Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen 1999 in Waldheim

Kurzbericht der Arbeitsgruppe "Entwicklung integrativer Lehr- und Rahmenpläne"

Themenbereiche: I-Tagung
Textsorte: Bericht
Releaseinfo: Teilnehmer: Reinhard Peter Broich, Christine Pluhar, Volker Rutte, Ruth Steinheimer, Christa Thau-Pätz, Sigrun Zinkhan
Copyright: © bei der Arbeitsgruppe 1999

1. Voraussetzungen:

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsgrundlage waren die "Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland" (Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 5./6. Mai 1994) und die in der Folge erstellten Empfehlungen für die verschiedenen sonderpädagogischen Förderschwerpunkte:

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

(Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 26.06.1998)

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sprache

(Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 26.06.1998)

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Sehen

(Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 20.03.1998)

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Hören

(Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 10.05.1996)

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung

(Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 20.03.1998)

  • Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Unterricht kranker Schülerinnen und Schüler (Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 20.03.1998)

  • Entwurf der Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Lernen

(Stand: 25.01.1999)

  • Entwurf der Empfehlungen zum Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung (Stand: 19.11.1998)

Literaturauswahl:

  • Podlesch, Wolfgang: Diagnostik bei geistiger Behinderung als Unterstützung für selbst- und mitbestimmtes Lernen. In: Eberwein, Hans/ Knauer, Hans/ Knauer, Sabine (Hrsg.): Handbuch Lernprozesse verstehen. Weinheim 1998, 252-264

  • Podlesch, Wolfgang: Basale Didaktik für elementar begabte Kinder ("Geistigbehinderte") und Kinder mit elementaren Lernbedürfnissen ("Schwerstmehrfachbehinderte"). In: Rosenberger, Manfred (Hrsg. ): Schule ohne Aussonderung: Idee, Konzepte, Zukunftschancen. Pädagogische Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher. (Luchterhand) Neuwied, Berlin 1998, 116-128

  • Heimlich, Ulrich (Hrsg.): Zwischen Aussonderung und Integration: Schülerorientierte Förderung bei Lern- und Verhaltensschwierigkeiten.

2. Themenabgrenzung:

Die Arbeitsgruppe traf sich zu insgesamt zwei Arbeitsblöcken jeweils am Nachmittag des 25.02. und 26.02.1999. Das Gebiet "Richtlinien und Rahmenpläne ist für eine derart komprimierte Arbeitszeit viel zu groß. Zunächst ging es deshalb darum, eine sinnvolle und leistbare Themenbegrenzung hinzubekommen. Eine Begrenzung - ohne daß sie explizit formuliert wurde - könnte in folgenden zwei Themen gesehen werden:

  1. Modifizierung der allgemeinen Lehrpläne für den Unterricht in integrativen Klassen

  2. Individuelle Bildungspläne

Diese Themen wurden teilweise recht kontrovers diskutiert. So wurde bspw. auf die Gefahr hingewiesen, daß Lehrpläne häufig im Gefolge haben, daß sie von der Lehrkraft abgehakt werden und daher zur lehrerzentrierten Umsetzung verleiten, wodurch die für gemeinsames Lernen notwendige Offenheit des Unterrichts mit den vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten der Schüler untereinander zu kurz kommen muß. Andererseits bieten Lehrpläne auch eine gewisse Orientierung für die Lehrkräfte, sie stellen auch notwendige Anforderungen und bieten zugleich Legitimationen für konkrete pädagogische Aktionen.

3. Diskussionsthemen:

  • Themenschwerpunkte in Lehrplänen oder Schlüsselqualifikationen in Rahmenplänen

  • Organisations- und Sozialformen des integrativen Unterrichts (Notwendigkeit einer Öffnung des Unterrichts, klassenübergreifende Projekte, ... )

  • Frage der Leistungsbeurteilung (in diesem Zusammenhang auch die Frage nach dem Für und Wider des "Sitzenbleibens")

  • Kooperation und Team-teaching und damit verbundene Probleme

  • Der Dialog aller Beteiligten (Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler in die Planung von Förderung und Unterricht: lehrerzentriert vs. schülerorientiert, Elternberatung vs. Dialog mit den Eltern i. S. partnerschaftlicher Elternarbeit)

  • individuelle Diagnostik zur Feststellung des speziellen Förderbedarfs und individuelle Förderpläne

4. Tenor der Gespräche:

Die für integrative Schulversuche häufig formulierte Auflage, dem Unterricht in Klassen mit gemeinsamem Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderungen lägen die Lehrpläne der Grundschule zugrunde (bzw. der jeweiligen Schulform in der Sekundarstufe I), wobei die Kinder mit Behinderungen nach den Lehrplänen ihrer jeweils entsprechenden Sonderschule zu unterrichten seien, macht keinen besonders integrativen Sinn. Diese Addition von Lehrplänen ist im integrativen Kontext kontraproduktiv. Vielmehr sollte eine Integration der Lehrpläne entstehen, wobei sich Sonderpädagogik und allgemeine Pädagogik in fruchtbarer Weise durchdringen. So sollte beispielsweise die Lebenswelt der Kinder (vgl. Lebenspraktische Erziehung in der Schule für Praktisch Bildbare [Geistigbehinderte]) in die Lehrpläne der Regelschule Eingang finden.

Eine intensive Förderdiagnostik ist die Voraussetzung für die Feststellung des individuellen konkreten Förderbedarfs. Diese Diagnostik soll sich verstehen als prozeßbegleitende Diagnostik und zwar nicht nur für die Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen.

Begründung: Das Konstrukt der homogenen Lerngruppe entspricht nicht der schulischen Realität. Auch Schülerinnen und Schüler ohne Behinderungen haben spezielle, individuelle Bedürfnisse und Interessen.

Die individuelle Diagnose für alle Schülerinnen und Schüler sollte aus der Kooperation der Lehrkräfte (und im Dialog mit den Eltern und dem jeweiligen Schüler) hervorgehen, sie kann - wegen der entscheidenden Weichenstellung für die Schullaufbahn und damit für den individuellen Lebenslauf nicht ungesichert der Beobachtung einer einzelnen Lehrperson entspringen.

Selbstverständlich ist eine individuelle qualitativ etwas völlig anderes als die übliche Ziffernbenotung.

5. Fazit:

Die beiden Arbeitsblöcke reichten in dieser Form aus, um Prämissen für integrative Lehr- und Rahmenpläne zusammenzustellen. Jetzt hätte die eigentliche Richtlinienarbeit beginnen können.

Reinhard Peter Broich

Sonderschullehrer

Wissenschaftl. Mitarbeiter

Universitätz Koblenz - Landau

Fachbereich 5, Erziehungswissenschaften, Institut für Sonderpädagogik

Quelle:

Reinhard Peter Broich: Jahrestagung der IntegrationsforscherInnen 1999 in Waldheim, Kurzbericht der Arbeitsgruppe: "Entwicklung integrativer Lehr- und Rahmenpläne"

bidok - Volltextbibliothek: Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 02.11.2005

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation