Die Vernehmungsmethoden der Polizei und ihre Funktion für die gesellschaftliche Verteilung des Etiketts »kriminell«

Textsorte: Buch
Releaseinfo: erschienen in: Manfred Brusten/Jürgen Hohmeier(Hrsg.), Stigmatisierung 2, Zur Produktion gesellschaftlicher Randgruppen, Darmstadt 1975. S. 57 - 112; Beide Bände sind leider Vergriffen und werden auch nicht mehr aufgelegt. Der Luchterhand-Verlag hat BIDOK die Erlaubnis zur Veröffentlichung gegeben.
Copyright: © Manfred Brusten, Peter Malinowski 1975

Einleitung

Die Polizei gehört zu den gesetzlich legitimierten Kontrollinstanzen, die aufgrund der von ihnen zu treffenden Maßnahmen ganz wesentlich mit darüber entscheiden, wer in unserer Gesellschaft den Status des »Kriminellen« erhält und wer nicht. Anzahl und Zusammensetzung der als »Straftäter« definierten Personen werden in den von der Polizei erstellten Kriminalstatistiken ausgewiesen. Daß diese Kriminalstatistiken jedoch kein repräsentatives Bild gesellschaftlich definierter Kriminalität[1] darstellen, sondern den - statistisch verobjektivierten - Nachweis polizeilicher Tätigkeit, gehört inzwischen zu den Selbstverständlichkeiten der neueren Kriminalsoziologie, deren wissenschaftliches Paradigma - der »labeling approadi« - heute immer breitere Beachtung findet. Diese Richtung der Kriminalsoziologie hat erkannt, daß eine intensive Analyse und Erforschung der Instanzen sozialer Kontrolle - unter ihnen die Polizei, die Justiz, aber auch die Sozialarbeit - unbedingt notwendig ist, um gültige Aussagen über Verbreitung und Entwicklung der Kriminalität machen zu können.

Wissenschaftliche Analysen und empirische Forschungen zur Polizei werden von dieser jedoch sehr häufig als Problem empfunden. Polizeiliche Praxisinteressen und wissenschaftliche Erkenntnisinteressen stoßen vor allem dort hart aufeinander, wo Sozialwissenschaftler darum bemüht sind, sowohl das polizeiliche Handeln selbst als auch dessen Folgen und Konsequenzen zu untersuchen[2]. Denn folgt man der empirisch belegbaren Erkenntnis, daß es unter anderem auch - und zwar ganz entscheidend - von der Arbeit der Polizei abhängt, ob jemand als »kriminell« etikettiert wird oder nicht, dann ist es Aufgabe der Wissenschaft, festzustellen, ob die hier notwendig stattfindenden Selektionen nur auf Zufälligkeiten beruhen oder aber, ob hier bestimmte Gesetzmäßigkeiten eine Rolle spielen. Genau an diesem Punkt erhält dann die Analyse des Strafverfolgungsprozesses ihren sozialpolitischen Stellenwert: nämlich in der Offenlegung sozialer Indikatoren einer strafrechtlich orientierten Produktion gesellschaftlicher Randgruppen. Daß der polizeilichen Vernehmung hierbei eine ganz entscheidende »Filterfunktion« zukommt, steht außer Zweifel, obwohl einschlägige empirische Forschungsergebnisse bis heute immer noch fehlen[3]. Die nachfolgende Analyse beruht daher fast ausschließlich auf Darstellungen, wie sie in der Polizeiliteratur zu finden sind und auf Informationen aus persönlichen Gesprächen mit Kriminalbeamten.



[1] Da Kriminalität als solche nicht existiert, sondern immer Definitions- und Feststellungsprozesse auf verschiedenen Ebenen voraussetzt, ergeben sich einige terminologische Schwierigkeiten. Daher sollen hier unter »gesellschaftlich definierte Kriminalität« alle Handlungen und Verhaltensweisen verstanden werden, die - gemessen an den geltenden Gesetzen - als kriminell definiert sind. Eine solche Feststellung ist selbstverständlich höchst abstrakt; nicht nur, weil hier Aussagen über Handlungen und Verhaltensweisen gemacht werden, die als solche nicht bekannt sind, sondern auch deshalb, weil zu einer konkreten Benennung Gesetze allein nicht ausreichen. Andererseits ließen sich unter »gesellschaftlich definierte Kriminalität« alle Handlungen und Verhaltensweisen verstehen, die offiziell als kriminell definiert würden, sobald sie den Strafverfolgungsbehörden bekannt wären (Dunkelfeldproblematik). Auch diese Definition des Begriffes ist relativ abstrakt, da auch hier von konkreten, instanzenspezifischen Definitions- und Selektionsprozessen abstrahiert wird. Aufgrund dieser Schwierigkeiten werden häufig auch die Kriminalstatistiken selbst als ein Maß der »gesellschaftlich definierten Kriminalität« bezeichnet. Hierbei geht dann aber die Unterscheidung zwischen »theoretisch möglicher« und durch die Praxis der Instanzen »tatsächlich erfolgter« Kriminalisierung verloren (vgl. die Diskussion bei BidermanIReiss 1967 und Sack 1974, S. 70).

[2] H. S. Becker, einer der Begründer und Verfechter des Stigmatisierungsansatzes, hat dieses Problem unmißverständlich formuliert: »Die frühere Gleichsetzung der Erforschung von Verhaltensabweichungen mit dem Studium von Menschen, die beschuldigt werden, Regeln verletzt zu haben, respektierte (die) soziale Ordnung, indem sie die Regelsetzer und -durchsetzer von der Untersuchung ausnahm. Die Abneigung der interaktionistischen Soziologen, konventionelle Theorien zu akzeptieren, hat zu einer kritischen Haltung gegenüber den Erklärungen der konventionellen Autorität und Moral einerseits, und zur Feindseligkeit der Sprecher und Verteidiger konventioneller Autorität gegenüber interaktionistischen Analysen andererseits geführt ... Soziologische Untersuchungen, die aufzeigen, daß polizeiliches Fehlverhalten aus strukturellen Zwängen resultiert, die in der polizeilichen Arbeitsorganisation angelegt sind, provozieren »Verteidigungen« der Polizei gegenüber soziologischen Wissenschaftlern« (Becker 1973, S. 177). Auch der hier vorliegende Beitrag zur polizeilichen Vernehmung läuft Gefahr, von Seiten der Polizei als »Vorwurf«, als »ungerechtfertigte Kritik« oder als »reine Theorie ohne Praxiserfahrung« abqualifiziert zu werden, da die objektiven Arbeitsbedingungen und tagtäglichen Probleme der Kriminalbeamten nicht erkannt oder nicht genannt würden. Der Versuch, den Interaktionsprozeß der Vernehmung einmal bewußt unter ganz bestimmten wissenschaftlichen Perspektiven zu analysieren, wird als »Einseitigkeit« mißverstanden. Daß jedoch eine solche kritische Analyse, die die Legalität des polizeilichen Handelns keineswegs in Zweifel zieht, die Voraussetzung dafür ist, eine größere Chancengleichheit im Strafverfolgungsprozeß zu erreichen, weil sie mit dazu beitragen kann, eingeschliffene und nicht mehr hinterfragte Selbstverständnisse und Selbstverständlichkeiten der Praxis zu problematisieren, erscheint dem Praktiker häufig zweitrangig.

[3] Daß bis heute kaum einschlägige sozialwissenschaftliche Forschungen zur polizeilichen Vernehmung vorliegen, mag zwar einerseits auf mangelnde Aufmerksamkeit und Praxisbezogenheit der Sozialwissenschaften zurückzuführen sein, liegt andererseits mit Sicherheit aber auch an der Schwierigkeit, zu diesem Bereich polizeilicher Tätigkeit überhaupt Zugang zu erhalten. So haben wir uns über viele Monate vergeblich bemüht, verdeckt oder unverdeckt an Vernehmungen durch die Polizei teilzunehmen, Tonbandaufnahmen von Vernehmungen machen zu lassen oder Einblick in Vernehmungsprotokolle zu erhalten, um diese nach systematischen und inhaltlichen Gesichtspunkten auswerten zu können. Die Einsicht in Vernehrnungsprotokolle wurde - nach zunächst grundsätzlicher Genehmigung durch die Generalstaatsanwaltschaft - vom örtlich zuständigen Leitenden Oberstaatsanwalt verwehrt. Als Gründe wurden zum einen rechtliche Probleme und Arbeitsüberlastung angegeben, zum anderen der »Eindruck«, daß einige unserer bisherigen Veröffentlichungen »polizeifeindliche« und »auf gesellschaftliche Veränderungen abzielende« Züge aufwiesen. Polizeiforschungen, die u.a. auch die Analyse von Vernehmungssituationen zum Gegenstand haben sollten, wurden vom zuständigen Minister nicht genehrnigt (vgl. MalinowskilMünchlSchwilick 1973, S. 126 ff.); Polizeibeamte, die bereit waren, mit uns Gespräche über ihre Vernehmungspraxis zu führen, fürchteten, daß sie als Informanten identifiziert werden könnten. Wir sahen uns daher veranlaßt, dieser Sorge unserer Informanten bei der deskriptiven Darstellung der Vernehmungsmethoden Rechnung zu tragen und haben deshalb einige der üblicherweise geltenden Regeln der Nachprüfbarkeit und Rekonstruierbarkeit als zweitrangig angesehen. Bei allen Zitaten, die nicht durch Literaturhinweise gekennzeichnet sind, handelt es sich um Außerungen der von uns befragten Kriminalbeamten; diese Außerungen sind nur als »exemplarisch«, nicht jedoch als »repräsentativ« zu betrachten.

Seit 1967 liegt die Veröffentlichung einer amerikanischen Untersuchung über die Vernehmungspraxis der Polizei in New Haven, Connecticut, vor (WaldlAyres/HessISchantz/Whitebread). Die Beobachtungen der Forscher zielten insbesondere auf eine Überprüfung der Effekte der Supreme-Court-Entscheidung von Miranda, die eine grundsätzliche Anderung der die Polizei betreffenden Teile der Strafprozeßordnung betraf. Diese Studie kann in vieler Hinsicht unsere Annahmen über die polizeiliche Vernehmungspraxis stützen. Bevor jedoch nicht ähnliche Forschungen in der BRD durchgeführt worden sind, sollte man sich nicht zu voreiligen Rückschlüssen von amerikanischen Untersuchungen auf deutsche Verhältnisse verleiten lassen. In der deutschen Diskussion wird die polizeiliche Vernehmung dagegen bislang ausschließlich unter juristischen, polizei- und justiztaktischen Perspektiven gesehen. Die Komplexität - und zum Teil auch Strittigkeit - der hier erwähnten Rechts- und Verfassungsregeln sind dem Praktiker der Polizei nur zum Teil, dem Beschuldigten in den allermeisten Fällen jedoch überhaupt nicht bekannt. Andererseits wird das Thema »Vernehmung« in der polizeilichen Fachliteratur - von wenigen Ausnahmen abgesehen - im allgemeinen sehr formal und seit Jahrzehnten nahezu unverändert behandelt. Die einzige uns bekannte nicht-polizeiliche und nicht-juristische Beschreibung der Vernehmung erschien 1973 (EschenISami); doch handelt es sich hierbei um eine z.T. polemische und hinsichtlich einer Verallgemeinerung überzogene Darstellung.

1. Vernehmungspraxis und Prozesse der Stigmatisierung

Die polizeiliche Vernehmung stellt zwar im Gesamtprozeß der Kriminalisierung einer Person nur ein zeitlich sehr begrenztes Ereignis dar, doch sind die Konsequenzen für den Beschuldigten meist von recht einschneidender Bedeutung. Dabei lassen sich vier Bezugsfelder analytisch klar voneinander trennen:

a)Die Vernehmung als Interaktionsprozeß

b) die Polizei als Institution,

c) das System der Instanzen sozialer Kontrolle

d) die engere und breitere Öffentlichkeit.

1.1. Zwangskommunikation, Definitionsmacht und Identitätsprobleme

Die polizeiliche Vernehmung kann als ein zwangskommunikativer Interaktionsprozeß[4] begriffen werden, der nicht nur einer strafrechtlichen Rekonstruktion der Tatwirklichkeit im Sinne einer »polizeilichen Wahrheitsfindung« dient, sondern der zugleich immer auch entscheidende Elemente der Neudefinition und Konstruktion von Wirklichkeit beinhaltet. Obwohl hierbei die Öffentlichkeit auf ein Minimum beschränkt ist, nämlich auf den oder die vernehmenden Polizeibeamten, haben die in der Vernehmung ausgehandelten und durchgesetzten Definitionen, Typisierungen und Interpretationen doch unbestreitbar nachhaltige Folgen für die Identität und Selbstwahrnehmung des Vernommenen. Dies läßt sich modellhaft an den beiden folgenden Fällen verdeutlichen:

  1. Die »interpretative Rekonstruktion« einer für die Strafverfolgung wichtigen Handlung ist zwischen den an der Vernehmung beteiligten Personen nicht zur Deckung zu bringen; was aus der Perspektive des vernehmenden Polizeibeamten als »Diebstahl« oder »Einbruch« zu werten ist, wird vom Tatverdächtigten selbst - auf der Grundlage subkultureller Werte und/oder durch erfolgreiche Anwendung von Techniken der Neutralisierung (vgl. Sykes/Matza 1968) als »Organisieren«, »Ausleihen« oder »Mitnehmen, was einem letztlich ohnehin zustehe« bezeichnet. In der zwangskommunikativen Situation der Vernehmung, in der ausschließlich der Polizeibeamte eine institutionell abgesicherte Definitionsmacht besitzt, kann nur er seine Definition - als die im Relevanzrahmen des Strafverfolgungsprozesses gültige - verbindlich durchsetzen. In der Abfolge dieses kommunikativen Prozesses wird der Beschuldigte gezwungen, die ihm offiziell zugeschriebene Typisierung als »Dieb« oder - allgemeiner formuliert - als »Krimineller« gelten zu lassen und schließlich in sein eigenes Identitätskonzept zu übernehmen.

  2. Unterscheiden sich die vom Vernehmenden und vom Vernommenen vorgebrachten interpretativen Rekonstruktionen der strafrechtlich relevanten Handlungen nicht oder nur unwesentlich - etwa weil der Beschuldigte bereits die Perspektive der offiziellen Kontrolleure übernommen hat -, so bleiben die Zuschreibung des Kriminellen-Status und die damit verbundene negative Typisierung dennoch nicht folgenlos für ihn. Denn, hatte er das Stigma des »Kriminellen« bisher durch Anwendung verschiedener Techniken (vgl. Goffman 1974) bewältigen und latent halten können, so wird es durch die Vernehmung offengelegt, und seine soziale Identität erfährt eine einschneidende Wandlung: aus dem Diskreditierbaren wird der Diskreditierte (Goffman 1974, S. 12), der offiziell als »kriminell« Definierte.

Die Vernehmung eines Beschuldigten ist also keineswegs ein bloßes Zusammentragen »objektiver«, nicht interpretationsbedürftiger Fakten. Auch der Vernehmungsbeamte selbst dient nicht nur als »neutraler Registrator« bestimmter Detail-Informationen, die sich dann hinterher zu einem »lückenlosen Bild« zusammensetzen lassen. Seine Rolle ist nicht zu trennen vom Zwangscharakter der Vernehmungssituation, von der Definitionsmacht und dem sich in bestimmten Vernehmungsmethoden niederschlagenden »Erfahrungswissen« der Polizei. Schon allein durch die Auswahl der Fragen legt er die zentralen Perspektiven der polizeilichen Konstruktion des Falles fest.

Auf der anderen Seite steht der zu vernehmende Beschuldigte: er ist das eigentliche Objekt der »handwerklichen Fertigkeiten« und Interpretationsleistungen des vernehmenden Beamten. Vor allem diese Objektrolle ist es, die eine wirksame Stigmatisierung erst ermöglicht. Der Begriff der Stigmatisierung meint in diesem Zusammenhang also vor allem denjenigen sozialen Prozeß, in dessen Verlauf es dem Vernehmungs-Beamten gelingt, dem Tatverdächtigten das Etikett »kriminell« sozial wirksam zuzuschreiben. Dabei bedeutet »sozial wirksam« jedoch nicht nur die Verbreitung entsprechender Informationen oder eine Beeinträchtigung der sozialen Identität des Vernommenen (vgl. Garfinkel 1974), sondern immer auch die erst dadurch hervorgerufene Veränderung der Selbst-Identität des Stigmatisierten.

Wenn Polizeibeamte die hier skizzierten Prozesse auch nicht in gleicher Weise reflektieren bzw. an ihrer Reflexion durch fest internalisierte Legitimationstheorien des eigenen Handelns gehindert werden, so geschehen diese Prozesse dennoch nicht völlig unbewußt, unbeabsichtigt oder zufällig. So kommt es Polizeibeamten nach eigenen Aussagen beispielsweise durchaus darauf an, daß Tatverdächtigte sich zu ihrer Tat »bekennen«, daß sie bereit sind, ihr »Fehlverhalten einzugestehen«. Das Geständnis - das heißt, das Eingeständnis, kriminell geworden zu sein - ist für viele Polizeibeamte auch heute noch die »Krone des Ermittlungsverfahrens«, obwohl offiziell längst dem Sachbeweis eindeutige Priorität im Strafverfahren eingeräumt wird.

Will man den Stellenwert der polizeilichen Vernehmung für die Stigmatisierung[5] einer Person als »kriminell« genauer erfassen, dann darf sich die Analyse jedoch nicht auf den Interaktionsprozeß während der Vernehmung beschränken. Zumindest ebenso wichtig sind sowohl Faktoren, die zur Vorbereitung und Strukturierung der Vernehmungssituation beitragen, als auch eine Analyse der Konsequenzen, die sich für den Beschuldigten aus den Ergebnissen der Vernehmung ergeben.

1.2. Polizeiinterne Kanäle der Stigmaverbreitung

Zu den unliebsamen Konsequenzen einer Vernehmung gehört, daß innerhalb der Polizei entsprechende Akten angelegt und Berichte verfaßt werden, die die Funktion einer »polizeiinternen Stigmatisierung« erfüllen (»der Polizei bereits bekannt«). Hier sind neben der »erkennungsdienstlichen Behandlung« mit Lichtbild und Fingerabdrücken insbesondere die »kriminalpolizeiliche Personenakte« und die sogenannten »Merkblätter« zu nennen[6]. In diesen Dokumenten werden außer objektiv nachprüfbaren Informationen auch solche festgehalten, die die Polizei zur Einschätzung und Behandlung des Vernommenen glaubt brauchen zu können, falls dieser »erneut in Erscheinung« tritt. Hierzu gehören sowohl der »Eindruck«, den der vernehmende Beamte von der Person des Beschuldigten hatte, als auch Angaben darüber, wie sich der Beschuldigte während der Vernehmung »angestellt« hat (»damit die Kollegen später wissen, wen sie vor sich haben«)[7], außerdem alle noch nicht ausgeräumten Verdachtsmomente, deren Registrierung sich nach Ansicht der Polizei zu einem späteren Zeitpunkt auszahlen könnte.

Während die »kriminalpolizeiliche Personenakte« bei der Polizeibehörde des Tatortes verbleibt und dazu dient, »die örtlichen Täter besser kennenzulernen«, gelangt ein Teil der in der Vernehmung gewonnenen Informationen per »Merkblatt« zur Polizeibehörde am Wohnort des »Täters«. Auch bei Wohnungswechsel erhält die jeweils neu zuständige örtliche Polizeibehörde sogleich Aktenauszüge, durch die sie von vorneherein über ihren »potentiellen Klienten« informiert wird.

Zur polizeiinternen Stigmatisierung gehören auch Gespräche zwischen den Vernehmungsbeamten der Kripo und ihren - weit zahlreicheren - »Kollegen von der Uniform«. Hierbei geht es vor allem um Ermittlungen zum Lebensstil eines Verdächtigen oder um die Gewinnung zunächst randseitig erscheinender Informationen, die dennoch für den Erfolg einer Vernehmung ausschlaggebend sein können. Auf diese Weise wird der Verdächtigte einer relativ großen Zahl von Polizeibeamten bekannt, die alle durch sachdienliche Hinweise, subjektive Bewertungen und vage Verdachtsmomente mit dazu beitragen, das Stigma des »Kriminellen« auszubauen und zu verfestigen.

1.3. Weiterleitung von Informationen an andere Kontroll-Instanzen

Die Ergebnisse der polizeilichen Vernehmung, die in der zwangskommunikativen Interaktion zwischen Kriminalbeamten und Beschuldigten erzielte Rekonstruktion und Konstruktion des Tatgeschehens, bereichern nicht nur den polizeiinternen Informationsstand, sondern dienen in aller Regel auch anderen Kontrollinstanzen als wichtige Unterlagen. Vernehmungsprotokolle einschließlich der Ergänzungsvermerke werden zur Staatsanwaltschaft weitergeleitet und gelangen von dort - wenn es zu einer offiziellen Anklage kommt - bis zum Gericht[8]. Bei jugendlichen Straftätern ist die Polizei verpflichtet, einen Bericht an das zuständige Jugendamt (Jugendgerichtshilfe) zu senden; gegebenenfalls kann auch die Schule benachrichtigt und um eine »Auskunft« gebeten werden[9]. Damit gewinnt die polizeiliche Vernehmung für die Analyse von Stigmatisierungsprozessen eine Bedeutung, die weit über den engen Bereich der Polizei selbst hinausgeht.

Daß es sich bei den weiterzuleitenden Dokumenten und beim Austausch von Auskünften nicht nur um die Wiedergabe rechtlich relevanter Fakten handelt, sondern um sehr viel breiter angelegte Polizeiinformationen, zeigt schon die Unterscheidung in »Vernehmungsprotokoll« und »Ergänzungsvermerke«. Nur das Vernehmungsprotokoll wird vom Vernommenen selbst eingesehen und unterschrieben, nicht aber die Ergänzungsvermerke des Vernehmungsbeamten, die der Ermittlungsakte beigelegt werden, »damit sich der Richter von vorneherein ein richtiges Bild von dem Straftatverdächtigen machen kann.« Solche Ergänzungsvermerke enthalten Angaben über die Person des Vernommenen, über sein Verhalten während der Vernehmung (»zeigt echte Reue«, »war störrisch«, »ist hartnäckig«), über die Familiensituation und Vorschläge dazu, »was meines Erachtens zu tun ist«. Aber auch durch die Gestaltung des Vernehmungsprotokolls kann der Kriminalbeamte ganz wesentlich zur Typisierung und Stigmatisierung des Beschuldigten beitragen; so zum Beispiel durch die Hineinnahme bestimmter, tatsächlich gefallener Ausdrücke, »damit der Richter sieht, wie der veranlagt ist, wie der redet, wenn der seine Mutter einfach als >Alte< bezeichnet ... « Ähnlich ist die Situation hinsichtlich des Jugendamtes. »Erscheinen sofortige fürsorgerische Maßnahmen erforderlich ... «, dann muß der Bericht der Polizei »inhaltlich so erschöpfend sein, daß das Jugendamt in der Lage ist, jugend-fürsorgerische Maßnahmen zu treffen«[10]. Alle diese Beispiele zeigen, daß

  1. den Vernehmungsbeamten in der Ermittlung und Weiterleitung stigmatisierender Informationen ein relativ breiter Handlungs- und Definitionsspielraum zugestanden wird und

  2. die von ihnen weitergeleiteten Informationen bereits in Einschätzung des Informationsempfängers erstellt werden.

Die in der Vernehmung gewonnenen, höchst selektiven Daten, Typisierungen und Wirklichkeits-Konstruktionen werden von den Informationsempfängern nach institutionsspezifischen Gesichtspunkten weiter selektiert, komprimiert und als Entscheidungshilfen aufbereitet. Die Wahrscheinlichkeit wächst, daß die Vernehmungsergebnisse nun vollends als soziale Tatsachen gewertet, ihres sozialstrukturellen Entstehungskontextes beraubt und ihres Definitionscharakters entkleidet werden. Hinzu kommt, daß sowohl die Verarbeitung als auch die Verwendung der Informationen jeder weiteren Kontrolle durch den Informationslieferanten, die Polizei, entzogen ist, und daß die Informationen nun auch polizeifremden Bewertungsstandards ausgesetzt werden und damit eine diesen Bewertungsstandards der anderen Kontrollinstanzen entsprechende Uminterpretation erfahren. Mit jeder weiteren »Transformation« aber nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, daß das Stigma des »Kriminellen« sich weiter verdichtet und der zukünftige Kontakt mit den Kontrollinstanzen erheblich belastet wird.

1.4. Stigmatisierung in der Öffentlichkeit

Noch einschneidendere Konsequenzen erbringt das in der Vernehmung konstituierte Stigma des »Kriminellen« im außerinstitutionellen Bereich der Öffentlichkeit: Die als »kriminell« typisierte Handlung gerinnt zum dominanten Merkmal der Persönlichkeit des Täters, zu dessen sozialen Identität als »Krimineller« und damit zur Grundlage weiterer Degradierung. Soziale Teilnahmechancen und konforme Handlungsalternativen werden reduziert; die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit nimmt zu. Untersucht man den Stellenwert der polizeilichen Vernehmung für die »öffentliche Stigmatisierung« einer Person als »kriminell« genauer, dann lassen sich vor allem die folgenden Aspekte voneinander unterscheiden:

  1. Schon allein die Tatsache, daß jemand von der Polizei vernommen wurde, kann ihn in Mißkredit bringen. Er wird in die Defensive gedrängt und gegebenenfalls genötigt, öffentlich den Nachweis zu erbringen, daß die mit einer polizeilichen Vernehmung verbundenen Vermutungen in seinem konkreten Fall nicht zutreffen. Dabei ist es zunächst völlig zweitrangig, ob der Vernommene überhaupt einer Straftat verdächtigt wurde, ob er einer Routinekontrolle oder bloßen »Befragung« unterzogen wurde, oder aber, ob ihm eine bestimmte Straftat tatsächlich nachgewiesen werden konnte; es ist die Vernehmung als solche, die die Gefahr mit sich bringt, daß dem Vernommenen - bei Bekanntwerden - das Stigma des »Verdächtigen« oder gar des »Kriminellen« angeheftet wird. Daß eine derartige Stigmatisierung auch schon vor der eigentlichen Vernehmung einsetzen kann, nämlich »durch Befragen von Angehörigen, Hausgenossen, Nachbarn, Vorgesetzten, Arbeitskameraden usw.« (Nivera 1968, S. 65) zeigen entsprechende Hinweise aus der Polizeiliteratur.

  2. Gelingt es der Polizei, einen Beschuldigten während der Vernehmung zu »überführen« oder zu einem Geständnis zu bewegen, steht dessen öffentliche Identität als »Krimineller« kaum noch in Zweifel. Es hängt somit vom handwerklichen Geschick des Polizeibeamten, von seinen Vernehmungsmethoden und von der »(Un-) Geschicklichkeit« des Beschuldigten ab, ob die öffentliche Zuschreibung des »Kriminellen-Status« gelingt oder nicht. Die Tatsache, daß viele Straftaten - auch solche, die bereits über Jahre zurückliegen und deren Aufklärung bereits »aufgegeben« wurde - häufig »mehr zufällig« durch eine einzige Vernehmung geklärt werden können, zeigt sehr deutlich, wie sehr das Stigma des »Kriminellen« vom polizeilichen Erfolg während einer Vernehmung abhängt[11].

  3. Kaum weniger bedeutsam für die Verteilung der Kriminalität ist die Tatsache, daß die Polizei häufig erst durch Vernehmungen auf bestimmte Personen aufmerksam wird, die als Straftäter oder als »Mittäter« des von der Polizei Vernommenen infrage kommen. So ist es für die Polizei keine Seltenheit, daß sich vor allem Jugendliche »reihenweise gegenseitig hereinreißen« und damit den Vernehmungserfolg der Polizei um ein beachtliches Maß multiplizieren.



[4] Den Begriff der Zwangskommunikation entlehnen wir den Arbeiten von F. Schütze (1975), der die besondere Struktur derartiger Interaktionen unter allgemeineren Gesichtspunkten darstellt. Ein erster Versuch, die polizeiliche Vernehmung unter zwangskommunikativen Perspektiven zu analysieren, findet sich bei MalinowskilBrusten (1975).

[5] Zur allgemeinen Diskussion über Prozesse der Stigmatisierung und deren Folgen siehe den Beitrag von J. Hohmeier im 1. Teil dieses Sammelbandes. Vgl. ebenfalls DinitzIDynesICIarke (1969, S. 18 f.).

[6] Verschiedene Informationen kann die Polizei in NRW inzwischen sogar über elektronische Datenstationen erfragen, die mit dem Landeskriminalamt in Düsseldorf verbunden sind. Ergebnis einer derartigen Anfrage: a) ob und wo eine bestimmte Person bereits eine kriminalpolizeiliche Personenakte hat, also schon »aufgefallen« ist, und b) ob und wo die Person bereits polizeilich gesucht wird; durch eine solche Anfrage können überprüft werden: Tatverdächtigte, Geschädigte und auch Zeugen.

[7] Polizeibeamter: »Diese Typen, die immer wieder auffallen, muß man erfassen. Man muß doch wissen, was der vorher getan hat, wie er sich der Polizei gegenüber verhalten hat, sonst verliert man doch das Ganze aus der Kontrolle.«

[8] Die Polizei unterscheidet hier zwischen der »kriminalpolizeilichen Personenakte«, die bei der Polizei selbst verbleibt und nur für den internen Gebrauch bestimmt ist, und der »Ermittlungsakte«, die zunächst zur Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls von dort zum Gericht geht. Doch die Polizei vergibt nicht nur Informationen, sie erhält auch Informationen (z.B. Strafmittellungen vorn Gericht), die zur Typisierung und Behandlung eines Beschuldigten von großer Wichtigkeit sein können.

[9] Vgl. Runderlaß des Innenministers v. 17. 4. 1962, S. 835; sowie Meinert (1956, S. 2o6 f.). Aufschlußreich sind auch die Bemerkungen von Arntzen: »Starke Hemmungen empfinden Schulkinder, wenn sie in Anwesenheit ihrer Lehrer aussagen müssen, wie es allerdings nur noch sehr selten geschiebt.« Auch scheinen sich Eltern gegen das Einholen von »Schulauskünften« zu wehren (»Was braucht die Schule zu wissen, daß unser Kind in so etwas verwickelt ist?«). »Wegen dieser Einstellung der Eltern verzichtet man heute auch wohl allgemein darauf, die Kinder in der Schule zu vernehmen« (Arntzen 1970, S. 13). Manchmal sind die Beamten der WKP auch daran interessiert, daß Lehrer »polizeiauffällig gewordene« Jugendliche in Zukunft beobachten, dodi »bei allen Lehrern kann man das nicht; einige machen sonst eine Staatsaktion daraus; in jedem Fall muß man hier Fingerspitzengefühl haben.«

[10] Vgl. Runderlaß des Innenministers vom 17. 4. 62, S. 836.

[11] Vgl. Nivera (1968, S. 68) sowie die Ausführungen von Bauer (1970, S. 330) zur » abtastenden Vernehmung«.

2. Strategien, Taktiken und Techniken der polizeilichen Vernehmung

Aufgrund mangelnder Informationen und der Unzugänglichkeit dieses entscheidenden »Selektionsfilters« der Strafverfolgung beherrschen diffuse Vorstellungen auf der Grundlage von Zeitungsmeldungen, Vermutungen und Gerüchten im allgemeinen das Bild der breiten Öffentlichkeit von der polizeilichen Vernehmung. Selbst Vertreter anderer Kontrollinstanzen - wie z.B. Sozialarbeiter und Richter - haben nur sehr geringe Detailkenntnisse. Bekannt sind allenfalls die rechtlichen Vorschriften. Eine deskriptive Analyse der polizeilichen Vernehmung, die eine objektnahe theoretische Analyse ermöglichen würde, fehlt bislang völlig. Die nachfolgenden Ausführungen verstehen sich als ein erster Versuch in dieser Richtung. Sie sind zwangsläufig unvollkommen, solange systematisdie Beobachtungen von Vernehmungssituationen nicht vorliegen und nicht möglich sind. Dabei vermitteln Beschreibung und Analyse der polizeilichen Vernehmungsmethoden ganz wesentliche Einblicke in tagtäglich ablaufende Prozesse der Kriminalisierung und Produktion gesellschaftlicher Randgruppen. Informelle Handlungsalternativen, Ermessensspielräume und die »Definitionsmacht« der Polizei treten an dieser Schaltstelle offizieller Strafverfolgung besonders deutlich in Erscheinung. Ein umfassendes Repertoire von Vernehmungsstrategien, -taktiken und -techniken, überlegene Rechtskenntnisse und festinternallsierte Alltagstheorien zur Begründung und Legitimation des eigenen Handelns sichern den Polizeibeamten in der Vernehmung einen klaren Vorsprung an Handlungskompetenz gegenüber denjenigen, die in erster Linie in die Netze ihrer Strafverfolgung geraten. Es sind vor allem »Ersttäter«, »Jugendliche«, »Unbeholfene«, »Rechtsunkundige« und »sozial Schwächere«, gegenüber denen die Praxis der polizeilichen Vernehmung erfolgreich eingesetzt werden kann.

Fragt man Polizeibeamte danach, welche Vorstellungen sie selbst mit einer Vernehmung verbinden, dann reichen die zur Beschreibung verwendeten Metaphern von »Wahrheitsfindung« und »Schachspiel« über den »sportlichen Zweikampf« bis hin zur »Jagd nach dem Täter« und der »Erstürmung einer Festung«. Zwar wird - laut Strafprozeßordnung (§ 136 StPO) - als Zweck der Vernehmung in erster Linie das »Recht des Beschuldigten auf Verteidigung« genannt und nicht seine »Pflicht zur Aussage«, doch setzt die Praxis häufig andere Maßstäbe und Prioritäten. So ist in den Alltagsdefinitionen der Polizeibeamten häufig von »Hetzjagd« (Meinert 1956, S. 18o) die Rede, vom Rechtsbrecher, der »zur Strecke gebracht« werden müsse, vom »Generalangriff zur Kapitulation des Täters« (Kleinschmidt 1973, S. 158), vom »Zusammenbruch seiner Verteidigungsstellung«, von einer Bresche, die in »die Front zu schlagen« sei (Meinert 1956, S. 179) und von »langer, die geistige Widerstandskraft des Vernommenen zermürbender Vernehmung« (Nivera 1968, S. 67). Zwar behaupten Polizisten immer noch, daß es für sie einen ebenso großen Erfolg bedeutet, Verdächtigte zu entlasten wie sie zu überführen, tatsächlich übernehmen sie aber in aller Regel die Rolle des »Jägers«. Dieser Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit ist kritischen Kriminalbeamten durchaus bewußt: »Man klammert sich hier an ein Ideal; doch dieses Ideal trifft einfach nicht zu; es ist im Grunde auch völlig unrealistisch.« Unrealistisch ist auch die Annahme, daß die polizeiliche Vernehmung im wesentlichen durch Rechtsnormen bestimmt würde. Wenn auch kein Zweifel daran besteht, daß der Handlungsspielraum der Polizei durch zahlreiche Gesetze und Vorschriften erheblich eingegrenzt wird, so haben sich doch aus der täglichen Vernehmungspraxis eine ganze Reihe von Methoden herausgebildet, die der Polizei den Vernehmungserfolg hinsichtlich institutionell vorgegebener Ziele von vorneherein weitgehend sichern und insofern die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136a StPO) unnötig und überflüssig machen[12].

2. 1. Vorbereitung der Vernehmung

Für die Polizei hängt der Erfolg einer Vernehmung u.a. von ihren Informationen ab; sie ist daher sehr darum bemüht, zunächst ihren Kenntnisstand zu überprüfen und zu verbessern. Die Ermittlungen der Polizei erstrecken sich hierbei jedoch nicht nur auf objektiv feststellbare Tatbestandsmerkmale, sondern auch auf Personen, die als mögliche Straftäter in Frage kommen, in vielen Fällen also auf die Konkretisierung eines Tatverdachtes. Aber auch dann, wenn die vorliegenden Verdachtsmomente für eine »verantwortliche Vernehmung« ausreichen, ist der Kriminalbeamte daran interessiert, schon vor der Vernehmung möglichst viele Informationen über den Verdächtigten zu erhalten, um sich auf diese Weise von vorneherein einen gewissen Vorsprung gegenüber dem zu Vernehmenden zu sichern (vgl. Meixner 1954, S. 106). Seine wichtigsten Informationsquellen sind polizeiinterne Akten, informelle Gespräche mit Verdächtigten und Ergebnisse von Zeugenaussagen.

Auswertung polizeieigener Akten: Zur Vorbereitung einer Vernehmung gehört zunächst ein Blick in die polizeieigenen Akten (vgl. Walder 1965, S. 110 f.). Da solche jedoch meist nur über Personen vorliegen, die - laut Polizeljargon - »schon einmal in Erscheinung getreten« sind, setzt bereits an dieser Stelle eine Differenzierung der Vernehmungschancen zu Lasten der »bereits Aufgefallenen« ein. Die polizeieigenen Informationsquellen enthalten biographisdie Angaben über die Person des Verdächtigten, Hinweise über früher begangene Delikte, über Vorstrafen, über Arbeitsplatz- und Wohnungswechsel, über Familienverhältnisse, Lebensstil und Bekanntenkreis, Schilderungen seines Verhaltens bei vorangegangenen »Polizeikontakten«, Informationen darüber, »welchen Vorhalten gegenüber er zugänglich war und welche keinen Eindruck auf ihn machten« (Bauer 1970, S. 302), ungeklärt gebliebene Verdachtsmomente aus »früheren Tagen« sowie polizeiliche Einschätzungen der Persönlichkeit des Beschuldigten; aber auch andere »brauchbare« Dokumente wie z.B. »Anzeige wegen eines Verkehrsdeliktes, aus deren Inhalt direkt oder zwischen den Zeilen eine besondere Rücksichtslosigkeit, ein Hang zum Alkohol oder zur Weiblichkeit zu entnehmen ist« (Mezxner 1954, S. 105). Solche Vorinformationen prägen das Bild, das der Vernehmungsbeamte vom Tatverdächtigten erhält; sie bieten ihm wichtige Anhaltspunkte, um erst einmal mit ihm ins Gespräch zu kommen oder aber, um bestimmte Aussagen von vorneherein auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen zu können. »Alle diese Sach- und Personenkenntnisse können schließlich mit dazu beitragen, daß Tatverdächtige von vorneherein erst gar nicht versuchen, ihre Täterschaft zu leugnen, weil sie sehen, daß die Polizei bereits bestens über sie informiert ist.«

Informelle Befragungen zur Klärung vager Verdachtsmomente: Da eine »verantwortliche Vernehmung« nur bei »hinreidiendem Verdacht« erlaubt ist, besteht die Arbeit der Polizei vielfach zunächst darin, vage Verdachtsmomente auszuräumen oder aber zu erhärten. Dazu können »in Verdacht stehende Personen« unangekündigt aufgesucht und in eine informelle Befragung verwickelt werden. Oft steht zunächst nicht einmal fest, ob die ersten Auskunftspersonen überhaupt als Beschuldigte in Betracht kommen (vgl. Bauer 1970, S. 32o). Der funktionale Stellenwert dieser Vorgehensweise für den Erfolg der polizeilichen Ermittlungstätigkeit ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

  1. Die Polizei ist bei solchen »Befragungen« - im Gegensatz zur Vernehmung - nicht verpflichtet, den Gesprächspartner von vorneherein über die Möglichkeit der Aussageverweigerung zu belehren, sondern erst, wenn der Befragte sich bereits selbst zu belasten droht, womit jedoch zugleich der eigentliche Zweck des Gespräches bereits erreicht ist[13].

  2. Der Befragte selbst kommt bei derartigen »Gesprächen« meist gar nicht erst auf den Gedanken, die Auskunft zu verweigern; er wird gegebenenfalls sogar versuchen, durch eine scheinbare Auskunftsbereitschaft den möglicherweise auf ihn gefallenen Verdacht abzulenken. Doch auch in einem solchen Fall kann die »informelle Vernehmung« der Polizei bereits wertvolle Hinweise und Anknüpfungspunkte für eine spätere »verantwortliche Vernehmung« bieten.

Ähnliches gilt für Befragungen von Personen, die selbst nicht als mögliche Täter in Betracht kommen. Hierbei stehen häufig relativ belanglos erscheinende Fragen im Vordergrund; etwa: ob man die Personen A oder B kenne, wann man diese zuletzt gesehen habe oder ob man mit diesen vielleicht zufällig am Tage X zusammengewesen sei. Wie immer das Gespräch verläuft, der Befragte kann auch hier sehr schnell in eine für ihn äußerst peinliche Situation geraten: verweigert er die Antwort, so sieht sich die Polizei in der Verfolgung ihrer Verdachtsspur bestätigt; macht er unwahre Angaben, so wird die Polizei ihn sehr schnell in ein Netz voller Widersprüche verstricken; versucht er Fragen über verdächtigte Personen auszuweichen, läuft er bereits Gefahr, sich selbst einer »Begünstigung« strafbar zu machen (§ 257 StGB).

Zeugenschaflliche Vernehmungen: Reichen informelle Gespräche zur Beschaffung der benötigten Informationen nicht aus, kann die Polizei eine »zeugenschaftliche Vernehmung« durchführen. Zwar ist auch der Zeuge nicht verpflichtet, vor der Polizei auszusagen; weigert er sich jedoch, so kann seine richterliche Vernehmung veranlaßt werden. Der Polizeibeamte kann ihn daher auch daräuf hinweisen, daß er vor einem Richter auf jeden Fall aussagen müsse (Bauer 1970, S. 327), um seine Gesprächsbereitschaft vor der Polizei zu erhöhen. Eine solche zeugenschaftliche Vernehmung wird die Polizei vor allem dann ansetzen, wenn ihr Tatverdacht einerseits nicht ausreicht, um den Verdächtigten einer »verantwortlichen Vernehmung« zuzuführen, sie andererseits jedoch fest davon überzeugt ist, daß der Verdächtigte etwas mit dem zur Ermittlung anstehenden Fall zu tun hat. Da ein Zeuge zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet ist - es sei denn, seine Aussagen würden ihn selbst oder nahe Verwandte strafrechtlich belasten - sieht sich ein als Zeuge vernommener Straftäter unvermittelt in einer fatalen Lage: stockt er bei der Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen oder beruft er sich auf sein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht (§§ 52 und 54 StGB), dann trägt er dadurch selbst zur Erhärtung des polizeilichen Tatverdachts bei. Kaum weniger bedrohlich ist die Gefahr, sich den Vorwurf der »Begünstigung« oder der strafverfolgungserschwerenden »Täuschung« der Polizei zuzuziehen[14].

»Kontaktgespräche« unmittelbar vor der Vernehmung: Wichtige Vorinformationen erbringen auch »zufällige Kontaktgespräche« unmittelbar vor der Vernehmung, im Fahrstuhl, auf dem Weg zum Vernehmungsraum oder unmittelbar bei der Verhaftung. Dabei sind diese »Kontakte« keineswegs immer so zufällig und belanglos, wie sie dem naiven Beschuldigten zunächst erscheinen mögen. Vielmehr ist es auch hier das Ziel des Kriminalbeamten, den Beschuldigten schon vor der eigentlichen Vernehmung »informell« und »unauffällig« zu Aussagen zu veranlassen, die hinterher entscheidende »Aufhänger« für weitere Fragen sein können. Daß diese »zufälligen« Kontaktgesprädie bei Bedarf sogar ganz bewußt mit in den Vernehmungsplan einbezogen werden, »damit wir uns besser auf unser Gegenüber einstellen können«, zeigt sehr deutlich, für wie wichtig die hier zu ermittelnden Informationen eingeschätzt werden, »um überhaupt erst einmal festzustellen, was mit >ihm< los ist«, oder »um den Sachverhalt gegebenenfalls bereits vor der Vernehmung informell abzuklären «.

2.2. Strukturelle Merkmale der Vernehmungssituation

Die Polizei ist bemüht, die Vernehmungssituation in einer für sie günstigen Weise vorzustrukturieren. Um dies zu erreichen, werden Vernehmungen - wenn irgend möglich - nur in polizeieigenen Räumen durchgeführt. Aber auch andere Taktiken tragen dazu bei, daß die Polizei »Herr der Situation« bleibt; hierzu gehören: die Vernehmung durch mehrere Beamte, die gleichzeitige Vernehmung von Mittätern, die Schaffung von Ungewißheit über bereits vorliegende Ermittlungsergebnisse, die »ermüdende Vernehmung« und nicht zuletzt die Verwendung bestimmter Anredeformen[15].

Verunsicherung durch bürokratische Umgebung: Zu den feststehenden Regeln polizeilicher Vernehmungspraxis gehört, daß der Beschuldigte in den Räumen der Polizeibehörde vernommen werden soll, »da davon auszugehen ist, daß er sich in einer ihm fremden Umgebung von vorneherein unsicherer fühlen wird.« Daß es sich hierbei nicht um die simple Frage der Arbeitserleichterung handelt, sondern um eine bewußt eingesetzte Taktik der Vernehmung, zeigt die offizielle Verlautbarung einer Schrift des Bundeskriminalamtes: »Ein Beschuldigter sollte möglichst nicht in seiner gewohnten Umgebung vernommen werden, da hier mit seinem moralischen Widerstand zu rechnenist« (BKA 1964, S. 186)[16]. Dem gleichen Zweck dienen überlegungen zur »Sitzordnung«: Der Beschuldigte soll mit dem Gesicht zum Fenster oder zur Lichtquelle Platz nehmen, da diese Blickrichtung bei längeren Gesprächen eine höhere Belastung darstellt und der Vernehmungsbeamte dadurch gleichzeitig eine günstigere Beobachtungsposition erhält (vgl. Bauer 1970, S. 321). Wenig auffällig, doch wirkungsvoll ist auch die Taktik, dem zu Vernehmenden lediglich einen einfachen Stuhl ohne Armlehnen (»an denen er sich festhalten könnte«) anzubieten und diesen womöglich mitten in den Raum zu stellen, wobei der Beamte zu beachten hat, daß eine derartige »Sitzordnung« - je nach Lage des Falles - auch zu psychischen Barrieren auf Seiten des Beschuldigten führen und somit den Vernehmungserfolg der Polizei beeinträchtigen kann (vgl. Walder 1965, S. 113).

»Kreuzverhör« und »Buhmann-Taktik«: Die deutsche Polizei kennt das »Kreuzverhör« als eine besondere Vernehmungstaktik nicht[17];nur dann, wenn die Polizei mit einer gewissen Hartnäckigkeit des Verdächtigten rechnet oder wenn es sich um einen besonders wichtigen Fall handelt, werden zwei und mehrere Beamte für eine Vernehmung eingesetzt, wobei Frageformulierungen, Vorgehensweisen und Rollenverteilung vorher in einem »Vernehmungsplan« festgelegt werden können. Daß jedoch die »Vernehmung zu zweit« auch ohne Kreuzverhörcharakter eine wirkungsvolle Taktik zur Strukturierung der Situation darstellt, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Während die Kriminalbeamten die Möglichkeit haben, sich bei der Befragung abzuwechseln, wird der Beschuldigte einem »Dauerbeschuß« von Fragen und Vorhaltungen ausgesetzt, die seine volle Aufmerksamkeit erfordern und ihn zu ständig neuen Reaktionen herausfordern. Dieser gewaltige Unterschied in der psychischen und physischen Belastung ist den Vernehmungsbeamten durchaus bewußt (»Jeweils einer von uns kann dann wenigstens zwischendurch einmal eine Tasse Kaffee trinken, wenn er sein Pulver verschossen hat«); ebenso klar ist ihnen, daß diese Methode bestens dazu geeignet ist, selbst die Geduld der »polizeierfahrensten« Tatverdächtigten erfolgreich auf die Probe zu stellen (»zum Beispiel dann, wenn sich einer nicht >räuspern< will«), während sich die Beamten selbst relativ problemlos - zumindest kurzfristig - den Anstrengungen der Zwangskommunikation entziehen können. Als recht wirkungsvoll erweist sich auch die »Buhmann-Taktik«, bei der die Vernehmungsbeamten nach einer bestimmten Zeit ausgetauscht werden. Offiziell geschieht dies, wenn der erste Vernehmungsbeamte mit dem Beschuldigten »nicht zurecht kommt« - »Läßt sich der wünschenswerte Kontakt ... nicht herstellen, so gibt der Vernehmende seinen Platz besser einem Kollegen ab, zu dem der Beschuldigte vielleicht eher Vertrauen faßt« (Walder 1965, S. 134) oder »der ihm >mehr liegt<« (Bauer 1970, S. 325). Die Praxis kann jedoch auch wie folgt aussehen: Hält der Kriminalbeamte, der die Vernehmung durchführen soll, den Verdächtigten für einen »harten Gegner«, dann kann er einen Kollegen bitten, die Unterredung »auf die harte und unsympathische Tour« zu beginnen. »Später, wenn die Beiden sich richtig festgebissen haben, löse ich dann meinen Kollegen ab (»Wissen Sie, mit dem haben wir immer Arger!«) und schlage zugleich einen viel ruhigeren und sympathischeren Ton an. Dieser Wechsel wirkt in aller Regel echte Wunder. Er verschafft dem Tatverdächtigen das Gefühl der Erleichterung und fordert damit seine Gesprächsbereitschaft heraus« (Vgl. auch EschenISami 1973, S. 23 f. sowie Zimbardo-Ebbesen 1970, S. 113).

Gleichzeitige Vernehmung von Mitbeschuldigten: Sind mehrere Personen verdächtigt, gemeinsam eine strafbare Handlung begangen zu haben, können diese von der Polizei in verschiedenen Räumen zur gleichen Zeit abwechselnd vernommen werden. Dabei »ergibt die Vernehmung des einen fast immer einige Tatsachen, die der andere bisher verschwiegen hat. Mit diesem Mehr an Wissen kann dann bei dem wieder angesetzt werden, der den betreffenden Teil verschwiegen hat usf.« (Walder 1965, S. 40). Schließlich lassen sich alle Teilinformationen zu einem klaren Gesamtbild zusammensetzen. Die durch diese Taktik hervorgerufene Verunsicherung der Tatverdächtigten führt vor allem dann zu einem Erfolg der Polizei, wenn es den Vernehmungsbeamten gelingt, den Eindruck zu erwecken, als sei die jeweils erfragte Information im Grunde längst bekannt[18]. Gelingt dies, kann der Beamte mit entsprechenden Bemerkungen schließlich durchblicken lassen, daß er die Vernehmung »eigentlich« zum Nachteil des Beschuldigten abbrechen könnte: »Mensch komm, das interessiert mich doch schon alles gar nicht mehr, Wenn Du nicht willst, frage ich eben die anderen weiter. Du mußt ja wissen, was Du tust!« Das bedrückende Gefühl absoluter Ungewißheit und Unterlegenheit soll die Beschuldigten dazu veranlassen, sich durch ein Geständnis Luft zu verschaffen[19]. Bei wem und wie diese Taktik am erfolgreichsten eingesetzt werden kann, ist im allgemeinen klar: »Wenn ganze Banden zur Vernehmung vorgeladen werden, dann sucht man sich am besten zunächst das >schwächste Glied< in der Kette heraus; hat dieser erst einmal >gesungen<, dann geben die anderen ebenfalls sehr bald auf.« »Am besten geht dies noch mit Ersttätern.« »Gerade die Details müssen hierbei beachtet werden; die bieten die besten Möglichkeiten, einzuhaken. Da brauchen auch gar keine besonderen Tricks angewendet werden. Man muß die Leute einfach auflaufen lassen, indem man ihnen gegenseitig Widersprüche in Kleinigkeiten vorhält ... und dann weiter in sie eindringen, bis schließlich ihr Widerstand zusammenbricht.«

Ungewißheit über den tatsächlichen Kenntnisstand der Polizei: Ein ganz wesentliches Strukturmerkmal der Vernehmungssituation besteht für den Verdächtigtert in der Ungewißheit über den tatsächlichen Kenntnisstand der Polizei. So wird den Vernehmungsbeamten offiziell empfohlen, »den Beschuldigten so wenig wie möglich erkennen zu lassen, was und wieviel man schon von der Tat im einzelnen weiß« (BKA 1964, S. ´191; vgl. auch Nivera 1968, S. 66)[20]. Zwar ist der Polizei die bewußte Täuschung des Beschuldigten klar untersagt, nicht jedoch die Überlistung (Meinert 1956, S. 172). Was jedoch im Einzelfall als Täuschung oder Überlistung zu werten ist, das obliegt weitgehend der Definition des vernehmenden Beamten. Eine Verpflichtung, Irrtümer und Mißverständnisse des Beschuldigten aufzuklären und zu beseitigen, besteht jedenfalls nicht: »Manchmal lassen wir ihn dann in dem Glauben, daß wir schon etwas in der Hand haben, auch wenn dies nicht der Fall ist«[21].

Problematischer ist schon die Taktik, einem solchen Irrtum bewußt oder »unbewußt« Vorschub zu leisten. Möglichkeiten dazu gibt es viele: »Ich kann mir zum Beispiel einen Stapel Akten auf den Tisch legen und sagen: >Sehen Sie sich das an - wir waren nicht untätig!< Es ist dann doch nicht meine Aufgabe hinzuzufügen, daß aus unseren Ermittlungen noch nichts wesentliches herausgekommen ist. Vielleicht fällt der drauf rein und gewinnt den Eindruck, daß es auf seine eigenen Aussagen schon gar nicht mehr ankomme. Oder aber er glaubt, daß er schon überführt ist und jedes Leugnen der Tat keinen Zweck mehr hat. Solche Taktiken stehen natürlich in keinem Lehrbuch; das ist eine Sache der Erfahrung und des beruflichen Austausches zwischen den Kollegen.«

Die »ermüdende Vernehmung«: Es zählt zwar zu den verbotenen Vernehmungsmethoden, die Freiheit der Willensentschließung und der Willenskraft des Beschuldigten durch Ermüdung zu beeinträchtigen (§ 136a StPO), doch bleibt es weitgehend der polizeilichen Praxis selbst überlassen, wie diese Rechtsnorm zu interpretieren und anzuwenden ist. So sind Kriminalbeamte durchweg der Ansicht, daß die »ermüdende Vernehmung« selbst keineswegs untersagt sei, sondern nur das »Vernehmen bis zur Erschöpfung der Willenskraft oder die Ausnutzung eines solchen Zustandes«. Ermessensspielraum und Definitionsmacht der Vernehmenden sind also auch in dieser Beziehung relativ weit und ein möglicher Mißbrauch kaum zu prüfen. Lediglich Extremfälle, an denen der Polizei schon aus eigenem Interesse kaum gelegen sein dürfte, sind strafrechtlich zu ahnden. Mit »Ermüdung« ist jedoch nicht nur die Länge einer Vernehmung angesprochen, sondern auch die Tageszeit, zu der sie angesetzt ist. Auch hierüber entscheidet die Erfahrung des Beamten: »Die Widerstandsenergie ist in aller Regel spätnachmittags oder abends bedeutend schwächer. Wenn der Beamte den Vernehmungstermin auf diese Zeit legt, kann er damit rechnen, daß der Beschuldigte stärker erschöpft und ermüdet ist. Die Absicht, diese Situation des Beschuldigten auszunutzen, dürfte ihn dabei später kaum nachzuweisen sein«. Ähnliches gilt für eine Vernehmung mitten in der Nacht. Sie ist grundsätzlich »erlaubt, wenn sie in der Absicht geschieht, dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die Ermittlungen mit der gebotenen Eile zu betreiben«[22]. Das Vorhandensein einer derartigen Absicht dürfte jederzeit zu behaupten, ihr Nicht-Vorhandensein dagegen kaum jemals zu beweisen sein.

»Milieugerechte Atmosphäre" und statusspezifische Anredelormen: Zur Strukturierung der Vernehmungssituation gehören nicht zuletzt spezifische Anredeformen und die Schaffung einer »milleugerechten Vernehmungsatmosphäre«. Während letztere mit dazu beitragen soll, eine geeignete Verständigungsbasis zu finden und »dem Vernommenen den Weg zum Geständnis zu erleichtern«, kommt der Anrede mit »Du« nicht selten die Funktion zu, den Beschuldigten auf diese Weise von vorneherein in die Rolle des Unterlegenen zu drängen, denn: »Der Beschuldigte kann sich ein ähnliches Vorgehen umgekehrt wohl kaum leisten.« Denn: »das bei Dauerkunden übliche >Du< bedeutet ja keineswegs, daß Ermittlungsbeamter und >Kunde< auf einer Stufe stehen« (Bauer 1970, S. 359).

2.3. Kommunikationstaktiken während der Vernehmung

Die kommunikative Struktur der polizeilichen Vernehmung wird durch ihren Zwangscharakter bestimmt: der Ablauf des Gesprächs wird im wesentlichen von der Polizei festgelegt, der Beschuldigte verharrt in der Rolle des »Ermittlungsobjektes«, die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, eine unmittelbare Kontrolle der Kontrolleure ist nicht vorgesehen. Zu den zentralen Fixpunkten der Vernehmungstaktik gehören die formell vorgeschriebene Belehrung des Beschuldigten, die Aufnahme des eigentlichen Gespräches, die Reaktion auf unwahre Aussagen und die Behandlung von Antwortverweigerern.

Pflicht und Taktik der Belehrung: »Bei Beginn der ersten Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen, und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen ... « So die formelle Vorschrift der §§ 136 und 163a StPO. Wie diese Vorschrift jedoch in der Praxis des polizeilichen Alltags zu handhaben ist, ist jedem Praktiker der Polizei klar: »Es kommt sehr auf die Geschicklichkeit des Beamten an. Er muß auf alle Fälle dafür sorgen, daß die Belehrung den Beschuldigten nicht allzu negativ beeinflußt«[23]. Diese »Geschicklichkeit« erweist sich vor allem darin, wie der Kriminalbeamte die Belehrung formuliert, welches Gewicht er ihr verleiht und wie er sie in die Vernehmung einbezieht. Sein Handlungsspielraum bleibt trotz der klaren Bestimmung des § 13 6 StPO relativ groß. »Besonders gut ist es, wenn es gelingt, die Belehrung scheinbar beiläufig und unauffällig in den Beginn des Gesprächs einfließen zu lassen, zum Beispiel mit den Worten: »Im übrigen setze ich voraus, daß Sie wissen, daß ... « Auch in einem solchen Fall kann der Beamte hinterher beschwören, die Vorschrift erfüllt zu haben. Will der Beamte Erfolg haben, dann liegt es doch nahe, daß er nicht sonderlich daran interessiert ist, »seinem Gegenüber auch noch auf die Sprünge zu helfen.« Diese Einstellung zeigt sehr gut, daß sich polizeiliche Geschicklichkeit in erster Linie zuungunsten derjenigen auswirken wird, die eben »nicht wissen, daß ... «

Was hier für die Belehrung allgemein gesagt wurde, gilt auch für ihre Teilpassagen, vor allem für das jedermann zustehende Recht, sich vor einer polizeilichen Vernehmung mit einem Rechtsanwalt in Verbindung zu setzen. Da die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes für den Vernehmungsbeamten meist mit größerem Arbeitsaufwand und geringeren Erfolgschancen verbunden ist, befürchtet er: »Angstlidie Beschuldigte könnten die gesetzlich geregelte Möglichkeit als Aufforderung mißverstehen. Es ist daher statthaft, den Beschuldigten darauf hinzuweisen, daß er vermutlich auch selbst in der Lage ist, den gegen ihn erhobenen Verdacht zu entkräften.« Doch die meisten Fälle sind für den Kriminalbeamten unproblematisch: »Viele denken, daß ein Rechtsanwalt zu teuer ist; andere wissen nicht, daß sie sich schon vor dem Vernehmungstermin mit ihrem Rechtsanwalt in Verbindung setzen können«; wieder andere befürchten: »Wenn ich jetzt von Anwalt rede, nehmen die Bullen sicher an, daß ich schon ein schlechtes Gewissen habe!« Und: »Hat die Vernehmung erst einmal begonnen, dann wird der Beschuldigte meist nicht mehr so schnell übersehen können, ob er nun einen Anwalt nehmen soll oder nicht[24].

Der § 136 StPO schreibt weiter vor, daß dem Beschuldigten vor der Vernehmung mitzuteilen ist, welcher Straftat er beschuldigt wird. Auch hier entscheiden die in der polizeilichen Praxis entwickelten Methoden über die differentiellen Chancen der Verdächtigten. Da der vernehmende Kriminalbeamte nicht an einen bestimmten Wortgebrauch gebunden ist, und gegebenenfalls auch der Sachverhalt selbst noch der Klärung bedarf, sind Definitionsspielraum und Definitionsmacht des Vernehmenden wiederum relativ groß (vgl. Walder 196 5, S. 117 f. und S. 224). Bleibt die Formulierung des Beamten unklar, kann sich der Beschuldigte nicht richtig einordnen. Genau diese »richtige Einordnung« aber ist die Voraussetzung für die Entscheidung, ob er sich sofort zur Aussage bereit erklären oder sich dodi besser vorher mit einem Anwalt besprechen sollte. Das wissen audi Polizeibeamte, denn: »Hinterher ist es dann meist zu spät.« Auch diese Überlegung zeigt also, daß rechtsunkundige und im Umgang mit der Polizei unerfahrene Personen sehr viel eher zu einem »Erfolg« der Polizei beitragen als polizeierfahrene und solche, die sich in der Handhabung des Rechtssystems auskennen.

Sollte der Beschuldigte - trotz aller »Belehrungs-Taktik« - dennoch damit beginnen, seine Aussagebereitschaft zu überdenken, kann der Polizeibeamte auf einen »Sicherheits-Katalog« von Argumenten zurückgreifen, die dazu dienen, »unschlüssige« Beschuldigte vom deutlichen Vorteil einer freimütigen Aussage zu überzeugen; wie etwa: »Wenn Du hier auspackst, wird die Verdunklungsgefahr hinfällig (§ 112 StPO), und außerdem macht das sicherlich auch einen >positiven Eindruck< auf das Gericht.«

Aufnahme des Vernehmungsgespräches: Der Beginn eines Vernehmungsgespräches ist für den Kriminalbeamten nicht immer leicht, zumal der weitere Verlauf und der Erfolg einer Vernehmung sehr häufig gerade von den ersten Worten und Sätzen abhängen. »Für die Polizei kommt es (daher) zuerst einmal darauf an, menschlichen Kontakt mit dem Tatverdächtigen zu bekommen. Der hat dodi in der Regel den Eindruck, die Bullen, die wollen dir was. Dieses Eis muß erst gebrochen werden. Mit Herz vernehmen, sage ich immer - es geht ja schließlich um den Erfolg.« Gute Anknüpfungspunkte für einen »lockeren Einstieg« bietet die stets vorgeschaltete »Vernehmung zur Person«.[25] Hierzu gehören vor allem Fragen über die persönliche Entwicklung, über die Familie, über Beruf, Freizeitinteressen und Zukunftspläne; leicht anzuschließen ist eine Unterhaltung über die Arbeit des Polizeibeamten oder - bei einem vermeintlichen Hasch-Konsumenten zum Beispiel - »ein lockeres Gespräch über Sinn und Unsinn von Rauschgiften.« Die kriminalistische Bedeutung dieser Taktik ist klar: »Auch ein solches Gespräch bietet wertvolle Anhaltspunkte, die hinterher wieder als Aufhänger dienen können, obwohl sie mit der Tat selbst nicht unmittelbar etwas zu tun haben.« Diese Erkenntnis ist nicht neu; zumindest seit Beginn dieses Jahrhunderts steht sie in den Lehrbüchern: »Es empfiehlt sich, immer zuerst ein >Vorleben< aufzunehmen ... dann läßt man die Zeit unmittelbar vor der Tat eingehend schildern und kommt erst nach und nach auf diese selbst zu sprechen ... Vor allem lernt man (hierbei) den Menschen ... kennen und weiß, wie man ihn zu behandeln hat; dann hat man hierdurch eine Menge von Tatsachen festgestellt, die später nicht mehr zu leugnen sind ... und endlich gewinnt man Anhaltspunkte zu weiteren Forschungen « (Groß 1918, S. 16)[26]. Die »Vernehmung zur Person« ist jedenfalls nicht nur »Formsache« (Walder 1965, S. 122), sondern sie erfüllt den klar erkennbaren taktischen Zweck, bereits vor der »Vernehmung zur Sache« möglichst viel über den Beschuldigten zu erfahren. Doch interessieren den Vernehmungsbeamten nicht nur inhaltlich »brauchbare« Informationen, er will auch wissen, wie er den Beschuldigten »angehen« kann. »Hierbei muß man selbst Bestimmtheit durchblicken lassen und die schwachen Punkte des anderen herausfinden; jeder hat irgendwo einen weichen Punkt. Darüber muß man nur erst einmal in ein persönliches Gespräch kommen ... Das erfordert Einfühlungsvermögen. Der Funke muß überspringen. Das beste ist, wenn der Tatverdächtige schon von sich aus sagt: >Bei Ihnen will ich wohl aussagen!<« »Wenn man allerdings nach zwei bis drei Anläufen nicht den Weg gefunden hat, an den Mann heranzukommen, dann sollte man aufgeben, die Sache vertagen oder den Fall an einen Kollegen abgeben.« - »Wenn jemand nicht reden will, kann man auf die Fragen zur Person beharren. In der Regel hält bei dieser Behandlung keiner sein Schweigen lange durch. Viele kommen dann ganz von selbst auf die Dinge, die einen interessieren.«

Lügen und Lügen lassen: Ein besonderes Problem der Vernehmung besteht darin, daß Beschuldigte häufig die Unwahrheit sagen, um sich oder Mittäter vor der Strafverfolgung zu schützen. Dem Thema »Lügen« wird daher in allen Lehrbüchern und Darlegungen von Kriminalbeamten große Aufmerksamkeit geschenkt[27]. Dabei geht es einerseits darum, wie »unwahre« Aussagen möglichst rasch erkannt werden können, andererseits um die Frage, wie der Vernehmungsbeamte auf die ihm aufgetischten »Lügengeschichten« reagieren soll.

Da erfolgreich eingebrachte »Lügen« die Vernehmung und damit die Ermittlungen der Polizei erheblich beeinträchtigen können, muß die Polizei verhindern, daß sie unwahren Aussagen »auf den Leim« geht. Wenig Schwierigkeiten ergeben sich, wenn bereits gesicherte Informationen vorliegen und die Aussagen des Beschuldigten hiervon abweichen. Anders liegt der Fall jedoch, wenn unwahre Aussagen nicht auf der Grundlage »harter« Tatsachen als Lügen entlarvt werden können. Doch lassen Praxiserfahrung und Alltagsroutinen den Kriminalbeamten auch hier selten im Stich: Lügen lassen sich oft bereits an bestimmten Indizien erkennen.

Lügenindiz 1: Sehr detaillierte Angaben des Vernommenen, die er in der Aufregung oder nach Sachlage des Falles überhaupt nicht hat wahrnehmen können (häufig bei vorgetäuschten Delikten).

Lügenindiz 2: jemand gibt vor, sich bei strafrechtlich wichtigen Fragen nicht mehr genau erinnern zu können (»versucht, sich auf Erinnerungslücken herauszureden«), bei weniger relevanten Details zeigt er dagegen keine »Gedächtnisstörung«.

Lügenindiz 3: Überraschende Übereinstimmung in den Aussagen mehrerer Beschuldigter zu strafrechtlich wichtigen Fragen (»weil hier vorher Absprachen getroffen wurden«), dagegen bemerkenswerte Widersprüche in den Details und zu strafrechtlich unwichtig erscheinenden Fragen.

Was die Reaktion des Vernehmungsbeamten anbetrifft, so zeigt die Praxis sicherlich vielfältige Schattierungen, die offizielle Regel lautet jedoch: »je mehr der zu Vernehmende erzählt und schwindelt, desto eher wird er sich in seinem Lügengewirr verstricken und dadurch selbst zu seiner Entlarvung beitragen« (BKA 1964, S. 187, vgl. auch Walder 1965, S. 125). Dieser Satz ist jedoch keineswegs nur als eine abstrakte Feststellung zu verstehen; er impliziert vielmehr die deutliche - wenn auch unausgesprochene - Handlungsanweisung, den Beschuldigten sich in ein Lügengewirr verstricken zu lassen. Dieser taktische Hinweis wird weitgehend befolgt: »Natürlich schreibe ich auch alle Lügen auf; immer voll rein in den Bericht ... Wenn ich abbrechen würde, dann habe ich ja hinterher nichts in der Hand. Später frage ich dann, ob wir das alles wirklich so stehen lassen sollen: >Das sieht bestimmt nicht gut für Dich aus. Ich glaub', es ist besser, Du sagst lieber nichts, bevor Du mir hier die großen Märchen erzählst<.« Der Beschuldigte ist »ertappt«; für Ausreden ist es längst zu spät; der psychologische Zwang, nun doch die Wahrheit zu sagen, hat zugenommen. Genau dies aber ist das Ziel dieser Taktik. »Bei gewandten Beschuldigten ist es immer besser, wenn sich der Beschuldigte ausweglos in die Lüge verstrickt. Zeiht man ihn zu früh der Lüge, so kann er vielleicht ein >Mißverständnis< vorgeben und sich elegant korrigieren. Der Vernehmende ist nicht gehalten, ein solches >Sich-in-die-Lüge-Verstricken< zu unterbrechen« (Walder 1965, S. 40). » ... denn je mehr gelogen wird, umso mehr Angriffspunkte werden sich dem Untersuchungsführer bieten« (Kleinschmidt 1953, S.158)[28].

Vor allem Lügen sind es, die dem Kriminalbeamten in der unmittelbaren Interaktion der Vernehmung eine Überlegenheit verschaffen, die für seinen Erfolg ausschlaggebend sein kann: »Auf offenbar lügenhafte Antworten des Beschuldigten kann der Vernehmende schweigen, den Lügner einfach anblicken und warten. Nicht wenige ertragen das nicht und korrigieren ihre Antworten nach und nach« (Walder 1965, S. 138). »Die Sekunden dehnen sich zu Minuten, und es gehört auf der Seite des Beschuldigten meist ein erhebliches Maß Nervenkraft dazu, ein solches Schweigen zu parieren« (Meinert 1956, S. 144).

So gut die Taktik des Lügenlassens in der Regel auch funktioniert, sie beschwört zugleich die Gefahr herauf, daß sich ein Beschuldigter »festlügt« und damit den Erfolg der Vernehmung gefährdet. Die Taktik des »Sich-fest-lügen-lassens« ist daher unter Kriminalpraktikern durchaus umstritten. »Ich schreibe alles auf, obwohl ich weiß oder zu 90 Prozent das Gefühl habe, daß der Beschuldigte lügt. Ich lasse ihn sich >festlügen<. Streitet er weiter ab, dann führe ich im klar vor Augen: >Mann, wenn Sie so weitermachen, laufen Sie ins offene Messer<. Zweierlei Reaktionen sind nun denkbar: Wenn ich Glück habe, sagte er sich: >Donnerwetter, es hat offenbar keinen Zweck mehr zu leugnen<; wenn ich Pech habe, lügt er sich total fest, schämt sich, bekommt Angst, hat nicht mehr den Mut, nun etwas anderes zu sagen, als er bisher behauptet hat. Das ist dann natürlich ein Problem; da muß man ihm wieder gut zureden« (Vgl. auch Meinert 1956, S. 141).

Aussageverweigerungen: Zwar muß der Beschuldigte zu Beginn der Vernehmung darüber belehrt werden, daß ihm das Recht zusteht, eine Aussage zur Sache zu verweigern, doch ist dies meist zugleich auch seine letzte Chance; denn nur dann, wenn der Beschuldigte von vorneherein die Aussage verweigert, dürfen daraus für ihn keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden, weder bei der Beweiswürdigung vor Gericht, noch bei der Polizei[29]. Anders ist es, wenn er während der Vernehmung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen möchte; nachteilige Schlußfolgerungen und Vorhaltungen seitens der Polizei sind nun erlaubt: »Das spricht doch nur für Dein schlechtes Gewissen; zu einigen Punkten machst Du Aussagen - und jetzt auf einmal nicht mehr!«

Das Prinzip ist denkbar einfach. Die Polizei ist daran interessiert, daß der Tatverdächtigte sich zuerst einmal überhaupt auf eine Aussage einläßt; ist dies der Fall, hat sie die schwierigste Hürde bereits genommen, der Beschuldigte jedoch zugleich seine besten Chancen vergeben. Wer diese Taktik kennt, kann leichterdings seine »Vernehmungschancen« erhöhen.

Geht man von Schätzungen erfahrener Vernehmungsbeamten aus, dann ist die Erlangung der Aussagebereitschaft in 80 % aller Fälle kein Problem. »Tatsächlich wird ... das Schweigen eines Beschuldigten als so außergewöhnlich empfunden, daß sich der Tatverdacht unwillkürlich verstärkt. Dem Beschuldigten, der dies weiß oder merkt, bleibt kaum etwas anderes übrig, als zu reden« (Walder 1965, S. 124). »Die 20 Prozent aber, die nicht aussagen wollen, sind meist Berufs- und Gewohnheitsverbrecher. Die kennen sich aus mit den Gesetzen; die haben ja auch immer damit zu tun. Oder aber es sind - und das kommt auch vor- echte Gesellschafts- und Polizeifeinde.«

Zu den vernehmungstaktischen Reaktionen auf »Antwortverweigerungen« gehören »Überraschung«, »Ablenkung« und »Provokation«. »Nützlich sind oft ... Vorkehrungen, welche den Beschuldigten überraschen und ihn vielleicht zu unbesonnenen Äußerungen veranlassen« (Walder 1965, S. 140). Zu derartigen »Überraschungen« zählt vor allem die plötzliche Vorlage unbestreitbarer Beweismittel. Aber auch andere Vorhalte werden ihre Wirkung nicht verfehlen: »Manche muß man erst einmal vor die Wand laufen lassen, muß ihnen Fall für Fall und Aussage für Aussage vorhalten - erst dann sehen sie plötzlich, was los ist, und packen aus.« Weniger aufwendig ist die »Ablenkung«: »Äußert sich ein Beschuldigter überhaupt nicht, jedenfalls nicht >zur Sache<, so kann und darf versucht werden, mit ihm ein Gespräch über andere Dinge anzuknüpfen. Ein psychisch Normaler wird schließlich antworten« (Walder 1965, S. 134). Für den zwangskommunikativen Charakter der Vernehmung besonders kennzeichnend ist eine Taktik, bei der der Vernehmungsbeamte den Beschuldigten schließlich dadurch zur Aussage provoziert, daß er zunächst einfach alle Bemerkungen und Beobachtungen scheinbar gelassen aufschreibt: »Nehmen wir an, ein Tatverdächtiger verweigert die Auskunft und beschimpft stattdessen die Polizei: >Ihr Scheiß-Bullen, Euch sag' ich nichts!<. Dann setze ich mich einfach an die Maschine und schreibe alles mit. Das verunsichert mein Gegenüber, und sehr bald kommt es zu folgendem Dialog: >Was schreibst Du denn da?< - >Nichts!< - >Was Du da schreibst, das unterschreibe ich nicht< - >Brauchst Du auch nicht zu unterschreiben< - >Was schreibst Du denn dann, verdammt noch mal?< - >Ich schreibe nur alles auf, was Du sagst. Das reicht in der Regel und wir können sehr bald zur Sache kommen.«

Vor allem bei Antwortverweigerern gilt: »Nur eine ausreichende praktische Erfahrung weist einem den Weg, diese Leute richtig einzuschätzen und sie so zu behandeln, daß ihre Mauer einbricht.«

Die Taktik der »unerbittlichen Gründlichkeit«: Vielfach erprobt und anerkannt, um trotz Lügenhaftigkeit und mangelnder Aussagebereitschaft des Beschuldigten brauchbare Vernehmungsergebnisse zu erhalten, ist die Taktik der »unerbittlichen Gründlichkeit«. Ausdauer, sich wiederholende Fragen und Konzentration auf Nebensächlichkeiten sind die äußeren Kennzeichen. »Durch Zerpflücken in die kleinsten Einzelheiten wird es schließlich gelingen, das Lügengebäude zum Einsturz zu bringen und den Beschuldigten zum Geständnis zu bewegen. Diese Taktik der unerbittlichen Gründlichkeit führt am sichersten zum Erfolg ... « (BKA 1964, S. 191, vgl. auch Bauer 1970, S. 330); vor allem bei schwacher Beweislage und der Suche nach weiteren Belastungspunkten (z.B. Haftgründen). Fragen werden immer wieder erneut gestellt, Antworten in Einzelaspekte zerlegt und auf Differenzen hin geprüft. Schilderungen sollen dem natürlichen Zeitablauf entgegen vorgenommen werden (Walder 1965, S. 136), weil »Rückwärtsbefragen« das Erfinden von »Märchen« erschwert; die Vernehmung selbst wird »breit angelegt« und - wenn es sein muß - über Stunden oder gar Tage hinweg fortgesetzt. Die Zwangskommunikation wird hier zum zermürbenden Dauerstreß für den Verdächtigten bis jeder »Widerstand«, jedes Schweigen und jede Lüge sinnlos erscheinen. »Die Vernehmung ... ist >straff< zu führen, möglichst ohne Pausen zwischen den ... Fragen und Antworten. Der Beschuldigte soll nicht Zeit und Gelegenheit erhalten, Ausreden zu ersinnen« (Walder 1965, S. 137). »Manchmal sagt der Tatverdächtige dann schon allein deshalb die Wahrheit, um endlich Ruhe zu haben.«

2.4. Methoden der Geständnisgewinnung

Ob auch heute das Geständnis noch als die eigentliche »Krone der Ermittlung« anzusehen ist, darüber gehen die Meinungen der Kriminalbeamten auseinander. Daß das Geständnis jedoch nicht nur die Ermittlungsarbeit der Polizei erleichtert, sondern - angeblich - auch das Gewissen des Straftäters, darin besteht weitgehend Übereinstimmung. Alltagstheorien und das Bedürfnis nach Legitimation eigener Tätigkeit bestimmen die polizeiliche Philosophie des Gestehens: »Es ist doch so, daß ein Geständnis nicht etwa der Polizei ... zuliebe gemacht wird, sondern in den weitaus meisten Fällen deswegen, weil der Beschuldigte endlich von dem Druck des Schuldbewußtseins loskommen will« (Hager, o. J., S. 69). »Das Geständnis ist eine innere Befreiung.« »Ein Geständnis ist oft der erste Schritt, um sich wieder fassen zu können. Danach ist die Sache durchgestanden und man kann wieder erleichtert an andere Dinge denken.«

Ob diese Alltagstheorie der Kriminalbeamten stimmt und ob die von ihnen bemühte Erfahrung mit Einzelfällen zu verallgemeinern ist, mag - ohne empirische Untersuchungen - mit Recht bezweifelt werden. Kaum zu bestreiten ist dagegen das Interesse der Polizei: »Wir sind darum bemüht, die Wahrheit zu finden; deshalb suchen wir das Geständnis. Wir wollen wissen, welche Energien in ihm stecken; auch seine Tatmotive interessieren uns, nicht nur das >ja, ich hab's gemacht<.« Auch der Ermittlungsbeamte selbst ist »erst befriedigt, wenn der Täter schließlich die Tat zugibt« (Bauer 1970, S. 3 57).

Hinweise auf rechtliche Konsequenzen: Eine recht wirkungsvolle Methode, um Tatverdächtigte zu einem Geständnis zu bewegen, besteht darin, sie auf die möglichen Konsequenzen ihres Verhaltens aufmerksam zu machen. Zwar verbietet § 136a StPO die »Drohung mit einer nach dem Strafverfahrensrecht unzulässigen Maßnahme« und das »Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils«, doch ist eine Übertretung dieses Gesetzes kaum notwendig, um eine gleichartige Wirkung zu erzielen; zumal die genannten Formulierungen »keineswegs so klar« sind »wie es zunächst den Anschein hat« (Meinert 1956, S.174).

Zu den zentralen Elementen der »juristischen Methode« der Geständnisgewinnung gehören sowohl allgemeine Hinweise wie die, daß ein »Geständnis als erster Schritt zur Sühne angesehen werde«, oder daß »wegen der vorliegenden Verdachtsgründe jedes weitere Leugnen letztlich nur dem Beschuldigten selbst schade«, als auch konkrete Informationen über die Sanktionspraxis der Gerichte wie z.B. die Bemerkung, daß Richter zwar einerseits an einen gewissen Strafrahmen gebunden seien, daß andererseits jedoch auch subjektive Eindrücke des Richters eine ganz entscheidende Rolle dabei spielen könnten, wie das Urteil ausfällt, und daß sich von daher eine »glaubwürdige Darstellung des Falles« oder ein »reumütiges Geständnis« positiv auf die Urteilsbildung auswirken würden. »Man kann dem Beschuldigten auch die Vorteile eines Geständnisses (z.B. Aussicht auf mildere Bestrafung) vorhalten, um ihn zum Geständnis zu bringen« (Nivera 1968, S. 68; vgl. auch Meixner 1954, S. 103). Alle diese Hinweise sollen den Vernommenen mit juristischen Argumenten davon überzeugen, daß er seine Situation durch ein freimütiges Geständnis verbessern kann. Ist der Beschuldigte dennoch nicht von den »Vorteilen« eines Geständnisses zu überzeugen, kann der Vernehmungsbeamte auf die möglichen »Nachteile« einer Geständnisverweigerung hinweisen: »Ein Beschuldigter, der trotz erdrückender Beweise leugnet, läuft Gefahr, daß das Gericht sein Verhalten als mangelnde Einsicht in das Verwerfliche seiner Handlungsweise deutet, und ihn deswegen strenger bestraft als einen anderen, von dessen innerer Einkehr es überzeugt ist«[30].

Wenn auch die »juristische Methode« der Geständnisgewinnung meist aus Hinweisen über die Sanktionspraxis einer »höheren« Instanz besteht, so sind doch auch Anmerkungen über rechtlich mögliche Konsequenzen im Bereich polizeieigener Handlungsspielräume erlaubt, wie etwa - je nach Lage des Falles - die Andeutung, daß »bei Wegfall der Verdunklungsgefahr ein Haftbefehl grundlos würde« oder »bei einem Geständnis eine unmittelbare Entlassung aus dem Polizeigewahrsam durchaus möglich« sei.

Für den Erfolg der hier beschriebenen Geständnis-Gewinnungs-Taktik ist weniger ihre - nach § 13 6a StPO zu beurteilende - rechtliche Legitimität ausschlaggebend als vielmehr ihre psychologische Wirkung auf den Beschuldigten in der zwangskommunikativen Situation der Vernehmung. Zwingt schon die bloße Vorhaltung rechtlich möglicher Konsequenzen den Beschuldigten - fast ohne Ausnahme - in die Rolle des hoffnungslos unterlegenen Interaktionspartners, so sind die Feinheiten dieser Taktik hinsichtlich des Erlaubten und Unerlaubten für den Betroffenen meist überhaupt nicht zu beurteilen. So ist der Polizei z.B. zwar jede »Drohung« verboten, nicht aber die »Warnung im Sinne einer Erläuterung möglicher Konsequenzen«. Daß dieser juristisch definierte Unterschied in der Praxis der polizeilichen Vernehmung im wesentlichen nur eine Frage der Formulierung ist, und vielfach »Schon ein entsprechender Zungenschlag ausreicht, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen«, wird selbst vom Kriminalbeamten nicht geleugnet. So ist der Hinweis »Sie müssen sich darüber im klaren sein, daß Sie unter bestimmten Umständen mit einer Festnahme rechnen können« formaljuristisch durchaus als »Belehrung« zu interpretieren, aus der subjektiven Sicht des juristisch Ungeschulten jedoch ebenso klar als Ankündigung eines drohenden Nachteils, als Einschüchterung oder gar als unmittelbare Bedrohung. Zu derartigen vernehmungstechnischen Feinheiten gehört auch die Unterscheidung zwischen »Belehrung« und »Zusage«. So mag die »Belehrung«: »Wenn Sie ein Geständnis ablegen, ist ihre Entlassung aus Polizeigewahrsam möglich, wenn der Festnahmegrund ausgeräumt ist« beim Vernommenen falsche Hoffnungen wecken, für die Polizei beinhaltet sie jedenfalls keinerlei Verpflichtung.

Ebenso unklar wie verwirrend wirken - der Polizei erlaubte - Bemerkungen wie: »Die Ablegung eines Geständnisses ist nicht die notwendige Voraussetzung einer Verurteilung« und: »Einem Geständnis muß nicht notwendigerweise eine Verurteilung folgen«, oder aber einfache Andeutungen wie die eines verärgerten Kriminalbeamten, der seinem Vernehmungspartner vorhält: »Mann, es ist immer schlecht, den Richter zu verärgern; aber machen Sie nur, was Sie wollen; Sie sind selbst schuld.«

Kaum eine andere Phase der Vernehmung zeigt deutlicher, wie sehr der Erfolg der Polizei von Erfahrung, Definitionsmacht, Handlungsspielraum und juristisch versierter Handlungskompetenz des Vernehmungsbeamten abhängt. Hierzu gehört auch die gleichzeitige Aufklärung weit zurückliegender Straftaten. »Dem Tatverdächtigen muß klar gemacht werden, daß es ganz in seinem Interesse liegt, nun auch weitere Straftaten zu gestehen, da diese dann als >fortgesetzte Handlung< begriffen werden können und eine >Strafzusammenziehung< möglich machen.« Auch hier kann dem »verlockenden Angebot« mit Hinweisen auf die negativen Konsequenzen einer Ablehnung deutlich nachgeholfen werden: »Wenn Du nicht willst, dann schließen wir eben zuerst einmal diesen Fall ab; später werden wir uns dann mit den anderen Dingen beschäftigen, und Du stehst erneut vor Gericht.« So offensichtlich der »Strafvorteil« des Vernommenen bei Annahme des »Angebotes« auch ist, so deutlich ist auch der Erfolgsvorteil und das damit verknüpfte Interesse der Polizei: Einsparung von Ermittlungskapazität bei gleichzeitiger Erhöhung der Aufklärungsquoten.

»Energisches Zureden« und »Einwirkung auf das Gemüt«: Der Kriminalbeamte kann auch versuchen, den Beschuldigten durch »energisches Zureden« oder durch »Einwirkungen auf sein Gemüt« zu einem Geständnis zu bewegen. Hierzu gehört zunächst die energische Aufforderung, die Straftat endlich zu gestehen: »Mann, gib Dir doch mal `nen Stoß! Willst Du denn nun auspacken oder nicht?« Oder: »Mensch Junge, reiß Dich doch mal am Riemen! Das kannst Du uns doch nicht >verkaufen<. Also wie war das?« Oder: »Sieh doch endlich ein, daß Du Scheiße gebaut hast, und steh' auch gerade dafür!« Liegen bereits Ermittlungsergebnisse vor, kann der Vernehmungsbeamte sein »energisches Zureden« vor allem dadurch unterstreichen, daß er dem Beschuldigten einige Tatsachen »auf den Kopf zusagt und damit die Flucht nach vorn antritt«, um ihn zu der Überzeugung zu bringen, daß jede weitere Geständnisverweigerung sinnlos ist. Der Beschuldigte sieht dann ein, »daß es keinen Zweck mehr hat und sagt sich, rette, was Du kannst, sichere Dir das Wohlwollen des Beamten, der Richter und des Geschädigten« (Lehrmanuskript, S. 48). Bei dringendem Verdacht und bei Hartnäckigkeit des Beschuldigten wird eine psychologisch besonders verunsichernde Variante dieser Methode empfohlen; dabei muß der Kriminalbeamte seine Sätze einerseits unbestimmt genug formulieren, um der Polizei den Vorwurf der Täuschung zu ersparen, andererseits aber auch dem Beschuldigten klipp und klar zu verstehen geben, daß nun doch wirklich »alles dafür spreche, daß er der Täter sei« (Vgl. Walder 1965, S. 138). Dennoch räumen Polizeibeamte ein, daß die Methode des »energischen Zuredens« bei »Polizeierfahrenen« wenig Erfolg hat: »Dies geht meist nur bei kleinen Ganoven; die anderen würden einen dabei nur auslachen«. Den besten Erfolg erzielt die Polizei mit dieser Taktik noch bei Kindern und Jugendlichen. Persönlicher Kontakt und die Schaffung eines »Vertrauensverhältnisses« sind hier besonders wichtig: »Bei einigen muß man von der mütterlichen Seite kommen; bei anderen verhält man sich besser kumpelhaft. Man braucht Einfühlungsvermögen, um zu wissen, wie man sie anfassen kann. Mit manchem muß man auch erst einmal >deutsch reden<, damit er überhaupt merkt, was los ist; bei anderen steht man selbst dann noch vor einer hölzernen Wand« (vgl. auch BKA 1964, S. 191).

Wirkungsvoller als »energisches Zureden« ist häufig der Versuch, einmal - um im Polizeijargon zu bleiben - »auf die moralische Drüse zu drücken«: »Die Erinnerung an die Angehörigen und Hinweise auf die Schande, die er ihnen zugefügt, verfehlen besonders bei Anfängern und Gelegenheitsverbrechern ihre Wirkung nicht« (Wilhelm 1947, S, 83)[31]. Auch ein »gespieltes Mitgefühl« (vgl. Bauer 1970, S. 359) sowie Appelle an Ehre und Eitelkeit, Komplimente hinsichtlich »technischer Fertigkeiten«, der »stattlichen Erscheinung« bei einem Mann und des »einnehmenden Äußeren« bei einer Frau können als Mittel zur Gewinnung von Aussagebereitschaft eingesetzt werden (vgl. Meixner 1954, S 113; Meinert 1956, S. 153 f.). Im Vordergrund dieser Taktik steht auch hier die Suche nach »Schwachstellen« der Persönlichkeit: »Derartige weiche Punkte müssen herausgefühlt werden, und die meisten sind dann hier zu packen. Zu finden sind sie allerdings nur, wenn der Verbrecher Vertrauen gefaßt hat« (Kley/Schneickert 1926, S. 153). Auch heute noch wird dem Kriminalpraktiker empfohlen, auf die Besonderheit des Charakters eines Beschuldigten zu achten, um diese dann geschickt ausnützen zu können: »Eine vorhandene Rede- und Prahlsucht wird man durch scheinbare Zweifel oder durch Widerspruch fördern, um dadurch auch Dinge zur Sprache zu bringen, die der Aussagende sonst verschweigen würde« (Bauer 1970, S. 326).

Vor allem der Zeitpunkt unmittelbar vor dem Geständnis wird häufig zum Prüfstein einer erfolgreichen Einwirkung auf das Gemüt: »Man braucht den Vernommenen (dann) nur mit einem veränderten, nicht mehr amtsmäßigen, sondern wärmeren, persönlicheren Ton zu fragen, wie lange er denn das Spiel noch treiben wolle ... Hier kommt es wirklich einmal darauf an, nicht als Beamter, sondern als Mensch zu sprechen« (Meinert 1956, S. 180)[32]. Dabei erkennt die Polizei durchaus, daß das Eingeständnis einer strafbaren Handlung schwerfallen kann[33]. Dem Vernehmungsbeamten wird daher empfohlen - aus taktischen Gründen - hierauf Rücksicht zu nehmen: »Warum sollen wir dieses Gefühl nicht schonen? ... Wir müssen ... die berühmte goldene Brücke bauen und das Geständnis dem Vernommenen leicht machen« (Meinert 1956, S. 180). Der Vernehmungsbeamte kann dem Beschuldigten gegenüber die Schwere der begangenen Straftat herunterspielen, er kann ihn darauf hinweisen, daß sich tausend andere in einer ähnlichen Situation wie er befinden, daß jeder schon mal einen Fehltritt begeht; er muß vor allem dafür sorgen, daß der Beschuldigte sein Gesicht wahren kann (vgl. ZimbardolEbbesen 1970, S. 112).

Der Hinweis, daß die »menschliche Methode« in bestimmten Fällen vorrangig einzusetzen ist, macht ihren instrumentellen Charakter sehr deutlich: »Zur Einwirkung auf das Gemüt greift man insbesondere dann, wenn die vorhandenen Beweise für sich allein nicht zur Überführung des Verdächtigen ausreichen und sein Geständnis unentbehrlich ist. (Wilhelm 1947, S. 83).

Besonders prekär ist die Gewährung der Raucherlaubnis, die zwar einerseits den leidenschaftlichen Raucher »zu beruhigen und versöhnlich zu stimmen« vermag, andererseits jedoch die Frage aufwirft, »ob diese Beruhigung dem Gang der Vernehmung und der Wahrheitsfindung förderlich ist«. Auch hier steht der Vernehmungsbeamte vor einer primär taktischen Entscheidung; denn: »Gerade die Beruhigung der Nerven kann die geistige Widerstandskraft neu beleben, während das Versagen dieser Erlaubnis einen leidenschaftlichen Raucher zermürben und einem Geständnis zugänglich machen kann« (Meixner 1954, S. 114). Dabei - so Meixner - ist die in der Verweigerung des Rauchens begründete Qual keineswegs aIs Quälerei im Sinne des § 136aStPO aufzufassen, sondern - und darin wird er durch die Ansicht eines von ihm zitierten Staatsanwaltes bestätigt - »nur die Ausnützung der Situation eines Süchtigen«. Auch einzelne »verletzende oder kränkende Worte« sind unter vernehmungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht als Quälerei anzusehen (Bauer 1970, S. 341) - und somit offenbar erlaubt.

2.5. Absicherung der Vernehmungsergebnisse

Nicht selten versuchen Beschuldigte vor Gericht, die Ergebnisse der polizeilichen Vernehmung in Zweifel zu ziehen, Geständnisse zu widerrufen und den Kriminalbeamten die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden vorzuwerfen. Die Polizei hat daher eine Reihe von Handlungsstrategien entwickelt, die sie vor derartigen Beeinträchtigungen ihres Vernehmungserfolges schützen sollen.

Absicherung gegen Formfehler: Da die Polizei gesetzlich verpflichtet ist, den Beschuldigten vor seiner Vernehmung über seine Rechte nach § 136 StPO zu belehren, handelt es sich bei der Unterlassung der Belehrung um einen ganz entscheidenden Formfehler, der dazu führt, daß die Aussagen des Beschuldigten gerichtlich nicht verwertet werden können (Verwertungsverbot). Um sich von vorneherein dem Vorwurf zu entziehen, die Belehrung habe nicht stattgefunden, wird jeder Vernommene gebeten, eigenhändig zu unterschreiben, daß er vorschriftsmäßig »belehrt« worden sei. Obwohl diese Unterschrift wesentlich mit dazu beiträgt, den Vernehmungserfolg der Polizei abzusichern, beschwört die Bitte um Unterschrift die Gefahr herauf, daß der Beschuldigte dadurch - gegen die Interessen der Polizei - noch einmal deutlich auf den Inhalt der Belehrung aufmerksam gemacht wird. Die Erfahrung der Vernehmungsbeamten zeigt jedoch, daß diesem Problem mit einiger »Geschicklichkeit« beizukommen ist und daß die dazu nötige »Sorgfalt« je nach Beschuldigtem recht unterschiedlich sein kann: »Gegenüber demjenigen, dem man zutraut, nicht so sehr auf Draht zu sein, kann man sich hier weniger Sorgfalt leisten; denn meist sehen die ja doch nicht genau nach, was sie unterschreiben.«

Ähnliche Probleme ergeben sich beim eigentlichen Vernehmungsprotokoll. Dem Kriminalbeamten wird geraten, auch hier jedes einzelne Blatt der Niederschrift vom Vernommenen selbst abzeichnen zu lassen, um einer späteren Anfechtung der Echtheit und Vollständigkeit des Protokolls vorzubeugen (Vgl. BKA 1964, S. 189).

Absicherung gegen Widerruf des Geständnisses: Aber auch eigenhändige Unterschriften des Vernommenen schützen die Polizei nicht vor der Möglichkeit, daß ein ihr gegenüber abgelegtes Geständnis der richterlichen Beweiswürdigung unterliegt (Hager, o. J., S. 68). Daher ist der Vernehmungsbeamte sehr daran interessiert, einem Geständnis selbst dann Glaubwürdigkeit zu verschaffen, wenn der Vernommene es hinterher selbst widerruft.

  1. Der Beschuldigte wird veranlaßt zu unterschreiben, daß er den Text des Vernehmungsprotokolls »Wort für Wort gelesen und für richtig befunden« hat; alle Korrekturen soll er selbst handschriftlich einfügen. Diese Praxis soll den Vernehmungsbeamten in erster Linie vor der Behauptung absichern, daß das Geständnis von ihm erpreßt worden sei, oder daß es sich hierbei um ein Mißverständnis gehandelt habe (Hager, o. J., S. 73 ff.).

  2. Der Tatverlauf wird nach Schilderungen des Beschuldigten möglichst detailliert im Protokoll festgehalten. »Bei der Vernehmung genügt es nicht, wenn der Delinquent oder Verdächtige sagt: >Ich bin es gewesen!< Er muß vielmehr beweisen, daß er es gewesen ist.« Die aufmerksame Registrierung selbst belanglos erscheinender Details bietet der Polizei also nicht nur die Möglichkeit, das Geständnis selbst auf seinen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, es macht dieses zugleich auch widerrufssicherer. »Die Protokollierung von Details trägt mit dazu bei, daß hinterher kein Abstreiten mehr möglich ist, da dies alles ja doch nur der Täter wissen konnte«[34].

  3. Der Beschuldigte wird möglichst frühzeitig veranlaßt, andere Tatbeteiligte zu nennen. Versucht er später, seine Aussage oder sein Geständnis zu widerrufen, so läuft er damit zugleich die Gefahr, sich einer neuen Straftat schuldig zu machen, nämlich der wissentlich falschen Anschuldigung (§ 164 StGB).

  4. Die Aussagen des Vernommenen werden noch vor der Gerichtsverhandlung durch polizeiliche Ermittlungen überprüft und durch Sachbeweise »abgesichert«. Muß der Angeklagte vor Gericht mit einer derartigen Möglichkeit rechnen, kann er seine Situation durch den Widerruf seines früher abgelegten Geständnisses nur noch verschlechtern. Gerade dieser Fall zeigt, daß es für den Beschuldigten keineswegs belanglos ist, ob er sein Geständnis bereits vor der Polizei ablegt, die daraufhin »absichernde Ermittlungen« durchführen kann, oder aber erst vor Gericht.

Absicherung gegen den Vorwurf, unerlaubte Vernehmungsmethoden angewandt zu haben: Der Vorwurf, unerlaubte Vernehmungsmethoden (laut § 136a StPO) angewandt zu haben, stellt nicht nur das Vernehmungsergebnis in Frage, sondern die Integrität der Polizei selbst. Gelingt es der Polizei nicht, sich gegen einen derartigen Vorwurf abzusichern, besteht die Möglichkeit, daß die Justiz ihrer Funktion als Kontrollinstanz polizeilichen Handelns nachkommt und die Vernehmungsmethoden der beschuldigten Beamten ihrerseits einer rechtlichen Prüfung unterzieht[35]. Um sich gegen den Vorwurf unrechtmäßigen Handelns zu schützen, ist der Vernehmungsbeamte verpflichtet, »neuralgische Punkte« der Vernehmung durch handschriftliche Erklärungen des Vernommenen vorsorglich zu »entproblematisieren« und wichtige Informationen zum Ablauf der Vernehmung schriftlich im Protokoll festzuhalten. Hierzu heißt es in der offiziellen Verlautbarung des Bundeskriminalamtes: »Beginn und Ende einer längeren Vernehmung sind zu notieren. Um dem Einwand der Übermüdung zu begegnen, sind Unterbrechungen der Vernehmung zu vermerken; desgleichen, ob der Vernommene geraucht, gegessen oder getrunken hat. Bei einer langen Vernehmung ist es zweckmäßig, den zu Vernehmenden protokollarisch erklären zu lassen, daß er der Vernehmung noch folgen kann« (BKA 1964, S. 189). Diese Hinweise werden in der Praxis weitgehend befolgt, denn: »Vor allem dann, wenn Vernehmungen sehr lange dauern oder mitten in der Nacht durchgeführt werden, ist die Gefahr groß, daß der Vernommene hinterher sein Geständnis widerruft mit dem Argument, er sei während der Vernehmung zu müde gewesen, um genau folgen zu können.« Oder aber: »Damit hinterher nicht gesagt werden kann: >Mir war schließlich alles scheiß egal! Ich wollte nur meine Ruhe haben, und da habe ich den Bullen eben gesagt, was die hören wollten!<«



[12] Das erklärt auch den Befund von Wald u.a. (1967), daß Polizeibeamte nur in sehr wenigen Fällen psychische oder physische Gewalt anwenden. Wie groß der tatsächliche Spielraum der Vernehmungspraxis - trotz aller gesetzlichen Regelungen - ist, zeigen nicht zuletzt vereinzelte Fälle, in denen Vernommene sich schließlich selbst einreden, besser wegzukommen, wenn sie die ihnen zur Last gelegten Straftaten gestehen, obwohl sie diese und andere Straftaten nie begangen haben (vgl. Bericht in der Illustrierten »Stern«, Heft 35, 1969«, sowie ZimbardolEbbesen 1970, S. 111). Auch Seelig (1964, S. 29o) nennt einen Fall, bei dem ein Beschuldigter »infolge des immerwährenden Drängens auf ein Geständnis mit dem Hinweis der mildernden Wirkung« schließlich eine Tat gestanden hat, »deren wirklicher Täter ganz zufällig später eruiert werden konnte.« Vgl. in diesem Zusammenhang auch Walders (1965, S. 211 ff.). Schilderungen über Störquellen der Deutung von Schuld- und Lügensymptomen, die den Vernehmungsbeamten zur völlig falschen Einschätzung des Verhaltens des Beschuldigten verleiten können, damit aber einen Prozeß in Gang setzen, aus dem der Beschuldigte nur schwerlich entrinnen kann.

[13] Aussagen von Polizeibeamten: »lch habe mich zunächst einmal zwei Stunden lang mit ihm zu Hause unterhalten. Das alles zählte natürlich nicht als Vernehmung, weil zunächst nur ein vager Verdacht vorlag und er daher nicht sogleich als Beschuldigter vernommen werden konnte.« »Oft habe ich mit dem Jugendlichen bereits am Arbeitsplatz eine halbe bis eine Stunde geredet, weil ich einen entsprechenden Verdacht hatte. Habe ich dann einen von ihnen soweit, daß er ein Geständnis ablegen will, dann müßte ich ihn vor der eigentlichen Vernehmung darauf hinweisen, daß er mir eigentlich nichts zu sagen braucht. So etwas ist doch Käse, ist doch schon vom Erziehungsstandpunkt her unmöglich.«

[14] Vgl. § 257 StGB und Urteil des BayOLG vom 13. 7. 66 - 1a 259/65 - NJW 1966, S. 277; Bauer (1970, S. 327 und S. 329).

[15] Auch wenn sie sich in ihrer inhaltlichen Bedeutung und ihrem Stellenwert für das Vernehmungsgespräch partiell unterscheiden, so haben sich doch in der amerikanischen Polizei-Praxis nach den Untersuchungen von Wald u.a. (1967, S. 1542 ff.) ganz ähnliche Taktiken entwickelt. Die Autoren berichten außerdem, daß Art und Einsatz der Vernehmungstaktiken sich von Beamten zu Beamten unterscheiden. Solche individuell-persönlichen Faktoren der Gestaltung einer Vernehmung werden von uns nicht bestritten; wichtiger für die soziologische Analyse sind jedoch strukturell bedingte Faktoren. Es kommt uns daher weniger auf die Beschreibung tatsächlicher Handlungsvollzüge an als auf die Schilderung prototypischer Handlungsmodelle. Womit jedoch noch nichts über ihre Repräsentativität gesagt werden kann und auch nichts darüber, wie sich Polizeibeamte während der Vernehmung tatsächlich verhalten, solange wir auf die Aussagen relativ weniger Vernehmungsbeamten und die in der polizeilichen Fachliteratur vorzufindenden Schilderungen angewiesen sind.

[16] Vgl. auch Meixner (1954, S. 118); Walder (1965, S. 112); Bauer (1970, S. 321); die gleiche Praxis gilt auch in USA: Zimbardo-Ebbesen (1970, S. 112).

[17] Das »Kreuzverhör«, bei dem ein Beschuldigter von mehreren Polizeibeamten abwechselnd mit Fragen »überschüttet« wird, wird vor allem in angloamerikanischen Staaten als besonders wirkungsvoll angesehen und entspricht auch dem dort geltenden Prozeßrecht (Meinert 1956, S. 185); auch die deutsche Strafprozeßordnung kennt zwar den Begriff »Kreuzverhör« (§ 239 StPO), doch bezieht sich dieser auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen vor Gericht. Die Tatsache, daß die deutsche Polizei keine eigene »Kreuzverhör-Taktik« kennt, bedeutet nach Aussagen von Polizeibeamten nicht, daß es keine Einzelfälle gibt, »in denen beide Beamte schließlich auf den Beschuldigten >einstürzen<, wenn sie sehen, daß dieser kurz vor dem >Reden< steht«.

[18] Vortäuschen von Geständnissen ist der Polizei nach § 136a StPO verboten; sie ist jedoch nicht verpflichtet, einen ihr erkennbaren Irrtum auf seiten des Beschuldigten zu beseitigen.

[19] Die verunsichernde und demoralisierende Wirkung der »gleichzeitigen, aber getrennten Vernehmung« läßt sich mit Hilfe einer Varianten dieser Vernehmungsmethode, bei der die Beschuldigten für kurze Zeit »gegenübergestellt«, aber getrennt befragt werden, erheblich verstärken: »Verstrickungen« des Befragten werden seinen Mitbeschuldigten kaum unberührt lassen. Versuche der Intervention des jeweils »zum Schweigen Verurteilten« oder offen ausbrechende Streitigkeiten zwischen den Beschuldigten geben dem Vernehmungsbeamten neue Anhaltspunkte und Hinweise.

[20] Eine Legitimation dieser »Ungewißheits-Taktik« fällt Polizeipraktikern und juristischen Ratgebern nicht schwer: »Der Beschuldigte vermöchte unter Umständen abzuschätzen, wo die schwachen Stellen einer Beweisführung liegen und geeignete Ausreden ersinnen« (Walder 1965, S. 119).

[21] »Man kann ... einen bestreitenden Beschuldigten, ausgehend von einer Hypothese über den Tathergang, nach Einzelheiten fragen. Ist die Hypothese gut, so gewinnt der Beschuldigte möglicherweise den Eindruck, als wüßte der Vernehmende die Wahrheit schon ... Es stellt sich aber die Frage, ob es nicht als unwürdiger >Bluff< oder gar als verbotene Täuschung zu qualifizieren sei. Allein, der Vernehmende ist nicht verpflichtet, dem Beschuldigten bekannt zu geben, daß er von einer Hypothese ausgehe« (Walder 1965, S. 139); vgl. auch Skolnick (1967, S. 177) sowie Cicourel (1968, S. 116).

[22] Es soll hier nicht bestritten werden, daß es auch sachliche Gründe geben kann, eine Vernehmung mitten in der Nacht durchzuführen; etwa zur Aufklärung eines besonders schweren Verbrechens, oder wenn im Fall einer »vorläufigen Festnahme« (§ 127 StPO) Eile geboten ist. Siehe auch Bauer (1970, S. 342 f.).

[23] Daran, daß eine Belehrung durchgeführt wird, ist auch die Polizei interessiert, da die Aussagen eines Vernommenen, der nicht belehrt wurde, in der Hauptverhandlung nicht verwertet werden dürfen (Verwertungsverbot). Dagegen dürfen alle Aussagen, die einen »selbständigen Beweiswert« haben, auch dann verwertet werden, wenn die Belehrung nicht stattgefunden hat. So ist der Polizei z.B. erlaubt, einen Zeugen zu befragen, der vom Beschuldigten benannt wurde, oder aber die Diebesbeute aus einem Versteck sicherzustellen, von dessen Existenz die Polizei durch die Vernehmung erfahren hat. Theoretisch bestünde damit auch die Möglichkeit, die Belehrung trotz des »Verwertungsverbots« aus taktischen Gründen zu unterlassen. Eine nachweislich vorsätzliche Unterlassung wäre jedoch ein Dienstvergehen.

[24] Die Bedeutung der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes ergibt sich auch aus dessen Recht auf Akteneinsicht bei der Polizei (vgl. Braun 1974, sowie § 147 StPO). Eine Benachteiligung finanzschwacher Beschuldigter zeigt sich auch darin, daß Anwälte nach dem Gerichtskostengesetz für den Rechtsbeistand bei einer polizeilichen Vernehmung keine Kostenerstattung vom Staat erwarten können; sie dürften aus diesem Grunde - bezüglich der polizeilichen Vernehmung - an der Vertretung von Beschuldigten aus unteren sozialen Schichten weniger interessiert sein. Anders als beim Gerichtsprozeß, in dem bei einem Freispruch Kostenerstattung aus der Staatskasse vorgesehen ist (§ 467 StPO), kann der Anwalt sich bei der Vertretung seines Mandanten vor der Polizei auch dann, wenn die Vernehmung zugunsten des Beschuldigten ausgeht, hinsichtlich der Erstattung seiner Auslagen nur an den Beschuldigten selbst halten.

[25] Walder hat hierzu in Anlehnung an A. Lenz (1927) einen Katalog von Fragen zusammengestellt und seine Funktion ausführlich erläutert (Walder 1965, S. 120 ff.).

[26] Vgl. auch Nivera (1968, S. 66 f.) sowie Kley/Schneickert (1926, S. 153).

[27] Besondere Beachtung findet gelegentlich die »Lügenhaftigkeit« der Frau. »Mehr als sonst gilt für die Vernehmung von Frauen das Gemisch von betont ritterlicher Höflichkeit und eiserner Härte. Hier und da muß die Vernommene den stärkeren Willen des Beamten fühlen, sonst verkennt sie meist den Ernst der Lage und verliert sich in uferlose Schwindeleien. Dem weiblichen Charakter liegt die Waffe der Lüge und Verstellung ja weit mehr als dem Mann« (Meinert 1956, S. 178). Ein anderer Polizeiautor schreibt: »Die Auffassung der Frau ... über Recht und Unrecht ist vielfach auch heute noch nicht klar, bestimmte Begriffe, wie Berufs- und Standesehre, Notwendigkeit der öffentlichen Ordnung usw., sind weiblichen Personen verhältnismäßig fremd. Die Hauptwaffe der Frau ist die List . . ., wenn eine weibliche Person erst einmal auf den Weg des Verbrechens geworfen und Verbrecherin geworden ist, wird sie in der Ausübung ihrer Taten viel rücksichtsloser als der Mann. Sie übertrifft ihn auch meistens an Brutalität und Gemeinheit ... Verlogenheit finden wir auch in höherstehenden Kreisen der Frauenwelt ... Selbst der berühmte Lombroso will zu der Überzeugung gekommen sein, daß die Frau durchweg verlogen und unaufrichtig ist« (Hager o. J., S. 32 f.). Vgl. auch die Charakterbeschreibung des »Weibes« bei Kley/Schneickert (1926, S. 153 und S. 183).

[28] »Mit jedem Punkt kommt eine neue Lüge und damit wächst die Lügenmauer. Er bietet uns damit Steigeisen, um die Lüge zu widerlegen.... Wir müssen so tun, daß wir ihm die Chance geben, sich herauszureden. Erst wenn er sein Magazin leergeschossen, also nichts mehr zu sagen hat, kommen wir« (Lehrmanuskript, S. 40). Vgl. auch Wilhelm (1947, S. 92), Nivera (1968, S. 66) und Bauer (1970, S. 331).

[29] Vgl. zu diesem Fragenkomplex: BGH-Urteil vom 26.10. 65 - 5 StR 415/65 (NJW 65/210), BGH-Urteil vom 31.12.65 - 4 StR 573/65 (NJW 65/209), Bauer (1970, S. 338), Urteil des OLG Braunschweig vom 17.12.65 - Ss 192/65 (NJW 65/24).

[30] Urteil des BGH vom 30.10.51 - StR 393/51 zitiert nach Kleinschmidt (1953, S. 152). Weitere höchstrichterliche Urteile, die den Handlungsspielraum der Polizei bei der Gewinnung von Geständnissen berühren, sind: BGH 5 StR 307/65 vom 14.9.65 (NJW 65/48), BGHst 1, 387, BGHst 16, 164 (NJW 61/1969), BGH 5 StR 372/56 vom 5.2.57. Außer Hinweisen auf subjektive Faktoren der Strafrechtspflege kann der Vernehmungsbeamte dem Beschuldigten vorhalten, daß eine Geständnis-Verweigerung bei der Polizei langfristig kaum Erfolg haben dürfte, da er ja vor Gericht doch noch einmal befragt werde. je nach Lage des Falles können hier auch Hinweise auf die §§ 153, 154 und 257 StGB (Falschaussage, Meineid und Begünstigung) eingeflochten werden. Einen guten Einblick in die amerikanische Diskussion zur Frage der Geständnisgewinnung während der polizeilichen Vernehmung, zur Bedeutung des Geständnisses und zur Verwendung des Geständnisses vor Gericht bietet Rogge (1972).

[31] In kaum einem Lehrbuch zur Vernehmung bleiben Hinweise dieser Art unerwähnt: vgl. Meinert (1956), S. 179 f.); Seelig (1964, S. 29o), Nivera (1968, S. 68). Schon in einem Runderlaß des Preußischen Ministers des Innern von 1927 heißt es: »Wenn Beschuldigte auch nicht gezwungen werden können, überhaupt auszusagen . . ., so wird es doch in den meisten Fällen durch freundliches Ermahnen oder ernstes Zureden neben wohlwollender Behandlung, geschickter Einwirkung auf das Ehrgefühl und durch Vorhalten der ermittelten Tatsachen möglich sein, den Beschuldigten zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu veranlassen.«

[32] Das von Meinert herausgegebene Buch über »Vernehmungstechnik« ist die wohl umfangreichste Arbeit dieser Art. Ihre erste Auflage erschien 1942. Sie wurde 1952 in einem Runderlaß des Innenministers ausdrücklich zur Anschaffung für Lehrbüchereien und zur Verwendung im Unterricht für Kriminalbeamte empfohlen. 1956 erschien die 4. verbesserte Auflage des Buches, das zumindest bis 1963 noch in Polizei-Schulen angeschafft wurde, und auch in neueren Arbeiten noch zitiert wird (z.B. in BKA 1964, S. 230 und in Walder 1965).

[33] Eine hochdramatische Schilderung dieses Augenblicks findet sich bei Hager (o. J., S. 70): »Etwa 8o v.H. aller Verbrecher gestehen ihre Taten in einem Zustande seelischer Erschütterungen. Der erfahrene Kriminalist kennt schon jenen Zustand der Vorstufe zur Bereitschaft für das bevorstehende Geständnis. Er kennzeichnet sich durch Unruhe, flackernde Augen, Zerstreutheit, Weichheit der Empfindungen, Schnappen nach Luft, Durstgefühle und Zögern in der Aussage ... Der Kopf sinkt auf die Brust oder den Tisch, der Verhörte ist unfähig zu sprechen, . . . er weint und schluchzt fassungslos« (vgl. auch Walder, S. 210).

[34] Diese Absicherungstaktik bleibt in keinem Lehrbuch zur Vernehmung unerwähnt: vgl. Hager (o. J., S. 68 f.); Walder (1965, S. 131); BKA (1964, S. 191); Seelig (1964, S. 289); Wilhelm (1947, S. 83) sowie Runderlaß 1927.

[35] Ob die Polizei beim Vorwurf des Verstoßes gegen § 136a StPO tatsächlich mehr als eine Beeinträchtigung ihres Vernehmungserfolges zu befürchten hat, kann hier nicht beurteilt werden. Immerhin macht Kleinschmidt (1953, S. 153) in diesem Zusammenhang auf einen Fall aufmerksam, bei dem die Beschuldigte sich »auf Übermüdung herauszureden« versuchte, die Definitionsmacht jedoch eindeutig dem zuständigen Vernehmungsbeamten vorbehalten blieb: »Die Urteilsgründe bezeichnen zwar die Stunde der polizeilichen Vernehmung als außergewöhnlich, sie geben aber auch die Bekundung des als Zeugen vernommenen Kommissars wieder, der eidlich erklärte, die A. habe bei der Vernehmung einen frischen und keineswegs einen ermüdeten Eindruck gemacht, so daß er keine Bedenken getragen habe, die Vernehmung zu dieser Stunde durchzuführen.«

3. Determinanten selektiver Sanktionierung in der Vernehmung

Die deskriptive Analyse der polizeilichen Vernehmung hat gezeigt, daß bestimmte, aus der Praxis selbst entwickelte Strategien, Taktiken und Techniken mit dazu beitragen, den »Vernehmungserfolg« der Polizei zu sichern. Wesentliche Vorbedingungen für den Einsatz dieser Methoden sind relativ breite Handlungs- und Ermessensspielräume sowie eine institutionell abgesicherte Definitionsmacht der Polizei. Doch lassen sich auch eine Reihe von Faktoren nennen, deren Strukturbedingungen außerhalb der eigentlichen Vernehmung liegen, die jedoch dennoch ganz entscheidend auf deren Ablauf und Ausgang einwirken können. Zu diesen »heteronomen Systembedingungen« (Schütze 1975a) gehören einerseits die aus der Polizeiorganisation selbst abgeleiteten strukturellen Rahmenbedingungen der Vernehmung wie der »Zwang, Erfolge nachweisen zu müssen«, polizeispezifische Polizei-Handeln legitimierende »Hilfeideologien«, sowie die durch Ausbildung und Praxis vermittelten » Alltagstheorien, Beobachtungsregeln und Verhaltensvorschriften« der Polizei. Zu diesen »externen« Faktoren zählt andererseits aber auch die je spezifische, sozialstrukturell bedingte »Handlungskompetenz der Beschuldigten«, die von diesen bereits »von Hause aus« in die zwangskommunikative Interaktion der Vernehmung mitgebracht wird. Wir wollen versuchen, diese Faktoren etwas näher darzustellen.

3.1. Erfolgsnachweis als persönlicher und institutioneller Faktor

Erfolgreich durchgeführte Vernehmungen können wesentlich mit dazu beitragen, daß die Erfolgsquote der Polizei steigt. Dies bezieht sich a) auf die Aufklärung von Straftaten, die unmittelbar Gegenstand der Vernehmung sind, b) auf die Aufklärung von bisher unaufgeklärt gebliebenen Delikten eines Vernommenen und c) auf das Bekanntwerden zusätzlicher Straftäter (vor allem Mittäter) durch die Vernehmung einer Person.

Um den »Aufklärungserfolg« der Polizei zu sichern, ist vor allem die bewußtseinsmäßige Verankerung der Koppelung von persönlichem Erfolg und institutionellem Erfolg (Brusten 1971, S. 45 f.; Feest/Blankenburg 1972, S. 22 f.) von großer Bedeutung. Dazu muß der einzelne Polizeibeamte zunächst unter einen strukturellen Druck gesetzt werden, selbst Erfolge nachweisen zu wollen. Hat der Polizeibeamte diesen strukturellen Druck internalisiert, erkennt er die ihm auf diese Weise gebotenen »Chancen«, dann wird der Wunsch, Erfolge nachweisen zu können, zu einem entscheidenden Faktor der polizeilichen Vernehmungspraxis. Hier lassen sich verschiedene Aspekte voneinander trennen:

  1. Die Bearbeitung von herausragenden und damit besonders spektakulären Fällen, an deren Verfolgung die öffentlichkeit stark interessiert ist, gilt als prestigefördernd und erstrebenswert; gleichzeitig bedingen derartige Fälle in der Regel auch ein höheres Risiko für den Beamten. Wer hier versagt, setzt sich leicht dem Verdacht der »Unfähigkeit« aus, er gerät in die »Schußlinie« oder gilt doch zumindest als »glücklos«. Um dieses Risiko möglichst gering zu halten, sieht sich der Beamte gezwungen, bis an die zulässigen Grenzen der erlaubten Vernehmungsmethoden heran oder über diese - z.B. durch subtile Taktiken der Täuschung oder Drohung - hinauszugehen. Diese Gefahr ist besonders groß, weil der Beamte genau weiß, daß das Risiko, sich dadurch strafbar zu machen, relativ gering ist, selbst dann, wenn sich ein Beschuldigter sowohl rechtlich wie auch fachlich auskennen und zur Wehr setzen würde; denn der Nachweis, verbotene Vernehmungsmethoden bewußt eingesetzt zu haben, ist gerichtlich kaum zu erbringen[36].

  2. Unter Erfolgszwang steht der Beamte auch, wenn er sich dienstintern in einer Situation befindet, in der er sich bewähren muß, etwa um eine qualifiziertere Funktion zu erhalten, um den in ihn gesetzten Erwartungen nachzukommen oder um seinen beruflichen Aufstieg zu sichern. Das ist Polizeibeamten durchaus bewußt: »Unter einem Leistungsdruck, der sich schließlich auch auf das Verhalten in der Vernehmung auswirkt, können auch jüngere Beamte stehen, wenn sie glauben, sich profilieren zu müssen.«

  3. Zum Faktor »Erfolgsnadiweis« gehört nicht zuletzt audi der Tatbestand, daß jede kriminalpolizeiliche Dienststelle und mit ihr jeder einzelne Beamte in gewisser Weise der Kontrolle nachgeschalteter Instanzen ausgesetzt ist, die auf den Ermittlungsergebnissen der Polizei aufbauen. Werden Mängel oder Fehler festgestellt, so kann es zu Rückfragen und erneuten Ermittlungsaufträgen kommen, die von den betroffenen Polizeibeamten und ihren Vorgesetzten als »unangenehme Panne« betrachtet werden: »Die gründliche Vorarbeit in der Feststellung materieller Tatbestände zahlt sich erst vor Gericht aus. Wenn unsere Ermittlungsverfahren nicht mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt worden sind, dann fällt das auf uns zurück.«

3.2. Ideologie und Wirklichkeit polizeilicher Hilfe

Viele Polizeibeamte verstehen ihre Arbeit nicht nur als eine Art Hilfeleistung für die Gesellschaft, sondern auch als konkrete Hilfe für die Beschuldigten. Dies wird besonders deutlich in Außerungen über die Funktion des Geständnisses. Fest internalisierte Alltagstheorien legitimieren hier die Praxis der polizeilichen Vernehmung; sie machen diese zu einem Akt der »Befreiung«, der »Entkrampfung« oder gar der »Rettung«, auch dann, wenn der Aufklärungserfolg weiterhin im Vordergrund polizeilicher Handlungsmotivation steht. »Das Geständnis ist die Krone der Ermittlung, nicht wegen der Genugtuung, die man dann empfindet, sondern um helfen zu können. Denn: erst das Geständnis gibt dem Täter doch die Möglichkeit, aus dem Schlamassel herauszukommen. Hat er erst einmal ein Geständnis abgelegt, kann man deutlich sehen, wie sich der Krampf löst. So ein Geständnis ist eine Art Lebensbeichte. Die Person muß sich erst einmal vom >Kriminellen< lösen - und genau das beginnt hier bei der Polizei«[37]. »Man muß sich nur mal vorstellen, unter welchem Streß die stehen, immer die Unwahrheit sagen zu müssen. Außerdem drängt die Wahrheit ja doch ans Tageslicht. Man muß sich einfach einmal aussprechen können. Unsere Aufgabe ist es, genau dieses Bedürfnis richtig aufzufangen.« - »Gerade bei jungen Menschen wollen wir doch helfen; auch dadurch, daß wir sie dazu bringen, uns zu erzählen, was sie gemacht haben. Sie sollen sich zu ihrer Tat bekennen; auch das ist eine Form der Hilfe. Wir wollen die doch nicht auf's Kreuz legen wie etwa ältere Ganoven. Wir wissen doch selbst, wie diese Jugendlichen heute zu ihren Straftaten kommen.« - »Wir legen keinen Wert darauf, daß die schließlich zwei oder drei Jahre in den Knast kommen. Die Vernehmung ist nur ein erster Schuß vor den Bug, und der wirkt oft Wunder. Viele sind so zu hellen.«

Mit Außerungen dieser Art drängen Polizeibeamte die Dominanz ihres Strafverfolgungsinteresses in den Hintergrund. Die Praxis des eigenen Handelns wird durch die Ideologie des »Helfen-Wollens« legitimatorisch überhöht und auf moralischer Ebene der Angreifbarkeit entzogen. Daß diesem »Helfen-Wollen« gelegentlich auch ein taktisches Kalkül zugrunde liegen kann, wird von den meisten Vernehmungsbeamten kaum bestritten: Hilfe-Versprechen können mit dazu beitragen, die Geständnisbereitschaft des Beschuldigten zu erhöhen und die Vernehmung zu erleichtern.

Eine andere, sehr wesentliche Funktion der »Hilfe-Ideologie« besteht darin, dem einzelnen Beamten die Widersprüchlichkeit seiner eigenen Handlungspraxis erträglicher zu machen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Beamte erkennt, daß er einerseits gezwungen ist, dem Auftrag der Strafverfolgung nachzukomme, daß andererseits jedoch sein Gegenüber eigentlich das falsche Objekt für harte Sanktionen ist: »Oft hat man auch mit so'nem armen Deubel zu tun, der sich nicht ausdrücken kann. Da hat man dann faktisch die Funktion eines Rechtsanwaltes. Das sind einfache Leute, die mit ihren Bemerkungen nur so ins Messer laufen. Wenn man die fragt: >Haben Sie noch was zu sagen?< dann sagen die einfach: >Nein.< Dann schreibe ich schon von mir aus: >Wenn ich meine Tat im Nachhinein sehe, bereue ich sie sehr.< Und dann sagt der andere meist: >Ja, ja, so ist es!<« Diese Situation taucht insbesondere dort auf, wo Polizeibeamte mit handlungsinkompetenten Jugendlichen, Gelegenheitstätern oder Angehörigen der Unterschicht zu tun haben. Gerade das scheinbar »leichte Spiel«, das Polizeibeamte in der Praxis mit derartigen Personen in der Regel haben, löst Reflexionsprozesse aus, in deren Verlauf die legitimierende Attitüde des »Helfen-Wollens« einen willkommenen Rückzugsbereich darstellt. Weniger reflektiert wird jedoch, daß die »polizeiliche Hilfe« kaum über den unmittelbaren Situationszusammenhang hinausreicht, daß ein Geständnis - das heißt: die Übernahme polizeilicher Situationsdefinitionen - hauptsächlich der Polizei selbst hilft (Arbeitsersparnis, Erhöhung der Aufklärungsquoten), und daß trotz aller Hilfebemühungen die Stigmatisierung des Geständigen nicht mehr aufzuhalten ist.

Daß der »Hilfe« auch über die eigentliche Vernehmung hinaus eine primär polizeiliche Funktion zukommt, wird in Gesprächen mit Vernehmungsbeamten deutlich: »Da hatte ich einen, der war von der Arbeit weggeblieben. Der machte natürlich Einbrüche. Schließlich mußte er in den Knast. Wir haben selbstverständlich ihm hinterher - mehr privat als dienstlich - zu helfen versucht, eine Arbeitsstelle zu bekommen. Er sollte wieder arbeiten. Das ist noch immer die beste Medizin gegen Dummheiten, Aber es klappte nicht. Wir hielten ihn natürlich weiter im Auge.« Wie sich diese scheinbar selbstlose »Hilfe nach Dienstschluß« in das offizielle Konzept der polizeilichen Verbrechensbekämpfung einpaßt und darüber hinaus eine wesentliche Hilfe für die Polizei selbst darstellt, ist kein Geheimnis: »Der Verbrecher, der weiß, daß er gerecht und anständig behandelt wurde, ist häufig auch während der Strafverbüßung eine dankbare Auskunftsquelle ... Es soll (hiermit) ... nur angedeutet werden, daß der Kontakt .. . nicht mit dem Geständnis abzureißen braucht. Neben rein praktischen Gesichtspunkten (Beobachtung, Überwachung, Angaben über Mittäter und Bekannte, die wieder etwas >ausgefressen< haben) sprechen auch menschliche Gesichtspunkte dafür« (Bauer 1970, S. 359). Die Ideologie des »Helfen-Wollens« erweist sich damit letztlich als eine in der Regel nur »humanisierende« Legitimation polizeilichen Sanktionshandelns.

3.3. Alltagstheorien, Beobachtungsregeln und Verhaltensvorschriften

Daß das Handeln der Vertreter von Kontrollinstanzen ganz wesentlich von ihren Alltagstheorien abhängt, darüber gibt es in der neueren Kriminalsoziologie triftige Befunde und Analysen[38]. Schwierig ist dabei die Klärung der Frage, was als »handlungsleitende Alltagstheorie« anzusehen ist, und wie durch derartige Theorien das Verhalten der Kontrollagenten gesteuert wird. Zu den für unsere Fragestellung bedeutsamen Wissensbeständen gehören Vorstellungen über die Entstehung, Verbreitung und Verhinderung von Devianz, Tätertypologien, »professionelle Ideologien« und Selbstdarstellungen der Polizei, Begründungen und Rechtfertigungen polizeilichen Handelns sowie - z.T. wissenschaftlich legitimierte - Ansichten über Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensweisen des Menschen schlechthin[39]. Die Praxisrelevanz dieser Theorien und Typisierungen wird vor allem dort deutlich, wo sie als explizite Handlungsanweisungen in die berufliche Sozialisation der Kontrollagenten eingebracht werden; spätestens dann gehören sie zu den zentralen Elementen der kognitiven und normativen Strukturierung dessen, was Polizeibeamte dann als »Wirklichkeit« bezeichnen. Doch dienen die Theorien nicht nur zur Beschreibung von Wirklichkeit, sondern zugleich immer auch zur Vermittlung bestimmter Einstellungen und Handlungsmuster, die dann ihrerseits die Durchführung der täglichen Handlungspraxis maßgeblich beeinflussen. Für die Analyse der polizeilichen Vernehmung ist der Aufweis derartiger »Paxistheorien« kein Problem: sie sind zentrale Bestandteile der in Lehrbüchern vermittelten Beobachtungsregeln und Interpretationsmuster. Auch ihre Funktion ist klar: Die Beobachtungen lassen »Rückschlüsse auf die psychologischen Vorgänge im Menschen zu« (Lehrmanuskript, S. 37), und diese wiederum Rückschlüsse für die Handlungstaktik des Polizeibeamten.

Doch wird dem Beamten nicht nur die aus der »Praxiserfahrung« gewonnene und zum spezifischen »Polizeiwissen« verarbeitete »Menschenkenntnis«[40] als instrumentell verwendbares Wissen angeboten. Auch bestimmte »wissenschaftliche Erkenntnisse«, die der Polizei zur Beobachtung und Interpretation von Persönlichkeit und Verhalten des Beschuldigten »brauchbar« erscheinen, werden ausgewählt und in Lehrtexten zur Vernehmung zusammengestellt. Praxistheorien dieser Art dienen dazu, ganz bestimmte Verhaltensweisen und Merkmale der Beschuldigten aufmerksam zu registrieren, sie in einem bestimmten Kontext zu interpretieren, bestimmte Schlußfolgerungen für das Handeln des Polizeibeamten nahezulegen und letzten Endes dieses auch zu legitimieren. Die Denkschemata der polizeilichen Alltagstheorien und die Rollenerwartungen, denen Polizeibeamte ausgesetzt sind, zwingen diese dazu, sich möglichst rasch, sicher und jederzeit begründbar ein »klares Bild« vom Beschuldigten zu machen. Dieser rollenspezifische Typisierungszwang kann daher als eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür angesehen werden, daß Polizeibeamte schließlich tatsächlich bereitwillig auf die ihnen offiziell und inoffiziell angebotenen Beobachtungsregeln, Interpretationsraster und damit verbundenen Handlungsstrateglen zurückgreifen.

Zur Interpretation von Merkmalen der äußeren Erscheinung, der Stimme, der Gestalt und des Gesichts: Dem Vernehmungsbeamten wird zunächst einmal eindringlich geraten, seinen Platz so zu wählen, daß er den Beschuldigten von Kopf bis Fuß sehen und beobachten kann. Als besonders wichtig gilt die Beobachtung der Hände (Bauer 1970, S. 325) und des Gesichts. »Er wird anfangen, mit dem Taschentuch zu spielen, er wird Hände und Füße bewegen, die Krawatte zurechtrücken usw. Dazu wird sein Gesicht im Ausdruck wechseln, seine Mienen werden Überraschung, Erregung, Angst verraten« (Meinert 1956, S. 47). Doch sind es keineswegs nur die im wesentlichen unkontrolliert ablaufenden Bewegungen des Beschuldigten, zu deren Beobachtung und Interpretation der Polizeibeamte aufgefordert wird. Auch Merkmale der äußeren Erscheinung, des Auftretens und des allgemeinen Ausdrucksverhaltens dienen als Hinweise für taktische Schlußfolgerungen, ohne daß die bereits in diesen Merkmalen zum Ausdruck kommenden schichtspezifischen Charakteristika erkannt werden. »Ein erheblicher Teil aller Wesenseigenschaften eines Menschen zeigt sich in seinem Außeren, in seinem Benehmen und Verhalten ... Am nächsten liegt es, Schlüsse zu ziehen aus der Umwelt, die sich eine Person schafft. Sie ist mehr oder weniger ein Ausdruck ihres Innern, und damit ein Schlüssel zu ihrem ganzen Wesen ... Schon Auftreten, Kleidung und Schmuck sind recht aufschlußreich ... Ob er sich aufdringlich oder unauffällig gibt, ob seine Kleidung vernachlässigt, gepflegt oder geckenhaft, ob der Schmuck echt oder Talmi ist - alles das ist bezeichnend für seine grundsätzliche Stellung zur Umwelt« (Meinert 1956, S. 34 f.). » ... eine schlampige Kleidung wird immer darauf hindeuten, daß ihr Träger auch sonst, in seinem Alltagsleben und in seiner Gedankenwelt unordentlich ist . . .« Auch die Wohnung gibt nach Ansicht der Polizeiexperten Anhaltspunkte für die »innere Sauberkeit und Zuverlässigkeit eines Menschen« (Meixner 1954, S. 105 u. S. 107).

Indikatoren dieser Art bieten dem Vernehmungsbeamten jedoch nicht nur allgemeine Erklärungs- und Prognosemöglichkeiten, sondern zugleich immer auch unmittelbare Bezugspunkte für Verdachtsstrategien (vgl. Feest/Blankenburg 1972, S. 35 f.) und Vernehmungstaktiken. Besonders klar wird diese Praxis bei den Interpretationen bestimmter Verhaltensweisen des Beschuldigten. Auch sie dienen - trotz ihrer scheinbar sachlich-wissenschaftlichen Darstellung - in erster Linie der Steuerung und der Legitimation vernehmungsspezifischer Entscheidungs- und Typisierungszwänge. »Es gibt Mimen, die bei allen Menschen gleich sind. Sie haben einen Zusammenhang mit dem motorischen Teil des Kortikalhirns und wirken sich auf die Muskulatur aus. Zurückdrücken der Schultern, Hervorstrecken des Brustkorbes ist ein Zeichen der Stärke. Umgekehrt ist es ein Zeichen der Schwäche. Das Senken der Schultern ist ein Gefühl der Freiheit und Sicherheit. Einziehen des Kopfes und Heben der Schultern drückt Unsicherheit aus. Hochwerfen des Kinns zeugt von Hochmut, Herunterdrücken des Kinns zeigt Schwäche. Das Aufreißen des Mundes ist Begriffsstutzigkeit« (Lehrmanuskript, S. 37).

Wesentliche Schlußfolgerungen lassen sich nach Ansicht der Polizeiexperten auch aus der Stimme des Beschuldigten ziehen. So wird eine tiefe Tonlage als die »Sprache der Würde und Ruhe«, eine hohe Stimme dagegen als »Angst und Verlust der Selbstsicherheit« gedeutet. »Eine hohe schmetternde Stimme kann ein Versteckenwollen der Unsicherheit nach außen sein « (Lehrmanuskript, S. 38). Eine laute Sprache weist auf einen »grobschlächtigen und derben Menschen« oder auch auf »Geltungsbedürftigkeit« hin (Bauer 1970, S. 305). Die Bedeutung der Stimme für die Einschätzung des Beschuldigten wird sogar in einem Lehrsatz hervorgehoben: »Wärme oder Kälte, Weichheit oder Härte der Stimme lassen stets mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf ähnliche charakterliche Züge in der Persönlichkeit des Sprechers schließen... Unregelmäßige Schwankungen der Stimmstärke, besonders bei gleichzeitiger geringer Stimmfülle deutet auf Mangel an Vitalität und an durchhaltender Energie« (Lehrmanuskript, S. 38). Auch unveränderbare körperliche Merkmale des Beschuldigten veranlassen die Polizei zu recht weittragenden Schlußfolgerungen. Die hier angebotenen Beobachtungsregeln und Interpretationshilfen machen die »Praxisrelevanz« einer nach polizeilichen Brauchbarkeitskriterlen selektierten Wissenschaft überdeutlich[41]. Dabei geht es insbesondere um Rückschlüsse auf den Charakter des Menschen. Ausgehend von der Annahme, daß dieser »Charakter als Gesamteigenart zweifellos angeboren« ist, und sich Charaktereigenschaften im äußeren Verhalten eines Menschen und seiner körperlichen Erscheinung ausdrücken, kommen Polizeitheoretiker zu dem praktischen Schluß, daß »auch die Gestalt eines Menschen einen ziemlich guten Aufschluß über seine charakterliche Veranlagung« gibt (Meixner 1954, S. 108). Die für die Praxis der Vernehmung gedachten Erkenntnisse sind jedoch fatal: »Große Menschen sind meistens großzügig, und man kann mit ihnen gut und angenehm verhandeln ... Kleine Menschen sind dagegen im allgemeinen rechthaberisch, eigenwillig und schwer zu überzeugen ... Dicke Erscheinungen sind fast immer gutmütig, gemütlich und humorvoll, während magere mißtrauisch, eigensüchtig und aufbrausend sind« (Meixner 1954, S. 108).

Von besonderer Bedeutung ist das Gesicht: »Die Augen sind wahrhaft ein Spiegel der Seele. Der offene Blick verrät ebensosehr Offenheit des Charakters wie das unstete und abseits gerichtete Auge innere Unruhe, Ziellosigkeit, Verschlagenheit und unschöne Gedanken anzeigt. .. Eine recht deutliche Sprache redet die Nase ... Große Nasen versinnbildlidien Selbstvertrauen und Unternehmungsgeist, während kleine das Gegenteil, Unselbständigkeit und geringe geistige Widerstandskraft verraten. Dicke und fleischige Nasen deuten auf Genußsucht, spitze auf Neugierde ... « und »die scharfe Nase auf Herrschsucht, Zähigkeit und einen geschliffenen Geist ... Der festgeschlossene Mund mit seinen schmalen Lippen drückt außer Tatkraft auch Gefühlskälte, Herzlosigkeit und Verschlossenheit aus . . ., während der stets offenstehende Mund ein Zeichen von Naivität, Tatenlosigkeit und in gewissem Sinne von geistiger Beschränktheit ist« (Meixner 1954, S. 109 f.). Auch neuere Handbücher geben ähnliche Darstellungen: »Nach außen gekehrte Handflächen deuten demnach auf >Abneigung< und >Widerwillen<; der in der Faust versteckte Daumen auf >Verzagtheit< und >Verkrampfung<; ein stechender, schräger Blick zeigt >Argwohn< zusammengepreßte Lippen >Beherrschung<, >Willensanspannung<, aber auch >Trotz< oder >Eigensinn<« (Bauer 1970, S. 304 f.).

Zwar sind derartige Interpretationshilfen offiziell nur als Beitrag zur »Menschenkenntnis« und als »Anhaltspunkte zur vorläufigen charakterlichen Beurteilung« gedacht, ihr - sich vor allem in der Praxis der Vernehmung auswirkender - Beitrag zur Typisierung und Stigmatisierung der Beschuldigten ist jedoch kaum zu übersehen. »Der Charakter eines Menschen, seine Erfolge und Enttäuschungen, ja sein Schicksal prägen sich als Dauerausdruck in sein Gesicht ein. Der im Umgang mit Menschen erfahrene Sachbearbeiter kann sehr oft aus diesem Dauerausdruck schon gewisse Schlüsse ziehen und die erste Einordnung der Aussageperson vornehmen« (Bauer 1970, S. 305). Zweck dieser praxistheoretisch angeleiteten Beobachtung des Beschuldigten ist also nicht die Erforschung der Persönlichkeitsstruktur als solche, sondern die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen für die Vernehmung. »Erfolgreiches Arbeiten setzt voraus, daß man die zu vernehmende Person ... richtig einschätzt, und daß man sich über ihren Charakter, ihr Wesen, ihre Eigenschaften und ihr Verhalten ein zutreffendes Bild macht« (Meinert 1956, S. 32). »Man muß eine Prognose über die Persönlichkeit stellen und vor allem abzuschätzen versuchen, wie es um ihre Widerstandsenergie, ihre Widerstandsintelligenz und ihr Gefühlleben bestellt ist. Von diesen drei Gegebenheiten hängt die Wahl der Methode ab« (Bauer 1970, S. 331).

Vertrauen, Überlegenheit und Autorität als Verhaltensregel: Da jedoch nicht nur die Erscheinung und das Verhalten des Beschuldigten »unter Beobachtung steht«, sondern umgekehrt auch der Beschuldigte selbst in der Lage ist, das Verhalten des Beamten zu beobachten, werden den Vernehmungsspezialisten auch Ratschläge für ihr eigenes Verhalten erteilt. Sie sollen das »eigene Mienenspiel stets unter Kontrolle« haben (Bauer 1970, S. 326), »Vertrauen erwecken« und »Sicherheit ausstrahlen«, Sie sollen die »Autorität des Staates repräsentieren« und »im Gespräch stets überlegen« wirken.

Wichtig ist deshalb schon das »Auftreten des Beamten«, mit dem er dem Vernommenen von vornherein klarmachen soll, »daß er als Vertreter der Staatsautorität ... allein die Bestimmung über Form und Inhalt der Befragung trifft. Höflich, aber unverblümt und deutlich« (Meinert 1956, S. 127). Doch soll die Behandlung des Beschuldigten dabei stets der »Würde und dem Ansehen der Staatsgewalt« entsprechen (S. 153). Daß hier »Würde« nicht mit »Feierlichkeit« gleichgesetzt werden kann, wird an anderer Stelle deutlich: »Manche Beschuldigte muß man ... schon einmal ein bißchen hart anfassen, damit sie fühlen, daß sie eine stärkere Persönlichkeit vor sich haben, zu der sie Vertrauen fassen können« (Meinert 1956, S. 151). Aber: »Fragen stellt immer der Vernehmungsbeamte, nicht der Vernommene« (Bauer 1970, S. 326).

Daß diese Verhaltensanleitungen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern als polizeiliches Selbstverständnis - als »professionelle Ideologie« - tagtäglich unmittelbar in Vernehmungssituationen einfließen, zeigen die Außerungen der Polizeibeamten »vor Ort«: »Die Tatverdächtigen müssen doch wissen: es gibt eine Institution, der kann man nicht einfach alles >vorkrücken< oder >aufbinden<, eine Institution also, wo man ihnen nicht einfach alles abnimmt!« Noch deutlicher zeigt sich die subjektive Sicht des polizeilichen Durchsetzungszwanges darin, daß Polizeibearnte fürchten, die Vernommenen könnten den Eindruck gewinnen, »wir wären auf den Kopf gefallen und sie könnten uns sonst >was erzählen<.« - » ... Und wenn wir dann mit unseren Ermittlungen steckenbleiben, dann sagt der sich: >den Bullen habe ich aber ein Schnippchen geschlagen< - Ja, und nun kennt er den Laden.« Dabei stilisiert sich diese subjektiv empfundene Durchsetzungspflicht fast gänzlich zu einer persönlichen Angelegenheit des einzelnen Beamten, der sich voll und ganz mit seiner Institution, für die er tätig ist, identifiziert. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn in offiziellen Stellungnahmen die Durchsetzungspflicht des Polizeibeamten mit aller Deutlichkeit unterstrichen wird: »Der vernehmende Beamte muß den Sachverhalt beherrschen und dadurch das Gefühl der überlegenheit vermitteln« (BKA 1964, S. 189). Es erscheint klar, daß das Vernehmungsgespräch schon aus diesen Gründen keine herrschaftsfreie Kommunikation sein kann. Der Polizeibeamte darf sich eine Blöße nicht leisten, er ist gehalten, die Vernehmungssituation so zu strukturieren, daß er stets die beherrschen de Position behält: »Der Polizeibeamte muß die Fähigkeit besitzen, immer das letzte Wort haben zu können; er darf nicht in die Defensive geraten.« Als oberste Legitimation für dieses Vorgehen dient der Hinweis auf die Funktion der Polizei als Institution: »Da hatte ich mal so einen vierschrötigen Kerl, der wurde pampig. Wäre er damit durchgekommen - das steigert sich doch. Es ist also auch gut für ihn, wenn man als Polizeibeamter mit ihm zurechtkommt. Man muß ihm zeigen, daß er in einer Welt lebt, in der Ruhe und Ordnung herrscht, in der die Ordnung der Obrigkeit gilt, in der sich Verbrechen einfach nicht lohnen!«

3.4. Kriminalisierungsrisiko und Handlungskompetenz der Beschuldigten

Die Struktur der Vernehmung begünstigt den Polizeibeamten, der gerüstet ist, seine Vernehmungsmethoden unter dem Gesichtspunkt der Zweckrationalität anzuwenden und die entsprechenden Register taktisch richtig in der konkreten Situation zu ziehen. Alltagstheorien, Hilfeideologien, Beobachtungsregeln und Verhaltensvorschriften eröffnen ihm hierzu eine Perspektive, die seine Einschätzungen und Erwartungen hinsichtlich Ablauf, Zweck und Effizienz der Vernehmung festlegt. Vermittelt durch praktische Erfahrungen und Handlungsroutinen ist der Polizeibeamte in der Lage, Situationen entsprechend der ihm vorgegebenen Zielvorstellungen zu definieren, besondere Strategien einzuschlagen, Gesprächstaktiken anzuwenden und miteinander zu kombinieren. . Unter den besonderen Bedingungen des Strafverfolgungsprozesses im allgemeinen und der Vernehmung im besonderen erweist sich der Polizeibeamte damit als handlungskompetent.

Wir haben zeigen können, daß die polizeiliche Vernehmung strukturell zu Lasten der Unbeholfeneren, Unerfahreneren und Unterprivilegierteren verläuft. Dabei war bisher fast ausschließlich von solchen Faktoren die Rede, die das Handeln der Vernehmungsbeamten beeinflussen. Wir wollen uns daher zum Abschluß noch einmal kurz den Aktionen und Reaktionen der Beschuldigten selbst zuwenden. Denn: Erfolg oder Mißerfolg der Polizei hängen nicht zuletzt ganz entscheidend vom Verhalten ihrer Interaktionspartner ab. Auch Polizeibeamte wissen, daß eine Vernehmung von sogenannten »Intelligenztätern« oder von Beschuldigten, die im Umgang mit der Polizei Erfahrung haben, in aller Regel schwieriger und weniger ergiebig ist. Mit anderen Worten: Der Beschuldigte selbst muß schon eine gewisse Handlungskompetenz mitbringen, um der Polizei »gewachsen zu sein«; er muß in der Lage sein, seine objektive Situation in der Vernehmung rechtzeitig zu erkennen, Gesprächstaktiken und deren Auswirkungen richtig einzuschätzen, um eine ihm drohende Etikettierung als Krimineller erfolgreich abwehren sowie plausible und rechtfertigende Gegendefinitionen vorbringen zu können. Dazu gehört in besonderem Maße auch das Durchhalten eigener Typisierungen und Definitionen gegenüber den »transformatorischen« Typisierungen und Definitionen des Polizeibeamten; wobei transformatorisdi bedeutet, daß Polizeibeamte alltagsweltliche Typisierungen vor dem Hintergrund des für sie verbindlichen Regelsystems des Strafrechts interpretieren und daher meist dazu tendieren, die Alltagstypisierungen ihrer Gesprächspartner in solche zu überführen, die strafrechtliche Relevanz besitzen. Derjenige, der diese Transformationslogik nicht durchschaut und sidi in seinen Außerungen und Verhaltensweisen nicht darauf einstellen kann, ist in der Vernehmung, wo es insbesondere auf die Erzeugung und Durchsetzung strafrechtlich relevanter Definitionen ankommt, von vornherein im Nachteil.

Diese Thesen, die unmittelbar die Selektivität polizeilichen Handelns berühren, lassen sich präzisieren vor dem Hintergrund des von Bohnsack und Schütze (1973) formulierten Konzeptes differentieller Handlungskompetenz. Mit diesem Konzept wird dargelegt, daß spezifische Ausprägungen sozialer Handlungskompetenz als eine ganz wesentliche Bedingung dafür anzusehen sind, ob die gesellschaftlichen Kontrollinstanzen in den von ihnen zu verantwortenden Kriminalisierungsprozessen erfolgreich sein werden oder nicht. je weniger handlungskompetent sich verdächtigte Personen erweisen, desto wahrscheinlicher ist ihre Kriminalisierung und Stigmatisierung auf den einzelnen Stufen des Strafverfolgungsprozesses, wobei vor allem der polizeilichen Vernehmung eine ganz entscheidende Funktion zukommt. Von gesellschaftsstruktureller Bedeutung sind hier vor allem schichtspezifische Unterschiede. »Schichtspezifisch mangelnde Handlungskompetenz meint, daß aufgrund schichtspezifischer familiärer und außerfamiliärer Sozialisation bestimmte Handlungsstrategien, sprachliche Bewältigungen und Legitimationen von Handlungssituationen nicht den (in dieser Gesellschaft geltenden) Mittelschichtstandards entsprechend beherrscht und zur Handlungsplanung eingesetzt werden können« (BohnsacklScbütze 1973, S. 273).

Struktur und Logik des Interaktionsprozesses der Vernehmung[42] Zeigen, daß vor allem derjenige geringere Chancen hat, sich den taktischen Handlungsentwürfen und Wirklichkeitskonstruktionen der Polizeibeamten zu entziehen, der weder den zwangskommunikativen Handlungsanforderungen noch den Anforderungen an Erzeugung, Durchsetzung und Legitimierung eigener Situationsdefinitionen in ausreichendem Maße gewachsen ist. Für die polizeiliche Vernehmung ergeben sich hierbei insbesondere folgende Dimensionen der Handlungskompetenz[43]:

  1. Die Fähigkeit zu einem der Situation angemessenen Planungsverhalten. Das heißt, vor allem derjenige wird sich in der Vernehmung eher behaupten können, der zeitlich zurückliegende Situationsdefinitionen auch in der Gegenwart durchhalten und gegenwärtige bereits auf zukünftige Situationen abstellen kann. Das betrifft sowohl Situationsdefinitionen, die sich auf das der Vernehmung zugrundeliegende Ereignis beziehen, als auch auf bestimmte Äußerungen und Berichte, die während der Vernehmung abgegeben werden. Mangelnde Kompetenz führt hier zu Widersprüchlichkeiten in Aussageinhalten und zu spontanen Neudefinitionen der in Frage stehenden Handlungsweise, ebenso zu Inkonsistenzen in der Verknüpfung einzelner Berichtsteile und Ereignisbeschreibungen verbunden mit der Bereitschaft zur voreiligen übernahme der von der Polizei angebotenen Alternativ-Definitionen.

  2. Wichtig für den Verdächtigten ist audi die Kompetenz zur Orientierung an den antizipierbaren Erfordernissen und Erwartungen, die dem institutionalisierten Regelsystem des Strafverfolgungsverfahrens eigentümlich. sind. Hierzu gehören die Einsicht in die Notwendigkeit der rechtzeitigen Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes sowie die Einschätzungs- und Interpretationsfähigkeit rechtlich bedeutsamer Bestimmungen und Regeln. Mangelnd handlungskompetente Personen laufen ständig Gefahr, sich bereits durch den formalen Rahmen des Vernehmungsgespräches und die geschilderten Möglichkeiten der Auslegung rechtlicher Bestimmungen verunsichern und »übertölpeln« zu lassen, sowie die Relevanz bestimmter Gesprächsformulierungen - auch solche, die die Zuschreibung von Kriminalität erst ermöglichen - nicht rechtzeitig genug zu erkennen.

  3. Eine oft ausschlaggebende Dimension der Handlungskompetenz stellt die Fähigkeit dar, allgemein geteilte - d.h. als moralisch hochstehend angesehene und rechtlich legitimierte - Rechtfertigungen bei der Rekonstruktion bestimmter Vorkommnisse und Situationsdefinitionen zu äußern. Der in dieser Hinsicht Handlungsinkompetente wird tendentiell eher Gefahr laufen, gegenüber den Anschuldigungen des Polizeibeamten keine oder nur ungenügende Rechtfertigungen der genannten Art vorbringen zu können, als derjenige, der diesen Beziehungsmechanismus von Außerung und Rechtfertigung bereits eingeübt hat und problemlos zur Anwendung bringen kann.

  4. Entscheidend ist in vielen Fällen auch die Fähigkeit, eine Außerung auf ihre möglichen Konsequenzen - also unter Antizipation der Reaktionen des Interaktionspartners - zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Darunter ist zu verstehen, daß jemand z.B. seine ursprüngliche Situationsdefinition »Klauen« in der Situation der Vernehmung in eine risikovermindernde Situationsdefinition - wie »Mundraub« - transformiert. Mangelnd Handlungskompetenten stehen diese oder ähnliche bewußt reflektierte oder vorbewußt ablaufende Mechanismen der Risikominimierung nur in geringem Maß zur Verfügung. Das führt in vielen Fällen dazu, daß diese Personen schon allein durch die Art ihrer Situationsdefinition scheinbar klare Indizien für strafrechtlich relevantes Verhalten liefern.

  5. Eine letzte hier zu beschreibende Dimension der Handlungskompetenz ist die der autonomen Kontrolle. Damit ist die Fähigkeit gemeint, abschätzen zu können, was - der jeweiligen Situation der Vernehmung entsprechend - zu sagen ist und was an Informationen, Typisierungen und definitorischen Gehalten in dieser Situation zurückgehalten werden kann. Derjenige, der diese Fähigkeit beherrscht, kann damit den Gesprächsablauf weitgehend selbst steuern. Derjenige aber, der sich außerstande sieht, solche Kontrollleistungen zu vollbringen, gerät leicht in die Gefahr, selbst Widersprüchlichkeiten und konfliktträchtige Formulierungen in das Gespräch einzubringen und dadurch seine eigene Situation zu verschlechtern.

Mangelnde Handlungskompetenz eines Verdächtigten eröffnet den Vertretern von Kontrollinstanzen, die durch ihre Ausbildung und tägliche Praxis besondere Handlungskompetenz im Strafverfolgungshandeln erworben haben, gute Chancen, ihre Handlungsstrategien und Situationsdefinitionen durchzusetzen. Mangelnde Handlungskompetenz zeigt sich aber vor allem bei Angehörigen der unteren sozialen Schichten, bei Jugendlichen und insbesondere bei Jugendlichen aus der Unterschicht. Sie sind es daher auch, die in Interaktionen mit der Polizei immer wieder als die »kriminelleren« erscheinen, weil sie aufgrund ihrer geringen Handlungskompetenz bei der Durchsetzung ihrer Situationsdefinitionen und damit in der Abwehr von Kriminalisierung geringere Chancen haben (Vgl. BohnsacklSchütze 1973, S. 173).

Die Wahrnehmung der strukturellbedingt hohen Durchsetzungschancen gegenüber handlungsinkompetenten und machtarmen Tatverdächtigten macht für die Polizei die Anwendung physischen oder psychischen Zwanges während der Vernehmung überflüssig. Die im polizeilichen Verständnis »erfolgreiche« Zuschreibung des Etiketts »kriminell« setzt jedoch Stigmatisierungsprozesse in Gang, die die sozialen Teilnahmechancen und die Identität der als »kriminell« Stigmatisierten erheblich beeinträchtigen. Damit kommt der Polizei - ob sie will oder nicht - hinsichtlich der gesellschaftlichen Verteilung des Etiketts »kriminell« eine entscheidende Selektionsfunktion zu. Geht man weiter davon aus, daß Handlungskompetenz und Einflußpotentiale der Beschuldigten schichtspezifische Züge tragen, wobei Angehörige der unteren sozialen Schichten besonders benachteiligt sind, dann trägt die überlegene Definitionsmacht handlungskompetenter Polizisten in der öffentlich nicht kontrollierten Zwangskommunikation der Vernehmung mit dazu bei, bestehende gesellschaftliche Ungleichheit und Machtdifferenzen zu stabilisieren und neue zu erzeugen.



[36] Vgl. den von F. Kleinschmidt (1953, S. 152 ff.) geschilderten Fall.

[37] Die Frage, warum ein Täter schließlich seine Tat gesteht, wird in Polizeibüchern in der Regel mit der Aufzählung verschiedener möglicher Motive beantwortet, gelegentlich werden jedoch auch - wie bei Bauer (1970, S. 357) - Theorien über »Schuldgefühle« und »Strafbedürfnis« herangezogen, wonach das Geständnis letztlich der Befriedigung eines Strafbedürfnisses, eines Verlangens zu sühnen und zu bekennen, dient.

[38] Erste Versuche zur Analyse derartiger Wissensbestände der deutschen Polizei wurden von M. Brusten (1973) und P. Malinowski (1975) vorgelegt.

[39] Besonders instruktiv sind kriminalistische Reflexionen über die »Persönlichkeit des Beschuldigten«, über die »Psychologie der Aussage« (Meinert 1956, S. 32 ff., 83 ff. und 101 ff.), sowie Typologien der Beschuldigten (Kley/Schneickert 1926, S. 180 ff.; Walder 1965, S. I23 ff.; Bauer 1970, S. 332 ff.) und der Zeugen (Lehrmanuskript, S. 23 ff.; Bauer 1970, S. 287 ff.), Typologien der Lüge und des Geständnisses (Lehrmanuskript, S. 40 ff und S. 48 ff.), die wir hier jedoch nicht näher erörtern können. Nicht minder aufschlußreich sind Abhandlungen über das »Wesen des Verbrechers« (Wilhelm 1947, S. 2 ff.) oder über die »Kriminologie des Täters« (Hoeveler 1967, S. 169 ff.). Bemerkenswert ist, daß hier selbst in neueren Arbeiten von »Lebensführungsschuld« die Rede ist: »Die Mehrzahl der Täter handelt ja aus irgendeiner Schwäche, einem Unvermögen heraus, sich im Lebenskampf zu behaupten. Sicher ist dieses Unvermögen >Lebensführungsschuld< und war vermeidbar« (Bauer 1970, S. 359). Nur wenige Wissenschaftler haben sich bislang mit der Entstehung und Funktion derartiger Praxistheorien beschäftigt; siehe hierzu Scott (1970), der sich allerdings nicht speziell mit den »Experten-Theorien« der Polizei befaßt. Zur Definition von Alltagstheorien vgl. auch Sack (1974, S. 301 f.).

[40] Die »Menschenkenntnis« spielt in der Polizeiliteratur stets eine besondere Rolle; sie kann der eigenen jahrelangen Erfahrung entspringen und in Lehrbüchern zur Weitervermittlung systematisch zusammengetragen worden sein; häufig wird jedoch auch zumindest eine entsprechende »angeborene Anlage« angenommen (vgl. u. a. Meinert 1956, S. 32).

[41] Die meist sehr allgemein gehaltenen Hinweise auf entsprechende wissenschaftliche Arbeiten dokumentieren ihre Legitimationsfunktion. Sehr häufig zu beobachten ist die interpretative Einbeziehung der Kretschmer'schen Konstitutionstypen und der »Lehre von den Temperamenten« (vgl. u. a. Bauer 1970, S. 3o6-319).

[42] Zur formalen Struktur und Logik des zwangskommunikativen Aushandlungsprozesses der Vernehmung vgl. Malinowski/Brusten (1975).

[43] Die Beschreibung dieser Dimension orientiert sich an einem Forschungsansatz von Bohnsack/Schätze (1973, S. 273 ff.). Ähnliche Überlegungen zum selektiven Erfolg behördlicher Maßnahmen aufgrund schichtspezifischer Unterschiede in grundlegenden Handlungsfähigkeiten der Klienten finden sich bei Koschorke, 1973, S. 144 ff.

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Zu den Personen

Manfred Brusten, geb. 1939, Diplom-Soziologe, Dr. Soz. Wiss., Wissenschaftl. Assistent an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, jetzt Professor für Soziologie des Abweichenden Verhaltens an der Gesamthochschule Wuppertal. Arbeitsgebiete: Soziologie des abweichenden Verhaltens und der sozialen Kontrolle; Soziologie der Schule, der Sozialarbeit und der Polizei.

Peter Malinowski, geb. 1949, Diplom-Soziologe, Wissenschaftl. Angestellter bei der Zentralen Arbeitsgruppe im Gesamtschulversuch Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Arbeitsgebiete: Soziologie der Sozialarbeit und der sozialen Kontrolle, Polizeiforschung, Soziologie des Schulwesens.

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Quelle:

Manfred Brusten, Peter Malinowski: Die Vernehmungsmethoden der Polizei und ihre Funktion für die gesellschaftliche Verteilung des Etiketts »kriminell«

Erschienen in: Manfred Brusten/Jürgen Hohmeier(Hrsg.), Stigmatisierung 2, Zur Produktion gesellschaftlicher Randgruppen, Darmstadt 1975. S. 57 - 112

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 11.07.2006

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