Berufsberatung. Er lacht auch oft, nachdem er etwas gesagt hat.

Als Herr Leitner von seiner Beratung erzählt, wird er teilweise von Herrn Krög ergänzt.

Frau Lose fragt Herrn Amann, der über den Tisch gelehnt da stzt, ob er Fische sucht und lacht. Während Frau Nussbaumer dann über ihre Berufsberatung spricht, schaut Frau Lose auf das Handy von Frau Yeri. Mir fällt auch auf, dass Frau Lose, wenn sie mit Herrn Koenig redet, keinen Blickkontakt hält.

Ein weiteres Mal schaut Frau Lose nach unten und spielt mit ihren Fingern, als Frau Yeri etwas sagt. Frau Yeri blickt abwechselnd zu Herrn Koenig und zu Herrn Krög während sie spricht, so als kann sie sich nicht entscheiden, mit wem sie jetzt reden soll.

Herr Koenig fordert zum Abschluss alle auf in ein bis zwei Sätzen zusammenzufassen, was ihnen besonders wichtig an der heutigen Diskussion war. Vor allem Frau Nussbaumer und Frau Lose hatten Schwierigkeiten damit.

Gruppe Frau Pinetz

10.51 Uhr: RECHTE UND GESETZE

Herr Ruez, Herr Nauerschnig, Frau Fürst, Frau Pinetz, Frau Rabl, Frau Roth, Herr Renner, Herr Nagl

Frau Pinetz erklärt, wie sie vorgehen will und weist darauf hin, dass sie die Kritik, die Frau Rabl in der Reflexions- bzw. Einstiegrunde getätigt hat ernst nehmen und hier gleich umsetzten will. Während sie spricht, gibt Herr Nauerschnig immer wieder Kommentare ab. Frau Fürst und Herr Nauerschnig schreiben mit bzw. ab, was auf den Flipcharts steht.

Während Herr Renner spricht, schreibt Frau Fürst, Herr Nauerschnig liest und Herr Ruez beginnt dann auch zu schreiben. Herr Ruez hört jedoch dann damit auf und hört Herrn Renner aufmerksam zu und gibt Zwischenkommentare ab. Herr Renner fragt häufig nach, ob er etwas gut erklärt hat oder er sagt, dass er hofft, dass er nicht zu ausschweifend war.

Herr Nauerschnig spricht teilweise sehr leise bzw. unverständlich und wird auch von Frau Pinetz ab und zu darauf hingewiesen, dass sie ihn nicht verstanden hat. Auch Herr Nagl spricht hier sehr leise, sodass sein Kommentar untergegangen ist.

Während Frau Pinetz schreibt, spricht Herr Nauerschnig leise mit Frau Roth. Herr Ruez und Frau Fürst schreiben noch immer.

Beim Thema Pflegestufen bringt sich Frau Roth ein. Auch Herr Nagl meldet sich bei diesem Thema zu Wort.

10.08 Uhr

Herr Ruez beantwortet eine Frage von Herrn Nauerschnig mit "Jein" und Herr Renner will wissen, ob Herr Ruez mehr Informationen zu diesem Thema hat. Frau Pinetz lenkt deren Gespräch wieder zurück zum Thema Ausbildung, da wir noch nicht beim Thema Arbeit sind.

Herr Nauerschnig unterbricht Frau Pinetz und erzählt von seiner Schulzeit. Frau Pinetz möchte weiter sprechen und schaut auf die Uhr. Frau Pinetz weist dann Herrn Nauerschnig darauf hin, dass er oft vom Thema abweicht und dass es in diesem Rahmen wichtig ist, Sachen für das Forschungsprojekt zu sammeln.

11.14 Uhr

Bei der nächsten Frage hat Frau Pinetz Frau Rabl direkt angesprochen. Während sie jedoch noch nichts sagt, nuschelt Herr Ruez irgendetwas vor sich hin. Frau Roth erklärt dann Frau Rabl noch einmal, was Frau Pinetz wissen möchte. Alle lassen ihr Zeit zum antworten, doch Frau Rabl steht auf der Leitung. Dann fällt es ihr aber doch noch ein, worauf Frau Pinetz und auch Frau Roth hinaus wollen: "Behindertengleichstellungsgesetz". Herr Nauerschnig merkt an, dass er das heute schon einmal gesagt hatte. Herr Ruez fragt nach, ob das auch für die Arbeit gilt und da sich Frau Rabl in diesem Bereich auskennt, will Frau Pinetz Frau Rabl erklären lassen. Während der Erklärung von Frau Rabl liest Herr Renner in der UN-Konvention. Danach erklärt es Frau Pinetz Herrn Ruez. Herr Nagl verlässt den Raum.

Frau Roth leiht nicht nur Frau Rabl ihre Stimme, sondern bringt sich auch selber ein. Sie steht dann auch auf und holt verschiedene Broschüren und Hefte hervor, die sie am Ende des Treffens allen ausgeteilt hat.

11.25 Uhr

Jeder soll den Artikel 27 der UN-Konvention selber und leise lesen. Frau Pinetz weist Frau Fürst darauf hin, dass es ein Protokoll geben wird. Sie schreibt trotzdem weiter. Herr Nauerschnig will beim Lesen einen Stift zum Unterstreichen. Dann will auch Frau Fürst einen.

11.28 Uhr

Herr Renner verlässt den Raum, Herr Nagl ist immer noch draußen.

Frau Pinetz fragt dann trotz Abwesenheit dieser beiden Personen, was dieser Artikel aussagt. Herr Nauerschnig meldet sich als erster zu Wort und hat etwas herausgelesen, was gar nicht da stand. Daher wird der Absatz in dem das stehen sollte Schritt für Schritt durchgegangen.

Herr Nauerschnig steht auf und holt sich einen Flipchart-Stift, damit er weiter unterstreichen kann, weil den, den er vorher hatte, hatte jetzt Frau Fürst zum unterstreichen. Auch Frau Fürst las und unterstrich noch. Frau Pinetz wollte wissen, wo Herr Nagl ist, doch das wusste niemand. Herr Renner kam dann wieder rein und Frau Pinetz erklärte ihm, was gerade gemacht wird.

Frau Rabl und Frau Roth diskutieren leise das gleiche Thema wie Herr Ruez und Frau Pinetz laut. Sie brachten es dann aber in die allgemeine Diskussion ein.

Herr Nauerschnig wollte sich einbringen, obwohl Frau Rabl noch am sprechen ist.

11.36 Uhr

Herr Nagl kommt wieder. Er hat den Artikel 27 der UN-Konvention nicht gelesen, da er da schon draußen war. Während Herr Nauerschnig spricht, muss Herr Nagl den Art. 27 erst lesen und liest dabei teilweise laut.

Frau Fürst bringt sich kaum in die Diskussion ein. Sie ist die ganze Zeit beschäftigt - zuerst mit schreiben, dann mit lesen. Herr Nagl jedoch bringt sich ein und diskutiert dann auch mit Herrn Nauerschnig. Herr Ruez scheint heute besser drauf zu sein als gestern. Er lächelt beim aufzeigen und macht mit beiden Händen kreisförmige Bewegungen.

Herr Nauerschnig fängt nach Herrn Nagl zu reden an. Herr Ruez hat schon länger aufgezeigt und wehrt sich indem er "Hallo" sagt. Frau Pinetz weist darauf hin, dass ausgemacht wurde, dass nicht gesprochen wird, wenn sie schreibt. Herr Nauerschnig bringt ständig seine persönlichen Sachen ein und Frau Pinetz will diese später klären, da sie nicht in diesen Rahmen gehören.

Herr Renner will wissen, wann das Treffen heute zu Ende ist und es wird laut, weil alle durcheinander sprechen. Frau Pinetz will die TeilnehmerInnen wieder zurück zum Thema führen, da sie sich bereits in Details verlieren.

Während Frau Fürst spricht, unterhalten sich Herr Renner und Herr Ruez, aber auch Herr Nagl mischt sich ein. Blicke von Frau Pinetz und Frau Roth bringen die drei zum schweigen.

11.52 Uhr

Herr Nauerschnig hat eine Frage nicht verstanden und Frau Pinetz erklärt sie ihm noch einmal und formuliert sie um. Die Kärtchen (rot-gelb-grün), die verwendet werden sollten, wenn etwas unklar ist, lagen mitten am Tisch und wurden nicht benutzt.

Frau Roth verlässt den Raum. Herr Nauerschnig blättert im Wörterbuch während Herr Renner spricht. Frau Rabl will etwas sagen, aber Herr Nagl und Herr Ruez sprechen bis sie Frau Pinetz darauf hinweist, dass Frau Rabl etwas sagen möchte. Da Frau Roth gerade draußen ist, liest Frau Pinetz auf der Tafel mit, was Frau Rabl sagt und spricht es dann laut aus. Frau Pinetz leiht also Frau Rabl ihre Stimme. Auch Herr Nauerschnig macht dies, da er Frau Rabl gegenüber sitzt und sieht, was sie zeigt.

11.58 Uhr

Herr Renner will, obwohl er zuerst aufgezeigt hat, Herrn Ruez zuerst sprechen lassen. Er ist der Meinung, dass Herr Ruez vor ihm aufgezeigt hat.

Herr Nagl fängt zu sprechen an, obwohl eigentlich Herr Ruez nach Herrn Renner an der Reihe wäre.

Nach einer Diskussion weiß Frau Pinetz nicht mehr, was sie noch aufschreiben wollte. Herr Renner hat Angst, dass wichtige Inhalte verloren gehen könnten. Aber Frau Roth zeigt dann auf das Diktiergerät, welches in der Mitte des Tisches liegt.

Während Herr Nagl spricht ist Frau Fürst mit dem Schreiben beschäftigt und Herr Nauerschnig widmet sich seinem Handy. Dann spricht Herr Renner und ein Flugzeug ist zu hören. Das kommentiert Herr Nagl: "Da fliegt ein Flieger vorbei.".

Dann spricht wieder Frau Rabl und Herr Ruez spielt mit seinem Handy, welches er schon länger am Tisch liegen hat. Auch Herr Nagl ist nicht bei der Sache und fragt mich, ob mir schon die Finger wehtun von dem vielen schreiben.

12.09 Uhr

Herr Koenig schaut herein. Das ist das Zeichen, dass die andere Gruppe bereits fertig ist. Kurz darauf gehen auch wir in die Pause.

Frau Fürst wirkt die ganze Einheit eher abwesend und ist mit dem schreiben beschäftigt. Auch in der Pause schreibt sie weiter.

12:30 Uhr

REFLEXION

Am Schluss gibt es noch eine Reflexionsrunde in der großen Gruppe. Frau Yeri beginnt und dann geht es im Kreis weiter. Herr Nauerschnig sitzt über einigen Mappen und Blöcken und liest etwas auf seinem Handy während die anderen reflektieren. Als er an der Reihe ist sagt er unter anderem, dass es ihn gestört hat, wenn man ihm etwas vorweg genommen hat. Dabei zeigt er auf Frau Rabl und lachte.

Frau Nussbaumer schaut wieder kurz auf Frau Hintringers Protokoll.

Als alle fertig sind, bedanken sich Frau Pinetz und Herr Koenig noch für die Zusammenarbeit. Dann machen sich alle zum Aufbrechen bereit und es wird noch ein Foto vor dem "WIBS" für weitere Artikel in der Presse usw. gemacht.

Beobachtungsprotokoll des vierten Referenzgruppentreffens

Wer war mit dabei?

Beim vierten Referenzgruppentreffen waren folgende Personen anwesend:

Referenzgruppenmitglieder: Zenia Yeri, Alina Rabl, Alexandra Lose, Nikolas Renner, Otto Leitner, Hans Nagl, Fredi Amann, Eva Nussbaumer, Anita Fürst und Georg Nauerschnig. Herr Hofbauer war nur am Samstag anwesend und Herr Ruez war während dem gesamten Treffen abwesend.

ModeratorInnen: Frau Dr.a Fasching und Mag. Koenig

UnterstützerInnen: Mag.a Erika Jentsch und Dr. Walter Krög

Beobachterinnen: Amelie Carraro und Elisabeth Hintringer

Freitag, 3. April 2009

Soziale Interaktionen

Das vierte Referenzgruppentreffen findet wieder im NIG (neuen Institutsgebäude) der Universität Wien statt. Es werden auch wieder die gleichen Räumlichkeiten wie beim zweiten Treffen genützt - die Beratungseinheit des Sonder- und Heilpädagogischen Instituts im sechsten Stock.

Die Referenzgruppenmitglieder aus Tirol reisen mit dem Zug an und gehen dann ins Kolpinghaus Wien, wo sie dieses Wochenende übernachten. Das Hotel ist in der Nähe des Westbahnhofs und so gut zu erreichen.

14.45 Uhr

ANKOMMEN und VORSTELLUNGSRUNDE

Mit einer Verspätung beginnt das Treffen um 14.45 Uhr, statt wie geplant um 14.30 Uhr. Da neue Personen dabei sind - Frau Jentsch als Unterstützerin von Frau Rabl und Helga Fasching als Moderatorin - gibt es eine kurze Vorstellungsrunde im Rahmen derer Herr Nauerschnig, Frau Fürst, Herr Nagl und Herr Amann erwähnen, dass sie an der Uni Wien arbeiten.

Herr Koenig betont, dass beim heutigen Treffen alles anders sein wird, weil Frau Pinetz, die normalerweise auf die Struktur achtet, nicht da ist und dass es ein bisschen offener sein wird. Daraufhin lachen einige Referenzgruppenmitglieder. Dann stellt er die Tagespläne vor und sagt, dass er vorhabe, am Anfang eine Themensammlung mithilfe der Methode des Open Space zu machen. Er fragt: "Wer weiß, was Open Space ist?". Herr Nauerschnig und Frau Fürst sagen, was sie denken, was es sein könnte und quatschen dann miteinander. Herr Koenig erklärt, dass es beim Open Space einen Rapporteur gibt und fragt, ob jemand das Wort kennt. Nachdem länger niemand was darauf sagt, meldet sich Frau Rabl und äußert die Vermutung, dass es Reporter heißen könnte. Frau Jentsch übersetzt nur das, was Frau Rabl sagt. Dies ist daran zu erkennen, dass Frau Rabl nur ein Wort sagt und Frau Jentsch das mit Reporter übersetzt und nicht noch eine Erklärung dazu abgibt. Herr Koenig meint daraufhin, dass das genau die richtige Übersetzung für Rapporteur sei.

Dann geht es weiter mit dem Tagesplan. Am nächsten Tag soll dann das Forschungstagebuch besprochen werden. Frau Fürst zeigt auf, was Herr Koenig sieht, ihr ein Zeichen gibt und weiterredet. Herr Nauerschnig fragt, ob er die Unterlagen von Deutschland verwenden kann. Herr Koenig erklärt daraufhin den anderen Referenzgruppenmitgliedern, dass Frau Fürst, Herr Nauerschnig und Herr Amann auf der IntegrationsforscherInnentagung in Frankfurt waren.

Dann werden die Referenzgruppenmitglieder aufgefordert, Themen, die sie bei diesem Treffen gerne besprechen würden, aufzuschreiben. Herr Nauerschnig fragt Frau Fürst, welches Thema sie aufschreibt. Frau Fürst, Herr Nauerschnig, Herr Nagl und Herr Renner sitzen während dieser Aufgabe rund um einen kleinen Tisch und quatschen. Herr Nagl schaut auf die Zettel der anderen. Frau Fürst sitzt sehr konzentriert da und schreibt ziemlich viel auf ihre Zettel. Herr Amann fragt Herrn Nagl, welches Thema er aufschreibt.

Herr Krög sitzt in einer Ecke neben Frau Yeri und Frau Lose und erklärt ihnen, was jetzt zu tun ist. Dann diskutiert er mit Frau Yeri und sie fragt ihn, was er von ihrem Thema hält: "Was meinst du?". Sie fragt auch nach, wie sie das machen soll. Herr Leitner, der zuerst auf der anderen Seite des Raums gesessen ist, setzt sich dann auch noch zu der Gruppe um Herrn Krög, diskutiert aber nicht mit ihnen sondern schreibt etwas auf seinen Zettel wofür er den Tisch vor Herrn Krög als Unterlage benützt.

Herr Amann fragt Herrn Nauerschnig nach seinem Thema und der antwortet scharf: "Sag ich dir nicht!".

Herr Nauerschnig und Herr Renner, die gemeinsam auf einer Couch sitzen, reden über Herrn Nauerschnigs Wohnsituation. Frau Rabl erarbeitet mit Frau Jentsch ihr Thema, indem sie Etwas sagt und Frau Jentsch das auf die Zettel schreibt.

Frau Yeri und Herr Krög diskutieren noch immer und Frau Lose zeigt Herrn Krög ihren Zettel. Es scheint als will sie, dass er sich ihr Thema durchliest und es bestätigt. Herr Nauerschnig macht Herrn Nagl, der immer noch grübelte, einen Themenvorschlag und lacht dann. Dann redet er mit Herrn Renner weiter. Herr Koenig weist dann darauf hin, dass er später über Privates reden kann und dass er jetzt still sein soll. Herr Nauerschnig verteidigt sich indem er sagt, Herr Renner habe ihn jetzt nach etwas gefragt.

Frau Yeri meldet sich als erste, dass sie ihr Thema vorstellt, die UN-Konvention. Frau Fürst schreibt währenddessen noch, da sie noch nicht fertig ist. Sie möchte dann als nächstes rausgehen. Sie hat sich ein Tabuthema ausgesucht - Sexuelle Belästigung und Gewalt - dann erzählt sie, dass sie das auch schon erlebt hat. Während Frau Rabl ihr Thema erklärt, reden Herr Renner und Herr Nagl miteinander, was Herrn Nauerschnig sehr stört.

Dann liest Herr Koenig Frau Loses Thema vor, weil sie sich nicht traut, es alleine zu machen. Auch Frau Nussbaumer ist es lieber, dass er es vorliest. Doch da ihre Schrift nicht leicht zu entziffern ist, machen sie es gemeinsam.

Herr Leitner sagt, dass er kein Thema hat, obwohl er im Vorfeld etwas aufgeschrieben hat. Herr Nagl hat nichts aufgeschrieben und sagt, dass er sein Thema ja schon im Seminar behandelt. Er würde sich aber für das Thema Wohnen interessieren. Herr Nauerschnig unterbricht ihn und sagt, dass ihm dazu etwas einfällt.

Frau Yeri fragt, was mit denen los ist, die nicht da sind, woraufhin sich Herr Koenig entschuldigt, dass er bis jetzt nichts dazu gesagt hat und erklärt die Gründe. Dann fragt er, welche Themen Herr Amann hat, der zuerst nichts dazu sagen will, dann aber doch noch etwas sagt. Herr Renner und Herr Nagl reden leise miteinander während Herr Amann erklärt.

Herr Koenig fasst die Themen zusammen, wobei sich fünf Hauptthemen herauskristallisierten. Es ist seiner Meinung nach jedoch nur möglich, auf vier davon einzugehen, da nur so viele ModeratorInnen zur Verfügung stehen. Die Referenzgruppenmitglieder werden von Herrn Koenig angehalten, sich kurz zu überlegen, welches Thema sie am meisten interessiert. Dann fängt er bei Herrn Leitner an, der am Rande des Kreises sitzt und sagt, er muss sich jetzt ein Thema aussuchen. Herr Leitner sagt, dass er noch Zeit braucht. Als sich alle ein Thema ausgesucht haben, ist beim Thema Gewalt, das Frau Fürst gebracht hat nur sie eingetragen. Herr Koenig sagt, dass das nicht bedeutet, dass das Thema weniger interessant ist, als die anderen, aber ob sie sich bitte ein anderes aussuchen kann. Es sind dann vier Themen "besetzt". Wohnen mit Herrn Leitner und Herrn Nagl, UN-Konvention mit Frau Yeri und Herrn Nauerschnig, berufliche Unterstützung mit Herrn Renner und Frau Lose, und Raus aus der Beschäftigungstherapie mit Frau Fürst, Herrn Amann, Frau Rabl und Frau Nussbaumer. Herr Koenig fragt dann nochmals nach, ob das für alle passt. Nach kurzem Überlegen, sagt Frau Yeri, sie würde auch wechseln, damit es nicht drei Gruppen mit nur zwei Personen gibt. Herr Koenig fragt Herrn Nauerschnig, ob er auch eine zweite Wahl hat. Der verneint jedoch indem er sage: "Nein, eigentlich nicht." Die vier Gruppen bleiben, wie gehabt und es gesellt sich jeweils einE ModeratorIn dazu. Frau Fasching zur beruflichem Unterstützung, Herr Koenig zur UN-Konvention, Frau Hintringer zum Wohnen und Frau Carraro zum Thema Raus aus der Beschäftigungstherapie.

15.45 Uhr PAUSE

16.15 Uhr

RAUS AUS DER BESCHÄFTIGUNGSTHERAPIE

Da die Beobachterinnen für den Rest des Tages die Funktion von Moderatorinnen in Kleingruppen zu den einzelnen Themen innehaben, ist die Beobachtungssituation eine andere. Sie können kein Protokoll schreiben, versuchen aber trotzdem, so gut wie möglich auf ihre jeweiligen Schwerpunkte - die Prozesse sozialer Interaktion und die Erkenntnisprozesse - zu achten.

Es folgt nun eine Beschreibung der Arbeit der Gruppe "Raus aus der Beschäftigungstherapie" von Frau Carraro, die als Moderatorin anwesend war. Die chronologische Abfolge steht dabei jedoch im Hintergrund.

Unsere Gruppe blieb in der Beratungseinheit. Wir stellten einen kleinen Tisch in die Mitte um den herum sich alle versammelten. Frau Jentsch setzte sich auf einen niedrigeren Sessel und machte es sich gemütlich, wodurch sie weniger präsent war und sich eher im Hintergrund hielt, was ich als sehr angenehm empfand. Die Gruppe war auch damit einverstanden, dass das Gespräch mich einem Diktiergerät aufgenommen wird. Das Klima in der Gruppe war gut und alle waren konzentriert. Frau Fürst meldete sich als Rapporteuse und alle waren damit einverstanden. Wir begannen damit, Nachteile, die die Arbeit in einer Beschäftigungstherapie mit sich bringt, zu sammeln. Es war wirklich beeindruckend, wie sich alle eingebracht haben und wie viel ihnen dazu einfiel. Vor allem Frau Fürst und Frau Rabl sagten einiges, was sie an solchen Einrichtungen stört. Frau Nussbaumer hatte eher die Rolle der Verteidigerin inne. Sie betonte immer wieder, dass das aber nicht überall so negativ ist und es war ihr sehr wichtig, dass das auch so auf die Plakate geschrieben wurde. Sie setzte sich dafür ein, dass z.B. nicht geschrieben wird: "Menschen mit Lernschwierigkeiten werden Vorschriften gemacht" sondern: "es werden oft Vorschriften gemacht". Manchmal reagierte sie richtig gereizt, wenn wieder ein Punkt kam, der Beschäftigungstherapien schlecht dastehen lässt. Sie meinte unter anderem, in der Einrichtung, in der sie arbeitet, wird den Menschen die Aus- und Weiterbildung ermöglicht - es kam dann jedoch heraus, dass dies nur bei Leuten bis 25 der Fall ist. Auf die Frage, wie sie sich dabei fühlt, da sie ja schon über 40 ist, sagte sie nichts. Es kam mir so vor, als ob ihr von Seiten der Einrichtung immer wieder gesagt wird, wie toll die Beschäftigungstherapie für sie ist und dass es eh die und die Möglichkeiten gibt - dass es diese Möglichkeiten jedoch für sie nicht gibt, war ihr gar nicht bewusst.

Auch Herr Amann brachte sich für seine Verhältnisse sehr in das Gespräch ein. Manchmal machte er Scherze und lachte über Sachen, die er sagte.

Frau Fürst erzählte viel von ihren eigenen Erfahrungen, die sie in einer Werkstatt gemacht hat - Diskriminierungen, Grenzüberschreitungen, Mobbing usw. Im Gegensatz dazu ging Frau Rabl eher auf Themen wie "richtiges" Gehalt und Versicherung ein, was sich gut ergänzte und zu einer Sammlung an sehr vielen Nachteilen führte. Eine allgemeine Frustration war spürbar, da durch das Festhalten auf den Plakaten aufgezeigt wurde, welche Vielfalt an Aspekten der Beschäftigungstherapie unfair und diskriminierend sind.

Frau Jentsch verhielt sich wie gesagt eher unauffällig. Zwei bis drei Mal jedoch stellte sie eine Frage, die sie persönlich interessierte. Wenn Frau Rabl etwas sagte, waren alle sehr aufmerksam und leise. Manchmal passierte es jedoch, dass sie nicht merkten, dass Frau Rabl etwas sagen möchte oder dass sie schon dabei ist und redeten. Das war jedoch keine Absicht oder ein Zeichen von Desinteresse, denn jedes Mal, als ich sie darauf hinwies, entschuldigten sie sich.

17.15 Uhr PAUSE

17.45 Uhr

RAUS AUS DER BESCHÄFTIGUNGSTHERAPIE

Nach einer halben Stunde Pause, fanden sich die Kleingruppen wieder in ihren Räumlichkeiten ein. Unsere Gruppe fing damit an Wünsche, Anregungen und Träume für die "richtige" Arbeit zusammenzutragen. Ich merkte, dass die meisten schon ein wenig müde waren. Trotzdem wurde weiterhin konstruktiv gearbeitet. Die Atmosphäre blieb gleich, wie vorher, so wie ich sie oben beschrieben habe. Es herrschte ein respektvoller Umgang. Von den Wünschen für die "richtige" Arbeit gingen wir dann auf Unterschiede zwischen dieser und der Beschäftigungstherapie ein. Dabei wurde vor allem von Frau Rabl, die die einzige in der Gruppe war, die momentan nicht in einer BT ist, darauf hingewiesen, dass eine richtige Arbeit auch mit mehr Druck und Verantwortung verbunden ist. Die Arbeit selbst jedoch würde mehr geschätzt und Menschen mit Lernschwierigkeiten haben durch "richtige" Arbeit ein höheres Ansehen und ihnen wird mehr Respekt entgegengebracht. Zum Abschluss wurde noch über die Schritte diskutiert, die nötig sind um aus einer Werkstatt herauszukommen und einen anderen Beruf auszuüben. Frau Fürst musste jedoch gehen bevor wir zu diesem Thema kamen und auch Pappi brach kurz darauf auf. Als dann sich dann um kurz vor 19:00 Uhr die anderen Kleingruppen wieder in der Beratungseinheit einfanden, brachen wir die Diskussion ab. Alle packten ihre Sachen zusammen und gingen dann gemeinsam Abend essen.

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

Das vierte Referenzgruppentreffen findet wieder in Wien in der Beratungseinheit der Forschungseinheit für Heilpädagogik und Integrative Pädagogik statt. Die Beratungseinheit befindet sich im 6. Stock des Neuen Institutsgebäudes und ist ein unauffälliger, heller Raum mit weißen Wänden, vier als Lampen getarnten Kameras und einem Kasten. Die Wände füllen sich nach und nach mit Plakaten, auf welchen die Inhalte der Diskussionen von den jeweiligen ModeratorInnen der Gruppen festgehalten wurden.

Diesmal finden wir eine veränderte Gruppensituation vor, da Frau Pinetz nicht am Treffen teilnehmen konnte. An ihrer Stelle springt Frau Helga Fasching ein. Herr Ruez kann ebenfalls nicht am Treffen teilnehmen, da er erkrankt ist.

Vor Beginn des Treffens werden bereits auf alle Sitzplätze die Unterlagen gelegt, die bei diesem Treffen notwendig waren: Reflexionsbogen, Zettel für Namenskärtchen (weil ja zwei neue Personen dabei waren), Zettel für die Themenfindung in der ersten Einheit am Freitag, eine Information zum Forschungstagebuch sowie ein Stift. Die Unterlagen werden bereits vor dem Treffen auf die jeweiligen Sitzplätze gelegt, da die Beobachterinnen dies vorgeschlagen hatten, um später die Diskussionsbereitschaft der Mitglieder nicht zu beeinflussen, da bei den vorhergehenden Treffen oftmals eine unruhige Situation entstand, wenn Handouts ausgeteilt wurden. Weiters verringerte sich die Aufmerksamkeit für die Diskussionen, weil sie den Handouts zuteil wurde.

14.45 Uhr

Das Treffen beginnt pünktlich um 14.45 Uhr mit einer Vorstellungsrunde, da diesmal andere Personen bei dem Treffen mit dabei sind. Einerseits ist das Helga Fasching in Vertretung für Petra Pinetz und andererseits ist statt Frau Roth die Unterstützerin Frau Jentsch für Frau Rabl mit dabei. Zu diesem Zeitpunkt fehlt Herr Hofbauer noch. Er hat verschlafen und kommt den ganzen Tag nicht mehr, möchte jedoch am Samstag kommen.

Frau Carraro und Frau Hintringer haben sich eine andere Möglichkeit überlegt, wie die Reflexionsrunde am Ende des jeweiligen Treffens gestaltet werden könnte, da sie es als Zwang empfanden, wenn jeder am Schluss reihum etwas sagen musste. Daher finden alle Referenzgruppenmitglieder zu Beginn des Treffen einen orangen Reflexionszettel auf ihrem Platz, auf dem Fragen zur Anregung stehen, die jedoch nicht alle, sondern nur teilweise beantwortet werden sollen. Es steht allen frei, was sie darauf schreiben wollen. Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass diese Art der Reflexion während des Treffens nicht genutzt wurde.

Herr Koenig bittet in weiterer Folge, am Ende des Treffens, die Referenzgruppenmitglieder sich zwischen diesem und dem nächsten Treffen im Juni mit diesem Reflexionszettel auseinander zu setzen. Weiters bittet er sie, sich mit folgenden Fragen, die auf Grund von starker Diskussionsbereitschaft am Samstag zu den Themen von Freitag nicht mehr behandelt werden konnten, auseinander zu setzen und eventuell ca. eine halbe Seite dazu zu schreiben:

  • Meine Rolle als ForscherIn im Projekt

  • Was kann/will ich beitragen?

Die Reflexion zu Hause wird beim nächsten Treffen zu Beginn stehen. Wobei sich Herr Koenig bei den Referenzgruppenmitgliedern versichert, dass es in Ordnung ist, wenn er ihnen die Reflexion (in schriftlicher Form auf den vorbereiteten orangefarbenen Zettel) mit nach Hause gibt.

Das Thema Ausbildung wäre für dieses Treffen am Programm gestanden. Da jedoch Frau Pinetz nicht anwesend ist und dieses Thema vor allem für sie und ihre Interviews wichtig wäre, wird dieses Thema bis auf weiteres verschoben.

Bei diesem Treffen versucht Herr Koenig eine neue Herangehensweise an die Arbeit in der Referenzgruppe: die Open-Space Methode. Bevor er dieses Konzept erklärt, schreibt er den Begriff auf ein Plakat und fragt, ob jemand weiß, was Open Space heißt. Herr Nauerschnig und Frau Fürst melden sich sofort und erklären, dass "open" offen heißt und nach kurzem Überlegen, wissen sie auch, dass "space" Raum heißt, also "Offener Raum". Bei dieser Methode geht es darum, dass jeder in der Gruppe Themenvorschläge machen kann und dass dann diese Themen in kleineren oder größeren Gruppen - je nach dem wie viele unterschiedliche Themenvorschläge gebracht werden - diskutiert werden. Ziel ist es, dass die Gruppe selbst sagt, worüber sie gerne sprechen möchte. Bevor sich die Referenzgruppenmitglieder jeweils für sich überlegen sollen, welche Themen sie besprechen und diskutieren wollen, wird ihnen erklärt, dass sie sowohl bereits angesprochene Themen, die noch einer weiteren Vertiefung bedürfen, auswählen können, als auch neue Themen, die in diesem Rahmen bisher noch nicht angesprochen wurden. Es besteht die Möglichkeit, dass bis zu vier Themen in vier verschiedenen Gruppen behandelt werden können, da gegebenenfalls auch Frau Carraro und Frau Hintringer die Moderation einer Gruppe übernehmen können. Dieser Fall tritt auch ein und somit wird je eine Gruppe von Herrn Koenig, Frau Fasching, Frau Carraro und Frau Hintringer moderiert. Ein weiteres Charakteristikum der Open Space Methode ist, dass jede Gruppe vor Diskussionsbeginn einen Rapporteur bestimmen sollte. Ein Rapporteur ist, laut Frau Rabl, ein Reporter. Herr Nauerschnig zeigt sich sehr beeindruckt davon, dass Frau Rabl dieses schwierige Wort kennt. Die Aufgabe des Rapporteurs (Berichterstatters) ist es, die Diskussion und die Ergebnisse den anderen Gruppen zu präsentieren, was für den zweiten Tag vorgesehen ist. Fragen, über die die Referenzgruppenmitglieder während ihren Überlegungen zu möglichen Themen ebenfalls im Blick behalten können/sollen sind:

  • Wie waren die Treffen bisher?

  • Worüber habe ich nachgedacht?

  • Worüber möchte ich sprechen?

Bevor jedoch der inhaltliche Einstieg in dieses Treffen erfolgt, erklärt Herr Koenig noch das Programm für dieses Treffen und weist auch darauf hin, dass nächstes Jahr die IntegrationsforscherInnentagung in Innsbruck stattfinden wird und dass geplant ist, dass einige Mitglieder der Referenzgruppe in Vorträge eingebunden werden können. Wie üblich besteht am Abend die Möglichkeit eines gemeinsamen Abendessens. Für Samstag ist vorgesehen, dass nach der Präsentation der Diskussionen von Freitag erneut über das Forschungstagebuch und über die Rolle der Menschen mit Lernschwierigkeiten als ForscherInnen gesprochen wird. Dabei soll folgende Frage helfen: "Was bedeutet es für mich ForscherIn zu sein?"

Nachdem Herr Koenig das Programm vorgestellt und erklärt hat, fragt er die Gruppe, ob alles klar ist und ob sie es gut findet. Frau Fürst sagt "Ja." und Frau Yeri kommentierte: "Is mal was anderes.". Dann geht es in die Einzelarbeit und jeder soll mit einem Flipchart-Stift auf einen oder mehrere A5-Zettel (jeder hat zu Beginn 2 bekommen, kann jedoch bei Bedarf noch mehr nachfordern) seine Themenwünsche festhalten. Zu Beginn hatte ich das Gefühl, dass einige Mitglieder mit der Einzelaufgabe überfordert waren, da sie sich gegenseitig fragen, was sie schreiben sollen. Weiters finden Gruppenbildungen statt, ehe sich jeder seinem Blatt widmet. Während andere noch mit dem Schreiben beschäftigt sind, unterhalten sich Herr Nauerschnig und Herr Renner, die auf der Couch sitzen. Herr Nauerschnig spricht sehr laut und Herr Koenig weist ihn daraufhin. In weiterer Folge entschuldigt sich Herr Renner.

Nachdem alle fertig sind, erklärt Herr Koenig, dass es nun bei der Open Space Methode zwei Möglichkeiten gibt, seine Themen bekannt zu machen. Einerseits kann man selbst nach vorne gehen und sein Thema vorlesen und erklären und andererseits besteht die Möglichkeit, dass Herr Koenig es vorliest und aufhängt. Manche Referenzgruppenmitglieder entscheiden sich dafür ihre Themen selbst zu präsentieren, andere bevorzugen, dass Herr Koenig sie vorliest. Die jeweiligen Vorschläge werden dann von Frau Fasching mit einem Überbegriff neu bezeichnet und dann untereinander auf der Wand aufgehängt, sodass sie für alle gut ersichtlich sind. Am Ende hängen fünf verschiedenen Themenbereiche an der Wand.

Frau Yeri möchte gerne noch einmal über die UN-Konvention, aber auch über berufliche Unterstützung und Informationen zu Zuschüssen diskutieren. Dabei nennt sie folgende Fragen: "Welche Unterstützung wünsche ich mir im Beruf? Wo? Wann? Wie viele Stunden?".

Frau Fürst schlägt die Themen "sexuelle Belästigung von Frauen mit Behinderung" sowie "Gewalt" vor. Sie will darüber sprechen, warum sich Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht gegen brutale Männer wehren können.

Herr Renner geht auch auf die Frage ein, wie ihm die Arbeit in der Referenzgruppe bisher gefallen hat und die war für ihn bisher interessant. Als Thema wünscht er sich "Unterstützung im Job", weil er selbst einen zweiten Job angehen will.

Herr Nauerschnig will sich erneut mit der UN-Konvention und dabei vor allem mit dem Artikel 24 auseinandersetzen.

Die bisherigen Wortmeldungen waren freiwillig und wurden selbst nach vorne getragen und vorgelesen. Zu einem Überbegriff wurden sie von Frau Fasching zusammengefasst und von Herr Koenig themenspezifisch aufgehängt.

Für Frau Rabl ist ein Thema über das noch gesprochen werden soll, jenes der "richtigen Arbeit" und des "richtigen Geldes" für richtige Arbeit. Zentral dabei ist das Thema "Rauskommen aus der Beschäftigungstherapie und eine Arbeit finden".

Frau Lose wird direkt angesprochen und will das Thema "gute Unterstützung im beruflichen Leben und im Alltag" behandeln.

Frau Nussbaumer schlägt das Thema "Wohnen alleine oder zu zweit" - also die Wahl der Wohnform - sowie "Arbeit mit anderen Menschen" (behindert oder nicht behindert) vor.

Frau Fasching fasst den Beitrag von Frau Nussbaumer zusammen und vergewissert sich dann, ob es passt wie sie es zusammengefasst hat.

Herr Leitner schlägt kein Thema vor. Auch Herr Nagl schlägt nicht wirklich ein Thema vor, da er das, was ihn interessieren würde im Universitätsseminar zum Thema hat. Er kann sich jedoch eventuell für das Thema "Wohnen" begeistern. Welche Möglichkeiten gibt es, selbstbestimmt mit Assistenz oder teilbetreut zu leben.

Frau Yeri ist aufmerksam dabei und merkte an, dass noch zwei Personen fehlen. Herr Koenig entschuldigt sich und gibt das Wort weiter an Herrn Amann, der zwar selbst kein Thema vorzuschlagen weiß, jedoch dem Thema "Raus aus der BT" noch hinzufügt, dass man, wenn man in einer BT arbeitet, nicht in Pension gehen kann. Daher wird dem Thema Raus aus der Beschäftigungstherapie noch der Aspekt der Rahmenbedingungen und der Diskriminierung in der BT hinzugefügt.

Nachdem alle ihre Themen vorgestellt hatten, musste entschieden werden, wer zu welchem Thema arbeiten wollte. Außerdem gab es fünf Themen und es konnten maximal 4 behandelt werden, da nur 4 ModeratorInnen und Räume zur Verfügung standen. Die Referenzgruppenmitglieder wurden aufgefordert sich kurz zu überlegen welches Thema sie am meisten interessieren würde und dann wollte Herr Koenig reihum von allen ihr gewähltes Thema hören. Manche wollten es aber an dieser Stelle noch nicht sagen und wurden zum Schluss erneut gefragt. Als Frau Lose ihr Thema wählte, war nicht ganz klar, zu welchem sie wollte, da die Nummer, die sie sagte, nicht zu dem Thema passte, das sie sagte. Daher wurden dann die jeweiligen Themen, die an der Wand hingen und zur Wahl standen durchnummeriert, sodass dieses Missverständnis aus dem Weg geräumt werden und Frau Lose der gewünschten Gruppe beitreten konnte. Nachdem alle bei einem Thema standen, wurde Frau Fürst aufgefordert sich ein anderes Thema auszusuchen, da sie beim Thema Gewalt alleine war und bei den restlichen vier Themen jeweils mindestens 2 Personen standen. Frau Fürst wechselte zum Thema Raus aus der Beschäftigungstherapie.

Danach fragt Herr Koenig, ob noch jemand das Thema wechseln will. Frau Yeri will wechseln. Jedoch würde mit diesem Wechsel auch das Thema UN-Konvention weggefallen, weil Herr Nauerschnig dann der einzige wäre. Herr Nauerschnig jedoch kann sich nicht vorstellen, zu einem der anderen drei Themen zu arbeiten und daher bleibt Frau Yeri beim Thema UN-Konvention.

Am Ende dieser Einheit stehen folgende Gruppen mit folgenden Mitgliedern fest:

UN-Konvention: Frau Yeri, Herr Nauerschnig, Herr Koenig (Küche im 4. Stock)

Berufliche Unterstützung: Herr Renner, Frau Lose, Frau Fasching (Büro von Frau Fasching im 6. Stock)

Raus aus der Beschäftigungstherapie: Herr Amann, Frau Rabl, Frau Nussbaumer, Frau Fürst, Frau Jentsch, Frau Carraro (Beratungseinheit im 6. Stock)

Wohnen: Herr Nagl, Herr Leitner, Herr Krög, Frau Hintringer (Leseraum im 6. Stock)

Da nur drei Diktiergeräte zur Verfügung stehen,werden alle Gruppen, bis auf das Thema "Wohnen", digital aufgezeichnet. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil beim Thema Wohnen jene zwei Personen sind, die sich am unwohlsten fühlen, wenn sie aufgezeichnet werden.

Frau Fasching war als Vertretung von Frau Pinetz mit dabei. Sie hält sich jedoch in der Moderation sehr zurück und lässt Herrn Koenig den Vortritt. Sie übernimmt die Aufgabe, die Themen von den Referenzgruppenmitgliedern zusammenfassend aufzuschreiben.

Einheit Wohnen

Wie bereits beim Bericht zum Thema "Raus aus der Beschäftigungstherapie" folgt an dieser Stelle die Schilderung von Frau Hintringer, die die Gruppe zum Thema "Wohnen" moderiert hat:

Bevor wir inhaltlich in das Thema einstiegen, wurde geklärt, dass diese Gruppe nicht auf Diktiergerät aufgezeichnet wird, da nur drei Geräte zur Verfügung standen. Weiters klärten wir, dass Herr Leitner der Rapporteur dieser Gruppe sein wird, der am nächsten Morgen die Ergebnisse den anderen Gruppen präsentieren sollte.

Einsteigen wollten wir mit einem Brainstorming zum Thema "Wohnen". Die Diskussion lief jedoch sehr schnell darauf hinaus, dass Herr Nagl eine teilbetreute Wohnform gegenüber einer vollbetreuten bevorzugen würde, da man vor allem in einer teilbetreuten Wohnform eher das Gefühl von Freiheit hat - speziell das Thema Beziehungen betreffend. Die Wohnform der Freundin von Herrn Nagl wird mit "teilbetreut intensiv" bezeichnet. Herr Nagl wollte von Herrn Krög wissen, was das "intensiv" dabei bedeutet und welche Unterschiede es zwischen "teilbetreut" und "teilbetreut intensiv" gibt. Herr Krög konnte ihm diese Informationen nicht geben.

In weiterer Folge sprachen wir davon, was eine gute Betreuung/Unterstützung für die beiden ausmacht. Gute Betreuung / Unterstützung bedeutet, dass man gute Pflege bekommt und menschlichen Umgang durch die BetreuerInnen / UnterstützerInnen erfährt. Weiters war Herrn Nagl und Herrn Leitner wichtig, dass man selbstständig Entscheidungen treffen kann.

Daraufhin kam immer wieder zur Sprache, dass es in WGs und Heimen oft vorkommt, dass sich BetreuerInnen in die Privatsphäre der BewohnerInnen einmischen. Dieses Einmischen wird nicht zu guter Betreuung / Unterstützung gezählt und abgelehnt. Herr Nagl erzählte, dass in der vollbetreuten Einrichtung in welcher seine Freundin vorher gewohnt hatte, alles kontrolliert und auch protokolliert wurde, wenn er zum Beispiel zu Besuch kam.

Nach einem eher offenen Gespräch und dem Versuch Ideen zu sammeln, wollte ich ein wenig strukturierter vorgehen und stellte die Frage, welche Wohnformen es gäbe. Es gibt vollbetreutes Wohnen, welches derzeit überwiegend zu finden ist. Weiters gibt es teilbetreutes Wohnen, das meist überfüllt ist und wo man lange Wartezeiten auf sich nehmen muss, bis man einen Wohnplatz bekommt. Eine weitere Wohnform, die zum teilbetreuten Wohnen gezählt wird, stellen Trainingswohnungen dar, in denen man Unterstützung erfährt, während man sich auf das Leben in einer eigenen Wohnung vorbereitet. Auch ambulant betreutes Wohnen ist möglich. Übergangswohnungen bieten eine betreute Wohnmöglichkeit, während man auf eine Gemeindewohnung wartet. Eine angestrebte Wohnform ist das selbstständige Wohnen mit oder ohne Assistenz, je nach dem, was die betroffene Person benötigt. Wohnen mit der Familie bildet den Gegenpol zum betreuten Wohnen in WGs oder Heimen. Herr Nagl wünscht sich sehr, dass es in Wien die Möglichkeit gäbe, dass in einem Haus Paare mit Lernschwierigkeiten, aber auch Familien zusammenwohnen könnten. Er meinte aber, dass wir davon noch weit entfernt sind.

Der Wunsch nach dem selbstständigen Wohnen klang in den vorhergehenden Diskussionen immer wieder durch. In weiterer Folge beschäftigten wir uns mit der Frage, was es heißt selbstständig zu Wohnen. Selbstständig Wohnen heißt, dass man Verantwortung übernehmen und die Wohnung selbstständig sauber bzw. in Ordnung halten muss. Dabei kam die Diskussion auf, dass man in WGs ständig von den BetreuerInnen gezwungen wird, sein Zimmer sauber zu halten bzw. aufzuräumen. Herr Nagl meinte dann auch, dass er aber seine Wohnung nicht selber sauber hält, sondern eine Putzfrau. Wir kamen dann zum Schluss, dass trotzdem er selbst für die Sauberkeit in seiner Wohnung sorgt, da er sieht, dass geputzt werden muss und er diesen Auftrag an eine Reinigungskraft vergibt und diese für ihre Arbeit bezahlt. In betreuten Wohnformen vergeben meist nicht die Menschen mit Lernschwierigkeiten die Aufträge, was getan werden muss, sondern die BetreuerInnen nehmen den BewohnerInnen die Entscheidungen ab. Daher ist ein weiteres Charakteristikum des selbstständigen Wohnens Dinge / Leistungen in Auftrag zu geben (Putzen, Bank, ...). Verantwortung zu übernehmen heißt auch, selbstständig zu schauen, dass Postwege erledigt oder Rechnungen bezahlt werden. Einkaufen, kochen oder selbstständig für die Ernährung sorgen sind ebenfalls Bestandteile selbstständigen Wohnens. Auch Freiheit und mehr Freizeit wurden als wichtige Aspekte zum Thema selbstständig leben empfunden. Es ging darum, dass man seine Freizeitgestaltungen selbst tätigen kann und nicht nur dann in ein Kaffeehaus gehen kann, wenn die BetreuerInnen einen Ausflug mit der gesamten WG machen. Auch wenn man selbstständig wohnt, müssen gewisse Regeln des Zusammenlebens beachtet werden, weil man ja immer wieder mit Mitmenschen in Kontakt kommt und nicht alles tun und lassen kann, wie man will. Wenn man selbstständig wohnt, ich man auch selbst dafür verantwortlich z.B. pünktlich zur Arbeit zu erscheinen. Man wird nicht von BetreuerInnen früh genug geweckt, sondern man muss sich selbst einteilen können, wann man aufstehen muss, um genügend Zeit für seine morgendlichen Rituale zu haben und trotzdem pünktlich in der Arbeit zu erscheinen. Auch für die Einrichtung und die Möbel in der eigenen Wohnung ist man selbst verantwortlich. Auch wenn diese Möbel gegebenenfalls schon von der Mutter, die diese Wohnung vorher bewohnt hat, vorhanden sind, kann man trotzdem selbst entscheiden, ob man diese Möbel noch in der Wohnung haben will und an welcher Stelle sie stehen sollen. Man hat die Freiheit sich seine Wohnung so zu gestalten, wie sie einem gefällt (vorausgesetzt die verfügbaren finanziellen Mittel lassen dies zu). Der wichtigste Aspekt, welcher mit selbstständig wohnen in Verbindung gebracht wurde und des Öfteren genannt wurde, war: selbstständig Entscheidungen treffen können.

In einem nächsten Schritt beschäftigten wir uns damit, auf welche Bereiche die Wohnsituation eine Auswirkung hat, bzw. welche Bereiche sich auf die Wohnsituation bzw. Zufriedenheit mit der Wohnsituation auswirken.

Ein Wechsel/eine Veränderung des sozialen Umfeldes/der Umgebung kann als schwierig empfunden werden und auch Probleme mit sich bringen, die sich dann in einer negativen Art und Weise auf das Wohlbefinden mit seiner eigenen Wohnsituation auswirken.

Das soziale Umfeld generell hat Auswirkungen bzw. Einflüsse auf die jeweilige Wohnsituation und sollte bei der Wahl der Wohnsituation nicht außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel: "Wie weit wohnt die Familie entfernt? Freunde? Arbeit?".

Zugangsmöglichkeiten von öffentlichen Verkehrsmitteln oder aber auch die Zugangsmöglichkeiten zur Nahversorgung gehen oft Hand in Hand und haben ebenfalls Wirkung auf die Wohnsituation. Wenn man zum Beispiel nicht so gut weit gehen kann und der Supermarkt etwas weiter entfernt ist, dann wird es schneller passieren, dass man mit seiner Wohnsituation nicht zufrieden ist, weil man eventuell jedes Mal, wenn man einkaufen gehen muss, Hilfe von Anderen benötigt. Somit wäre man wieder von anderen Personen abhängig. Die Angelegenheit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist am Land meist viel schwieriger als in der Stadt, da sie am Land oft noch nicht Rollstuhlgerecht sind.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der sich auf die Wohnsituation auswirkt bzw. bei dem die Wohnsituation Einfluss nimmt, ist die Freizeitgestaltung. Wenn man selbstständig wohnt, dann kann man auch selbst entscheiden wann man was wo mit wem unternimmt, und muss sich nicht zuerst mit den BetreuerInnen absprechen. Man kann seine Freizeit flexibler gestalten und auch Freunde/Familie/Bekannte zu jeder Tages- und Nachtzeit einladen.

Es wurde implizit immer zwischen selbstständigem und vollbetreutem Wohnen verglichen und daher haben wir schlussendlich eine Gegenüberstellung gemacht.

selbstständig Wohnen

vollbetreutes Wohnen

besseres Wohlbefinden

eingeschränktes Wohlbefinden

mehr Freizeit

 

selbst entscheiden

Entscheidungen werden (ohne Mitbestimmung der betroffenen Personen) von BetreuerInnen getroffen

stolz sein (darauf, dass man selbstständig für sich sorgen kann und die Herausforderungen einer eigenen Wohnung/eines selbstständigen Lebens meistern kann)

 

Freiheit Besuch zu haben (wann immer man will)

fixe Zeitpläne (Besuche,...)

besseres Selbstbewusstsein

 

für voll genommen werden als Erwachsene/r

 

Privatleben (Partnerschaft, Sexualleben,...)

Privatleben ist eingeschränkt (abhängig von der jeweiligen Einrichtung inwieweit den BewohnerInnen Privatsphäre zugestanden und diese auch respektiert wird)

Aus der vorhergehenden Diskussion ging hervor, dass teilbetreutes und vor alles selbstständiges Wohnen (mit persönlicher Assistenz oder Unterstützung) gegenüber vollbetreuten Wohnformen bevorzugt und als eigene Wohnsituation angestrebt werden. Die Zufriedenheit bzw. Wahl für eine Wohnform hängt aber auch sehr davon ab, mit welchen Konzepten und Menschenbildern die jeweiligen Vereine arbeiten, für deren Wohnplätze man sich eventuell interessiert. Vollbetreutes Wohnen ist nicht gleich vollbetreutes Wohnen sowie teilbetreutes Wohnen nicht gleich teilbetreutes Wohnen ist. Das ist von Verein zu Verein unterschiedlich - je nach Konzept und Menschenbild.

Entscheidend ist, dass man selbst und eigenständig die Wahl für jene Wohnform treffen kann, die einem zusagt und in der man leben möchte.

Samstag, 4. April 2009

Soziale Interaktionen

9.45 Uhr

PRÄSENTATION DER KLEINGRUPPENARBEITEN

Es wäre geplant gewesen, dass alle zwischen 9.15 Uhr und 9.30 Uhr ankommen und dass das Treffen dann beginnen kann. Der weg zur Uni wurde jedoch von Frau Lose und Frau Yeri unterschätzt und sie kommen ein bisschen zu spät.

Auch Herr Hofbauer ist heute da. Er wollte eigentlich gestern schon kommen wurde jedoch verhindert. Er betont sichtlich cool, dass er heute um 13.00 Uhr dann wieder geht, und zwar pünktlich.

WOHNEN

Als erstes präsentiert Herr Leitner die Ergebnisse seiner Gruppe. Er fragt, ob er aufstehen soll und Herr Koenig meint, er soll es so machen, wie es ihm am Besten geht. Er stellt sich dann nach vorne, neben die Plakate seiner Gruppe und beginnt vorzulesen, was drauf stand. Manchmal verliest er sich dabei, ohne, dass er es merkt und Frau Hintringer, die am Vortag die Moderatorin dieser Gruppe war, macht ihn auch einmal darauf aufmerksam, da der Kontext sonst verloren gegangen wäre. Währenddessen gähnt Herr Nagl einmal ungehemmt und Herr Nauerschnig kramt in seinem Rucksack nach einem Kalender in dem er dann interessiert liest.

9.50 Uhr - Frau Fürst kommt zu spät und entschuldigt sich zweimal dafür während sie sich einen Platz sucht.

Herr Koenig fragt Herrn Leitner und Herrn Nagl, wie es ihnen bei der Diskussion in der Gruppe gegangen ist. Herr Nagl meint daraufhin, dass es heftig gewesen ist. Dann fragt Herr Koenig die anderen, ob es noch Fragen zu dem Thema gibt. Herr Nauerschnig fängt sofort an zu reden und meint, dass ambulantes und teilbetreutes Wohnen das gleiche ist. Er sagt, dass ihm das eine gewisse Frau Magistra erklärt hat.

Frau Yeri fragt, ob es wirklich so ist, dass es so viele Regeln gibt die mit Wohnen in Zusammenhang stehen - sie könne das fast nicht glauben. Frau Nussbaumer antwortet darauf ziemlich vehement, dass das bei ihr nicht so ist, woraufhin Herr Koenig sie fragt, ob sie nicht in einer eigenen Wohnung wohnt. Sie sagt, ja, aber sie sei oft in der WG auf Besuch und die dürfen ins Bett gehen, wenn sie wollen. Frau Fürst erzählt, wie es bei ihr ist und kommt zu dem Schluss, dass es ziemlich viele Abhängigkeiten gibt. Herr Koenig fasst dann noch einmal alles zusammen. Dabei wird er von Frau Fürst und Herrn Nauerschnig bestätigt und Frau Fürst fügt noch hinzu, dass sie das genau so sieht. Auch Frau Rabl möchte noch etwas dazu sagen. Zuerst versucht Frau Yeri zu übersetzen, dann übernimmt jedoch Frau Jentsch wieder diese Aufgabe.

Herr Nauerschnig bezieht sich dann nochmals auf Herrn Nagl und sagt, dass er es nicht gut finden würde, wenn es mehr teilbetreute Wohnungen gäbe. Er sagt: "Ich frage dich Hans, wie das mit dem teilbetreuten Wohnen gehen soll." Nachdem kurz darüber geredet wurde, bricht Herr Koenig die Diskussion ab und sagt, dass nicht genug Zeit ist, darüber zu reden.

10.05 Uhr

BERUFLICHE UNTERSTÜTZUNG

Frau Fasching erklärt uns kurz, dass sie gestern ausgemacht haben, dass Frau Lose und Herr Renner die Plakate abwechselnd vorstellen. Sie fragt Frau Lose dann, ob das noch so in Ordnung ist. Sie nickt schüchtern und fängt an. Herr Nagl versteht etwas nicht, was ihm Herr Koenig dann erklärt. Frau Fasching meint, dass es dazu ein konkretes Beispiel von Frau Lose gab und fragt sie, ob sie es erzählen mag. Sie sagt: "Nein.". Herr Nauerschnig ist währenddessen abgelenkt, da er damit beschäftigt ist, sich einen Pickel auszudrücken.

Während der Präsentation hören fast alle aufmerksam zu. Es scheint, dass sich schon eine gewisse Sicherheit in der Gruppe eingestellt hat und dass die Leute die Situation schon kennen und sich aufeinander einlassen können. Herr Renner präsentiert sehr professionell - er redet frei und stellt Zusammenhänge her. Er bezieht dabei auch immer Frau Lose ein und sagt, für Frau Lose und ihn sei das so und so gewesen. Frau Lose hält sich eher kurz. Herr Nauerschnig liest während der gesamten Präsentation Zettel, die er in seinem Rucksack dabei hat. Herr Koenig fragt, wie es den Leuten in der Gruppe gegangen ist. Frau Lose antwortet, dass es leicht für sie war, wo es um die eigene Unterstützung gegangen ist und dass es eine gute Gruppengroße gewesen ist.

Herr Hofbauer stellt eine Frage und Herr Renner sagt, er versteht jetzt nicht, was er von der Gruppe wissen will. Herr Koenig erklärt dann, was er meint, was Herr Hofbauer meint.

Herr Nagl erzählt etwas zu dem Thema. Herr Nauerschnig schreibt etwas auf und passt eigentlich durchgehend nicht auf. Frau Fürst zeigt auf und Herr Koenig gibt ihr ein Zeichen, dass sie drankommt. Frau Fasching sagt, während die anderen reden, leise zu Frau Lose, dass sie gut präsentiert hat. Herr Koenig erklärt, was eine Dauerleistung ist woraufhin sich Herr Nauerschnig einmischt und sagt, dass das nicht so sei, wie er sagt. Herr Nagl sagt dann, dass das schon so sei. Herr Koenig bricht dann ab und sagt, dass Frau Yeri dran ist. Frau Fürst will etwas sagen - Herr Koenig weist sie darauf hin, dass Frau Yeri zuerst dran ist. Frau Fürst nickt verständnisvoll. Als sie dann dran kommt, erzählt sie von ihrer Arbeitsassistentin.

Herr Renner erklärt noch einmal, wie das auf den Plakaten gemeint war und Herr Hofbauer erzählt, dass er keine Unterstützung bei der Arbeit hat. Es wird kurz darüber geredet dass es bei einer "richtigen Arbeit" keine Selbstverständlichkeit ist, dass eine Unterstützung vorhanden ist und Frau Rabl will wissen, ob Herr Hofbauer nach Unterstützung gefragt hat, was er nicht gemacht hat. Er ist sehr unglücklich in seinem Job und erzählt, dass es ihm in der Beschäftigungstherapie viel besser gefallen hat, dort habe er jedoch nichts verdient. Die KollegInnen seien sehr nett gewesen und haben ihm jeden Arbeitsschritt erklärt. In seiner jetzigen Arbeit müsse er monotone Arbeit machen und ein Freigänger kontrolliert alles, was er macht. Es wurde ihm anscheinend gesagt, dass er lieber arbeiten soll anstatt reden und er darf auch keine Pausen mehr machen.

Herr Nauerschnig will dann einen Bezug zur UN-Konvention herstellen, doch Herr Koenig sagt, dass das nachher dann kommt. Frau Yeri erzählt noch von ihrer Situation mit der Unterstützung. Herr Koenig fasst noch einmal zusammen, was über Barrieren gesagt wurde. Herr Hofbauer sitzt mit gesenktem Kopf da und versteckt sich hinter seinem Hut. Er sagt, dass das sein Thema im Seminar ist. Herr Nagl und Herr Nauerschnig diskutieren währenddessen über Beihilfen.

10.35 Uhr PAUSE

11.05 Uhr

RAUS AUS DER BESCHÄFTIGUNGSTHERAPIE

Frau Fürst präsentiert die Plakate, die am Tag zuvor zum Thema "Raus aus der Beschäftigungstherapie" gemacht wurden. Alle hören aufmerksam zu während sie vorliest und ab und zu auch etwas dazu erklärt. Herr Koenig fragt bei einem Punkt nach, wie das gemeint ist und Frau Fürst versucht, es zu erklären. Dieser Punkt ist aus einer persönlichen Geschichte von ihr selbst hervorgegangen, sie kann sich aber nicht mehr daran erinnern und erzählt etwas anderes.

Auch bei dieser Gruppe fragt Herr Koenig, wie die Gruppenarbeit war. Herr Amann sagt: "Heftig.", Frau Rabl sagt: "Gut.". Herr Hofbauer sagt, dass es bei ihm anders war, er wurde gut behandelt in der Beschäftigungstherapie. Er sagt: "Über die Bezahlung müssen wir nicht reden.". Er erlebt seine jetzige Arbeit als Belastung.

Frau Yeri macht sich Gedanken über Herrn Hofbauers Situation, sie versteht es nicht und meint, es läuft verkehrt. Frau Rabl hat eine Frage an Herrn Hofbauer. Sie tippt auf ihrer Tafel und Frau Lose übersetzt. Herr Hofbauer antwortet dann auf Frau Lose obwohl Frau Rabl noch tippt. Frau Rabl fragt dann noch einmal und Herr Hofbauer antwortet. Währenddessen ist eine ruhige Stimmung. Herr Nauerschnig sagt, Herr Hofbauer soll seinem Chef einfach sagen, dass er Unterstützung braucht. Daraus entsteht eine Diskussion zwischen Herrn Leitner, Herrn Nagl und Herrn Nauerschnig, dass es eben nicht so einfach und selbstverständlich ist, Unterstützung zu bekommen. Herr Leitner und Herr Nagl sagen, dass es kein Recht auf Unterstützung gibt. Herr Nauerschnig ist anderer Meinung. Herr Koenig fragt Herrn Hofbauer, wo er lieber arbeiten würde. Der meint daraufhin "Weder noch." - er würde am liebsten in einer Gärtnerei arbeiten.

Herr Nagl schaut ziemlich müde aus. Herr Nauerschnig macht einen Witz über das, was Herr Hofbauer gesagt hat. Herr Nagl spricht das Thema Taschengeld in der Beschäftigungstherapie an. Herr Nauerschnig unterbricht Herrn Nagl darin, Herr Koenig sagt, dass er das lassen soll. Herr Nagl redet weiter und steigert sich ziemlich hinein. Er sagt, dass die anderen endlich kapieren sollen, dass die Beschäftigungstherapie freiwillig ist und dass sie das nicht machen müssen. Er verstehe nicht, warum wir ständig darüber diskutieren müssen. Dann fragt er Herrn Hofbauer, was er eigentlich genau arbeitet. Herr Nauerschnig sagt zu Herrn Nagl: "Das stimmt nicht, was du gesagt hast." Herr Koenig sagt dann zu Herrn Nagl, dass viele Leute nicht wissen, dass es freiwillig ist. Herr Nauerschnig sagt, dass er noch nicht fertig war und erklärt seine persönliche Situation, dabei ist er ziemlich aufgebracht. Herr Koenig weist ihn darauf hin, dass er nicht zu sehr ins Persönliche fallen soll.

11.30 Uhr

UN-KONVENTION

Auf den Wunsch von Frau Yeri und Herrn Nauerschnig hin stellt Herr Koenig die Ergebnisse dieser Gruppe vor. Es wurde im Laufe des Tages schon ein paar Mal kurz drauf hingewiesen, dass das Thema ziemlich schwierig ist. Er erklärt alles ganz langsam und fragt immer wieder, ob alle verstehen, was er meint. "Ja.".

Herr Nagl spricht das Thema Sachwalterschaft an und Herr Nauerschnig will daraufhin etwas antworten. Herr Koenig sagt, dass wir später noch zu diesem Punkt kommen. Herr Nauerschnig fragt lachend, ob er vorgegriffen hat. Im gleichen Satz greift er dann noch einmal vorweg. Herr Koenig erklärt ganz langsam, was Diskriminierung ist. Herr Hofbauer wirkt sehr interessiert und witzelt teilweise. Herr Koenig geht dann in seiner Präsentation von einem Beispiel von Frau Yeri aus anhand dessen er den Umgang mit verschiedenen Gesetzen demonstriert. Herr Hofbauer macht einen Witz und alle lachen darüber.

Es ist zu merken, dass sich Herr Nagl relativ gut auskennt, was Gesetze angeht und dass Herr Nauerschnig ein Problem damit hat. Einmal sagt er zu Herrn Nagl, dass er seine Frage nicht richtig verstanden hat woraufhin Herr Koenig meint, dass Herr Nagl die Frage schon richtig verstanden hat, da er genau richtig darauf geantwortet hat.

Herr Nauerschnig erzählt wieder eine persönliche Geschichte zum Thema. Herr Nagl will dann noch einmal etwas erklären, wird jedoch von Herrn Koenig eingebremst.

12.15 Uhr

ABSCHLUSSRUNDE

Herr Hofbauer stell klar, dass bei der Referenzgruppe alles freiwillig ist - "wenn I ned kommen will, komm I ned." Als es dann um das Forschungstagebuch geht, ist ihm nicht ganz klar, ob es um das im Seminar geht. Frau Rabl sagt, sie hat sich in der Zwischenzeit noch mal die Interviews, die beim zweiten Treffen besprochen wurden, angeschaut. Sie hat aufgeschrieben, was ihr dazu in den Sinn gekommen ist und hat das dann in ihr Forschungstagebuch geklebt. Herr Koenig liest das nun der Referenzgruppe vor. Unter anderem schließt der Text damit, dass die Frage gestellt wird, was beim Forschungsprojekt herauskommen soll. Herr Hofbauer macht Geräusche indem er sich ein Blatt Papier wie eine Trompete vor den Mund hält. Herr Koenig erklärt etwas zum Projekt und sagt, dass er selbst nicht weiß, was herauskommen soll.

Herr Nauerschnig stellt einen Bezug zum Seminar her. Herr Hofbauer schnippt mit den Fingern und Frau Fürst regt sich darüber auf, da es sie stört. Herr Nauerschnig sagt, auf die Bitte von Herrn Koenig hin, dass sie sich Gedanken über ihre Rolle als ForscherInnen machen sollen usw., dass er dann nicht viel machen muss, da er das eh schon im Seminar gemacht hat. Herr Koenig sagt, er solle das nicht vermischen.

12.35 Uhr

REFLEXION

Herr Koenig weist darauf hin, dass er diesmal ausnahmsweise nicht bei Frau Yeri beginnen wird, da er das meistens tut, weil sie bis jetzt oft am Rand des Kreises gesessen ist. Herr Amann, der am anderen Rand sitzt, beginnt und sagt, dass er die Leute immer besser kennen lernt. Frau Hintringer und Frau Carraro sagen auch kurz etwas zu unserer neuen Erfahrung als Moderatorinnen und wie uns das Treffen sonst gefallen hat. Frau Nussbaumer meint, dass sie das Treffen interessant und vielschichtig gefunden hat, ihr Statement fällt eher kurz aus - man merkt, dass es ihr sehr unangenehm ist und dass ihr nicht wirklich was einfällt. Herr Krög sagt, er ist begeistert über die Kompetenz der Referenzgruppenmitglieder. Er spricht auch an, dass ihm selbst die Rolle der Gruppe als ForscherInnen klarer wurde, als sie konkret mit dem Interviewmaterial gearbeitet haben. Herr Leitner erklärt, dass das Treffen für ihn "O.K." war. Alle lachen, als er das sagt, da es ziemlich cool klingt. Er kann nicht zum nächsten Treffen kommen. Er erzählt noch, dass er kein Lehrling mehr ist. Er ist sehr stolz darauf, denn er hat dies gestern schon ausführlich beim Abendessen erzählt - da waren aber nicht alle dabei, darum erzählt er es noch einmal sehr detailgetreu. Alle interessieren sich dafür.

Herr Hofbauer gibt sich sehr cool, er freut sich über das Verständnis in der Gruppe über seine Arbeitssituation. Er kann beim nächsten Treffen auch nicht kommen, da er auf das Nova Rock Festival geht. Herrn Nagl hat das Treffen gut gefallen, er sagt, er hätte gerne eine Veränderung in der Arbeitssituation. Frau Fürst hat es auch gut gefallen. Sie möchte sich noch einmal dafür entschuldigen, dass sie zu spät gekommen ist. Sie fand das Treffen großartig und es hat ihr viel Spaß gemacht. Sie erzählt, dass sie ihre beruflichen Sachen durchsetzen möchte. Sie fand gestern und heute cool, es hat sie inspiriert. Herr Hofbauer sagt: "Nächster!" und weist darauf hin, dass nur noch 10 Minuten Zeit ist. Herr Renner redet verhältnismäßig leise. Als Herr Nauerschnig dran ist, sagt Herr Hofbauer: "Herr Kollege?!". Herr Nauerschnig: "Ja ich weiß!" und lacht. Er fand die Gruppenarbeit sehr gut, jedoch anstrengend. Er hätte gerne, dass die Wiener sich zwischendurch treffen und über die UN-Konvention informiert werden. Er fand das Thema "Unterstützung" sehr interessant und fasst es kurz zusammen. Frau Jentsch sagt, dass sie viel gelernt hat und dass sie der Referenzgruppe viel Glück auf ihrem weiteren Weg wünscht. Frau Rabl hat vor allem die Kleingruppenarbeit gefallen und auch Frau Lose fand das am Besten. Frau Yeri sagt, dass die UN-Konvention sehr schwierig ist und dass sie nicht so diskutieren konnte, wie sie wollte, da sie mit Verstehen beschäftigt war. Sie fand die Kleingruppe auch gut, aber zwei Personen waren ihr ein bisschen zu wenig. Sie würde beim nächsten Treffen die Fragen, was ist Forschung und was bedeutet Forschen als Rollenspiel bearbeiten.

Herr Koenig bedankte sich für die Geduld der Referenzgruppe, da das Treffen ohne Frau Pinetz eher unstrukturiert war. Alle verabschieden sich und brechen nach und nach auf.

Prozesse der Erkenntnisgewinnung

Am Samstag ist auch Helga Fasching wieder anwesend. Auch Herr Hofbauer, der am Freitag fehlte, stieß dazu. Frau Fürst fehlt noch, aber wir beginnen trotzdem um 9.45 Uhr bereits mit Verspätung, da die Innsbrucker den Weg vom Hotel unterschätzt hatten.

Für die Präsentationen der Diskussionen des Vortags ist ca. 1 Stunde vorgesehen. Wie sich jedoch herausstellt, ist der Diskussionsbedarf zu den jeweiligen Themen immer noch groß und daher besteht die Möglichkeit, das Programm flexibel zu ändern und jedes Thema bekommt die Zeit, die für eine ausführliche und zufriedenstellende Beschäftigung damit notwendig ist.

Bevor die Präsentationen starten, stellt Herr Koenig die Frage, welche Gruppe beginnen möchte und legt bereits fest, dass seine Gruppe mit der UN-Konvention als letzte präsentieren soll, da dies ein sehr schwieriges und komplexes Thema ist. Die Gruppe "Raus aus der BT" kann nicht beginnen, da ihre Rapporteuse Frau Fürst noch fehlt. Frau Lose und Herr Renner sowie auch Herr Leitner wollen ebenfalls nicht mit ihren Präsentationen beginnen. Doch dann erklärt sich Herr Leitner dazu bereit, die Ergebnisse der Gruppe Wohnen als Erstes zu präsentieren.

Nach der Präsentation fragt Herr Koenig zuerst, wie es Herr Leitner und Herr Nagl bei der Diskussion am Vortag ergangen war und Herr Nagl meint, dass es heftige Diskussionen gab. Sie fanden die Diskussion vom Vortag interessant und gut. Dann können auch die anderen Referenzgruppenmitglieder zum Thema "Wohnen" mitdiskutieren. Es wird angemerkt, dass es unterschiedliche Vollbetreuungen gibt und dass das von den jeweiligen Vereinen abhängig ist. Weiters entstehen in Vollbetreuungen unterschiedliche Abhängigkeiten und man kann nicht völlig selbstbestimmt leben, wohnen, handeln. Eine WG kann nicht mit einem richtigen Familienverband verglichen werden (Herr Amann). Frau Rabl ist die Unterscheidung wichtig, dass man sich die persönlichen AssistentInnen bei persönlicher Assistenz selbst aussuchen kann. Dies ist jedoch bei ambulanter Betreuung nicht möglich.

Bezugnehmend darauf, dass es wünschenswert wäre, anstelle von vollbetreuten Wohnplätzen mehr teilbetreute oder selbstständige Wohnplätze mit Assistenz zu schaffen, fragt Herr Nauerschnig, wo man dann die schwer geistig behinderten Menschen hingeben würde. Für Herrn Nauerschnig ist es nicht vorstellbar, dass auch diese Menschen außerhalb von vollbetreuten WG's/Heimen leben können. Herr Nagl meint, dass man da dann zweigleisig fahren sollte und Herr Koenig weist darauf hin, dass auch schwer beeinträchtigte Menschen mit einer Assistenz in Wohnungen leben. Frau Rabl ergänzt, dass sie jemanden kennt auf den das zutrifft. Da das Thema ziemlich alle zum mitdiskutieren angeregt hat und noch weiterer Bedarf da zu sein scheint, kann dieses Thema gezielt bei einem nächsten Referenzgruppentreffen behandelt werden.

Als zweites präsentiert die Gruppe berufliche Unterstützung ihre Ergebnisse. In dieser Gruppe wurde am Vortag vereinbart, dass beide gemeinsam - Herr Renner und Frau Lose - abwechselnd ein Plakat vorstellen.

Zu Beginn stellt sich diese Gruppe folgende Fragen: "Warum habe/n ich/wir dieses Thema gewählt? Was brauche ich für eine Unterstützung? Welche Unterstützung brauchen andere?".

Frau Lose braucht zum Beispiel Unterstützung bei organisatorischen Angelegenheiten (Vorbereiten einer Gruppe), aber auch beim Sammeln von Ideen. Auch braucht sie Unterstützung dabei wie sie an Arbeiten herangehen soll/kann, wenn diese mit einer größeren Verantwortung gekoppelt sind (z.B. Selbstvertretungswochenende). Obwohl sie Unterstützung in gewissen Situationen braucht und auch annimmt, ist es ihr wichtig, dass sie sich die Verantwortung nicht wegnehmen lässt.

Unterstützung die Herr Renner zuteil wird besteht darin, dass er für gewisse Dinge länger Zeit braucht und dass sie ihm mehrmals erklärt werden müssen. Er benötigt Zeit und eine lange Einarbeitungsphase und Unterstützung bei der Frage: "Wie gehe ich meine Arbeit an?". Herr Renner erklärt, dass er sich leichter tut, wenn er mit Bildern arbeiten kann, da dies die Aufnahmefähigkeit verbessert. Die Barrieren auf die er im beruflichen Leben stieß, waren bei der Arbeitssuche am größten. In dieser Phase merkte er die Lernschwierigkeit am meisten, daher benötigte er bei der Suche nach einem richtigen Job gute Unterstützung.

"Wie kann Unterstützung aussehen?"

  • Selbstbestimmung

  • Was mache ich selbst? Was kann ich selbst machen?

  • Wo hole ich mir Unterstützung?

Es wird auch darüber gesprochen, welche Qualitäten von Seiten des/der Unterstützers/Unterstützerin notwendig sind. Darunter fällt zum Beispiel, dass UnterstützerInnen Erfahrungen damit haben sollten, wie (gute) Unterstützung aussehen soll. Weiters ist die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Menschen mit Lernschwierigkeiten wichtig. Zentral ist, dass der Mensch mit Lernschwierigkeiten, der unterstützt wird, und dessen Anliegen, Arbeitsaufgaben im Vordergrund stehen und dass dieser sich in Sicherheit wiegt, das heißt, dass der/die UnterstützerIn im Hintergrund Sicherheit gibt/bietet. UnterstützerInnen sollen Dinge verständlich erklären und gegebenenfalls auch mit Bildern zur Unterstützung und Verdeutlichung arbeiten, da dies - zumindest im Fall von Herr Renner - die Aufmerksamkeitsspanne erhöht. Jemand, der sich an eine/n UnterstützerIn wendet muss ihm/ihr Vertrauen können, dass der/die UnterstützerIn nicht über ihn/sie entscheiden. UnterstützerInnen müssen das Wissen und das Können desjenigen den sie unterstützen anerkennen können und ihm etwas zutrauen können. Weiters ist es Aufgabe des/der UnterstützerIn jemanden, der Schwierigkeiten mit der Konzentration hat, immer wieder an das Wesentliche, gerade Zentrale zurückzuholen. Daher ist auch viel Geduld und Einfühlungsvermögen von Seiten der UnterstützerIn notwendig. Auch müssen UnterstützerInnen Interesse an ihrem Gegenüber zeigen und gegebenenfalls nachfragen bzw. sich vergewissern, ob sie alles richtig verstanden hätten. Auch Respekt der Personen, die unterstützt werden ist wichtig. Fazit ist, dass UnterstützerInnen nicht nur pädagogisch eingeschult werden sollen, sondern auf mehreren Ebenen.

Die Gruppe kommt zu dem Schluss, dass in der Arbeit die Unterstützung am wichtigsten ist, da in diesem Bereich auch die größten Barrieren vorhanden sind.

Zur Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Unterstützung für andere wird das Beispiel der Kursleiterin für Ausgehgruppen hergenommen. Entscheidend hierbei für die jeweilige Unterstützung dies die Höhe des Unterstützungsbedarfs. Das heißt, wer mehr Unterstützung braucht, bekommt auch mehr und die, die weniger brauchen, bekommen auch weniger. Wenn man Andere unterstützt, ist es wichtig, dass man gerecht ist und dass man sich vor allem gegenseitig unterstützt und die Unterstützung somit nicht nur einseitig abläuft. Wenn man Ausgehgruppen leitet, ist man dafür verantwortlich ausreichend Unterstützung für die ganze Gruppe zu organisieren.

Auch diese Gruppe wird gefragt, wie es ihnen bei der Diskussion ergangen ist. Für Frau Lose war die Gruppengröße (2 Personen und eine Moderatorin) angenehm. Danach wird das eben Vorgestellte in der Großgruppe diskutiert und ergänzt. Herr Hofbauer bekommt keine Unterstützung an seinem Arbeitsplatz und möchte daher wissen, ob diese Unterstützung alle bekommen. Daraufhin erzählt Herr Nagl von seiner persönlichen Situation. Da er eine Waisenpension erhält, ist es schwierig arbeiten zu gehen, da er wenn er die Geringfügigkeitsgrenze überschreiten würde, die Ansprüche seiner Leistungen verlieren würde. Mit der Waisenpension ist es daher schwierig, fix arbeiten zu gehen. Herr Nagl hatte daher eine Arbeitsassistentin für rechtliche Angelegenheiten, die ihn dabei unterstützte, arbeiten gehen zu dürfen. Wenn man eine Waisenpension erhält, muss es von einem Ausschuss genehmigt werden, dass man über die Geringfügigkeit hinaus arbeiten gehen darf. Bei anderen Dauerleistungen, wie zum Beispiel die Sozialhilfe, die es nur in Wien gibt und höher ist. Daraufhin entfacht zwischen Herrn Nagl und Herrn Nauerschnig wieder eine Diskussion über das Geld, bis Herr Koenig sie daraufhin weist, dass Frau Yeri mit der nächsten Wortmeldung an der Reihe ist. Frau Yeri ergänzt, dass für sie Unterstützung am Arbeitsplatz heißt, wenn leichte Sprache verwendet wird. Frau Fürst erzählt, dass sie früher auch eine Unterstützung hatte, aber jetzt ist sie in der BT und hat diese nicht mehr.

"Was sind Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten am Arbeitsplatz?"

  • Hilfe bei inhaltlichen Barrieren

  • Bei Körperbehinderung ist die Anpassung/Beseitigung von offensichtlichen Barrieren nötig. Daran wird im Arbeitsleben eher zuerst gedacht und es wird von der Gesellschaft als weniger aufwendig empfunden diese offensichtlichen Barrieren zu beseitigen. Viele Menschen empfinden es als mühsamer Barrieren für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu beseitigen.

Herr Hofbauer schildert, dass er an seinem Arbeitsplatz (Bundesheer) tagtäglich Barrieren erlebt und ihm niemand die Arbeitsschritte erklärt und zeigt. Im Nachhinein sind die Chefs angefressen, wenn er dauernd fragen kommt, wie etwas geht bzw. gemacht gehört. Zu seinen Aufgaben gehört es unter anderem, Akten von A nach B zu tragen und Sachen zu kopieren.

Der Unterstützungsperson von Frau Yeri wurden die Stunden gekürzt und jetzt muss sie entweder selber schauen, dass sie ihre Aufgaben schafft oder eben, wenn sie ansteht, warten, bis die Unterstützungsperson wieder da ist.

Es gibt unterschiedliche Arten von Barrieren. Eine davon sind die rechtlichen Barrieren, die auch die Geldangelegenheiten betreffen. Darunter fällt auch, wenn man durch das Arbeiten gehen andere Leistungen verliert bzw. verlieren könnte. Es gibt auch noch persönliche Barrieren worunter unter anderem die fehlende Unterstützung aber auch die Einstellung der Gesellschaft fällt.

Es werden dann wieder Fragen an Herrn Koenig gestellt bezüglich der Zuverdienstgrenzen - im speziellen der Geringfügigkeitsgrenze. Herr Koenig weist darauf hin, dass die Referenzgruppentreffen in erster Linie dazu da sind, dass Herr Koenig und Frau Pinetz von den Referenzgruppenmitgliedern ihre Erfahrungen erhalten und weniger dafür, den Referenzgruppenmitgliedern Vorträge zu halten oder spezielle Informationen (z.B. bezüglich der genauen Regelungen der Zuverdienstsgrenzen) zu geben.

11.00 Uhr

Die nächste Präsentation macht Frau Fürst über die Gruppe Raus aus der BT. Die Plakate dieser Gruppe können nicht mehr an der Wand aufgehängt werden, da die Wände bereits mit den Plakaten der anderen Gruppen voll sind. Da jedoch diese Gruppe sowieso in diesem Raum war und noch alles auf dem Flipchart hängt, geht Herr Koenig Frau Fürst zur Seite und blättert immer um, wenn sie ein Plakat präsentiert hat.

Diese Gruppe beschäftigte sich in einem ersten Schritt damit, zu sammeln, welche Nachteile die Tätigkeit in einer Beschäftigungstherapie nach sich zieht oder ziehen kann. So ist es zum Beispiel ein Nachteil, dass man in einem eigentlich pensionsfähigen Alter nicht die Möglichkeit hat in Pension zu gehen und das man in der BT auch nicht Pensionsversichert ist. Oft bestimmen in Werkstätten die BetreuerInnen über die Tätigkeiten, die die KlientInnen zu erledigen haben und dabei kennen die BetreuerInnen oft ihre Grenzen nicht und gehen darüber hinaus. Damit meint die Gruppe, dass die BetreuerInnen oft eine gewisse Distanz nicht einhalten und Menschen in der BT körperlich berühren, was jedoch als störend empfunden wird. Man darf nicht selbst entscheiden was man machen will. An dieser Stelle fragt Herr Koenig bei der Präsentation, was sie damit meinen. Ein weiterer Nachteil der BT ist, dass man keiner richtige Bezahlung für seine Arbeit bekommt, sondern nur ein "Taschengeld". Anzumerken ist, dass die Bedingungen in den Beschäftigungstherapien von Verein zu Verein unterschiedlich sind. Menschen in der BT müssen teilweise die Erfahrung machen, dass sie von den BetreuerInnen nicht ernst genommen werden und dass die BetreuerInnen oft nicht die Möglichkeit haben auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen einzugehen. Die Überbelastung der BetreuerInnen führt dazu, dass Menschen oft nicht wahrgenommen und auch nicht respektiert werden. Es kommt auch vor, dass Menschen in der BT "zusammengeschissen" und wie ein kleines Kind behandelt werden, wenn sie einen Fehler machen. In BTs werden Menschen nicht gleich behandelt, sondern es werden manche Menschen bevorzugt und andere kaum wahrgenommen. Von den Referenzgruppenmitgliedern wird erwähnt, dass es in Werkstätten zu laut ist, weil viele in einem Raum gemeinsam arbeiten und dass unfaire Rahmenbedingungen vorherrschen wie zum Beispiel beim Essensgeld, welches von teilbetreuten Menschen mit Lernschwierigkeiten teilweise selbst bezahlt werden muss wobei Menschen in einer Vollbetreuung dieses in der Werkstätte bezahlt bekommen. Negativ ist auch, dass die Produkte, die in den Werkstätten erzeugt werden unter ihrem tatsächlichen Wert verkauft werden.

Menschen mit Lernschwierigkeiten haben oft zu wenige Wahlmöglichkeiten bezüglich anderer Berufe, weil keine Aufklärung darüber erfolgt und auch keine Informationen dazu zur Verfügung gestellt werden.

Es wird einem in der BT auch nicht erklärt, was eine Sozialversicherung ist und ob sie bei jemandem mitversichert sind oder selbst versichert oder, was es heißt, mitversichert bzw. selbstversichert zu sein.

Auch kommt es vor, dass ArbeitskollegInnen über andere schlecht sprechen, wenn diese betroffene Person gerade nicht anwesend ist. Negativ anzumerken ist auch, dass in den meisten Werkstätten nicht darauf geachtet wird, dass die Menschen, die dort arbeiten noch eine Ausbildung oder Weiterbildung machen könnten. Wobei Herr Amann und Frau Nussbaumer anmerken, dass es bei ihrem Verein schon so ist, dass es ein Anliegen ist, Menschen wieder aus der Beschäftigungstherapie raus zu bekommen und sie zu unterstützen eine Ausbildung zu machen. Wobei eben der Nachteil dabei ist, dass diese Bestrebungen nur für Menschen unter 25 Jahren gelten. Sobald man älter ist, werden von der Organisation her keine derartigen Bestrebungen unternommen. In BTs werden individuelle Fähigkeiten nicht berücksichtigt bzw. hinten angestellt. Es scheint dem Verein wichtiger zu sein, einen Platz zu besetzen, als die möglichen Bewerber zu befragen, was sie vorher gemacht haben und wo ihre Stärken und Schwächen liegen.

Wenn man in einer BT ist, dann ist es nicht leicht, dort wieder auszusteigen, da mit einem Wechsel aus der BT in fortgeschrittenem Alter in den ersten Arbeitsmarkt schwierige und komplizierte Pensionsregelungen verbunden sind.

In weiterer Folge hat die Gruppe unterschiedliche Wünsche, Anregungen und Träume für eine "richtige" Arbeit gesammelt. Dazu zählt unter anderem, dass es keine Altersbeschränkungen dafür geben sollte, um noch eine richtige Ausbildung anzufangen, um dann die Möglichkeit zu haben, eine richtige Bezahlung für seine Arbeit, die man leistet, zu bekommen. Zur richtigen Bezahlung gehört auch, dass man eine Sozialversicherung Pensionsversicherung und Krankenversicherung hat, einen angemessenen Stundenlohn und bezahlten Urlaub bekommt.

Ein weiterer Wunsch ist es, von ArbeitskollegInnen ernst genommen und vor allem nicht diskriminiert zu werden (von ArbeitskollegInnen, Vorgesetzten,...). Auch das Zutrauen von Aufgaben ist ein Wunsch, der oft noch nicht erfüllt wird. Im Arbeitsleben ist es auch wichtig, dass mögliche Barrieren beseitigt werden und wenn welche vorhanden sind, dann ist es notwendig, dass man richtige, angemessene Unterstützung bekommt. Wenn man auf Hilfsmittel angewiesen ist, dann ist es auch notwendig, dass in der Arbeitsstelle die richtigen Hilfsmittel zu Verfügung gestellt werden, um etwaige Barrieren zu beseitigen. Genannte Beispiele für Hilfsmittel sind Hebelifter, Sprachcomputer, Blindenschrift.... Ein ganz zentraler Wunsch ist, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten eigene Entscheidungen treffen können und dabei unterstützt werden. Es besteht der Wunsch, dass statt Vorschriften Vorschläge gemacht werden, die angenommen, aber auch abgelehnt werden können. Auch ein respektvoller Umgang ist ein oft unerfüllter Traum.

Im Anschluss wird besprochen, welche Unterschiede es zwischen einer Tätigkeit in einer Beschäftigungstherapie und einer Arbeit am ersten Arbeitsmarkt bestehen. Am ersten Arbeitsmarkt besteht mehr Druck auf den Arbeitnehmer sich an Fristen usw. zu halten und man muss vor allem verlässlich sein. Genau wie in der Beschäftigungstherapie gibt es auch Vorschriften, jedoch andere, an die man sich ebenfalls halten muss. Im Gegensatz zur BT wird die eigene Arbeit am ersten Arbeitsmarkt mehr wertgeschätzt, was ziemlich wichtig ist.

Am ersten Arbeitsmarkt ist auch Genauigkeit sehr wichtig. Ein Vorteil einer richtigen Arbeit ist, dass ArbeitnehmerInnen mehr wertgeschätzt und vor allem ernster genommen werden als in der BT. Der Nachteil einer Arbeitsstelle am ersten Arbeitsmarkt ist, dass man hierbei schneller gekündigt werden kann, was in einer BT nicht geht. Am ersten Arbeitsmarkt hat man einen geregelten und bezahlten Urlaub.

Dann werden noch die Schritte aufgezeigt, die notwendig sind, um aus einer BT rauszukommen und in den ersten Arbeitsmarkt einsteigen zu können.

Zuerst muss man eine geeignete Firma oder Arbeitsstelle finden, die vor allem auch die Hilfsmittel zur Verfügung stellt, die man braucht. Weiters ist ein Unterstützerkreis von Vorteil, der einer Person hilft und sie bei ihrem Vorhaben aus der BT rauszukommen unterstützt - in Form einer Persönlichen Zukunftsplanung. Bevor man jedoch fix in einen Job einsteigen kann, muss und soll man auch in der angestrebten Firma ein Praktikum machen. Dabei ist wichtig, dass man den Job bzw. das Praktikum auch beenden kann, wenn es einem nicht gefällt - Recht auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Entscheidend bei der Suche nach der richtigen Arbeitsstelle ist, dass man aus verschiedenen Berufen auswählen und selbstständig entscheiden kann. Menschen mit Lernschwierigkeiten müssen ein Recht auf eine "richtige" Arbeit haben und nicht automatisch in eine BT gesteckt werden

Nach der Präsentation sagt Herr Koenig, dass es jede Menge an Information war und fragt auch diese Gruppe, wie es ihnen ergangen ist. Frau Nussbaumer meint, es sei heftig gewesen und Frau Fürst ging es gut dabei.

Herr Hofbauer erzählt, auch in einer BT, aber auf einem Bauernhof, gewesen zu sein. Bei ihm war es daher anders und er wurde gut integriert und gelobt. Es hat ihm dort gefallen. Jetzt erlebt er die Arbeit bei der er keine Unterstützung erhält viel belastender als in der BT. Zwischen diesen beiden Arbeitsformen spürte er auch den Unterschied, dass beim Bundesheer ein anderer Ton vorherrscht und er keine Ansprechpartner bei der Arbeit hatte. Frau Yeri findet es komisch, dass er jetzt alleine dasteht, weil nach ihrem Empfinden gerade jetzt eine Unterstützung notwendig wäre, damit alles gut über die Bühne gehen kann. Frau Rabl fragt ihn, ob er gesagt hat, dass er eine Unterstützung braucht und Herr Hofbauer meint, dass das nie Thema war. Aber dass es zu Beginn einen Kollegen gab, der ihm alles auch zwei Mal erklärt hat. Dieser Kollege arbeitet jetzt nicht mehr dort. Herr Nauerschnig meint, dass Herr Hofbauer den Chef ansprechen sollte, doch er wird darauf hingewiesen, dass bei Herrn Hofbauer andere Arbeitsbedingungen herrschen.

Herr Leitner hatte bei seiner Lehre in einer normalen Arbeit eine Unterstützung, die vom Land bezahlt wurde und daher blieb das nicht an dem Chef hängen.

Für Herrn Hofbauer wäre es wichtig, wählen zu können, wo man dann arbeiten will. Er machte ein Praktikum in einer Gärtnerei und dort waren die KollegInnen anders und haben ihn miteinbezogen, ihm alles erklärt und ihn selbstständig arbeiten lassen. Aber er möchte wegen dem Taschengeld nicht zurück in die BT und weil er im nächsten Jahr ausziehen möchte. Später erzählt Herr Hofbauer, dass die Gärtnerei zum Bundesheer gehörte und er dort 25 Wochenstunden arbeitete. Da er Extrawünsche hatte - bezüglich Hilfestellungen - darf er jetzt nur noch kehren.

Herr Nagl weist darauf hin, dass die anderen immer vergessen, dass die BT vom Fonds Soziales Wien gezahlt wird und dass man dort ein Taschengeld bekommt. In seinen Augen sind die Leute freiwillig in der BT. Herr Nauerschnig ist gegensätzlicher Meinung: Man kann nicht selbst entscheiden, ob man in eine BT kommt oder nicht. In Wien schaut die Situation so aus, dass mit dem Wohnplatz oft der Zwang einer Tagesstruktur/BT verbunden ist. In diesem Bereich wäre es nötig, dass den Betroffenen mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden.

Da Herr Nauerschnig mit seiner Wortmeldung noch nicht am Ende ist, wehrt er sich und spricht weiter. Wenn man arbeitslos ist, dann befindet man sich seiner Meinung nach in einer Zwickmühle, weil man vom Staat abhängig ist (Arbeitslosengeld). Herr Renner wirft ein, dass Herr Nauerschnig nicht mit dem Geld umgehen kann und Herr Koenig weist ihn zurecht, dass diese Aussage zu persönlich sei und nicht in diesen Rahmen gehöre.

Viele Menschen mit Lernschwierigkeiten kommen nach der Schule - ohne eine Wahlmöglichkeit gehabt zu haben - in eine BT. Leider klären viele Sonderschulen nicht über alle Möglichkeiten auf, die es gibt, sondern nur über die Möglichkeit in einer BT unterzukommen.

11.30 Uhr

Bevor mit dem nächsten Thema - UN-Konvention - begonnen wird, weist Herr Koenig darauf hin, dass dies ein schwieriges Thema ist und fragt, ob alle ihre grünen, gelben und roten Kärtchen griffbereit haben. Herr Nauerschnig und Frau Yeri wollten bereits am Vortag, dass Herr Koenig die Diskussionen dieser Gruppe den anderen präsentiert.

Die UN-Konvention ist ein internationales Dokument, welches sich mit dem Thema Rechte auseinandersetzt und Rechte beinhaltet. Im Sinne der UN-Konvention stehen jedem Menschen zum Beispiel folgende Rechte zu: Recht auf persönliche Assistenz, Recht meine Wohnform zu wählen, Recht zu arbeiten und Geld zu verdienen, Recht auf Ausbildung und Weiterbildung, Recht, nicht durch einen Sachwalter eingeschränkt zu werden, sondern Unterstützung zu bekommen (z.B. Verträge verstehen), Recht auf leichte Sprache, ... Recht bedeutet, dass mir etwas zu steht. Es passiert jedoch oft, dass diese Rechte nicht eingehalten werden und somit Menschen Diskriminierung erfahren müssen.

Es gibt Bundesgesetze, die in und für ganz Österreich gelten. Darunter fällt zum Beispiel auch das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz, in welchem unter anderem der Schutz vor Diskriminierung geregelt ist. In Österreich ist es so, dass alles was in einem Gesetz geregelt ist, dem Menschen auch zusteht. Ist etwas nicht in einem Gesetz geregelt, dann steht es dem Menschen auch nicht zu. Das bedeutet also, dass mir alles zusteht, was Gesetz ist. Wenn jedoch jemandem etwas vorenthalten wird, dass ihm per Gesetz zusteht, dann bedeutet dies im Sinne der UN-Konvention, dass eine Diskriminierung vorliegt. Es muss jedoch dabei berücksichtigt werden, dass nicht alle Gesetze der UN-Konvention in den österreichischen Gesetzen verankert sind. Das betrifft zum Beispiel das Thema SachwalterInnen. Laut UN-Konvention dürfen die Rechte einer Person nicht durch den/die SachwalterIn eingeschränkt werden, da dies eine im Sinne der UN-Konvention eine Diskriminierung wäre. In Österreich gibt es aber ein Sachwalterschaftsgesetz, welches die Angelegenheit der Besachwaltung regelt und daher liegt auch wenn es durch den SachwalterInnen zu Einschränkungen gewisser Rechte kommt, keine Diskriminierung vor, da diese Einschränkungen im Sachwalterschaftsgesetz geregelt sind.

Da das Thema UN-Konvention sehr schwierig ist, benötigte es viel Geduld von Seiten der TeilnehmerInnen und auch des Moderators, da dieser auf Anfrage der TeilnehmerInnen hin, viele Dinge des Öfteren und auf verschiedene Art und Weise erklären muss, bis sie jedem und jeder klar sind und der nächste Punkt im Zusammenhang mit diesem Thema angesprochen werden kann.

Es gibt einen so genannten Monitoringausschuss. Das ist ein Ausschuss, der versucht auf die Unterschiede zwischen der UN-Konvention und den in Österreich gültigen Gesetzen hinzuweisen. Die Aufgabe dieses Monitoringausschusses ist es, die Politik bzw. die politischen Verantwortlichen auf die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen aufmerksam zu machen. Wenn ein Monitoringausschuss auf unterschiedliche Rechte in der UN-Konvention und in der österreichischen Gesetzgebung aufmerksam macht, dann muss die Politik reagieren und eine Stellungnahme schreiben, die dann erneut zurück an den Monitoringausschuss geht. Dabei gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder es wird eine Reform der Gesetze durchgeführt oder es bleibt alles beim Alten, weil sich die Politik rausredet und nicht weiter reagiert. Wenn zweiteres der Fall ist, dann hat der Monitoringausschuss die Möglichkeit sich an die UNO zu wenden, die dann die Macht hat Druck auf den Staat Österreich zu machen, dass dieser eine Gesetzesänderung veranlasst. Bis es jedoch tatsächlich zu einer Gesetzesänderung kommt, ist es ein langer Prozess, der vorausgeht. Damit man jedoch die Missstände in der österreichischen Gesetzgebung bzw. Widersprüche in der österreichischen Gesetzgebung zur UN-Konvention aufzeigen kann, muss man wissen, was in der UN-Konvention steht und auch an wen man sich wenden kann bzw. wer Unterstützung bei der Formulierung eines möglichen Briefes an den Monitoringausschuss bietet.

Bevor man sich jedoch mit seinem Anliegen bezüglich eines aufgedeckten Missstandes an den Monitoringausschuss wenden kann, müssen alle Möglichkeiten ausprobiert und ausgeschöpft werden. Was dies bedeutet, wurde an Hand von einem Beispiel besprochen. Frau Yeri macht eine Peer-Beratung in der Landeshauptstadt von Tirol und es wendet sich ein 34-jähriger Mann an sie, der aus der Beschäftigungstherapie raus möchte. Daraufhin kann ihn Frau Yeri auf die UN-Konvention aufmerksam machen und ihm auch erklären, dass darin verankert ist, dass er das Recht auf eine Arbeit hat. Weiters kann sie ihm raten, sich an die Werkstatt bzw. an die Arbeitsassistenz zu wenden. Wenn diese beiden Instanzen jedoch nicht auf sein Anliegen reagieren, dann erfährt der 34-jährige Mann von Seiten der Werkstätte und der Arbeitsassistenz Diskriminierung. Das heißt, wenn ihn die Arbeitsassistenz ablehnt, weil er in einer Werkstätte arbeitet, dann wird er im Sinne der UN-Konvention diskriminiert. Daraufhin kann ihm Frau Yeri raten, sich an die nächsthöhere Instanz - die Schlichtungsstelle - zu wenden. Wenn sich die BSB ebenfalls nicht mit seinem Anliegen ernsthaft auseinandersetzt, sondern ihm sagt, dass die Arbeitsassistenz nicht für ihn zuständig sei, weil er in einer Werkstätte arbeite und daher arbeitsunfähig sei, erfährt der von dieser Instanz ebenfalls eine Diskriminierung. Erst jetzt - nachdem alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Frau Yeri dem Mann raten, sich an den Monitoringausschuss zu wenden. Dies ist erst jetzt möglich, weil laut UN-Konvention alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, bevor man sich an den Monitoringausschuss wenden kann.

Das ist ein langwieriger und mühsamer Prozess, welcher sehr viel Geduld, Ausdauer und Mut braucht. Nicht nur der Hilfesuchende, sondern auch der/die BeraterIn benötigen große Motivation und vor allem viele Kompetenzen, um den Mann gut zu beraten und zu unterstützen. Aber trotzdem ist es wichtig, dass Leute versuchen diesen Weg zu gehen und dabei kompetent unterstützt werden.

Beim Thema "SachwalterInnen" würde dieser Prozess so ablaufen, dass man sich zuerst ans Gericht, dann an die Schlichtungsstelle und dann erst an den Monitoringausschuss wenden kann. Wichtig ist, dass alle Schritte, die man tut dokumentiert werden müssen, damit man jederzeit nachweisen kann, was alles schon wo und wann in einer speziellen Angelegenheit unternommen wurde.

An dieser Stelle will Herr Koenig dieses Thema belassen, um nicht mehr komplexer und unverständlicher zu werden, da für eine detailliertere Auseinandersetzung mit diesem Thema mehr Hintergrundinformationen zur UN-Konvention nötig wären. Mit dem Thema UN-Konvention und dem Beispiel für das Einschalten eines Monitoringausschusses wird auch eine Verbindung zum Thema Beratung hergestellt. Weiters werden die Referenzgruppenmitglieder darauf hingewiesen, dass es eine Übersetzung der UN-Konvention in Easy-to-read von Capito gibt, die jedoch leider nicht sehr verständlich ist.

Bei diesem Thema ist es immer wieder notwendig, dass Herr Koenig einen oder zwei Schritte in seinen Ausführungen zurück geht und diese erneut erklärt, bis sie allen TeilnehmerInnen klar sind und somit der nächste Aspekt in der Auseinandersetzung mit der UN-Konvention angesprochen werden kann.

12:17 Uhr

Nach der letzten Pause für dieses Treffen steht fest, dass ein Thema - Meine Rolle als ForscherIn; Was kann/will ich zum Forschungsprojekt beitragen?; Wie geht es mir als ForscherIn? - übersprungen wird, da bei den Themen, die am Vortag jeweils in den Kleingruppen diskutiert wurden, noch ein großer Klärungs- und Diskussionsbedarf bestanden hat. Herr Koenig bietet daraufhin an, dem Protokoll von diesem Treffen ein Dokument von der IntegrationsforscherInnentagung 2009 in Frankfurt anzuhängen, in welchem genau dieses Thema der ForscherInnenrolle von Menschen mit Lernschwierigkeiten behandelt wurde.

Herr Hofbauer merkt an, dass die Teilnahme an diesen Referenzgruppentreffen freiwillig ist und er daher kommen kann, wann er will. Weiters fügt er hinzu, dass er im Juni nicht dabei sein wird, weil er dort bei einem Festival sein wird.

Herr Koenig nutzt die Gelegenheit und weist darauf hin, dass die Treffen zwar freiwillig sind, dass es jedoch für die Gruppe erfolgversprechender wäre, wenn die Referenzgruppenmitglieder die Teilnahme an diesen Treffen ernst nehmen. Er weist sie quasi auf Disziplin bezüglich der Anwesenheit und Teilnahme bei den Treffen hin.

Die Treffen finden nur alle zwei Monate statt, und es werden auch nur die Treffen selber bezahlt. Trotzdem gibt es die Möglichkeit sich dazwischen mit dem Projekt auseinanderzusetzen und dies dann im Forschungstagebuch festzuhalten. Darin könnten auch die Fragen, die aufgrund von Zeitmangel bei diesem Treffen nicht mehr besprochen werden konnten, überlegt und niedergeschrieben werden.

  • Was bedeutet es für mich ForscherIn zu sein?

  • Was kann/will ich dazwischen dafür tun?

Frau Rabl hat sich bereits Notizen in ihrem Forschungstagebuch zu den Interviews gemacht, die schon einmal behandelt wurden. Herr Koenig liest ihre Gedanken dazu in der Großgruppe vor.

Es wird die Frage gestellt, was beim Forschungsprojekt rauskommen soll. Es geht darum, dass Lebensgeschichten gesammelt werden, weil diese die Dynamik eines Lebenslaufes vermitteln. In der Referenzgruppe geht es darum über bestimmte Themen - die auch in Lebensgeschichten oft eine zentrale Rolle spielen - zu diskutieren und Erfahrungen zu sammeln. Weiters gibt es in dem Projekt auch eine quantitative Erhebung, die unter anderem erheben soll, wie viele Menschen mit Lernschwierigkeiten nach der Schule in eine BT kommen. Mit diesen Ergebnissen soll die Politik auf die Situation aufmerksam gemacht werden. In der Politik kommt es immer auf Zahlen drauf an und nicht auf Lebensgeschichten. Das Ziel des Forschungsteam ist es bis September zu sammeln und in der Referenzgruppe über allgemeine Themen zu diskutieren, die ebenfalls für Lebensgeschichten wichtig sind bzw. sein könnten. Ab dann sollte der Fokus der Referenzgruppenarbeit mehr auf der Arbeit mit dem Material selbst liegen. Die jeweiligen Protokolle der Referenzgruppentreffen sollen zum Schluss zu einer Broschüre in leichter Sprache zusammengefügt werden. An dieser Stelle wird wieder angesprochen, dass die Erfahrungen der Referenzgruppe gegebenenfalls als Gruppe bei der Tagung in Innsbruck präsentiert werden könnten, wenn der Wunsch in der Gruppe besteht.

12.35 Uhr - Reflexionsrunde

Diesmal fängt Herr Koenig gezielt nicht bei Frau Yeri, sondern auf der anderen Seite, bei Herrn Amann mit der Reflexionsrunde an. Grundsätzlich wurden bei der Reflexionsrunde folgende Punkte angesprochen:

  • Die Gruppe kennt sich immer besser und die Auseinandersetzung mit den diversen Themen geht immer mehr in die Tiefe; vielschichtige Themen werden behandelt.

  • Im Bereich des Wohnens gibt es noch viele verbesserungswürdige Anknüpfungspunkte. Weiters wäre es interessant sich noch weiter mit diesem Thema auseinander zu setzen. Innsbrucker sind bei verschiedenen Hilfeleistungen weiter vorne als Wiener.

  • Wenn weiterhin so gearbeitet wird, werden viele interessante Ergebnisse herauskommen.

  • Diskussion in noch kleineren Gruppen war lässig. Bedürfnis sich außerhalb der Referenzgruppe noch weiter mit dem schwierigen Thema der UN-Konvention auseinander zu setzen. Auch das Thema Unterstützung war interessant.

  • Erstaunen darüber, dass viele ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Wichtig war, dass das Thema Werkstätte diskutiert wurde.

  • Das Thema UN-Konvention war sehr schwierig, daher konnte sich Frau Yeri nicht so einbringen, nicht so mitdiskutieren, wie sie es gerne wollte.

  • Rollenspiele wären wünschenswert: Was ist Forschung? Was bedeutet es ForscherIn zu sein?

  • Die Kleingruppen von 2 bis 4 Personen wurden unterschiedlich aufgenommen. Manchen gefiel es gut, anderen waren diese Gruppengrößen zu klein.

Am Ende des Treffens bedankt sich Herr Koenig bei den Mitgliedern für ihre Geduld und weist noch einmal darauf hin, dass er weniger strukturiert vorging als Frau Pinetz.

Beobachtungsprotokoll des fünften Referenzgruppentreffens

Freitag, 18. September 2009

Das fünfte Referenzgruppentreffen findet wieder in Wien im NIG in der Beratungseinheit im 6. Stock statt. Es sind folgende Referenzgruppenmitglieder beim gesamten Treffen anwesend: Frau Yeri, Frau Lose, Frau Rabl, Herr Renner, Herr Ruez, Herr Nagl, Frau Fürst und Frau Nussbaumer. Herr Nauerschnig geht am Freitag nach der zweiten Einheit, weil es ihm nicht so gut geht und ist dann wieder den gesamten Samstag anwesend. Herr Leitner ist nur am Freitag und Herr Hofbauer ist nur am Samstag mit dabei. Herr Amann ist beim gesamten Treffen nicht anwesend. Als Moderatoren sind Herr Koenig und Herr Krög sowie als Unterstützerin Frau Roth mit dabei. Frau Mursec, eine Studierende der Universität Wien, ist für die Erstellung des Protokolls bezüglich des Treffens sowie für die Beobachtung der sozialen Interaktionen anstelle von Frau Carraro verantwortlich, da diese auf Grund der kurzfristigen Verschiebung des Treffens einen wichtigen Kurs nicht mehr absagen konnte und somit am Freitag bis etwa 16.35 Uhr anwesend ist. Frau Hintringer ist beim gesamten Treffen als Beobachterin präsent.

Die Beratungseinheit ist wie immer gestaltet. Entlang der Wände stehen im Halbkreis Stühle für die Referenzgruppenmitglieder sowie zwei Flipcharts. An den Wänden hängen bereits zu Beginn die Plakate bezüglich des geplanten Programms und des Tagesablaufes. Ansonsten sind die Wände frei bzw. die Plakate, die erst später relevant werden, sind zugedeckt.

14.40 Uhr

Mit einer kurzen Verspätung startet dieses Treffen mit einer Begrüßung durch die Moderatoren sowie einer kurzen Darstellungen der Veränderungen und damit verbunden mit der Erklärung, dass Frau Pinetz aus persönlichen Gründen aus dem Forschungsprojekt ausgestiegen ist, und dass Herr Krög nun ihre Stelle eingenommen hat. Herr Krög erläutert ausführlich das geplante Programm für Freitag und stellt fest, dass für Samstag zwar schon der Ablauf - also die zeitliche Umrahmung von Arbeitseinheiten und Pausen - festgesetzt ist, jedoch noch nicht die Inhalte, die bearbeitet werden, da diese aus der Diskussion von Freitag entstehen sollen.

Danach startet die übliche "Was ist seit dem letzten Treffen passiert?"-Runde. Da niemand anfangen will, wird das Wort an Herrn Ruez gegeben und jeder soll reihum sagen, was sich bei ihm in den letzten fünf Monaten ereignet hat. Das heißt, dass diesmal die Wortmeldungen bei dieser eher persönlichen Runde nicht freiwillig sind, so wie dies bei den vorherigen Treffen üblich war.

Bei Herrn Ruez hat sich nichts Aufregendes ereignet. Er beginnt jedoch im Oktober an der Pädagogischen Hochschule einen Empowermentlehrgang - die Ausbildung zum Empowermentberater - gemeinsam mit Herrn Nauerschnig. Dabei stellt sich heraus, dass ihnen noch nicht ganz klar ist, was das ist. Herr Nauerschnig erklärt, dass sie nach dieser Ausbildung LehrerInnen dahingehend unterstützen werden, was Menschen mit Lernschwierigkeiten und Menschen im Rollstuhl brauchen. An dieser Stelle startet Herr Nauerschnig den Versuch genau zu erklären, wie lang diese Ausbildung dauert und welche Aspekte behandelt werden würden. Er will auch seine Unterlagen herausholen, die er mit hat, als er bei seiner Erklärung an einer Stelle nicht weiter weiß. Aber da unterbricht ihn Herr Koenig und verweist darauf, dass die genaue Erklärung der Ausbildung eher eine Pausenfrage wäre.

Es wird von den Moderatoren noch eingeworfen, dass es leider - weil es durch die personellen Umstrukturierungen viel Arbeit gab - auch kein Protokoll in leichter Sprache vom vierten Referenzgruppentreffen gibt. Weiters ist zu Beginn vergessen worden, Frau Mursec vorzustellen, die diesmal fürs Protokoll zuständig ist. Manche Referenzgruppenmitglieder kennen Frau Mursec schon, weil sie im letzten Jahr im Universitätsseminar zur Partizipativen Forschung mit dabei war.

Dann geht es bei Frau Yeri weiter. Sie hat derzeit Stress mit ihrer Wohnung, weil sie in einem Monat in ihre eigene Stadtwohnung umzieht. Weiters hält sie im Oktober einen Vortrag in Graz zum Thema Beziehung und Partnerschaft und ist für organisatorische Dinge für die Tagung (Lebenshilfekongress) in Bregenz im November verantwortlich. Auch die Präsentation des Gleichstellungspaketes stresst sie.

Herr Nauerschnig erzählt, dass er sehr viel durchgemacht hat und im Sommer die Möglichkeit hatte in Tirol zwei Praktika zu machen. Das erste absolvierte er beim Tafie und das zweite, welches er auf Grund von gesundheitlichen Problemen frühzeitig beenden musste, machte er bei WIBS. Auch er ist in naher Zukunft mit Vorträgen und Tagungen eingedeckt (Oktober: Salzburg; November: Bregenz). Im privaten Bereich wird er im November in eine Wohngemeinschaft umziehen, da ihm das Alleinsein nicht gut tut.

14:54 Uhr

Frau Fürst kommt zu spät, da sie die Zeit unterschätzt hatte, die sie zur Uni benötigt.

Herr Renner erzählt nur, dass es ihm gut geht und dass es ein lässiger Sommer war. Zusätzlich freut er sich schon wieder sehr auf die Zusammenarbeit in der Referenzgruppe.

Herr Nagl: Das Förderprojekt von Freak-Radio wurde leider auf Eis gelegt.

Frau Rabl: Im Juli fand zum dritten Mal das SelbstvertreterInnenwochenende statt, welches diesmal schon von 70 Personen besucht wurde. Es gibt die Überlegung im Herbst in den Bundesländern Salzburg, Steiermark und Burgenland eine Schulung für SelbstvertreterInnen anzubieten, da nun Geld zur Verfügung gestellt wurde und dieses in die Gewinnung von weiteren SelbstvertreterInnen investiert werden soll.

Herr Koenig fragte auch Frau Roth, was sich bei ihr in letzter Zeit ereignet hat, worauf sie nur meint, dass sie überall dabei war, wo Frau Rabl auch war.

Frau Lose: Freiraum hat ein neues Kursprogramm mit neuen Kursen herausgebracht.

Frau Nussbaumer will nicht sprechen, da ihr Zittern wieder häufig auftritt und sie meint, dass sie sowieso niemand verstehen würde, wenn sie so zittert beim Sprechen.

Herr Leitner: Es gibt leider nichts Neues, außer dass der Blitz bei ihnen eingeschlagen hat. Daraufhin fragt Herr Nagl bezüglich des Blitzes weiter nach, sowie er es bei einigen der vorherigen Wortmeldungen auch schon getan hat und Herr Koenig verweist darauf, dass diese Abschweifungen ebenfalls ideale Themen wären, die am Besten in der Pause besprochen werden würden.

Bei Frau Fürst steht ein Umzug bevor und sie war im Sommer auf Kur.

Herr Koenig fragt diesmal nicht nur die Referenzgruppenmitglieder danach, was sich getan hat, sondern auch Frau Mursec, Frau Carraro und Frau Hintringer.

Herr Krög erzählt kurz, dass er jetzt zur Hälfte in Wien und zur Hälfte in Tirol arbeitet und sehr viel unterwegs ist. Herr Koenig wurde Papa.

Bezüglich des Forschungsprojektes ist nun die Hälfte der Zeit vorüber und Herr Koenig und Herr Krög sind nicht dort, wo sie eigentlich sein wollten, sondern eher ein halbes Jahr zurück. Es ist ihnen ein Anliegen bei diesem Referenzgruppentreffen die Aufgaben der Referenzgruppe noch einmal neu zu ordnen und klar zu skizzieren.

15.07 Uhr

Im Forschungsprojekt allgemein gibt es viel zu tun und es wurden bereits viele statistische Daten zum Thema berufliche Integration erhoben. Dabei wird auch gesagt, dass ‚2/3' der Schüler, die eine Sonderschule besucht hatten, in einer Beschäftigungstherapiewerkstätte untergebracht werden. Als Reaktion auf diese Information stellt ein Referenzgruppenmitglied die Frage: "Was sind ‚2/3'?". Daraufhin erklärt Herr Krög, dass von drei Schülern der Sonderschule zwei in die Beschäftigungstherapie kommen, woraufhin den Referenzgruppenmitgliedern die Bedeutung von "2/3" klar ist.

Herr Renner meint, dass es nicht die Aufgabe der SonderschullehrerInnen ist, die Schüler auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Die Zahlen, die erhoben wurden, müssen noch interpretiert werden. Es ist nicht möglich aus den erhobenen Zahlen Gründe abzulesen, aber es wäre möglich darüber am Samstag zu diskutieren (was nicht geschehen ist).

Herr Nauerschnig will wissen, ob die Interviews nach Mayring oder ... Da wird er von Herrn Koenig unterbrochen, der diese Diskussion auf die Pause verweist.

Herr Koenig nennt die Interviewtexte, Zahlen, spannende Diskussionen als Aspekte von Forschung und stellt dann folgende Fragen: Was sind Teile von Forschung? Was interessiert euch?

Da sich die Referenzgruppe noch bis Jänner 2011 in etwa alle zwei Monate treffen wird und das nicht so viel Zeit ist, soll es das Angebot von regionalen Treffen geben, die in jenen Monaten stattfinden sollen, in denen es keine Großtreffen der Referenzgruppe gibt. Dadurch wäre die Zeit zwischen den einzelnen Treffen kürzer und es wäre mehr Zeit zur Verfügung, um den Themen der Referenzgruppenmitglieder mehr Raum zu geben. Dieser Vorschlag wird der Referenzgruppe unterbreitet und von dieser angenommen. Gemeinsam soll im Laufe des fünften Treffens geklärt werden, wie die zusätzliche Zeit genutzt werden kann und was in der Großgruppe bzw. was in der Kleingruppe (evt. Interviews) besprochen werden soll. Eine weitere Möglichkeit wäre, sich bereits erhobene Daten anzuschauen und zu überlegen, wie diese für die Selbstvertretung genutzt werden könnten. Herr Ruez schlägt vor, sich sowohl mit den Zahlen als auch mit anderen Ergebnissen an die Politik zu wenden, um auf die Situation aufmerksam zu machen.

Zusätzlich zu den Groß- und Regionaltreffen, soll über die Möglichkeit der aktiven Teilnahme (Skizzierung der Arbeit der Referenzgruppe) an der IntegrationsforscherInnentagung in Innsbruck im Februar 2010 (Thema: Rechte in unterschiedlichen Lebensbereichen) nachgedacht werden. Diese Tagung wird erstmals so gestaltet, dass alle Personen und nicht nur WissenschaftlerInnen daran teilnehmen können.

Ein weiterer Anknüpfungspunkt könnten eigene Projekte sein; selbst zu forschen bzw. ForscherIn zu sein. Das heißt, jedes Referenzgruppenmitglied kann, muss aber nicht, sich in ein interessantes Thema vertiefen und dieses beforschen. Es besteht dabei schon ein konkreter Vorschlag von Herrn Hofbauer, der sich für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema Mobbing am Arbeitsplatz interessiert und dieses Thema als kleines Forschungsprojekt weiterführen wollen würde. Bei dem Wort "Mobbing" erfolgt die Nachfrage seitens der Moderation, ob allen klar ist, was es bedeutet. Folgende Bedeutungen kommen sofort von den Mitgliedern der Referenzgruppe: jemanden gezielt fertig machen, gehänselt werden.

Auch die Innsbrucker TeilnehmerInnen werden gezielt gefragt, ob sie Themen haben, die sie über die Referenzgruppentätigkeit hinaus bearbeiten wollen. Dabei wäre es möglich, gemeinsame Themen in Projekten umzusetzen. Es ist jedoch noch offen, wie mit eigenständigen Forschungsprojekten in der Referenzgruppe gearbeitet werden soll. Die Teilhabe der Menschen mit Lernschwierigkeiten wäre jedoch bei einem eigenen Projekt eine andere, da sie dann die Hauptperson wären, die Unterstützung als UNTERSTÜTZUNG in Anspruch nehmen würde. Die Unterstützung könnte eventuell durch StudentInnen der Universität Wien als PraktikantInnen erfolgen.

Um die geschilderten vier Bausteine, die es ab jetzt möglicherweise im Zusammenhang mit der Referenzgruppe geben wird, zusammenzufassen und übersichtlicher im Blick zu behalten, benützt Herr Krög an dieser Stelle zum ersten Mal bei diesen Treffen das Flipchart und hält Folgendes fest: Großtreffen, Kleintreffen, IntegrationsforscherInnentagung und eigene Projektideen.

Um 15.30 Uhr startet pünktlich die Pause.

15.55 Uhr

Zu Beginn der zweiten Einheit wird gefragt, ob allen von der ersten Einheit alles klar sei, und ob es noch Fragen gäbe. Frau Rabl sagt darauf, dass sie es nicht ganz verstanden hätte, woraufhin sie sowohl von Frau Roth als auch von Herr Koenig "Was?" gefragt wird. Sie hat den Vorschlag mit den einzelnen Projekten nicht verstanden. Daraufhin wird noch einmal genau erklärt, womit man sich in jedem einzelnen der vier geplanten Bausteine auseinandersetzen soll.

Nach dem heutigen Tag soll ein Stück weit klarer sein, wie es mit der Referenzgruppe weitergeht und welche Themen behandelt, sowie welche Methoden eingesetzt werden. Wünschenswert wäre es, wenn sich die Referenzgruppenmitglieder an einem oder mehreren Bausteinen beteiligen würden, wobei niemand dazu gezwungen wird.

Nach einer erneuten Erklärung der Bausteine sind jene der Groß- und Regionaltreffen klarer, jedoch jene der IntegrationsforscherInnentagung und der eigenen Projekte eher weniger. Herr Ruez fürchtet außerdem, dass er bei der Tagung ausgebucht sein wird, weil er schon durch andere Projekte bei der Tagung mitwirken würde. Daraufhin wird ihm gesagt, dass noch offen sei, ob und wie sich die Referenzgruppe bei der Tagung einbringen würde.

Nachdem alles für alle halbwegs zufriedenstellend geklärt ist, fasst Frau Hintringer in einer kurzen Präsentation die bisher bearbeiteten Inhalte sowie die eingesetzten Methoden bei den ersten vier Referenzgruppentreffen zusammen. Danach erfolgt sowohl von Seiten der Moderation als auch der Referenzgruppe die Feststellung, dass die Inhalte noch da sind, wenn man die Themen hört.

16.07 Uhr

Herr Koenig liest die Fragen vor, die bereits vor dem Treffen auf Flipchartpapier geschrieben und jede Frage einzeln an die Wand geklebt wurde, damit das später Erarbeitete der Referenzgruppenmitglieder übersichtlich zur jeweils richtigen Frage geklebt werden kann. Er erklärt auch die Aufgabe und teilt die notwendigen Utensilien aus. Jeder bekommt einen Stift und zwei unterschiedlich gefärbte Zettel mit Fragen darauf. Die Fragen sollt jeweils auf einem Extrablatt beantwortet werden, damit sie später der dazugehörigen Frage an der Wand zugeordnet werden können. Die Unterlagen sind wieder in größerer Schrift gedruckt, damit sie leichter gelesen werden können. Die Referenzgruppenmitglieder sollen sich nun in einer 20-minütigen Einzelarbeit Gedanken zu den einzelnen Fragen machen und diese schriftlich festhalten, wobei Fragen, die sich für Einzelne als zu schwierig erweisen, nicht beantwortet werden müssen. Für die Einzelarbeit werden noch zusätzliche Tische in den Raum geholt, damit jede/r einen Platz an einem der Tische zum Schreiben finden kann.

Während jedes Gruppenmitglied sich seine Notizen zu den einzelnen Fragen macht, geben die Moderatoren Hilfestellungen, wenn diese von den einzelnen Referenzgruppenmitgliedern gefordert werden. Herr Krög erklärt also Herrn Nagl noch einmal, dass er Stichwörter als Antworten auf die Fragen sammeln und diese auf den kleinen Zetteln festhalten soll, damit diese dann später bei der passenden Frage aufgehängt werden können. Kurz nachdem Herr Krög von Herrn Nagl weggeht, sagt Herr Nagl: "also einfoch so Stichwörter aufschreibn".

Herr Koenig bereitet in der Zwischenzeit Tixostreifen zum Zettelaufhängen vor.

Frau Lose stellt fest, dass es sehr schwierig ist auf die Fragen zu antworten, woraufhin Herr Krög ihr sagt, dass sie zu schwierige Fragen nicht beantworten muss. (Dies hat zur Folge, dass nicht nur Frau Lose, sondern auch Frau Nussbaumer und Herr Leitner, die neben Frau Lose sitzen und das auch hören, sich ebenfalls zu einigen Fragen keine Antworten überlegen.) Herr Krög gibt Frau Lose weiterhin Hilfestellung, bis Frau Yeri nach ihm ruft, um ebenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Frau Roth hilft Frau Rabl, gibt ihr teilweise Tipps und schreibt vor allem das auf, was Frau Rabl ihr sagt.

Nach 10 Minuten ist Herr Leitner bereits mit allen Fragen durch und Herr Krög will wissen, ob er zurechtgekommen ist. Dies bejaht Herr Leitner, wobei sich später herausstellt, dass er sich mit einigen Fragen nicht auseinandergesetzt hat.

Frau Lose bittet um einen Kuli, da sie damit besser schreiben kann, als mit einem Flipchartstift, welchen sie dann auch bekommt. Dadurch, dass sie und auch Frau Roth einen Kuli verwenden, ist es kaum möglich ihre Kommentare später an der Wand von weiter weg zu lesen. Man muss sich also direkt davor befinden und nicht am anderen Ende des Raumes.

Herr Krög und Herr Koenig gehen während der Einzelarbeit immer wieder durch und bieten Unterstützung an. Da manche Referenzgruppenmitglieder etwas länger brauchen, bis sie wissen, was sie auf die Fragen antworten sollen, ist es wichtig und nötig ihnen die Zeit zu geben, die sie brauchen und sie nicht unter Druck zu setzen; zusätzlich erweisen sich für sechs Fragen die geplanten 20 Minuten als zu wenig. Nach ca. 25 Minuten sind schon ein paar Personen fertig, jedoch schrieben noch einige, daher fragt Herr Koenig wie lang sie in etwa noch brauchen werden. Kurz darauf wollen die Moderatoren mit der Besprechung der einzelnen Fragen beginnen und weisen darauf hin, dass wenn man noch nicht zu allem etwas aufgeschrieben hat, dies einfach bei der jeweiligen Frage mündlich sagen soll und sie schreiben es dann auf und kleben es an die Wand.

Die Moderatoren entscheiden der Frage nach, sowie reihum durchzugehen. Sie bedanken sich nach jeder Wortmeldung für den Kommentar, holen sich den beschriebenen Zettel zum Aufhängen und geben das Wort an die nächstsitzende Person weiter. Begonnen wird mit der Frage:

"Was bedeutet Forschung für mich?"

Frau Fürst: in der Gruppe gemeinsam über ein Thema diskutieren

Frau Yeri: sich mit Interviewtexten zu beschäftigen

Herr Nauerschnig: etwas Neues lernen können und wollen

Herr Renner: Erkenntnisse gewinnen und dadurch besser mit der eigenen Behinderung umgehen lernen

Herr Nagl: (hat nichts aufgeschrieben und trägt seinen Kommentar nur mündlich vor) zu einem Thema, das einem wichtig ist, etwas bewirken, verändern, verbessern. Herr Nagl sagt auch, dass ihm das Thema Arbeit und Rechte sehr wichtig ist, woraufhin er von Herrn Krög und Herrn Koenig darauf verwiesen wird, dass das zu der Frage nach den Themen und nicht hierher gehört. Dass es also erst später relevant wird.

Herr Koenig merkt auch an, dass die Wortmeldungen der anderen Mitglieder nicht einfach so hingenommen werden müssen, sondern dass auch Fragen an die Anderen gestellt werden können. Aber dieses Angebot des Sich-gegenseitig-Rückfragen-stellen wurde nicht genutzt.

Frau Rabl: sich mit wichtigen, aber auch schwierigen Themen auseinanderzusetzen

Frau Lose und Herr Leitner sagen nichts zu dieser Frage.

Frau Nussbaumer: Lösungen zu Problemen finden.

Herr Ruez: Lösungen suchen und umsetzen

Nachdem alle Referenzgruppenmitglieder ihre Statements zur vorherigen Frage abgegeben haben und die beschriebenen Zettel aufgehängt sind, gehen die Moderatoren zur nächsten Frage über. Auch hier werden die Referenzgruppenmitglieder reihum nach ihren Bemerkungen gefragt.

"Wie kann man Forschung machen?"

Frau Fürst: bisher: Forschung über UN-Konvention und Familienplanung sind wichtige Themen. Zum wie: weitere Themen in Gruppe erarbeiten.

Frau Yeri: sich austauschen, Ideen von außerhalb holen, Materialien sammeln, Gedanken festhalten

Herr Nauerschnig: qualitativ und narrativ. (Herr Nauerschnig wird darauf hingewiesen, dass diese Ausdrücke nicht Leichte Sprache sind. Außerdem wird angemerkt, dass man an dieser Meldung sieht, dass er schon lang auf der Uni ist)

Jemand aus der Referenzgruppe hat Angst, auf seinen Zetteln Schreibfehler eingebaut zu haben, woraufhin von der Moderation die Beruhigung erfolgt, dass Schreibfehler egal wären, da sich jede/r manchmal verschreibt.

Herr Renner: Fernsehen, Internet, Personenbefragungen, Bücher

Herr Nagl sagt erneut Arbeit und Rechte abklären. Daher werden seine Themen bereits bei dieser Frage an jene Stelle geklebt, wo sie hingehören. Es scheint, als wären ihm entweder diese Themen so wichtig oder als wäre es ihm unklar was genau die Aufgabe/Frage ist)

Frau Rabl: Interview, Fragebogen, Internet, Leichte Sprache

Frau Lose, Frau Nussbaumer und Herr Leitner haben keinen Beitrag zu dieser Frage.

Als bei der zweiten Frage alle durch sind, wird gefragt, ob noch jemand etwas zu diesem Thema einbringen will. Da jedoch kein Bedürfnis danach angezeigt wird, geht die Moderation zur nächsten Frage über:

"Was kann Forschung bringen?"

Nachdem mehrere Referenzgruppenmitglieder gleichzeitig sprechen, um die Frage zu beantworten und dadurch niemand wirklich verstanden wird, schlägt Herr Krög vor, diese Frage erneut reihum zu bearbeiten; was auch gemacht wird, indem jede/r von der Moderation beim Namen genannt wird, wenn er/sie an der Reihe ist.

Herr Ruez: Verbesserung

Frau Fürst: muss sich noch Gedanken darüber machen.

Frau Yeri: Durch Forschung kann sie Erfahrungen sammeln und das Wissen über was sie genauer forschen möchte bzw. mit was sie sich genauer auseinandersetzen bzw. umzusetzen versuchen möchte.

Herr Nauerschnig: neue Sichtweisen und Möglichkeiten

Herr Renner: mehr Wissen zu eigener Behinderung, sowie der Umgang damit. Allgemein: Bewusstsein bei breiterer Bevölkerung schaffen, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht nur in den Tag hineinleben, sondern selbst forschen und Initiativen setzen bzw. selbst aktiv nachdenken.

Frau Rabl: neue Ideen, Erfahrungen, etwas dazu lernen, Wissen weitergeben, Zahlen weitergeben.

Frau Lose, Frau Nussbaumer und Herr Leitner haben auch zu dieser Frage keine Bemerkungen zu machen. Auch der Kommentar von Herrn Nagl fehlt, da dieser nicht im Raum ist.

Nach diesem ersten Fragenblock zum Thema Forschung scheint es als wären sich die beiden Moderatoren nicht einig, wie sie weiterverfahren sollen, da nur noch 5 Minuten Zeit sind bis zur geplanten Pause. Es gibt daher die Möglichkeit entweder noch eine zusätzliche Frage durch zu besprechen oder die bisher behandelten noch einmal zusammenzufassen. Nachdem die Gruppe gefragt wird, wird die zweite Variante durchgeführt und Herr Krög fasst das zuvor Besprochene zusammen. Währenddessen sind Frau Fürst und auch Frau Roth und Frau Rabl noch mit dem Schreiben und Ausarbeiten der noch offenen Fragen beschäftigt.

Es wird nachgefragt, was nun wirklich forschen heißt, woraufhin Herr Koenig meint, dass die Gruppe eine sehr gute Definition gefunden hat als sie gesagt haben, dass Forschung der Versuch ist sich einem Problem und seiner Lösung anzunähern. Fragen stellen und Informationen zusammentragen vor dem Hintergrund eines Problems; denn Forschung ist meistens mit einem Problem verbunden. Das heißt, dass das Problem die Grundlage, der Anlass zur vertiefenden Auseinandersetzung ist. Warum zum Beispiel beschäftigt sich Herr Nagl mit dem Thema Partnerschaften in Einrichtungen? Aus der Referenzgruppe kommt der Einwand, dass Forschung aber nicht immer mit einem Problem als Ausgangspunkt zusammenhängen muss und dass auch Interesse nach genaueren Erkenntnissen bzw. mehr Wissen bezüglich eines Themas den Grundstein für Forschung bilden kann. (Herr Renner)

Nachdem der Aussage der Moderation "Wenn nicht konkret dazu noch was ist, dann ist es Zeit für die Pause", kommen keine Wortmeldungen mehr aus der Gruppe und die Pause wurde um 17.05 Uhr begonnen.

Herr Nauerschnig geht in der Pause heim, weil er sich unwohl und nicht fit genug fühlt.

17.30 Uhr

Nach der Pause werden die restlichen Fragen abgearbeitet, wobei mit folgender begonnen wird:

"Welche Themen waren mir in der Referenzgruppe bisher wichtig?"

Auch diesmal wird wieder reihum vorgegangen, wobei auf der anderen Seite bei Herrn Leitner begonnen wird, welchem alle bisherigen Themen wichtig waren. Herr Koenig darauf: Welche speziell? Hast du was aufgeschrieben? Herr Leitner hat "alle Themen" aufgeschrieben und sagt dies auch, woraufhin die Gruppe in Gelächter ausbricht.

Frau Nussbaumer: Familie, Wohnung, Schulbildung (Da Frau Nussbaumer alle ihre Antworten auf einem Zettel stehen hat, schreibt Herr Krög ihre bisher wichtigen Themen noch einmal auf einen extra Zettel und hängt diesen auf.)

Frau Lose: Arbeit, Lebensgeschichten, Unterscheidung zwischen Betreuung und Assistenz

Frau Rabl: Lebensgeschichten: Gewalt in der Familie, Wohnen, Sonderschule à Arbeit, Unterstützung

Herr Nagl: Herr Koenig sagt anstelle von Herrn Nagl die Themen Arbeit und deren Rahmenbedingungen bzw. Rechte, da Herr Nagl diese Themen vorher schon zwei Mal erwähnt hat und diese schon an der Wand kleben. Herr Nagl interessiert das Thema Sachwalterschaft und wie man diese aufheben kann, da ihn das Thema persönlich betrifft und bisher noch nicht behandelt wurde. Sachwalterschaft könnte eventuell ein Thema für ein eigenes Projekt sein.

Herr Renner: Lebensgeschichten, Familie/Schule, Behinderungserfahrungen, Raus aus der Beschäftigungstherapie

Frau Yeri: Lebensgeschichten und die Auseinandersetzung damit

Frau Fürst: Forschung, UN-Konvention, Familie, Gesundheit.

Herr Ruez: alle interessant, aber er möchte noch einmal bei der UN-Konvention nachhaken (Österreich ist in der Umsetzung damit noch weit hinten).

Nachdem alle an der Reihe gewesen sind, leitet die Moderation zur nächsten Frage über: "Wie haben wir bisher gearbeitet? Was hat mir gefallen? Was hat mir nicht gefallen?"

Es wird wieder bei Herrn Leitner begonnen, dem alles gefallen hat. Frau Nussbaumer hat zu dieser Frage nichts aufgeschrieben und will auch nichts sagen.

Frau Lose hat die Kleingruppe mehr gefallen, da sie sich da mehr einbringen konnte.

Frau Rabl fand die Auseinandersetzung mit anderen Lebensgeschichten und die Gespräche in der Gruppe gut. Weniger gefallen hat ihr das Dazwischen-Reden.

Herr Nagl fand die Arbeit in der Referenzgruppe manchmal mühsam, woraufhin ihn Herr Koenig fragt, was er mühsam fand. Das war zum Beispiel das Lesen der Interviews. Gefallen haben ihm die Treffen in Innsbruck, wobei er sich wünschen würde, endlich einmal den Swimmingpool benutzen zu können. Bei dieser Aussage kommt wieder das übliche Geplänkel zwischen Wienern und Tirolern bezüglich des Wetters in Innsbruck und Wien während der Treffen auf. Um dieser außertourlichen Diskussion ein Ende zu bereiten sagt Herr Koenig nicht, dass sich nun wieder alle dem aktuellen Thema widmen sollen, sondern nennt einfach Herrn Renners Namen, worauf es ruhig wird und Herr Renner seine Bemerkung zur aktuellen Frage abgibt: Herr Renner bevorzugt die Großgruppe, da er da mehr Gesichtspunkte zu einem Thema vereint bekommt.

Frau Yeri findet es nicht so gut, dass sich die Referenzgruppe kaum mit den Interviewtexten beschäftigt hat und dass die Interviews liegen bleiben. Es hat ihr aber gut gefallen, dass sie eigene Forschungstagebücher führen können, dass es ein Wörterbuch für leichte Sprache geben wird und dass Gedanken, Träume und Wünsche besprochen werden.

17.45 Uhr

Herr Koenig will das Wort an Herrn Ruez weitergeben und sagt "last but not least", worauf Frau Fürst nach der Bedeutung dieser Aussage fragt und Herr Koenig erklärt: "Der letzte, aber nicht DER letzte".

Herr Ruez geht auf den Kommentar von Herrn Renner ein und meint, dass bei der Diskussion und dem Hinarbeiten auf ein spezielles Thema die Kleingruppe besser wäre. Dem stimmt Frau Lose zu und auch Herr Renner sagt, dass er dieses Argument versteht.

Herr Koenig fasst zusammen, dass aus den bisherigen Statements hervorgeht, dass die vermehrte Beschäftigung mit Lebensgeschichten bevorzugt wird.

Dann leitet er zur nächsten Frage über und gibt Herrn Ruez wieder als ersten das Wort:

"Wie möchte ich mit der Referenzgruppe weiterarbeiten? Welche Themen möchte ich besprechen? Mit welchen Methoden möchte ich arbeiten?"

Herr Ruez: will sich noch einmal mit der UN-Konvention auseinandersetzen, wobei Herr Koenig sagt, dass er dieses Thema eher als eines für ein eigenes Projekt sieht, da es sich besser für jene eignet, die es noch weiter interessiert. Herr Ruez möchte in Kleingruppen weiterarbeiten.

Frau Fürst: Arbeitswelt, Arbeit, Beschäftigungstherapie und wie komme ich da raus, Familie.

Frau Yeri: eigene Behinderung: Was heißt das für mich? Was heißt das für mein Umfeld?; Was kann ich tun, wenn ich auf Grund meiner Behinderung überall angestarrt werde? Sie möchte sowohl in der Großgruppe (Ideen von Anderen holen) als auch in der Kleingruppe (ihr kommen selbst Gedanken und Ideen auf) weiterarbeiten.

Herr Renner: Familie, Behinderungserfahrungen mit den Methoden diskutieren und reflektieren bearbeiten. Er ist auch flexibel und auch für die Kleingruppe zu haben, obwohl er die Großgruppe bevorzugt. Herr Krög fragt Herrn Renner nach der Wortmeldung: "Geschrieben hast du's nicht?" - Herr Renner: "doch, doch".

Herr Koenig gibt nicht das Wort an Herrn Nagl weiter, damit dieser sagen kann, womit er sich weiter beschäftigen möchte, sondern fragt ihn, ob er das Thema Sachwalterschaft noch weiter diskutieren möchte. Herr Nagl kennt sich kurz nicht aus, worauf Herr Koenig hinaus will und Herr Koenig stellt seine Frage anders: Soll das Thema Sachwalterschaft noch näher behandelt werden in der Referenzgruppe? Darauf steigt Herr Nagl ein: Neue Regelungen im Hinblick auf Sachwalterschaft würden ihn interessieren.

17:55 Uhr

Frau Rabl: Zusammenhang zwischen Problemen bei der Wohnung und Arbeit herausfinden, Umgang der Ärzte. Sie möchte in der Kleingruppe und mit Rollenspielen weiterarbeiten. Herr Koenig hat Angst vor Rollenspielen und will wissen, wie sie sich das vorstellen würde für die Referenzgruppe. Frau Rabl würde sich in Andere hineinversetzen wollen. Herr Koenig führt das weiter aus: Lebensgeschichten anschauen und dann die wichtigsten Rollen der Lebensgeschichte einnehmen und ein Rollenspiel machen. Er findet diese konkrete Idee von Frau Rabl gut und sagt ihr das auch.

Frau Lose hat nichts zu diesem Punkt. Aber Herr Koenig merkt an, dass er bis jetzt heraus gehört hat, dass die Kleingruppe bevorzugt wird.

Frau Nussbaumer: Mobbing in der WG und in der Arbeit, Trennung von den Eltern. Für den zweiten Vorschlag erhält sie Zustimmung von Frau Rabl. Auch Frau Nussbaumer will in Kleingruppen diskutieren.

Herr Leitner: mir fällt nix mehr ein. Daraufhin fängt Frau Yeri an zu lachen und sagt: "der isch heut der coolste... der macht sich's leicht".

Herr Koenig bedankt sich bei allen noch einmal für die produktive Zusammenarbeit und für ihre Wortmeldungen. Dann fasst er zusammen, dass die Beschäftigung mit Lebensgeschichten allen sehr am Herzen liegt und dass das vielleicht auch mit einer neuen Methode - dem Rollenspiel - bearbeitet werden kann. Während Herr Koenig weiterspricht, nummeriert Herr Krög die Fragen und die Zettel, damit sie, wenn sie nach dem Treffen zum Aufbewahren heruntergenommen werden, weiterhin noch zuzuordnen sind.

Bei der Besprechung der Fragen wird von den Moderatoren sehr strukturiert vorgegangen, indem sie die Referenzgruppenmitglieder reihum um ihre Wortmeldungen bitten und auch eine Frage nach der anderen besprechen.

Es wird - wie besprochen - zukünftig zwei Arbeitsgruppen geben. Herr Koenig schlägt vor, dass in der Großgruppe weiterhin zu bestimmten Themen diskutiert und sich ausgetauscht wird und dies auch nach wie vor in Kleingruppen passiert. Dieser Vorschlag erfährt Zustimmung. Was passiert dann bei den Kleintreffen? (Herr Ruez). Bei den Kleintreffen könnte man sich mehr der Auseinandersetzung mit Lebensgeschichten widmen. (Herr Koenig)

Da es noch nicht ganz klar zu sein scheint, erklärt Herr Koenig erneut den Unterschied zwischen Großtreffen und Kleintreffen. Herr Renner meint daraufhin, dass bei den Kleintreffen das gleiche passiert wie bei den Großtreffen: Interviews bearbeiten, Themen diskutieren und sich mit Lebensgeschichten beschäftigen. Bei den Kleintreffen ist es möglich, dass man sehr intensiv an einem Thema arbeitet (Herr Krög). Herr Ruez wirft dann ein, dass wenn Regionaltreffen gemacht werden, die jeweils anderen nicht über den Stand Bescheid wissen. Frau Yeri bemerkt sofort, dass schon gesagt wurde, dass man sich das dann bei den Großtreffen gegenseitig erzählen kann. Bei den Regionaltreffen können begrenztere Themen behandelt werden (Herr Krög), wobei gleich Arbeitswelt und Beschäftigungstherapie vorgeschlagen werden (Frau Fürst). All diese Themen, die bisher behandelt wurden, kommen in irgendeiner Form auch in den Interviews vor (Herr Krög). Ein weiterer Vorschlag ist, sich bei den Kleintreffen nicht nur ein, sondern zwei oder drei Themen intensiver anzuschauen (Herr Renner).

Herr Koenig macht darauf aufmerksam, dass Frau Rabl etwas sagen möchte. Frau Rabl fragt, ob bei jedem Kleintreffen ein bestimmtes Thema besprochen werden soll. Herr Krög sagt, dass eben das hier nun besprochen werden soll, was die Gruppe bei den Regionaltreffen bearbeiten will. Daher fragt Frau Roth Frau Rabl: "Was willst du?" Frau Rabl will bei jedem Kleintreffen ein Thema bearbeiten, weil sonst alles durcheinander kommt und sie sich dann nicht mehr auskennt. Auch Frau Yeri und Herr Ruez stimmen dem Vorschlag zu, sich jeweils nur mit einem Thema, dafür aber umso intensiver, auseinander zu setzen. Frau Rabl schlägt weiters vor, einen Plan mit Themen bis zum Ende des Projektes anzufertigen und will auch wissen, wie viel Zeit bis dahin noch ist. Sie wird anfangs falsch verstanden und es wird ihr erklärt, dass jedes Kleintreffen 4 Stunden dauern soll. Sie wehrt sich jedoch und es wird herumgerätselt, wie viele Treffen es tatsächlich noch sind. Herr Koenig und Herr Krög kokmen auf etwa 8-9 Großtreffen und ebenso viele Kleintreffen.

Danach versucht Herr Koenig den Bogen zum Programm für den nächsten Tag zu spannen, welches zu diesem Zeitpunkt noch immer offen ist. Er meint, dass auf jeden Fall in Kleingruppen gearbeitet werden soll und dass es möglich wäre parallel an einen Interview und an einer Diskussion zu einem bestimmten Thema zu arbeiten. Um schneller zu einer Entscheidung zu kommen, werden die Referenzgruppenmitglieder gebeten, ihre Präferenzen per Handzeichen mitzuteilen. Da sich alle außer Herrn Nagl für die Auseinandersetzung mit einer Lebensgeschichte, die Herr Koenig bereits vorbereitet hat, interessierten, wird es am Samstag zwei Kleingruppen geben, die sich mit der gleichen Lebensgeschichte beschäftigen.

Was jetzt noch ausständig ist, sind ein Themenspeicher sowie die Termine für die Kleintreffen und Großtreffen; aber die werden Herr Koenig und Herr Krög in Ruhe festlegen und dann beim nächsten Treffen mit den Referenzgruppenmitgliedern besprechen. Frau Rabl äußert den Wunsch, dass ihnen die Termine zusammengeschrieben werden, was auch versprochen wird.

Herr Koenig fragt dann noch, ob es spontane Ideen für ein eigenes Forschungsprojekt gibt, so wie Herr Hofbauer und das Thema Mobbing, und ob Interesse daran besteht.

Frau Rabl: Wie kann man die Konflikte bearbeiten? Frau Roth wirft ein, die Konflikte mit MitarbeiterInnen, da dies gerade sehr zentral ist bei Frau Rabl, vor allem im Hinblick auf: Wie wird man Chefin mit Lernschwierigkeiten und der Umgang mit dem Team?

18.22 Uhr

Frau Fürst: Diabetes: Ist ein wichtiges, aber persönliches Thema von ihr, das aber nicht im Zusammenhang mit dem Projekt steht.

Falls Projektthemen vorhanden sind, wird versucht bei den Treffen einen Raum zu finden, diese auch einbringen und bearbeiten zu können.

Herr Ruez schlägt das Thema UN-Konvention vor.

Frau Rabl: Wie passen die Lebensgeschichten mit der UN-Konvention zusammen?

Herr Koenig: Lebensgeschichten sind eine Möglichkeit, um darzustellen, ob und wie die UN-Konvention umgesetzt wird.

Er schlägt vor, dass bei einem Kleintreffen quantitative Daten aus dem Projekt, also Zahlen, angeschaut werden können. Das wird angenommen.

Nach dieser Einheit geht es zu einem gemütlichen Beisammensein und gemeinsamen Abendessen über, bei dem nicht mehr alle TeilnehmerInnen mit dabei sind.

Samstag, 19. September 2009

Um 9.40 Uhr wird begonnen, obwohl Herr Ruez und Frau Fürst noch fehlen. Herr Nauerschnig ist wieder mit dabei und auch Herr Hofbauer ist anwesend. Es herrscht eine scherzhafte Atmosphäre in der Beratungseinheit und Herr Koenig versucht wieder auf das Wesentliche aufmerksam zu machen und die TeilnehmerInnen zum Thema zurückzuführen. Er steigt mit der Frage danach ein, ob es von den besprochenen Dingen des Vortags noch etwas zu klären gibt.

An dieser Stelle muss Frau Hintringer kurz den Raum verlassen, da Herr Ruez Hilfe (Öffnen der Tür) brauchte, um ebenfalls zum Treffen hinzu zu stoßen.

In der Referenzgruppe gibt es bisher gute Ergebnisse, aber im Plan des Gesamtprojektes sind Herr Koenig und Herr Krög weit hinten nach. Der Referenzgruppe wird mitgeteilt, dass Herr Krög die bisherigen Inhalte der Referenzgruppentreffen aufarbeiten und dann der Gruppe präsentieren will.

Nach der Besprechung dieser allgemeinen Angelegenheiten in der Großgruppe gibt Herr Koenig den Anstoß zur Arbeit in den Kleingruppen und äußert von vornherein Vorgaben für die Einteilung der Gruppen. Da er in jeder Kleingruppe eine Mischung aus Tirolern und Wienern/Niederösterreichern haben will, schlägt er vor die Gruppen in der Mitte zu teilen und Frau Fürst soll - wie des Öfteren besprochen - bei Herrn Krög sein. Da bei dieser Einteilung jedoch zwei getrenntgeschlechtliche Gruppen entstanden wären, fragt er, ob er die Gruppen ein bisschen autoritär einteilen soll. Die Frage wird bejaht.

Eine Gruppe (Herr Koenig) bleibt in der Beratungseinheit und die andere (Herr Krög), die Frau Hintringer beobachtet, geht in den Leseraum und nimmt sich ein Flipchart mit.

In dieser Gruppe sind Herr Nagl, Frau Nussbaumer, Herr Nauerschnig, Frau Yeri, Frau Fürst und Herr Krög und Frau Hintringer als Beobachterin.

Herr Krög teilt das vorbereitete Interview aus, das an diesem Vormittag bearbeitet werden soll und erklärt, dass Herr Koenig das Interview im Vorfeld bearbeitet und die meisten Füllwörter (z.B: mhm, äh, ...) herausgestrichen hat. Herr Krög verweist darauf, dass zwar der Name drauf steht, dass aber Verschwiegenheitspflicht besteht und es nicht gesagt werden soll, wenn jemand die Person doch zu kennen glaubt. Dann erklärt er, wie er dieses Interview bearbeiten will. Zuerst sollen alle einen gewissen Abschnitt leise lesen und sich jeweils wichtige Dinge anstreichen bzw. sich Anmerkungen dazu machen. Dabei taucht das Problem auf, dass nicht genügend Stifte für alle da sind und Herr Krög den Raum noch einmal verlassen muss, um sie zu besorgen. Er erklärt auch auf die Nachfrage hin, was diese Zahlen, die teilweise vorkommen, bedeuten, und dass die für die Referenzgruppe unwichtig und nur vom Transkriptionsprogramm seien. Er betont noch einmal, dass richtungsweisende und wichtige Dinge bzw. Lebensthemen des Interviews mit Anmerkungen versehen werden sollen.

Dann bekommt die Gruppe die Aufgabe, bis zur Schulzeit (ca. 3,5 Seiten) zu lesen. Es wird also zuvor die Vorgehensweise und die Aufgabe erklärt und dann mit dem leisen Lesen des Interviewtextes begonnen.

Herrn Nagl ist unklar wie weit er lesen soll und merkt an: "Des san bei mia owa mehr Seitn bis zur Schule", da sein vorbereiteter Text in einer noch größeren Schrift ist, um ihm das Lesen zu erleichtern. Dann ist es ruhig im Raum während des Lesens, bis Herr Nagl wissen will, was "hm" heißt und Herr Krög erklärt, dass das ein Zwischenlaut ist. Er fügt auch noch hinzu, dass er vergessen hat zu sagen, dass "I" Interviewer (Herr Koenig) und "IP" interviewte Person bedeutet.

Herr Nauerschnig verlangt nach der Unterstützung von Herrn Krög, da er - wie sich herausstellt - nicht weiß, was er machen soll und den Überblick über das Gelesene verloren hat, da er das Wichtigste nicht angestrichen hat.

Bevor Herr Krög jedoch mit ihm das Interview alleine bespricht, will er warten, bis auch die Anderen fertig sind mit dem Lesen. Nach einer Weile sind dann alle bis auf Herrn Nagl fertig mit dem Lesen (so langen Text leise lesen war eine Überforderung für Herrn Nagl) und Herr Krög schlägt vor, immer nur kleine Abschnitte zu besprechen, damit Herr Nagl auch mitlesen kann.

Bei der Besprechung des Interviews wird damit begonnen, einige Eckdaten des Lebens von E. festzuhalten: 26 Jahre, Wohnhaus. An dieser Stelle hakt Herr Krög schon nach: Was heißt das? Könnte es sich dabei um eine volle Betreuung rund um die Uhr handeln? Dieser Vermutung stimmen die Referenzgruppenmitglieder zu. Bei dem Punkt, wo bist du aufgewachsen?, findet Herr Krög interessant, dass sie sofort sagt, dass sie eine Frühgeburt per Kaiserschnitt war und Frau Yeri ergänzt, dass E. der Ansicht ist, dass sie deshalb im Rollstuhl sitzt.

Der nächste genannte Punkt ist, dass sie bei der Familie aufgewachsen ist. Herr Krög fragt die Gruppe, was ihr dabei auffällt. Es entsteht ein Gespräch über die Krankheit der Mutter (Abnahme des Fußes - Frau Yeri) und der schwierigen Zeit, die E. durchmachen musste (Frau Fürst).

Herr Krög kennt das Interview schon und macht die Gruppe mehrmals darauf aufmerksam, dass die interviewte Person sehr schnell erzählt hat und dass sich darin teilweise zeitliche Irrtümer eingeschlichen haben.

Dann geht es um den Vater, den sie lange nicht gesehen hat - seit der Trennung der Eltern als sie 15/16 Jahre alt war (Herr Nauerschnig). Die Folge der Trennung (Herr Krög) war, dass der Vater ausgezogen ist (Frau Yeri) und E. bei der Mutter wohnte (Frau Fürst). Frau Yeri ergänzt, dass E. ihren Vater nicht sehen durfte und dass es für E. eine sehr schwierige Zeit gewesen sein muss, nachdem ihre Mutter gestorben ist (Frau Yeri, Frau Fürst, Herr Krög). In dem Interview kommt auch heraus, dass E. Briefe an ihren Vater geschrieben hat, die jedoch nicht beantwortet wurden. Dabei kommt eine kurze Diskussion darüber auf, ob die Briefe an den Vater oder an den Bruder geschrieben wurden, wobei danach für alle Gruppenmitglieder klar ist, dass sie an den Vater gingen. Es muss sehr enttäuschend gewesen sein, dass der Vater die Briefe nicht beantwortet hat (Frau Yeri). Dann fragt Herr Krög, ob nicht jemand anderer auch seine Vermutung diesbezüglich hat, woraufhin Herr Nauerschnig sofort sagt, dass die Briefe auch von der Mutter abgefangen worden sein könnten. Frau Yeri merkt sofort an, dass man sich dazu seine Gedanken machen kann, dass man es aber nicht genau weiß und erfährt. E. hat nur geringen Kontakt mit ihrem Vater (ca. 1x/Jahr) und auch zu ihrem Bruder, der eine eigene Familie hat, hat sie eher selten, aber doch mehr und guten Kontakt.

Zum Thema Vater sprechen hauptsächlich Frau Yeri und Frau Fürst, teilweise auch Herr Nauerschnig mit Herrn Krög. Für Herrn Nagl geht das alles zu schnell, weil er dadurch, dass er langsamer liest, immer hinten nach ist und nie genau weiß, von welcher Textpassage gerade gesprochen wird. Herr Krög hilft ihm immer wieder die Textstelle zu finden, aber trotzdem geht es Herrn Nagl zu schnell.

Herrn Nauerschnig ist unklar, wer wem einen Vorwurf machte, daher wird die Passage durch ein erklärendes Gespräch zwischen Frau Yeri, Frau Fürst, Herrn Krög und Herrn Nauerschnig erörtert und geklärt. Die Großmutter machte der Mutter von E. Vorwürfe, weil sie ein Kind in die Welt gesetzt hatte, das nicht laufen kann. Die Mutter jedoch verteidigte sich und E.. Daraus geht hervor, dass Großmutter und Mutter jeweils unterschiedliche Standpunkte gegenüber Menschen mit Behinderung haben (Herr Krög).

Herr Nagl wirft ein, dass die Unterlagen, die er in der Hand hat, nicht jene sind, die ihm Herr Koenig vor dem Treffen als Powerpoint-Präsentationen geschickt hat. Herr Krög bestätigt ihm das und erklärt ihm, dass die geschickten Unterlagen jene waren, die beim letzten Treffen zum Thema "Rolle als ForscherIn" versprochen wurden.

Dann kommt Frau Yeri noch einmal auf das vorherige Diskussionsthema zurück und sagt, dass sie das aus eigener Erfahrung kennt. Zwischen ihren Eltern gab es diese Diskussionen auch, wobei ihr Vater zu ihrer Mutter sagte, dass aus Frau Yeri sowieso nichts wird, weil sie behindert ist. Herr Krög sagt, dass das bei E. für ihn klingt, als wollte die Oma sagen, dass das Kind keinen Sinn hätte. Auch Herr Nauerschnig musste solche Situationen erleben, als dies sein Bruder über ihn zu seiner Mutter sagte.

An dieser Stelle beginnt die Pause (10.35 Uhr)

11.00 Uhr

Nach der Pause schlägt Herr Krög vor, eine Wiederholung dessen zu machen, was der Gruppe bisher bereits über die Lebensgeschichte von E. bekannt ist. Frau Yeri fasst dies freiwillig an Hand der Stichwörter, die während der ersten Einheit Herrn Krög parallel zur Diskussion des Interviews angefertigt hat, zusammen.

Bevor im Interview weitergelesen werden soll, will Herr Krög eine Aufzählung der bisher ganz zentralen Themen im Leben von E. durchführen, die er dann wieder auf Flipchart parallel zum Diskussionsverlauf festhält: Neu dabei kommt auf, dass E. nach dem Tod der Mutter in ein Wohnheim kam und dass viele Referenzgruppenmitglieder zwar diese Erfahrung nicht machten, aber jene des Auszugs von zu Hause in eine Wohngemeinschaft sehr wohl.

Herr Krög stellt in diesem Zusammenhang die Frage "Wie fühlte sie sich?", woraufhin Frau Yeri antwortet, dass sie das Gefühl gehabt haben muss, dass sie keiner in der Familie will. Frau Yeri würde sich nicht gut fühlen und sich fragen, ob sie sie überhaupt mögen. Auch Frau Fürst ist der Ansicht, dass E. innerlich sehr verletzt gewesen sein musste. Wodurch? (Herr Krög) Durch das Gefühl nicht dazu zu gehören (Frau Fürst) und Frau Yeri hilft Frau Fürst: dadurch, dass E. nicht ihren Platz in der Familie hatte.

Herr Krög koordiniert die Wortmeldungen und merkt an, dass das alles nur Einschätzungen der Situation sind und dass die meisten Anwesenden derartige Erfahrungen machten, woraufhin Herr Nagl sich wehrt und sagt, dass er nie in einer Einrichtung war. Zwischen den beiden entsteht ein Gespräch über dieses Thema bis Herr Nauerschnig "Einsamkeit, sich allein gelassen fühlen" sagt, wodurch das Gespräch wieder zum Besuchsverhalten bei Vater und Bruder zurückkehrt. Es wird die Vermutung angestellt, dass E. sich nicht traut, mehr Kontakt zu fordern und dass sie niemanden verletzen will. Wenn man sich jedoch aufregt und auflehnt gegen Andere kann es Folgen haben - wie zum Beispiel bei Herrn Nauerschnig, der dadurch seinen Wohnplatz verlor.

Frau Fürst sagt, dass E. wütend gewesen sein muss. Zuerst wird ihre Wortmeldung von den Anderen nicht wahrgenommen, erst als sie es noch einmal sagt - wütend auf sich selbst und die Welt. Herr Krög fragt nach, warum sie auf sich selbst wütend sein sollte. Vielleicht weiß E. nicht, ob sie Schuld in sich trägt (Frau Fürst).

Frau Yeri macht darauf aufmerksam, dass sie ganz auf positive Einschätzungen vergessen haben. Es wär auch möglich, dass ihr die Umgebung im Wohnheim gut tat (Frau Yeri) oder dass sie durch diese Erfahrung selbstständiger wurde (Frau Nussbaumer)

Nach einer hitzigeren Diskussion bringt Herr Krög die Rückkehr zum Text ein und fragt nach, wie sie nun weiter vorgehen sollen; ob er vorlesen soll und die Anderen lesen mit. So wird es dann auch gemacht, nur Herr Nagl hört nur zu, weil er beim Lesen auf Grund seiner Sehschwäche nicht gut mitkommt.

Nachdem ein kurzer Abschnitt zum Thema Schule gelesen ist, merkt Frau Yeri an, dass E. unsicher war, wann sie mit der Schule begonnen hat und dass sie den Schulalltag erzählte. Herr Krög ergänzt, dass man zu diesem Thema viel erzählen könnte - über Lehrer, lernen,... Sie erzählt von einem Alltag in der Familie, wo sie mitten drin ist, und wo sie sich durch einen geregelten Ablauf wohl und sicher zu fühlen scheint. Frau Yeri stimmt dieser Vermutung von Herrn Krög zu und auch dem, dass Herr Krög vorschlägt "geregelter Ablauf im Familiensystem" am Flipchart festzuhalten.

Herr Nagl findet sich in seinen Unterlagen nicht zurecht, da die Zettel nicht nummeriert sind und er sie durcheinander am Tisch vor sich ausgebreitet liegen hat und beschließt endgültig nur noch zuzuhören, wenn Herr Krög eine Textstelle vorliest.

Dann liest Herr Krög weiter und Frau Fürst will etwas dazu sagen, Herr Krög jedoch macht sie darauf aufmerksam, dass er zuerst den Gedanken fertig lesen möchte. Danach fällt Herrn Nagl auf, dass E. sehr oft "und so" sagt, was Herr Krög mit "das kann eine reine Floskel sein, aber es kann auch eine Bedeutung haben" kommentiert.

Herr Krög fragt dann "gut, was fällt euch dabei auf? Fällt etwas auf?". Frau Yeri fällt auf, dass es E. in der Integrationsschule einerseits "sehr, sehr gut" und andererseits "sehr schlecht" gegangen ist.

Frau Fürst setzt an etwas zu sagen, woraufhin sie von Herrn Nauerschnig zurechtgewiesen wird, welcher ihr sagt, dass sie zuerst Frau Yeri ausreden lassen soll, welche wiederum "na, na, red nur" sagt. Frau Fürst spricht von dem Jungen mit Schokoladenfarbe (dunkle Haut) und von E.'s Angst vor ihm.

Herr Nauerschnig bringt ein, dass ihre langjährige Freundin aus der Schule immer für sie da war und jetzt für ein halbes Jahr weg ist. Darauf sagt Frau Yeri "6 Monat sein des" und Herr Krög kommentiert, dass dies ein begrenzter Zeitraum und daher vermutlich nicht so schlimm ist.

Herr Krög liest im Text bezüglich lernen und Lehrer weiter. Danach fragt Herr Nagl, was "muss ich sagen" heißt und Frau Yeri erklärt ihm, dass ihr das wahrscheinlich beim Sprechen nicht auffällt. Herr Krög ergänzt, dass man am Ende der Auswertung des Interviews meist eine Vermutung hat, was es heißt und welche Bedeutung es haben könnte. Herr Krög fasst zusammen, dass sie gute Erfahrungen ("tiptop") in der Schule gemacht hat und nicht überfordert wurde.

11.37 Uhr

Dann kommt die Stelle mit dem Schulabbruch in den Diskussionsfokus, die Herr Krög spannend findet. Frau Yeri meint, dass E. von der Mutter beeinflusst wurde und dass sie von sich aus nicht daheim geblieben wäre. Außerdem hat sie eine gute Freundin in der Schule und es ist sicherlich sehr kompliziert, wenn ein Kind, das im Rollstuhl sitzt, auf seine Mutter aufpassen muss (Herr Nauerschnig). Außerdem gäbe es ja eigentlich die 9-jährige Schulpflicht (Herr Krög). Frau Yeri stimmt dem zu und Herr Nauerschnig erzählt, dass er auch einmal wegen Krankheit ein halbes Jahr freigestellt war. Manche erzählen, dass sie mehr Schuljahre absolviert hatten, als sie mussten: Herr Nagl: 12 Jahre; Herr Nauerschnig: 10 Jahre.

Es kommt zu einem Rätseln bezüglich des Alters des Bruders, welcher vermutlich älter ist, weil auch eine Schwägerin da war und der Vater müsste auch noch da gewesen sein.

Herr Nauerschnig hätte das mit 12 nicht gemacht und Frau Yeri meint, dass man das (waschen, anziehen,...) auch nicht schaffen würde, weil man selbst noch ein Kind ist. Außerdem hatte E. eine Gehhilfe. Wie soll das funktionieren?

Herr Nauerschnig merkt an, dass Herr Koenig sich beim Führen dieses Interviews verrechnet hat (11 Jahre).

Herr Krög sagt, dass vielleicht das Fußabnehmen der Mutter noch wichtig sein kann, weil E. sagt: "owe schlimme Zeit". Daraufhin will Herr Nagl wissen, warum der Fuß abgenommen wurde. Der Grund dafür wurde im Interview nicht genannt. Herr Nauerschnig erzählt, dass seiner Tante auch der Fuß abgenommen wurde.

11:50

Frau Yeri, die neben Frau Hintringer sitzt, schaut sie an und sagt: "jetzt lasst mei Konzentration noch".

Herr Krög geht dann schneller vor und fasst selbst kurz und prägnant die Übersiedelung von E. ins Wohnhaus zusammen, liest erneut weiter und sagt, dass ihr Tag trüb ausschaute, woraufhin Herr Nauerschnig ergänzt: "trüb is das Wetter".

Bei der nächsten Passage sagt Herr Nauerschnig, dass es oft so ist, dass Mütter die Schmerzen nicht zugeben, weil sie ihre Kinder schützen wollen.

Herr Krög will dann noch kurz die Geschichte mit der Lebenshilfe lesen und erntet Stöhnen von der Gruppe, doch er liest weiter. E. hatte keine Ahnung von Arbeit und einem Leben außerhalb des Umfeldes ihrer Mutter; erst als die Mutter verstarb (Herr Nauerschnig).

Herr Krög will wissen, was die Referenzgruppenmitglieder zu der eben gelesenen Situation von E. sagen. Frau Yeri, Herr Nauerschnig und Frau Fürst meinen, dass sie zufrieden zu sein scheint und Frau Nussbaumer ergänzt, dass sie wahrscheinlich nichts Anderes kennt.

Es entsteht eine eher stressige Stimmung - a paar Minutn mach ma no. Es wird dann noch kurz das Thema ArbeitskollegInnen und BetreuerInnen besprochen und dass sie gut mit ihnen auskommt (Frau Yeri). Woraufhin Herr Krög fragt, ob ihnen was auffällt. Herr Nauerschnig fällt das "sehr, sehr" auf und Frau Yeri, dass sie Hochdeutsch spricht und dann doch wieder im Dialekt. Das kann aber auch am transkribieren liegen, da müsste man sich das Interview noch mal anhören (Herr Krög).

Sie beschreibt alles positiv (Herr Krög), "arschkriecherisch" (Herr Nauerschnig). Sie will sich ein derartiges Bild, eine schöne Situation malen. Kann das ein Wunschdenken von E. sein? Die Referenzgruppenmitglieder werden darauf hingewiesen, dass die letzte Frage schon reine Interpretation ist.

Herr Nauerschnig findet, dass das Interview eigentlich ein Widerspruch in sich sei. Auf die Frage von Herrn Krög inwiefern, meint er, dass sich E. ständig selbst widerspricht.

12.05

Herr Krög sagt, dass sie schon über der Zeit sind; trotzdem will er noch eine kurze Runde machen, in der gesagt werden sollte, was zwar nicht da steht, was aber aus dem Interview herausgehört werden kann.

Frau Yeri: sie lebt in einer eigenen Welt und will alles positiv sehen. Daraufhin meint Herr Nauerschnig, dass sie realitätsfremd sei und Frau Yeri ergänzt, dass nicht alles immer so einfach/schön/perfekt ist und dass es das nicht gibt.

Frau Fürst: Sie baut sich ihre Phantasiewelt.

Es wird bereits unruhig im Raum und auch auf Grund der fortgeschrittenen Zeit wird die Diskussion an dieser Stelle beendet. Frau Yeri sagt noch, dass die Arbeit am Interview gut gelaufen ist und dann beginnt um 12.10 Uhr die Pause.

Gruppe von Herrn Koenig: Herr Ruez, Herr Renner, Herr Hofbauer, Frau Rabl, Frau Lose, Frau Roth, Herr Koenig und Frau Mursec als Beobachterin

Herr Koenig verteilt zunächst einen Interviewausschnitt. Das Interview ist nicht anonymisiert, was aber nicht so tragisch sei, da die interviewte Person (E.) aus Vorarlberg kommt und in der Lebenshilfe tätig ist - daher wird sie vermutlich niemand hier kennen. E. lebt im Wohnheim.

Herr Hofbauer fragt nach, wer das Interview geführt hat.

Herr Ruez scherzt, dass es eh nur 3 Häuser in Vorarlberg gibt.

Herr Koenig fordert die Gruppe auf, die ersten zwei Seiten des Interviews zu lesen, und zunächst einmal ganz offen die ersten Ideen zu sammeln.

Herr Hofbauer ist als Erster fertig und sitzt demonstrativ mit verschränkten Armen da und starrt in die Luft. Herr Koenig sagt ihm, dass er seine Ideen aufschreiben bzw. wichtige Abschnitte markieren soll.

Nachdem alle die ersten beiden Seiten gelesen haben, bittet Herr Koenig die Gruppe, ihre Ideen zu nennen: Was fällt euch ein?

Herr Hofbauer beginnt sogleich und listet zunächst Fakten auf (Alter, kommt aus Vorarlberg, Kaiserschnitt-Geburt, Gehhilfe usw.).

Als er fertig gesprochen hat, steht Herr Hofbauer auf und holt sich etwas zu trinken.

Frau Lose glaubt, dass E. vermutlich keine schöne Kindheit hatte, da sie eine Frühgeburt war, nicht gehen kann und im Rollstuhl sitzt.

Frau Rabl ist aufgefallen, dass ihre Mutter ihr verschwiegen hat, wo ihr Vater war - E. wollte aber zu ihm gehen.

Herr Hofbauer berichtet von der Erkrankung der Mutter, die dann ins Krankenhaus musste. Er glaubt, dass dies eine schlimme Zeit für E. war (mit 15, 16): Trennung der Eltern, Aufwachsen bei der Mutter.

Herr Ruez interpretiert, dass die Trennung der Eltern vermutlich schwieriger für sie war als im Rollstuhl zu sitzen, da sie auf diese Fragen klare und schnelle Antworten gegeben hat.

Herr Renner glaubt auch, dass die Gehbehinderung nicht das Hauptthema ist, sondern eher die Trennung vom Vater bzw. familiäre Angelegenheiten. Herr Koenig vermutet ebenfalls, dass die Trennung für sie am Schwierigsten war. Herr Hofbauer stimmt zu.

Herr Renner wirft ein, dass es nicht die Trennung allein war, sondern der Effekt, den diese mit sich brachte: nämlich dass sie keinen Kontakt zum Vater hatte. Er glaubt, dass sie früher ein gutes Verhältnis zu ihm hatte und dass sie ihn jetzt vermisst, denn sonst würde man ja den Kontakt abbrechen. (Er spreche aus eigener Erfahrung: zwar nicht direkt von sich selbst, aber von Bekannten - nämlich dass eine Trennung auch gerade Recht kommen könne, um Abstand zu bekommen und zu nehmen).

Frau Rabl ist aufgefallen, dass E. ihren Vater fünf Jahre lang nicht gesehen hat (Frau Lose "übersetzt" an dieser Stelle, Frau Roth wiederholt), aber sie wollte einen Brief schreiben. Herr Koenig fügt hinzu, dass ihre Briefe unbeantwortet geblieben sind, und sie sich dafür geschämt hat.

Nun fordert Herr Koenig die Gruppe auf, weiterzulesen (5-10 Minuten, so weit sie kommen) und das Wichtigste zu markieren.

Frau Roth lacht beim Lesen. Herr Hofbauer markiert als Einziger Textstellen, geht aber bald hinaus. Als er wieder kommt, liest er aber nicht weiter. Alle anderen lesen ruhig und konzentriert. Dann fordert Herr Koenig Herrn Hofbauer auf, weiter zu lesen. Dieser sagt, dass es hier "nicht die einfachste aller Lebensgeschichten sei". Er wundert sich über die Zahlen am Rand, die leider nicht alle heraus gelöscht wurden (Herr Koenig).

Herr Koenig fragt die Gruppe, wie es ihnen mit der Geschichte geht, und spricht dann Frau Lose konkret an.

Für Frau Lose ist es wichtig, dass sie keinen Brief vom Vater zurück bekommen hat, dass nichts vorwärts gegangen ist. Seit dem Tod der Mutter vor ca. einem Jahr habe sie aber wieder Kontakt mit dem Vater. Herr Ruez wirft hier ein, dass der Vater Kapitän ist.

Frau Roth kommentiert dies: "Vermutlich nicht am Bodensee!" Lachen.

Herr Hofbauer zählt erneut Fakten auf wie Wohnort etc.

Herr Koenig unterbricht ihn und sagt, dass er eher wissen möchte, was der Gruppe auffällt.

Frau Rabl glaubt, dass ihr noch unklar ist, was sie will. Sie habe zwar ein Thema für sich, aber es mache keinen Sinn. Herr Ruez und Herr Hofbauer glauben, dass ihr zentraler Wunsch der nach Familie bzw. dem Vater ist.

Frau Rabl erwähnt, dass ihre Oma gestorben ist.

Herr Ruez merkt hier an, dass die Oma "arg" war. Frau Rabl fügt hinzu, dass sich die Oma darüber nämlich beschwert hat, dass ihre Tochter ein Kind mit Behinderung in die Welt gesetzt hat. Herr Renner findet das primitiv und einfach gestrickt, da sie offensichtlich glaubte, dass die Mutter das beeinflussen hätte können, dabei sei es ja Schicksal.

Herr Hofbauer sagt, dass E. nicht gerne über ihre Vergangenheit, Kindheit und Schulzeit spricht - dann gehe es ihr schlecht. Die Integrationsschule sei so...

Herr Koenig hakt nach: ist was, wie?

Herr Hofbauer erklärt, dass die Integrationsschule eigentlich eine normale Schule ist, aber wegen des Rollstuhls eine Integrationsschule.

Frau Rabl: Mutter sagte, sie soll aufhören zu reden. Frau Roth wirft ein, dass sie glaubt, Frau Rabl hat die Oma gemeint. Frau Rabl sagt noch etwas, woraufhin Frau Roth ihr Etwas leise erklärt.

Herr Renner glaubt, dass E.'s Oma vermutlich zu einer Zeit aufgewachsen ist, als Behinderte weggesperrt wurden. Vielleicht akzeptiert sie deshalb die Behinderung der Enkeltochter nicht? Herr Koenig vermutet aber, dass sie alle im selben Haus wohnen.

Herr Koenig macht dann den Vorschlag, das ganze Interview zu lesen mit der Frage im Hinterkopf, wie man mit der interviewten Person in einer Beratungssituation umgehen würde. Nach der Pause soll dann darüber diskutiert werden.

Frau Lose fragt nach, ob sie wirklich die ganze Geschichte lesen sollen. Dann spielt sie eine Zeit lang mit ihrer Uhr, ordnet die Zettel und schaut, was sie schon gelesen hat.

Herr Hofbauer sagt leise vor sich hin: "Das ist ein Wahnsinn!"

Nach dem Sortieren beginnt dann auch Frau Lose zu lesen. Herr Hofbauer sagt erneut: "Wahnsinn!" und atmet tief aus.

Pause (10.40 - 11.00 Uhr)

Nach der Pause fordert Herr Koenig die Gruppe auf, das Interview fertig zu lesen. Herr Renner ist schon fertig, woraufhin Herr Koenig ihn bittet, den Text nochmals zu lesen und wichtige Passagen zu markieren.

Frau Roth, Herr Hofbauer und Herr Koenig scherzen währenddessen und unterhalten sich kurz über Interviews im Burgenland etc.

Herr Hofbauer sagt laut: "OK, das war's!" Herr Koenig fordert ihn daraufhin auf, leise zu sein.

Frau Lose flüstert mit Frau Roth. Herr Hofbauer sitzt nach kurzem wieder demonstrativ auf der Couch und beobachtet die meiste Zeit Herrn Koenig und seufzt dann laut. Herr Koenig fordert ihn erneut auf, seine Gedanken aufzuschreiben. Herr Hofbauer meint, dass es so viele seien. Herr Ruez redet dann kurz mit Herrn Koenig und Herr Hofbauer fragt nach, ob er Fragen auch aufschreiben soll.

Frau Lose flüstert mit Frau Roth, und beide lachen. Herr Hofbauer sagt, er will nichts mehr schreiben, sonst werde es noch ein Roman. Herr Koenig meint, dass das gut ist, und Herr Hofbauer schreibt doch weiter. Er ist der Einzige, der Etwas aufschreibt. Herr Renner hat im Text angestrichen, die Anderen lesen.

Herr Hofbauer stöhnt laut - keiner reagiert. Dann atmet er laut aus, wirft seinen Kuli auf den Tisch und lehnt sich "erschöpft" auf die Couch zurück.

Um 11.20 Uhr haben dann alle fertig gelesen. Herr Koenig fragt, wie es ihnen allgemein mit dem Interview gegangen ist.

Herr Renner sagt, dass die Geschichte schwierig sei, und dass sie schwierig zu lesen sei, auf Grund ihrer unklaren Ausdrucksweise. Er glaubt, die Aufgabenstellung verfehlt zu haben, da er für ihn wichtige Themen herausgearbeitet habe - Herr Koenig sagt, dass das eh passe.

Frau Rabl sagt erneut, dass E. nicht klar sei, was sie wolle. Herr Ruez stimmt zu.

Frau Lose sagt, dass sie jedoch den Wunsch nach mehr Kontakt zur Familie sehr wohl äußern kann; Herr Ruez stimmt erneut zu, sagt aber, dass ein wichtiger Wunsch fehle. Vielleicht traut sie sich nicht ihn zu sagen? Frau Lose meint nämlich, ob sie einen Freund hat. Herr Ruez glaubt, dass eher Arbeit ein wichtiger Wunsch von ihr sein könnte.

Herr Hofbauer lacht und meint, die Geschichte sei wie ein Lied: melancholisch, tiefgehend, zum Schluss aufhellend. Er verstehe nicht, weshalb E. nur 4 Jahre in der Schule war. Es sei aber abzusehen gewesen, dass in der Beschäftigungstherapie nur Fließbandarbeiten ("Heimarbeit") zu machen sind. Sie habe eine Freundin in Australien, und ihr Freund sei ein Zivildiener.

Herr Renner merkt an, dass es in dem Interview viele wichtige Punkte gibt:

  • E. berichtet rasch von persönlichen Dingen

  • Ablehnung in Familie

  • Verzerrtes Selbstbild, da sie sich schämt, weil ihr Vater nicht auf die Briefe antwortet > Schuldzuweisung an sich selbst

Herr Koenig merkt an, dass dies bei Scheidungen häufig vorkommt. Herr Hofbauer sagt auch, dass es oft zu Depressionen kommt und die Frage nach der Schuld oft auftaucht. Wichtig erscheint ihm auch, dass sie die Zeit ohne den Vater "überstehen" musste. Er interpretiert dies dahingehend, dass sie jeden Tag an ihn denkt und vermutlich einen tristen Alltag hat.

Herr Koenig fragt nach, ob ihre Freizeitgestaltung als erwachsen empfunden werde. Dies verneinen alle. Herr Hofbauer zählt auf: als Hobbys hat sie Lesen, Duschen, Baden etc. angeführt. Sie braucht Unterstützung beim Toilettengang, Freizeitassistenz wäre zwar möglich, ist aber kein Thema. Herr Koenig will wissen, was die Gruppe glaubt, wie es E. dabei geht.

Frau Rabl vermutet, dass es ihr damit nicht gut geht, denn sie ist auf Hilfe von Anderen angewiesen, wohnt im Heim, braucht ständige Betreuung.

Herr Renner findet es auffällig, dass E. oft das Wort "normal" verwendet und dass sie für den Ex-Zivildiener schwärmt. Er erzählt, dass Betreuung oft mit Liebe verwechselt wird. Herr Koenig fragt, woran das liegen könnte.

Herr Hofbauer bemerkt, wenn man sich 24 Stunden am Tag sieht, baut man schnell eine Beziehung auf. Nach einem Jahr wird der Abschied dann schwierig. Herr Ruez erzählt, dass er es oft erlebt hat, dass Schulkolleginnen sich in einen Zivildiener verliebt und darunter sehr gelitten haben.

Herr Koenig merkt an, dass dies durchaus vorkommt und erzählt ein Beispiel aus Wien. Was sagt das über das Leben von jemandem aus? Herr Renner glaubt, dass sie eventuell nicht unterscheiden kann. Herr Koenig fragt nach, was das auch über das Frausein aussagt. Herr Renner vermutet, dass sie die Frage missverstanden hat, da sie das Frausein gleichsetzt mit Gehen können. Herr Koenig wirft ein, dass dies eigentlich eine klare Antwort ist: Sie fühlt sich beschädigt, sie fühlt sich nicht als ganze Frau. Frau Rabl merkt an, dass man im Heim automatisch wie ein Kind behandelt bzw. nicht für voll genommen wird.

Herr Hofbauer stört und findet das Thema uninteressant.

Herr Renner versteht nicht ganz, was Frau Rabl meint. Herr Ruez sagt ihm, dass er zuerst in einer WG leben müsste, um das verstehen zu können.

Herr Koenig weist darauf hin, dass E. vor allem Freizeitbeschäftigungen nennt, die Andere vielleicht gar nicht erwähnen würden (Baden usw.). Frau Roth meint, dies könnte eventuell in Zusammenhang mit Schminken und sich schön machen stehen, eben anstatt in Stöckelschuhen herum zu laufen. Herr Hofbauer sagt, dass sie vielleicht auf Grund der Regeln im Heim ihre Bedürfnisse nicht ausleben könne. Alle stimmen zu, denn dies sei in allen Heimen so.

Herr Koenig fragt Herrn Renner, was ihm noch aufgefallen ist. Dieser spricht noch das Verhältnis zu ihrem Bruder an, welches Herr Koenig für eine Interpretation aufgreift: E. macht nämlich unterschiedliche Angaben darüber, wie oft sie sich sehen - das variiert von zwei Mal im Monat zu ein Mal wöchentlich. Der Zeitraum wird ständig herunter gesetzt von E. Daraus wird ihr Wunsch klar nach mehr Kontakt zu ihrer Familie. Generell ist es für Herrn Koenig auffallend, dass sie das Thema Familie in Schutz nimmt, denn sie erzählt selten negative Dinge. Herr Ruez merkt an, dass dies doch klar sei. Herr Renner stimmt zu. Auch Frau Roth glaubt, dass wenn man im Heim aufwächst, das Heim zur Ersatzfamilie wird, und man darüber nicht schlecht reden wird. Herr Ruez sagt, er erzähle auch nichts Schlechtes über seine Familie.

Herr Koenig glaubt, dass ihr Bruder ihr Vorbild ist, und sie ihn bewundert (ihr Berufswunsch ist Lehrer - ihr Bruder ist auch Lehrer). Sie betont auch, dass er Familie und Kinder hat. Eventuell hat sie den Wunsch auch so sein zu können? Aber: Vorbilder sind vor allem wirksam, solange man sein eigenes Lebensbild noch nicht entwickelt hat...

Auf Herrn Koenigs Frage nach ihrer Arbeitssituation meldet sich Herr Hofbauer, der denkt, dass sie mit ihrer Arbeitssituation zufrieden ist; Herr Ruez verneint dies jedoch. Er glaubt vielmehr, dass sie den Wunsch hat, etwas anderes zu machen. Herr Koenig fragt nach, ob sie das wirklich sagt. Für Herrn Hofbauer schaut es so aus, als ob sie die Arbeit gern mache - es sei nicht fad - ihm selbst wäre es allerdings zu fad. Sie habe aber keinen Wunsch nach dem ersten Arbeitsmarkt.

Herr Koenig: Auf die Frage, ob E. woanders arbeiten wollte, sagt sie, dass dies gar nicht gehe. Was ist mit Unterstützung? Herr Hofbauer glaubt, sie bräuchte berufliche Aufklärung.

Herr Ruez meint, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen Wien, Niederösterreich und Vorarlberg. Herr Hofbauer meint, dass es das in Vorarlberg wohl auch geben wird. Herr Koenig merkt an, dass in Vorarlberg theoretisch jede/r arbeiten könnte, da das Land einen Unkostenbeitrag bezahlt. Bei schwerer Behinderung sei es dort sogar leichter, da das Land zahle.

Herr Renner glaubt, dass hier vermutlich die Infos fehlen. Herr Ruez versteht nicht, weshalb Vorarlberg fortschrittlicher sein soll als zum Beispiel Wien. Herr Koenig erklärt kurz, dass das politisch bedingt ist, und bricht dann aber dieses Thema ab. Stattdessen bittet er die Gruppe, sich eine Beratungssituation vorzustellen. Was würden sie E. raten?

Herr Hofbauer würde ihr Mut machen, dass sie sich erkundigen soll, wo es Unterstützung gibt und ihr sagen, dass das Leben mehr bietet als Fließbandarbeit und Heim.

Frau Rabl glaubt, dass sie selbst überlegen muss, was sie will, und einen Zukunftsplan erstellen. Herr Koenig sagt, dass ihr Bilder von Zielen fehlen, oder sie sich vielleicht nicht traut, diese zu formulieren.

Herr Hofbauer schlägt vor, dass sie eine Zukunftskonferenz mit Freunden und Bekannten machen soll, um einen 10-Jahres-Plan zu erstellen.

Herr Ruez sagt, dass man ihr erklären müsste, was Unterstützung ist. Frau Roth merkt an, dass sie ja "Zielwärts" kenne. Herr Koenig sagt, dass ihm aufgefallen ist, dass viele bei der Lebenshilfe den Eindruck haben, dass sie nur einmal im Jahr ihre Wünsche äußern können. Herr Renner sagt, sie müsste ihre Wünsche bezüglich Arbeit reflektieren.

Herr Hofbauer steht auf und geht zum Fenster, während Herr Renner redet. Er ist sehr unruhig.

Herr Renner: Sie müsste über die eigene Situation nachdenken und sich dann Infos holen. Herr Koenig meint auch, dass hier Empowerment nötig wäre. Frau Roth fügt noch Information und Selbstvertretung hinzu.

Herr Renner meint, sie brauche schon Empowerment, aber die Beratung müsse als Peer Counseling passieren: Anregung, selbst Lösungen zu finden; sie brauche Denkanstöße, sollte öfter den eigenen Verstand benützen.

Frau Roth merkt an, dass ein Empowerment-Berater eine Vorbildfunktion haben könnte. Herr Ruez glaubt, dass man ihr zuerst Möglichkeiten zeigen sollte, erst dann kann sie über ihre tatsächlichen Wünsche nachdenken.

Wichtige Themen zusammengefasst:

Kontakt zur Familie

Verantwortung für Mutter übernehmen müssen

12.30 Uhr

Nach der Pause geht es wieder in der Großgruppe in der Beratungseinheit weiter. Es müssen noch Termine festgelegt, geändert und besprochen werden - für die Regionaltreffen im Oktober und das nächste Großtreffen im November.

Auch inhaltliche Aspekte für die Regionaltreffen werden angesprochen. Es wird vereinbart, dass beim ersten Regionaltreffen Auszüge aus den quantitativen Daten besprochen werden sollen und dabei vor allem die Fragen danach, was die Daten bedeuten und wofür sie verwendet werden können. Konkret geht es dabei um die Daten der Werkstättenbefragung in Wien, der Elternbefragung und der Befragung der Unterstützungseinrichtungen.

Ein weiteres diskussionswürdiges Thema ist die IntegrationsforscherInnentagung. Frau Rabl und Herr Koenig haben am Vortag beim Abendessen darüber geredet und schlagen als Schwerpunktthema vor, sich den Zusammenhang zwischen Lebensgeschichten und der UN-Konvention anzuschauen.

Es wird darauf hingewiesen, dass sich jeder die Frage stellen muss, was er/sie zur Teilnahme an der IntegrationsforscherInnentagung beisteuern möchte. Es könnten eventuell eigene Geschichten, Geschichten aus dem Projekt oder vom Umfeld von einzelnen Referenzgruppenmitgliedern bearbeitet und dokumentiert werden. Dann wird gefragt, wer an der IntegrationsforscherInnentagung mitarbeiten würde. Es meldeten sich ungefähr sieben Personen. Einerseits könnten die Regionaltreffen für die Vorbereitung der IntegrationsforscherInnentagung genutzt, andererseits könnten StudentInnen der Uni Wien als UnterstützerInnen zur Verfügung gestellt werden.

Herr Koenig fragt, ob es noch weitere Ideen zur Tagung gäbe. Frau Rabl sagt, dass sie gerne was präsentieren würde, wenn es nicht zu aufwendig wäre.

Dann werden die Referenzgruppenmitglieder aufgefordert, sich bis zum Regionaltreffen dazu noch weitere Gedanken zu machen. Ein weiteres Thema könnte sein: Haben Menschen die Möglichkeiten, die ihnen laut UN-Konvention zustehen?

Frau Lose zeigt schon zwei Mal auf, weil sie etwas sagen will und spricht dann auch schon kurz mit Frau Rabl, bis ihr Zeichen zur Wortmeldung wahrgenommen wird. Sie schlägt vor, sich zwar bei den nächsten Treffen wie gehabt um 14.30 Uhr am Freitag zu treffen, aber erst um 15.00 Uhr zu beginnen, damit alle Zeit hätten, in Ruhe anzukommen. Für sie wäre es so weniger stressig. Dieser Vorschlag erfährt Zustimmung und die Zusage der Moderation berücksichtigt zu werden.

Herr Koenig schliest damit zu sagen, dass er das Gefühl hat, dass es jetzt klar sei, wie es in der Referenzgruppe weitergeht.

12.46: Reflexionsrunde

Die Moderation kündigt an, dass nun die bekannte Reflexionsrunde am Ende des Treffens stattfinden soll. Dabei wird gefragt, ob reihum vorgegangen werden soll, oder ob sich die TeilnehmerInnen freiwillig melden wollen. Es wird entschieden so vorzugehen, dass sich jede/r freiwillig melden kann, wann er/sie will.

Herr Hofbauer hat die Auseinandersetzung mit den Lebensgeschichten spannend gefunden. Auch super hat er gefunden, dass sein Thema am Vortag vorgeschlagen wurde für ein eigenes Projekt, obwohl er nicht anwesend war.

Nach Herrn Hofbauer geht es dann doch reihum und Frau Rabl ist die Nächste. Für sie ist es auch spannend gewesen, was am Freitag erarbeitet wurde und auch die Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte. Frau Roth versteht dann ein Wort nicht und Frau Rabl buchstabiert es. Nach dem zweiten Mal buchstabieren sagt Frau Roth, dass es das Wort nicht gäbe und nach dem dritten Mal buchstabieren hatte sie das Wort "Respekt". Frau Roth fragt Frau Rabl dann, ob sie "Aspekt" meint. Die Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte war ein anderer, spannender Aspekt.

Frau Lose bevorzugt die Kleingruppe, weil sie da mehr reden kann.

Herr Ruez hat es gut gefunden und ist überzeugt davon, mit dem Projekt etwas bewirken zu können.

Frau Yeri hat es auch gut gefallen, vor allem, dass noch einmal aufgegriffen und geklärt wurde, was es bedeutet, ForscherIn zu sein. Ihr hat die Auswertung und dass sie so gut dabei zusammengearbeitet haben am Besten gefallen.

Frau Nussbaumer hat es sehr interessant gefunden und hofft, dass sie weiterhin gut weiterkommen.

Herr Nagl sagt, dass er es bei der Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte wieder nicht geschafft hat, rechtzeitig mit dem Lesen fertig zu sein. Herr Nagl spricht selbst an, dass er sehr langsam liest. Er merkt aber auch an, dass es so wie es dann gemacht wurde (laut vorlesen und kürzere Passagen), gut und einfach für ihn war.

Frau Fürst hat die Auseinandersetzung mit den Fragen zu Forschung und zur bisherigen Arbeit, aber auch jene mit den Lebensgeschichten gut gefallen.

Herr Renner fand es auch interessant und gut, dass es intensiv und ergebnisreich war.

Für Herrn Nauerschnig war das Treffen relativ in Ordnung. Positiv findet er die regionalen Treffen, weil dann weniger Zeit zwischen den Treffen ist. Er ergänzt noch, dass er eigene Erfahrungen in der Lebensgeschichte von E. gefunden hat.

Herr Koenig freut sich, dass es jetzt einen Plan für das weitere Vorgehen mit der Referenzgruppe gibt und auch Herr Krög meint, die Absicht (Wo steht die Referenzgruppe? Wie geht es weiter? Thema Forschung ist jetzt klarer), die sie vor dem Treffen hatten, gut erfüllt zu haben.

Danach werden noch die organisatorischen Angelegenheiten bezüglich Honorarnote und Spesenabrechnung geklärt.

Herr Hofbauer will von Herrn Koenig wissen, wie das mit seiner Fahrkarte abläuft, weil er ja ein Monatsticket hat. Herr Koenig sagt, dass Herr Hofbauer ihm irgendwann einmal eines geben soll, dass er dann bezahlt bekommt und dann wär das auch aliquot für die anderen Treffen. Herr Renner sagt sofort, dass "aliquot" anteilsmäßig heißt.

Nach der Abwicklung der organisatorischen Angelegenheiten ist das Treffen zu Ende und alle beginnen nacheinander aufzubrechen.

IV Abstract

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich zum Einen mit der Fragestellung, welche Prozesse sozialer Interaktion innerhalb einer beobachteten Referenzgruppe stattfinden und wie diese mit den Referenzgruppentreffen in Zusammenhang stehen. Zum Anderen wird der Frage nachgegangen, wie sich Prozesse der Erkenntnisgewinnung innerhalb der Referenzgruppe gestalten. Die Referenzgruppe, die in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, besteht aus 12 Menschen mit Lernschwierigkeiten, die im Rahmen des Projektes "Partizipationserfahrungen in der beruflichen Biographie von Menschen mit einer intellektuellen Behinderung - Eine Untersuchung an den Lebensphasen ‚Übergang Schule - Beruf' sowie ‚Teilhabe am Arbeitsleben' am Beispiel Österreichs" des Instituts für Bildungswissenschaft der Universität Wien, als ExpertInnen in eigener Sache aktiv am Forschungsprozess teilhaben. In dieser Diplomarbeit werden in einem ersten Schritt relevante theoretische Konzepte, wie "Selbstbestimmt Leben mit Unterstützung", "Leichte Sprache", "Konstruktivismus" und "Partizipative Forschung", aufgearbeitet. In einem zweiten Schritt werden die verfassten Beobachtungsprotokolle im Hinblick auf die Fragestellungen ausgewertet, wobei eine Orientierung an der Vorgehensweise der Grounded Theory erfolgt.

One question this paper aims to answer is which processes of social interaction take place within a particular reference group and how these processes are influenced by the reference group meetings. The other question being dealt with is how processes of cognition, realization and knowledge-building evolve within the reference group. The reference group at the heart of this paper is composed of 12 persons with learning difficulties who, as experts representing their own interests, actively take part in the research process of the project "Experiences of Participation in the Vocational Biography of People with an Intellectual Disability: A Study of Phases of Life 'Transition School - Working Life' and 'Participation in Working Life' in Austria" conducted by the Department of Education and Human Development of the University of Vienna. This thesis starts by reviewing relevant theoretical concepts such as "self-determined life with support", "easy-to-read language", "constructivism" and "participatory research". As a second phase, this paper focuses on answering the questions mentioned above by interpreting the observations and notes recorded throughout the project following a grounded theory-based approach.

V Lebenslauf

Amelie Carraro

10. Dezember 1985 Geburt in Bregenz, Vorarlberg, Österreich

Schul- und Ausbildung

1992-1996 Volksschule Augasse, Bregenz

1996-2004 Neusprachliches BG Gallus, Bregenz

Juni 2004 Reifeprüfung am BG Gallus, Bregenz

Seit Oktober 2004 Diplomstudium Pädagogik an der Universität Wien

26. September 2006 Erste Diplomprüfung im Diplomstudium Pädagogik

Seit Oktober 2007 Psychotherapeutisches Propädeutikum, ÖAGG - Akademie, Wien

voraussichtlich März 2010 Abschluss des Diplomstudiums Pädagogik mit den Schwerpunkten Heilpädagogik und Integrative Pädagogik und psychoanalytische Pädagogik

Praktika

November 2005 - Mai 2006 Unterrichtstätigkeit in einer basalen Förderklasse, Standort Kanitzgasse, Wiener Sozialdienste Förderung & Begleitung GmbH

Juni / Juli 2008 BetreuerInnen-Praktikum in einem Wohnheim für Menschen in schwierigen Lebenssituationen, Kolpinghaus Bregenz

Jänner 2008 - Dezember 2008 Wissenschaftliches Praktikum, Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, Universität Wien

Berufliche Tätigkeiten

Juli 2005 Betreuerin beim Abenteuer Sport Camp für Kinder, Bregenz

Oktober 2006 - Juni 2009 Persönliche Assistentin bei der Wiener Assistenzgenossenschaft

Juli 2009 Betreuerin beim Fest des Kindes der Festspiele Bregenz

Seit Oktober 2009 Freie Dienstnehmerin beim Verein GIN (Gemeinwesenintegration und Normalisierung), Standort Laimäckergasse, Wien

Elisabeth Hintringer

25. September 1985 Geburt in Rohrbach, Oberösterreich, Österreich

Schul- und Ausbildung

1992-1996 Volksschule Rohrbach

1996-2004 BRG Rohrbach

Juni 2004 Reifeprüfung am BRG Rohrbach

Seit Oktober 2004 Diplomstudium Pädagogik und Diplomstudium Romanistik - Spanisch an der Universität Wien

24. Oktober 2006 Erste Diplomprüfung im Diplomstudium Pädagogik

16. April 2009 Erste Diplomprüfung im Diplomstudium Romanistik - Spanisch

voraussichtlich März 2010 Abschluss des Diplomstudiums Pädagogik mit den Schwerpunkten Heilpädagogik und Integrative Pädagogik, psychoanalytische Pädagogik und Sozialpädagogik

Praktika

Oktober 2007 - Jänner 2008 Wissenschaftliches Praktikum, Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft, Universität Wien

Berufliche Tätigkeiten

Juli / August 2004, 2005, 2006 Oase Werkstatt - Arcus Sozialnetzwerk (OÖ) Betreuung von Menschen mit Behinderung (jeweils 4 Wochen)

August 2006 Jugendherbergswerk Oberösterreich (Kids-Turnus; Betreuung von Jugendlichen);

Juli / August 2007, 2008, 2009 Jugendherbergswerk Oberösterreich (Kindererholungsaktion Weyer bzw. Hinterstoder und Kidsturnus Gosau; (Betreuung von Kindern und Jugendlichen))

Seit Oktober 2007 Aufsichtsmitarbeiterin in den Häusern des Kunsthistorischen Museums Wien (auf Basis von geringfügiger Beschäftigung)

ehrenamtliche Tätigkeiten und Weiterbildungen

seit September 2002 ehrenamtliche Pfadfinderleiterin, u.a. der Gruppe PWA - "Pfadfinder wie Alle"

19./20. Oktober 2002 Einstiegsseminar der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs (PPÖ)

21.-23. April 2006 Grundlagenseminar der Pfadfinder und Pfadfinderinnen Österreichs (PPÖ)

Quelle:

Amelie Estrella Carraro, Elisabeth Hintringer: Prozesse sozialer Interaktion und Prozesse der Erkenntnisgewinnung in der Arbeit einer Referenzgruppe

Diplomarbeit eingereicht an der Universität Wien, Studienrichtung Pädagogik, bei Univ.-Prof. Dr. Gottfried Biewer

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 05.08.2010



[40] Anmerkung von bidok: Der vollständige Anhang (inklusive Zeilennummerierung) kann als pdf-Dokument unter folgendem Link heruntergeladen werden: http://bidok.uibk.ac.at/download/anhang-carraro-interaktion-dipl.pdf

[41] In den Einladungen für die Referenzgruppenmitglieder ist die detaillierte Information vorhanden.

[42] Dieser Teil eines Protokolls für die Referenzgruppenmitglieder wird an dieser Stelle der vorliegenden Diplomarbeit beifügt und dient dem/der LeserIn als Anschauungsmaterial.

[43] Im Protokoll für die Referenzgruppenmitglieder werden die Namen aller anwesenden Personen untereinander aufgelistet und deren Funktion in der Referenzgruppe in Klammer (Leiter und Leiterin der Referenzgruppe, Referenzgruppenmitglieder, UnterstützerInnen, Beobachterinnen, PraktikantInnen, ...)angefügt. Da das Protokoll an dieser Stelle als Muster gilt, wurden die Namen heraus gelöscht. In weiterer Folge werden in diesem Ausschnitt des Protokolls nur die zentralen Kernthemen demonstriert. Die detaillierteren inhaltlichen Diskussionspunkte, die im Protokoll für die Referenzgruppenmitglieder sehr wohl in Form von Aufzählungen ausführlich enthalten sind, fehlen in der Mustervariante, da sie in den Beobachtungsprotokollen in Kapitel 8.3 nachgelesen werden können.

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