betrifft: integration 2/97


Liebe Leserin, Lieber Leser,

daß unser Rundbrief auch gelesen wird, freut uns - ableitbar ist das anhand der großen Anzahl an Bestellungen des Leitfadens zu den Integrationsgesetzen; daß er auch mit Aufmerksamkeit aus dem Ministerium belohnt wird, entnehmen Sie aus zwei aktuellen Rückmeldungen. Den Leserbrief von MR Dr. Gruber stellen wir Ihnen in voller Länge zur Verfügung. Sein zweiter Brief ist repressiver, schwer zu verkiefeln und kann als Drohung ausgelegt werden. Inhalt ist die Aufforderung unsere nebenstehende Rechtsecke vor Drucklegung einer Prüfung durch das Ministerium zu unterziehen - sonst ..., denn immerhin bekämen wir finanzielle Förderung aus Mitteln des BMUK! Wozu wir ab der nächsten Nummer gerne bereit sind, ist eine Zusammenarbeit mit Schuljuristinnen des BMUK zu rechtlichen Anfragen, die unsere Redaktion erreichen!

Ferien und Urlaub stehen vor der Tür, so blicken wir schwerpunktmäßig in dieser Ausgabe über die österreichische Grenze - nicht nur was die schulische Integration von Kindern mit Behinderungen betrifft - sondern auch was die Lehrerinnenausbildung angeht. Brisantes Thema, wurden doch die Lehrpläne mit Integrationsinhalten nach einjährigen Vorarbeiten (rechtzeitig!) schubladisiert. Mit dem Einsatz des UNESCO-Handbuchs könnte die Not an Integrationspädagogik etwas gelindert werden.

Außerdem finden Sie Informationen über die geplante Verfassungsänderung für behinderte Menschen und warum das nur der erste Schritt sein kann. Allerlei Berichte, Wissenswertes und Ankündigungen runden diese Ferienausgabe ab.

Wie's im Moment ausschaut, können wir Ihnen dann mit Beginn des neuen Schuljahres über die neuen Landesausführungsgesetze zur Schule der 10-14jährigen berichten.

Erholsame Ferien wünscht das Redaktionsteam

Integres Europa

Ein Blick über die Grenzen, um den Stand der schulischen Integration in Österreich in einen internationalen Vergleich einzuordnen, lohnt sich allemal.

Die sonderpädagogischen Maßnahmen befinden sich auf einem Kontinuum zwischen vollständiger Segregation und Integration, mit der Schwierigkeit, daß:

  • der Begriff Integration unterschiedlich definiert wird; für manche ist es ein erstrebenswertes Fernziel, für andere eine ständig zu praktizierende Methode;

  • die feinen Schattierungen mancher "teilintegrativer" Programme auf diesem Kontinuum nicht leicht einzuordnen sind, wie z.B. die diversen Kooperationsformen in Österreich, Griechenland oder die "Teilintegration" in Schweden, die von manchen eher als integrativ, von anderen wiederum eher als Sondermaßnahmen eingestuft werden.

Problematisch wird es auch bei Übersetzungen und den Nuancen der einzelnen Bildungssysteme. So gibt es in Ländern wie Belgien oder Deutschland keine einheitlichen bundesweiten Lehrpläne und in anderen Ländern sind z.B. durch die Schulautonomie die Variationsmöglichkeiten an sonderpädagogischen Maßnahmen sehr breit, sodaß es bereits innerhalb dieser Länder schwierig ist, den Stand der Integration zu beurteilen. Aber auch in Österreich mit einem "einheitlichen" Bundesgesetz besteht ein regional großer Unterschied am Anteil von Schülerinnen, die an integrativen Maßnahmen teilnehmen (von 0,3% in Kärnten bis 12,7 % in Burgenland und Steiermark).

Ein weiteres Problem besteht darin, möglichst aktuelle Informationen zu erhalten. Auch die "aktuellen" EU-Broschüren beziehen sich derweilen auf Daten ihrer Mitgliedsländer aus Anfang der 90er Jahre, im OECD-Bericht von '95 sind z.B. die Daten aus der österreichischen Schulstatistik von 1991 enthalten, usw. Daher ist oft nur ein Vergleich auf Basis dieser "alten" Daten möglich, der aber dann noch immer Gültigkeit hat, wenn die verglichenen Staaten sich integrationspolitisch ähnlich weiterentwickelt haben.

Recht auf Bildung

Eine sehr wichtige grundsätzliche Frage ist, ob denn wirklich alle Kinder in dem jeweiligen europäischen Land das Recht auf Bildung haben, nicht nur per Gesetz, sondern auch in der Praxis. Denn es widerspricht sich, wenn viele der ehemaligen Sonderschülerinnen in einem Land nun einen integrativen Unterricht besuchen, daneben aber einige von der Bildung überhaupt ausgeschlossen und "unversorgt" in einer Institution untergebracht sind oder ohne Förderung irgendwo aufwachsen. So werden zwar 18% der türkischen Kinder in integrativen Klassen unterrichtet, allerdings erhalten insgesamt nur 0,74% von 14% der behinderten Kinder überhaupt (spezielle) Fördermaßnahmen. In Österreich konnte die Zahl der sogenannten "schulunfähigen" Kinder auf unter 300 gesenkt werden (<0,1%). Darunter sind auch diejenigen enthalten, die einen Hausunterricht erhalten bzw. nicht im eigentlichen strengen Sinne von der Schulpflicht befreit sind, sondern de facto rückgestellt sind. Staaten wie Portugal nehmen die Schulpflicht überhaupt und im besonderen bei Kindern mit Behinderungen nicht so ernst. In zwei "Integrationsländern" (Spanien, Italien) stehen dazu keine Daten zur Verfügung und es liegt somit der Verdacht nahe, daß eine gewisse Anzahl von Kindern überhaupt nicht unterrichtet wird.

In Österreich wurde 1993 - im Anschluß an eine zehnjährige Schulversuchszeit - der integrative Unterricht für die Volksschule ermöglicht. Der Begriff des "Sonderpädagogischen Förderbedarfes" trat mit der 15. Schulorganisations-Novelle an Stelle der bisherigen Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit und der damit verbundenen Aufnahme in eine Sonderschule. Damit ist Österreich zumindest nicht Schlußlicht im europäischen Vergleich geworden. Irland, Schweiz, Deutschland, Griechenland, Frankreich und Belgien haben noch nicht bzw. in sehr geringem Umfang oder nur in bestimmten Regionen integrative Schulmaßnahmen gesetzt. In den Niederlanden wurde erst im laufenden Schuljahr 1996/97 die Integration eingeführt, dann allerdings gleichzeitig in allen Schulstufen. Wenn Österreich die Integration in der Sekundarstufe I mit dem Schuljahr 1997/98 einführt, würden wir ins 1. Drittel im europäischen Vergleich vorrücken.

quantitativer Vergleich

Wieviele Kinder werden in den jeweiligen europäischen Staaten integrativ unterrichtet bzw. gesondert beschult?

Die Integrationsquote ergibt sich, indem die Anzahl der integrativ beschulten Kinder durch alle Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf dividiert wird. Am Beispiel von Island läßt sich verdeutlichen, daß sich bereits bei diesem auf den ersten Blick sehr einfachen Vergleich Schwierigkeiten ergeben. Bei einem sehr hohen Anteil von Kindern mit SEN (= special educational needs) von fast 16% aller Schulpflichtigen ist es verhältnismäßig "leicht" auf eine Integrationsquote von 95% zu kommen. Wenn man einen engeren, aber durchaus realistischen 2,5%-igen Anteil an Kindern mit speziellem Förderbedarf heranziehen würde, wäre die Integrationsquote in Island "nur" mehr bei 75%.

Ein Vergleich zweier, in vielen Bereichen ähnlicher Länder (Schweden und Österreich) zeigt bei der Erstellung der Integrationsquote weitere Schwierigkeiten auf. "Derzeit sind österreichweit ca. 24.900 behinderte Kinder schulpflichtig. Etwa 12.000 Kinder besuchen die allgemeine Sonderschule (für Lernbehinderte), ca. 7.000 eine spezielle Sonderschule (mit Schwerpunktförderung z.B. Blinde, Gehörlose oder mehrfachbehinderte Kinder) und ungefähr 5.900 sind im Regelschulbetrieb integriert." (BMAS, 1994)

In der schwedischen Statistik sind dagegen lernbehinderte Kinder weder im Sonder- noch im integrativen Schulwesen ausgewiesen. Wieso? Das schwedische Schulsystem ist so offen (inclusive education = einschließende Bildung), daß lernbehinderte Kinder nicht speziell diagnostiziert werden, um als behindert bzw. förderbedürftig eingestuft zu werden. Sie sind im Angebot der Pflichtschule und somit in der Anzahl der Pflichtschülerinnen bereits selbstverständlich enthalten.

Aufgrund der Tatsache, daß die Integration in Österreich seit '93 mit der 1. Klasse aufsteigend eingeführt wurde, ist eine stetige Zunahme des Integrationsanteiles zu verzeichnen. Aufgrund der eingangs beschriebenen Schwierigkeiten stammen die Daten der Tabelle aus den Jahren 1991 bis 1994. Daher werden die Leserinnen ersucht, "nur" auf die groben Trends zu achten.

Tabelle: Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrations- bzw. Sonderschulen

1. Norwegen (siehe Tabellenbeschreibung 2):

   

Integrationsquote

100%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern (siehe Tabellenbeschreibung: 1)

nahezu 0%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

6%

 

2. Italien (siehe Tabellenbeschreibung 2).

   

Integrationsquote:

fast 100%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

0,03%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

1,30%

 

3. Island

   

Integrationsquote:

92%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

0,60%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

15,70%

 

4. Portugal

   

Integrationsquote:

70%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

   

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

   

5. Spanien

(siehe Tabellenbeschreibung 3)

   

Integrationsquote:

50%

+ 10% teilintegriert

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

1%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

2%

 

6. Schweden

   

Integrationsquote:

36%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

1%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

1,60%

 

7. Dänemark

   

Integrationsquote:

30%

+57% teilintegriert

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

1,63%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

13%

 

8. Luxemburg

   

Integrationsquote:

ca. 30%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

   

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

 

7% (nur alte BL)

9. Großbritannien (Eng. u. Wales)

   

Integrationsquote:

ca. 30%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

1,3%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

1,85%

 

10. Österreich

   

Integrationsquote:

ca. 25%

+ 3% Koop.-klassen

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

2,5%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

3,40%

 

11. Frankreich

   

Integrationsquote:

8%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

2,90%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

3,60%

 

12. Finnland

   

Integrationsquote:

0%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

2,80%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

16,50%

 

13. Belgien

   

Integrationsquote:

unter 5%

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

3%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

3%

 

14. Deutschland

   

Integrationsquote:

unter 5% (geschätzt)

höher in Schleswig-Holstein 22%, Berlin 23%, Saarland 13%, Hamburg 20%

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

6,7% (nur alte BL)

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

7% (nur alte BL)

 

15. Schweiz

   

Integrationsquote:

unter 5%

nur teilw. bei Lernbehinderten

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

5,60%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

5,80%

 

16. Griechenland

   

Integrationsquote:

niedrig

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

0,38%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

0,86%

 

17. Irland

   

Integrationsquote:

0% ??

 

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

1,70%

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

1,70%

 

18. Niederlande

   

Integrationsquote:

???

in der Umstellungsphase

Anteil der Sonderschüler an allen Pflichtschülern

(siehe Tabellenbeschreibung: 1)

???

 

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf:

3,6% bis 1996

 

Tabellenbeschreibung 1: S. Heagarty bezeichnet dies als Maß für den Grad an institutionalisierter Aussonderung, wobei ein hoher Wert wie in der Schweiz oder in Deutschland deutlich im Widerspruch zu Integrationsbeteuerungen steht.

Tabellenbeschreibung 2: In Norwegen und Italien wurden in den 70er bzw. 80er Jahren Sonderschulen systematisch geschlossen.

Tabellenbeschreibung 3: Die spanischen Daten beziehen sich auf den Zuständigkeitsbereich des Ministry of Education and Science, dem 45% aller Schulkinder unterstehen.

Tabellenbeschreibung 4: Die Niederlande haben mit dem Schuljahr 96/97 für alle Schulstufen die Integration eingeführt, und nicht wie in Österreich 1993 mit der 1.Klasse aufsteigend. Infolge dieser radikalen Umstellung liegen noch keine aktuellen Daten vor.

Qualitativer Vergleich

Die Diskussion um einen qualitativen Vergleich der schulischen Integration hat in der EU und OECD erst begonnen, indem ´good practices´ (Modelle der Integration) verglichen werden. Zu beachten ist auch, daß Qualität von Integration eng zusammenhängt mit der schulischen Qualität überhaupt.

1. Rahmenbedingungen/Ressourcen (rechtliche Grundlagen, organisatorische Aspekte, finanzielle, materielle und personelle Ausstattung, Lehrerinnenaus- und -fortbildung, Hilfsmittel, Materialien, Therapien, Lehrpläne, Wohnortnähe, zusätzliches Pflegepersonal ...)

Zwei grundsätzlich unterschiedliche Vorgangsweisen sind beobachtbar, auf welchem Weg die zusätzlich notwendigen Ressourcen vergeben werden. Eine Möglichkeit ist, jeder Schule eine durchschnittliche Summe für Kinder mit speziellen Bedürfnissen zur Verfügung zu stellen, damit eine Schule für alle (z.B. Dänemark, Schweden) erreicht werden kann. Dies ist einfacher zu administrieren. Die zweite Variante ist die kindbezogene, bei der über ein Gutachten (statement in GB, certificati in Italien, ...) ein zusätzlicher Förderbedarf und damit verknüpft ein Mehrbedarf an Ressourcen festgestellt wird. Dieses Verfahren ist zeitaufwendig und durch den "Stempel" im Gutachten, Zeugnis stigmatisierend, also im Widerspruch zur Integration, auch wenn sich ein Abgehen von einer Defizitdiagnose zu einer Förderdiagnose abzeichnet.

2. Prozeßvariablen (Elterneinbezug, Verhalten der Akteure, soziale und emotionale Integriertheit, Lernprozesse, Binnendifferenzierung, Eingehen auf persönliche, spezielle Bedürfnisse ...) Die beiden österreichischen Integrationsmodelle (sozial-integrative Klasse bzw. Einzelintegration mittels einer Stützlehrerin) haben jeweils unterschiedliche qualitative Vorteile. Bei ersterem ist ständig eine zweite Lehrperson (Teamteaching) anwesend. Insbesondere im ländlichen Raum hat das Stützlehrerinnensystem den Vorteil, daß eine wohnortnahe Integration möglich ist, während beim "16+4 Modell" in erster Linie Bezirkslösungen zustandekommen. Das Stützlehrerinnenmodell hat allerdings pädagogische und zeitliche Grenzen und ist aus dieser Warte nicht für alle Förderbedarfskinder geeignet. Deutlich wird, daß in Österreich das Kooperationsmodell größenmäßig und qualitativ schlecht abschneidet. Dieses 3. Modell wird von Integrationsforscherinnen auch deshalb angezweifelt, da durch die oftmals sehr geringen und oberflächlichen Kontakte die Distanz noch größer wird und diese Form nicht dem Ziel eines integrativen Unterrichts entspricht, bei dem alle Kinder am selben Gegenstand, Projekt, Inhalt gemeinsam in Kooperation miteinander auf ihrem jeweiligen Entwicklungsstand in einer gemeinsamen Klasse lernen. Über das in anderen Ländern teilweise durchgeführte Teilintegrationsmodell liegen dem Autor leider keine Evaluationsstudien vor. Bei allen Schwierigkeiten der vergleichenden Schulforschung (zwischen Ländern, Schultypen ...) erweisen sich integrative Maßnahmen gegenüber Sonderbeschulungen in Regel als vorteilhafter (gesteigerte Lernzuwächse aller Kinder ...). Es zeigte sich gelegentlich, daß die Erwartungen an eine soziale Integration höher waren als die erreichten guten Ergebnisse. Im Bereich der emotionalen Integriertheit (Selbstbewußtsein uvm.) lassen die Ergebnisse teilweise noch zu wünschen übrig. Andererseits gibt es keine Ergebnisse, die eine höhere Wirksamkeit einer Sonderbeschulung belegen, im Gegenteil, mehrere Studien stellen (langfristige) Nachteile fest. "Other research findings suggest that segregated schooling does not provide the clear advantage that might have been expected."

3. Outcomevariablen, Wirksamkeit von Integration (Selbständigkeit, berufliche und soziale Integration, usw.) - Gibt es sogenannte "nichtintegrierbare Kinder"?

Es ist eine langjährige Diskussion, ob es eine Grenze der Integration gibt und wenn es eine solche gibt/geben soll, ob es an der Besonderheit der Kinder liegt oder an den äußeren Umständen, den Rahmenbedingungen für einen integrativen Unterricht. Bei den Ländern, die in der quantitativen Integrationsentwicklung vor Österreich liegen, ergeben sich (zumindest anscheinend) keine Schwierigkeiten bei Kindern mit Lernschwierigkeiten (dies wären 2/3 der österreichischen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf), Kindern mit Sehbehinderungen oder Erblindung und schwerhörigen Kindern. Das heißt, es wäre aus dieser Warte (nahezu) kein Problem, z.B. durch einen Aufnahmestop an den ASO's, den Sonderschulen für Sehbehinderte und Blinde ..., die dort freiwerdenden sonderpädagogischen Ressourcen den allgemeinen Schulen zukommen zu lassen. Damit würde sich der Integrationsanteil in Österreich auf über 95% erhöhen. Dazu bedarf es aber auch der inneren und nicht nur der äußeren Schulsystemveränderung.

elementares Menschenrecht

"Die Erfahrung vieler Länder zeigt, daß sich die Integration von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen am besten in einschließenden Schulen verwirklichen läßt, die allen Kindern der Gemeinde dient. Wir appellieren an alle Regierungen, das Prinzip der einschließenden Pädagogik gesetzlich festzulegen und alle Kinder in Regelschulen zu unterrichten." (Salamanca Statement)

Bei Integration geht es nicht um Gnade, sondern um ein ganz elementares Menschenrecht. Nicht nur in Österreich besteht ein Widerspruch zwischen dem Unterzeichnen von UN-Deklarationen oder der Mitarbeit an internationalen Erklärungen und der Umsetzung in die Praxis. Schon von daher wäre Österreich verpflichtet, integrative schulische Maßnahmen auszuweiten. Österreich hat in den letzten Jahren zwar diesbezüglich einiges aufgeholt, aber noch lange nicht sämtliche Möglichkeiten zur Verwirklichung einer integrativen Schule, einer Schule für alle Kinder, ausgeschöpft.

Gottfried Wetzel Assistent am Institut für Erziehungswissenschaften, Delegierter für das EU-Programm-Helios II, Bereich Integrative Bildung

René Schindler: Paragraphen-Dschungel Info-Eck

Gibt es "schulunfähige" Kinder?

Österreichs Schulrecht kennt tatsächlich noch immer diesen Begriff. 1991 hatte ich in dieser Zeitschrift - anläßlich eines UNO-Fragebogens an alle Regierungen - geschrieben: "Diese Fragen stellt die UNO jeder, also auch der österreichischen Schulverwaltung, und diese Antworten müßte sie ehrlicherweise geben:

Gibt es ein allgemeines Recht Volksschulen zu besuchen?

Nein, nach wie vor sieht §15 Schulpflichtgesetz vor, daß "bildungsunfähige" Kinder von jedem Schulbesuch - also auch vom Besuch einer Sonderschule ausgeschlossen sind. Wir wissen, daß diese Vorschrift gegen Art. 2 des 1.ZP zur MRK verstößt. Wir wenden sie ohnedies kaum mehr an, aber gleich ganz abschaffen?"

Und dabei ist es bis heute geblieben! Zwar wurde die "Bildungsunfähigkeit" 1993 in "Schulunfähigkeit" umbenannt und die Regelung etwas verbessert: "Schulunfähigkeit" liegt "nur" mehr vor, wenn medizinische Gründe einen Schulbesuch ausschließen, nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum mit besonderer Förderung kein Entwicklungsfortschritt feststellbar ist oder der Schulbesuch das Kind unzumutbar belasten würde. Auch wurde festgelegt, daß die Bezirksschulinspektorin die Eltern ggf. darüber beraten muß, welche sonderpädagogischen Fördermöglichkeiten außerhalb des Schulwesens bestehen. Aber das ist alles im Grunde Kosmetik: Es bleibt der skandalöse Zustand bestehen, daß - entgegen dem klaren Auftrag der Menschenrechtskonvention! - die Schulverwaltung Kindern das Recht auf Bildung schlicht verweigern kann!

Gewiß: Niemand soll sich davor allzusehr fürchten. Praktisch entscheiden die Bezirksschulinspektorinnen (BSI) aus guten Gründen fast nie gegen den Willen der Eltern auf "schulunfähig". Drohungen damit sind meiner Erfahrung reiner Bluff bzw. werden zurückgezogen, wenn die Eltern rechtliche Schritte ankündigen und sich der BSI näher informiert.

Warum? Erstens sind die oben angeführten Kriterien fast nie erfüllt. Wenn medizinische Gründe den Schulbesuch unmöglich machen, also ein Kind dauernd auf ärztliche Hilfe angewiesen ist, wird es ohnedies kaum zur Schule geschickt. Kann es aber zu Hause von den Eltern betreut werden, muß das auch in der Schule - allenfalls mit Hilfe entsprechenden Pflegepersonals - möglich sein. Der zweite Fall setzt voraus, daß das Kind zunächst einmal für mindestens ein Jahr die Schule besucht - kürzer kann meiner Meinung ein "angemessener" Beobachtungszeitraum keinesfalls sein, eher wird er länger sein müssen. Ist das Kind aber einmal an der Schule, besteht kaum mehr eine Tendenz es wieder wegzuschicken. Und: Daß der Besuch einer österreichischen Schule eine unzumutbare Belastung sein sollte, wollen wir denn doch nicht hoffen.

Aber selbst wenn ausnahmsweise einer der drei gesetzlichen Tatbestände wirklich erfüllt wäre: Der im Kasten abgedruckte Art. 2 des 1. Zusatzprotokolls zur Menschenrechtskonvention kennt keine Ausnahmen vom Recht auf Bildung. Mag sein, daß ein Kind aus medizinischen Gründen keine Schule besuchen kann: Dann muß eben die Schule zu ihm (zB. ins Spital) kommen - so will es die MRK (und tatsächlich gibt es ja auch Heilstättenschulen). Anders als zB. beim Recht auf freie Meinungsäußerung und anderen Grundrechten kennt die Konvention beim Recht auf Bildung keinerlei Vorbehalte oder Ausnahmen. Es muß jedem Kind gewährleistet werden!

Sollte doch einmal eine BSI gegen den Willen der Eltern ein Kind für "schulunfähig" erklären, sollte jedenfalls Berufung erhoben werden! Weisen Sie auf die Konvention hin und setzen Sie sich mit INTEGRATION : ÖSTERREICH in Verbindung. Allenfalls muß der Verfassungsgerichtshof eingeschaltet werden, sollte auch der zuständige Landesschulrat uneinsichtig sein. Das wäre kein Nachteil: Das Höchstgericht würde aller Voraussicht nach den ganzen §15 Schulpflichtgesetz als konventionswidrig aufheben! Damit wäre eine klare und korrekte Rechtslage hergestellt. Jedenfalls: Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Ihr Kind hat ein Recht auf Bildung - gemeinsam werden wir es durchsetzen!

Trixi Mlczoch: Schulische Integration für autistische Kinder

Trixi Mlczoch: Autistenhilfe Wien

Autistische Kinder zählen nach wie vor zu der Gruppe von Kindern, deren "Integrationsfähigkeit" bezweifelt wird und für die üblicherweise die Latte der mitzubringenden "Gruppenfähigkeit" sehr hoch angelegt wird.

Durch ihre Schwierigkeiten in den Bereichen Kommunikation und Interaktion mit der Umwelt besteht in der Tat für viele dieser Kinder ein bestimmtes Maß an sonderpädagogischem Förderbedarf und Umfeldbedingungen, das bislang nur in einzelnen Fällen vorhanden war.

Nicht die Kinder müssen ihre "Integrationsfähigkeit" unter Beweis stellen, sondern die Bedingungen in der Klasse müssen den Bedürfnissen dieser Kinder Rechnung tragen. Auch wenn es bereits erfolgreiche Integrationsbeispiele gibt, die auf Engagement von einzelnen Eltern, Lehrerinnen und Direktorinnen zurückzuführen sind, werden diese immer als die sogenannten "Ausnahmen", die es ja bekanntlich immer gibt, angesehen und es wird daraus nicht die Schlußfolgerung gezogen, daß auch für autistische Kinder Integration eine Selbstverständlichkeit darstellen kann, ohne daß spezielle Kriterien durch die Kinder zu erfüllen sind.

So wie sich das gemeinsame Leben und Lernen behinderter und nicht behinderter Kinder als Vorteil herausgestellt hat, ist ebenso für Kinder mit autistischer Wahrnehmung das Lernen am Modell der nichtbehinderten Kinder die beste Chance, die eigenen Verhaltensweisen zu verändern. Sozusagen auf natürlichem Wege, ohne daß spezielle Trainings- oder Therapieverfahren notwendig werden. Selbstverständlich sind auch verschiedene Therapien sinnvoll einsetzbar, jedoch nicht grundsätzlich zu jeder Zeit, nicht bei jedem Kind die gleiche Methode und auch nicht unbedingt dieselbe Therapeutin.

Lernen, vor allem soziales Lernen aber selbstverständlich auch schulisches Lernen, ist in einer normalen Situation am besten und am leichtesten möglich. Die Schülerinnenzahl ist in Integrationsklassen auf 20 Kinder beschränkt, eine Anzahl, die für manche autistische Kinder bereits eine echte Herausforderung bedeutet. Eine Herausforderung, die in sich bereits Förderung bedeutet.

Eine weitverbreitete Verallgemeinerung besagt, daß Kinder mit autistischer Wahrnehmung ein reizarmes und durchstrukturiertes Umfeld brauchen, um gefördert zu werden. Dies würde bedeuten, daß nur wenige andere Kinder in der Klasse sein dürften.

Wie die Erfahrungen jedoch zeigen, können autistische Kinder gerade aus der Vielfalt an Angeboten von einer Vielzahl an Kindern am besten lernen, da sie von nichtbehinderten gleichaltrigen Kindern am meisten annehmen können. Sie auf eine Kleingruppe zu beschränken, möglicherweise noch dazu eine Kleingruppe von ausschließlich behinderten Kindern, würde eine Herabsetzung von Lernmöglichkeiten bedeuten.

Natürlich ist auch in einer Integrationsklasse eine Struktur möglich, die hilfreich für das autistische Kind ist. Manchmal muß auch eine eigene Struktur ausschließlich für dieses Kind gefunden werden, damit es sich daran anhalten kann. Diese Struktur kann aber nach und nach verlassen werden, wenn das Kind sicher genug ist. Durch das Beispiel und die Mithilfe der anderen Kinder kann es dem Kind leichter fallen, sich in den Schulalltag einzuleben. Lernen am Modell ist auch für autistische Kinder möglich.

Im Jahr 1994 begann auf Initiative von Sonderschulinspektor Tuschel die Vorlaufphase für das Projekt "Schulische Integration für autistische Kinder". Doz. Dr. Berger (Neurologisches Krankenhaus Rosenhügel) hat die Zuständigkeit für die Lehrerinnenfortbildung gemeinsam mit Herrn Prof. Feuser (Universität Bremen) und für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts gemeinsam mit Fr. Dr. Mutschlechner (NKH Rosenhügel) übernommen.

Die Autistenhilfe stellt Praktikantinnen zur Verfügung, wenn eine zusätzliche stundenweise Unterstützung eines Kindes sinnvoll erscheint. Auch beratende Begleitung der Lehrerinnenteams ist durch die Autistenhilfe vorgesehen. Fr. Mörwald (Integrationsberatung des Stadtschulrates) ist der Motor für die Teamfindungen und die Organisatorin für die Treffen.

Gemeinsam mit den SPZ-Leiterinnen achten die zuständigen Direktorinnen in den entsprechenden Standschulen auf eine sinnvolle Zusammensetzung der Schülerinnen in den Klassen. Das Kennenlernen zwischen Kindern, Eltern und Teams ist jeweils vor dem Start vorgesehen und hat sich bereits gut bewährt.

Im Schuljahr 96/97 wurden bereits fünf Kinder erfolgreich integrativ beschult und weitere fünf Kinder werden heuer folgen.Prof. Feuser wird wieder eine Schulung als Vorbereitung auf die Arbeit abhalten und eine Reflexion für die Teams, die bereits das erste Jahr gearbeitet haben.

Von der Verfassungsänderung zum Gleichstellungsgesetz

Behinderte Menschen sind täglich erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt. Sie werden nicht gleich geachtet, in ihren Entfaltungsmöglichkeiten behindert und in ihren Entscheidungen bevormundet. Es gibt in Österreich kein rechtliches Instrumentarium, mit dem sich behinderte Menschen zur Wehr setzen können.

Ziel dieses Gesetzes ist es, Benach- teiligungen und Diskriminierungen behinderter Menschen zu verhindern, zu beseitigen und abzubauen. Staat und Gesellschaft haben dabei die Verpflichtung, behinderten Menschen ein menschenwürdiges Leben in der Gesellschaft zu sichern und ihre Teilhabe am Leben der Gemeinschaft zu ermöglichen.

Beispiele der Diskriminierung

  • Tageszeitungen, Informationsbroschüren, ganze Bibliotheken und fast sämtliche Veröffentlichungen sind für blinde und sehbehinderte Menschen aufgrund der fehlenden spezifischen Aufbereitung nicht zugänglich. In einer Informationsgesellschaft wie der unseren ist dies ein Nachteil, der letztlich auch erhebliche Auswirkungen auf die Ausbildung, Berufschancen und auf die Möglichkeit der Teilnahme am Leben der Gemeinschaft und der politischen Mitgestaltung hat.

  • Die öffentlichen Verkehrsmittel sind trotz längst vorhandener technischer Möglichkeiten und erheblicher Lobby- und Aufklärungsarbeit der Betroffenen nach wie vor für viele Gehbehinderte und Rollstuhlbenutzerinnen entweder gar nicht oder nur mit größter Mühe benutzbar. Busse und Straßenbahnen, die für behinderte Menschen nicht zugänglich sind, werden ohne großen Aufschrei in der Bevölkerung und ohne gesetzliche Handhabe fast täglich in Betrieb genommen, obwohl Busse mit Hubliften in Städten wie Bremen oder München und vor allem auch in den USA schon Standard sind.

  • "Schreibtelefon", "Gebärdendolmetscherin" oder "Höranlage" sind immer noch Begriffe, die nur wenige kennen, geschweige denn eingesetzt werden.

  • Die Aussonderung von behinderten Menschen in Sonderkindergärten, -schulen und Reha-Einrichtungen ist immer noch an der Tagesordnung.

Für die österreichische Behindertenbewegung war immer klar, daß es auf nationaler Ebene in Achtung unserer Grund- und Menschenrechte gilt, vor allem drei Ziele zu erreichen:

  1. die Durchforstung aller bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nach diskriminierenden Bestimmungen und ihrer anschließenden Aufhebung

  2. die Aufnahme einer Nicht-Diskriminierungsbestimmung in die Bundesverfassung, sowie

  3. die Schaffung eines umfassenden Gleichstellungsgesetzes mit Sanktionsmöglichkeiten nach ausländischem Vorbild.

Zu diesen Vorhaben auf nationaler Ebene kommt noch ein weiteres Vorhaben auf internationaler Ebene dazu: Die Schaffung einer Nicht-Diskriminierungsklausel im Rahmen der Revision der Maastrichtverträge bei der Europäischen Regierungskonferenz, wo derzeit die Verhandlungen in einem sehr konkreten Stadium sind.

Wie es begann

Nach ausführlichen Diskussionen beschloß die Selbstbestimmt Leben Initiative Österreichs Ende 1993 eine österreichweite Unterschriftenaktion zu starten. Ziel: Ein Gleichstellungs- bzw. Antidiskriminierungsgesetz, sowie die Aufnahme einer Gleichstellungsklausel in der Bundesverfassung.

Es gelang, im Rahmen einer behinderungsübergreifenden Zusammenarbeit viele Initiativen und Behindertenorganisationen zur Mitarbeit zu bewegen. Es entstand eine breite Diskussion über die Notwendigkeit von gesetzlichen Bestimmungen, welche unsere Rechte festschreiben. Die Übergabe der nahezu 50.000 Unterschriften an den Präsidenten des Nationalrates trug diese Diskussion auch verstärkt in die Medien. Ein weiterer Höhepunkt war das Hearing (wir berichteten in der letzen Ausgabe von BETRIFFT:INTEGRATION) im Petitionsausschuß des Nationalrates und der Beschluß aller Abgeordneten, die Petition an den Verfassungsausschuß zuzuweisen.

Gleichzeitig ist es der Selbstbestimmt Leben Bewegung gelungen, die beiden Regierungsparteien von der Notwendigkeit einer Ergänzung der Bundesverfassung (Artikel 7) um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen zu überzeugen. Parallel zur Unterschriftenaktion wurde von BIZEPS die "Arbeitsgruppe Gleichstellung" ins Leben gerufen, die sich seither unter reger Anteilnahme engagierter Betroffener mit inhaltlichen, politischen und rechtlichen Fragen auseinandersetzt. Unter anderem verfaßt und diskutiert die Arbeitsgruppe auch diverse Entwürfe zur Änderung der Bundesverfassung und zu einem Gleichstellungsgesetz.

Einen wichtigen Beitrag zur inhaltlichen Diskussion unter den Betroffenen und im Rahmen der mitwirkenden Behindertenorganisationen, sowie in der medialen Öffentlichkeit leistete auch die Tagung "gleich.beRECHTigt" von INTEGRATION : ÖSTERREICH, bei der erstmals in Österreich Menschen mit den verschiedensten Behinderungsarten über ihre Rechte diskutierten.

Wo stehen wir jetzt?

Das Ergebnis der Überzeugungsarbeit liegt in Form von zwei Anträgen der beiden Regierungsparteien vor, wobei der Antrag der ÖVP den Vorstellungen der "Arbeitsgruppe Gleichstellung" am nächsten kommt und wir uns wünschen, daß sich die anderen Parteien diesem Antrag anschließen werden: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten." Nun liegt es bei den Nationalratsabgeordneten, ob und wie schnell eine Verfassungsänderung für behinderte Menschen erfolgt. Der zuständige Verfassungsausschuß muß nochmals tagen und die Angelegenheit dem Plenum des Nationalrates zum Beschluß vorlegen. Die Abgeordneten müssen den Antrag mit 2/3 Mehrheit annehmen. Dies kann bis Mitte Juli geschehen; dann erst wieder ab Herbst '97.

Gleichstellung

Wie schnell auch immer die Verfassung geändert wird, dies ist nur eines der drei wesentlichen Elemente auf dem Weg zur Antidiskriminierung.

1. Die Änderung bestehender diskriminierender Vorschriften und Korrektur diskriminierender Rechtssprechung.

Beispiel: Einer der schlimmsten Belege für das Nichterkennen der Menschenrechtsdimension ist die Tatsache der sogenannten schulunfähigen Kinder. Dieser Begriff existiert seit Jahrzehnten in der österreichischen Schulgesetzgebung. Er widerspricht eindeutig der Menschenrechtskonvention, die jedem Kind unterschiedslos ein Recht auf Bildung gibt. Es ist aber nicht gelungen, diesen Begriff aus der Gesetzgebung zu verbannen.

2. Es müssen neue Rechte auf Gleichstellung für behinderte Menschen verankert werden, etwa durch eine Ergänzung der Verfassung.

3. Wir benötigen entsprechende Verfahren, die sicherstellen, daß die neuen Rechte von uns auch durchgesetzt werden können.

Die Erfahrungen mit den Bauordnungen zeigen deutlich, daß die Verpflichtung zum behindertengerechten Bauen nicht ausreicht, weil sie von der Bauaufsicht nicht umgesetzt wird. Recht haben und Recht bekommen ist eben immer noch zweierlei. Eine allfällige Verfassungsänderung wäre daher nur ein erster Schritt zur Antidiskriminierung behinderter Menschen. Das Ziel der Gleichstellungsbemühungen ist aber ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz mit Sanktionsmöglichkeiten.

Martin Ladstätter bizeps-Behindertenberatungszentrum

INFORMATIONSMATERIAL:

  • Broschüre "Gleichstellung für behinderte Menschen" von BIZEPS, Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, Preis öS 50,-- Bestelladresse: BIZEPS, Kaiserstr. 55/3/4a, 1070 Wien, Tel.: 01/5238921, Fax: 01/5238921-20, e-mail: office@bizeps.or.at, http://www.bizeps.or.at/

  • Tagungsbericht "gleich.beRECHTigt" von INTEGRATION : ÖSTERREICH, Preis öS 150,-- Bestelladresse: INTEGRATION : ÖSTERREICH, Wurzbachg.20/8, 1150 Wien, Tel.: 01/7891747, Fax: 01/7891746, e-mail: integration.oesterreich@magnet.at

gleich.beRECHTigt

Nach der erfolgreichen Tagung im November letzten Jahres gab es zahlreiche Anfragen, was mit den Ergebnissen passieren würde. Zur Bildung einer Interessens- und Arbeitsgruppe stellt INTEGRATION : ÖSTERREICH am Donnerstag, den 18. September 1997 ab 16.00 Uhr seine Räumlichkeiten zur Verfügung.

Besonderer Förderbedarf

Das Handbuch zur Lehrerinnenfortbildung ist Teil eines UNESCO-Projekts, das Schulen und Lehrerinnen helfen soll, Kinder mit besonderem Förderbedarf (special needs) zu unterrichten.

Die Art und Weise, wie sich dieses Projekt entwickelt hat, läßt sich mit einer langen Reise vergleichen. Die Reise begann mit einer kleinen Gruppe von Kollegen, die nach Möglichkeiten suchten, den Lehrern beim Umgang mit besonderen Bedürfnissen in ihren Klassen zu helfen." (Lena Saleh, UNESCO)

Das Projekt "Besonderer Förderbedarf in der Klasse" wurde 1988 von der UNESCO begonnen. Das Ziel war es, ein Handbuch mit Ideen und Unterlagen zu erstellen, das weltweit von Lehrerinnen und Lehrerausbildnerinnen verwendet werden kann. Eine Umfrage in vierzehn Ländern zeigte folgende drei Prioritäten erwünschter Schulpolitik:

  • Möglichkeit der Pflichtschule für alle Kinder;

  • Integration von behinderten Kindern in Regelschulen;

  • Verbesserte Lehrerinnenausbildung als Voraussetzung für beides;

Diese Umfrage bildete die Grundlage für eine Reihe regionaler Workshops, in denen auch schon genauere Richtlinien über den Inhalt und den Schwerpunkt zukünftiger Unterlagen erstellt wurden.

"Im Laufe der Zeit schlossen sich dieser kleinen Gruppe immer mehr Interessierte an. Das Entstehen von Partnerschaften zur Auseinandersetzung mit neuen Ideen und zur Verbesserung der Praxis ist der wichtigste Bestandteil des Projekts geworden, aus dem letztendlich dieses Handbuch hervorging. Ich hoffe, daß sich auch die künftigen Partner in unserem Netzwerk immer die Idee der Reise vor Augen halten." (Lena Saleh)

1989 wurden in Kenia und der Türkei Probeseminare für Lehrerinnen und Lehrerbildnerinnen abgehalten, um Unterlagen und Methoden zu testen. In verschiedenen Ländern beurteilten Beratungsteams Erstentwürfe und steuerten eigene Beiträge und Gedanken zum Handbuch bei. Sonderpädagoginnen und Fachleute, die weltweit mit Lehrerinnenbildung beschäftigt waren, beurteilten die Entwürfe ebenfalls.

1990 nahmen je zwei Koordinatorinnen aus acht Ländern (Kanada, Chile, Indien, Jordanien, Kenia, Malta, Spanien und Zimbabwe) an einem zweiwöchigen Workshop an der Universität von Zimbabwe teil. In dieser Gruppe waren Universitätsprofessorinnen, Verwaltungsbeamtinnen, Lehrerinnen und eine Schuldirektorin vertreten. In einer Art Vorführworkshop wurden Kurse für die Koordinatorinnen abgehalten und diese legten dann gemeinsam fest, wie das Handbuch in ihren Heimatländern erprobt werden sollte.

"Die Unterlagen im Handbuch stellen sozusagen die Versorgung auf dieser langen Reise dar. Als solche sollen sie flexibel eingesetzt werden und auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht nehmen. Im Zuge neuer Erfahrungen sollte man sich auch nicht davor scheuen, einzelne Bereiche abzuändern und zu verbessern." (Lena Saleh)

Die Praxistests endeten im März 1991. Die Berichte belegten, daß dieses Handbuch für alle Lehrerinnen unter den jeweiligen Voraussetzungen ihrer Länder geeignet war. Außerdem zeigte sich, daß die Aktivitäten und Prozesse erfolgreich dazu beitragen, den Lehrerbildnerinnen zu helfen und umgekehrt, das Denken und die Unterrichtspraxis der Lehrerinnen weiterzuentwickeln. Die 16 Koordinatorinnen wurden durch ihre ständige Arbeit auf dem Gebiet zu internationalen Expertinnen, die nun in vielen Ländern zusammen mit Kolleginnen an der Förderung des Projekts beteiligt sind.

Resource Packs

Das Handbuch kann benützt werden als

  • Teil eines Grundkurses für Lehrerinnen an Pädagogischen Akademien oder Universitäten,

  • Fortbildungsseminar oder Workshop für erfahrene Lehrerinnen,

  • Basis für schulinterne Lehrerinnenfortbildung (SCHILF).

Jeder Abschnitt beginnt mit Lernunterlagen, die von den Teilnehmerinnen durchzulesen sind und auf denen die Arbeit aufbaut. Danach folgen Einheiten, die einzelnen Übungsstunden. Sie erfordern ein gewisses Maß an aktivem Lernen. Vorträge sind kaum vorgesehen, aber es steht den Kursleiterinnen und den Teilnehmerinnen selbstverständlich frei, eigene Vorschläge zur Gestaltung der Stunden zu machen. Das erklärte Ziel besteht darin, Lehrerinnen beim Umgang mit unterschiedlichen Schülerinnen zu helfen, sie für Schwierigkeiten im Unterricht zu sensibilisieren.

Das in Österreich fast unbekannte Handbuch wurde auf dem subregionalen Expertinnenseminar "Policy, Planning and Organization of Education for Children and Young People with Special Needs" im November 1992 in Wien erstmals vorgestellt. Auf Initiative der Beratungsstelle des Landesschulrates für Steiermark (ZIB) in Graz und im Auftrag des BMUK wurde es 1993 aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Die einzelnen Abschnitte wurden dann 1993/94 in vier Workshops von steirischen Integrationslehrerinnen bzw. Multiplikatorinnen getestet. Ein Arbeitskreis davon erstellte schließlich die endgültige Ausgabe der deutschen Fassung.

Im November 1994 fand in Wien ein dreitägiger Demonstrations-Workshop "Effective Schools for all" mit Mel Ainscow statt. 28 Teilnehmerinnen aus allen Bundesländern wurden in den Gebrauch des Resource Packs eingeführt. Anschließend gab es noch einen zweitägigen Workshop in Graz mit weiteren 23 Teilnehmerinnen. Die Folge waren verschiedene Projekte und Arbeitsgemeinschaften in den Bundesländern. ZIB, bei dem auch die Rechte für die deutsche Bearbeitung des Resource Packs liegen, übernahm die Funktion einer Koordinationsstelle. Im Dezember 1995 fand der "European Workshop on Special Needs in the Classroom", mit Teilnehmerinnen aus 21 Ländern auf Burg Schlaining im Burgenland statt.

Heute nützen Mitglieder eines internationalen Partnernetzes weltweit das Handbuch als Grundlage für Lehrerinnenfortbildungsprogramme. Es wird bereits in mehr als 30 Ländern eingesetzt und ist in viele Sprachen übersetzt. Ein "Project Newsletter" informiert über Neuigkeiten, ein Kursleiterinnenhandbuch ist erschienen (Ainscow, M., "Special Needs in the Classroom. A Teacher Education Guide." Paris [UNESCO] 1994).

Wie können ein und dieselben Unterlagen für so viele verschiedene Länder relevant sein? Man versuchte es mit fünf Methoden, die für alle Lehr- und Lernsituationen relevant sind:

  • Aktives Lernen. Methoden, die beabsichtigen, daß die Teilnehmerinnen sich auf verschiedene Lerngelegenheiten einlassen.

  • Vereinbaren der Ziele. Methoden, in denen durch einzelne Aktivitäten auf die Sorgen und Interessen der Teilnehmerinnen eingegangen wird.

  • Vorzeigen, Übung und Bestätigung. Methoden, die Beispiele aus der Praxis bringen, zu ihrer Anwendung ermutigen und Feedback ermöglichen.

  • Ständige Reflexion. Methoden, die Untersuchung und Beobachtung als Mittel der Reflexion über das Lernen ermöglichen.

  • Unterstützung. Methoden, die dem einzelnen zu mehr Risikofreudigkeit verhelfen. "Das Handbuch ist darauf ausgerichtet, jene Schulen zu fördern und zu unterstützen, die das Lernen aller Kinder in der Gemeinschaft gewährleisten." (Lena Saleh)

Die deutsche Fassung des Handbuchs kann kostenlos beim Zentrum für Schulentwicklung, Abteilung I, Kaufmanngasse 8, 9020 Klagenfurt, Tel.: 0463/54081, Fax: DW 11 bestellt werden.

Abschnitt 1: Einführung zum Thema "Besonderer Förderbedarf in der Klasse" 1. Persönliche Erwartungen 2. Gemeinsames Erarbeiten der Kursrichtlinien 3. Das Lernen 4. Das Klassenzimmer 5. Lernen der Kinder 6. Schulinterne Untersuchung

Abschnitt 2: Besonderer Förderbedarf: Definitionen und Maßnahmen 1. Feststellen des besonderen Bedarfs 2. Was können Schulen bei besonderem Förderbedarf machen? 3. Integrative Schulen 4. Umgang mit Behinderungen 5. Einstellung zu Behinderung 6. Sicht des Behinderten 7. Integration in der Praxis 8. Was ist Integration? 9. Bedürfnisse der Lehrer

Abschnitt 3: Auf dem Weg zu einer effektiven Schule für alle 1. Feststellen und Aufzeichnen von Leistung 2. Sinnvolleres Lernen 3. Veränderung des Unterrichts 4. Klassenfaktoren 5. Analysieren des Unterrichts 6. Gemeinsames Lernen 7. Gliederung von Gruppenaktivitäten 8. Lesen um zu lernen 9. Problemlösung

Abschnitt 4: Hilfe und Unterstützung 1. Das soziale Klima in der Klasse 2. Problemverhalten 3. Kinder mit Kindern 4. Partnerarbeit 5. Unterricht mit Partnerunterstützung 6. Gemeinsam in der Klasse 7. Eltern als Partner 8. Treffen mit Eltern 9. Einbeziehen der Bevölkerung 10. Externe Einrichtungen 11. Praxis und Feedback

Integration ist unteilbar

Bucher Regina, Stipsits Elisabeth, Stückler Doris, Zehetbauer Eveline (Lehrerinnen der HS Steinbauergasse)

In Austausch mit Griechenland und Portugal läuft im Rahmen des SOKRATES-Programmes der EU seit Herbst 1996 das Projekt Lernen ohne Grenzen an der HS Steinbauergasse in Wien.

Das Projekt deckt sowohl den Bereich der interkulturellen Erziehung im allgemeinen sowie auch die Erziehung von Kindern mit speziellen pädagogischen Bedürfnissen, gleich ihrer Sprache, Religion, Herkunft und ihres soziokulturellen Hintergrunds ab.

Die Projektklassen (von Kindern mit speziellen pädagogischen Bedürfnissen, von Kindern mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund und von nichtbehinderten Kindern, gemeinsamer Unterricht unter Berücksichtigung der Muttersprachen, die in den Familien der Kinder gesprochen werden) in den Partnerländern bilden einen Mikrokosmos, in dem ideale gesellschaftliche Bedingungen herrschen sollten. Die Schwerpunkte liegen bei der Akzeptanz des So-Seins bei allen Verschiedenheiten ohne Segregation sowie bei der Förderung von Fähigkeiten.

Unter Verwendung innovativer pädagogischer Ansätze sollen neue Strategien entwickelt werden, um den Unterricht den Bedürfnissen der zu Unterrichtenden anzupassen. Damit ist die Entwicklung offener Unterrichtsformen (lebendiges Lernen, Lernen am Leben, Stärkung der Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation, optimal abgestimmte Abfolge von individualisierten und gruppenbezogenen Lernprozessen, kooperatives Lernen, Erziehung zu Akzeptanz und zum gegenseitigen Kennenlernen und Respektieren der unterschiedlichen Sitten und Gebräuche) gemeint.

Durch die Erhaltung der Klassengemeinschaft als soziales Bezugssystem für leistungsstarke und leistungsschwache Kinder soll erreicht werden, daß kein Repetieren, sowie keine Leistungsunterforderung entsteht. Dies soll durch eine Flexibilisierung im Umgang mit den Beteiligten erfolgen (individualisierter Zugang).

In der Zusammenarbeit mit kommunalen Einrichtungen soll ein lokales, mit der Schulumgebung befaßtes Netzwerk aufgebaut werden, das zum Beispiel beim Übergang der Kinder in das Erwerbsleben, oder bei Ämterkontakten Hilfestellungen leistet. Dieses Netzwerk soll nach Abschluß des Projekts möglichst alle lokalen Institutionen, die mit den Belangen der Beteiligten befaßt sind, beinhalten (Behörden, Firmen, Elternvereine, ethnische Kulturvereine, Beratungsstellen, Glaubensgemeinschaften usw.)

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien sollen eingesetzt werden (Internetkommunikation zwischen den Projektpartnerinnen, geeignete Multi-Media Software im Unterricht usw.)

Neben dem geförderten Erwerb der Unterrichtssprache soll wo immer möglich ein aktiver Umgang mit den jeweiligen Kulturen gefördert werden.

Ein Grundprinzip dieses Projekts ist die Chancengleichheit für Mädchen und Jungen.

Angestrebt wird eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Schulklassen und Gruppen in EU-Ländern mit ähnlich gelagerten sozio-kulturellen Problemen. Durch den Erfahrungsaustausch zwischen den am Projekt beteiligten Schulen und Lehrerinnen wird spezielles Augenmerk auf die europäische Dimension der Erziehung gelegt.

Aktivitäten

Die Aktivitäten beziehen sich auf verschiedene Ebenen (Schule, Netzwerk), wobei manche ineinander übergreifen.

So soll durch schülerinnenzentriertes, interdisziplinäres Lernen in Gesamtzusammenhängen und nicht in Fächerbezügen, ein fächerübergreifender, aktueller Bezug zur Lebensrealität der Kinder (Lernen am Leben) hergestellt werden.

Durch Individualisierung der Lernziele unter Verwendung bestehender Lehrpläne (persönliches Lernfortschrittsbuch, Einbeziehung der Schülerinnen in die Unterrichtsplanung, Ausbau demokratischer Strukturen, Bereitstellung von differenzierten Unterrichtsmaterialien, Klassenversammlungen, den Schülerinnen das Lernen lehren), wird ein pädagogischer Vertrag entwickelt.

Die gemeinsame Gestaltung der Schulumwelt (Klassengestaltung, Schulumgebung, Schulradio, Schulzeitung usw.) soll zur Zusammenarbeit führen.

Die Einbeziehung der Eltern in das schulische Leben (z.B. Feiern), regelmäßige Eltern-Lehrerinnentreffen erfolgt mit dem Ziel, eine gemeinsame Basis im Interesse der Kinder zu schaffen.

Durch die Durchlässigkeit der Informationen zwischen Lehrerinnen (z.B. gemeinsames Vorbereiten), die Hinterfragung und Adaptierung der gängigen Leistungsbeurteilung und der Lehrpläne sowie die Bereitstellung und der Austausch von Materialien zwischen den einzelnen Partnerschulen, wird ein intensiver Erfahrungsaustausch angestrebt.

Eine Kontaktaufnahme mit den Stellen, die in das Netzwerk einbezogen werden (z.B. Jugendamt, Elternvereine, Beratungsstellen, Kulturvereine, usw.), sowie regelmäßige Treffen mit den Vertretern obengenannter Organisationen, sollen bei der Erstellung eines Bedürfniskatalogs der Eltern, Kinder und Lehrerinnen Hilfestellung leisten und Möglichkeiten zur Unterstützung der Familien bei ihrer sozialen Integration schaffen.

Zielvorstellungen

Innovative Unterrichtsformen und kreative pädagogische Methoden sollen folgende Fähigkeiten bei Lehrerinnen und Schülerinnen schulen: Teamfähigkeit; Eigenverantwortlichkeit; Selbststärkung; soziale Kompetenz; Selbstorganisation; ein persönlicher Zugang zueinander und Toleranz und Akzeptanz.

Durch die Umgestaltung der Schule zu einem Ort der persönlichensozialen Entwicklung unter Einbeziehung eines interkulturellen Dialogs soll die Zahl der Schulverweigerinnen und -abbrecherinnen und die Zahl der Absenzen verringert werden.

Des weiteren soll eine Intensivierung der Fortbildung durch Erfahrungsaustausch der am Projekt beteiligten Lehrerinnen in Hinblick auf die Theorie und Praxis des Projekts vorangetrieben werden.

Durch die aktive Auseinandersetzung mit dem sozio-kulturellen Hintergrund aller sollen Fremdenangst und Vorurteile abgebaut werden, und damit eine Festigung des europäischen Grundgedankens erfolgen.

Durch den Aufbau des Netzwerks soll Hilfestellung für alle (Lehrerinnen, Schülerinnen, Eltern) bei rechtlichen Fragen, Amtswegen, persönlichen Krisen geboten werden. Ebenfalls soll in der Vorbereitung der Schülerinnen beim Übergang ins Berufsleben Hilfe geleistet werden.

Der Ausbau autonomer Strukturen und die Stärkung der Schulautonomie durch positive Akzentsetzungen soll vorangetrieben werden.

Ausblick

  • Vorschlag von Richtlinien für ein fächerübergreifendes, interkulturelles, pädagogisches Konzept das in allen drei Ländern angewendet werden kann.

  • Praktische und theoretische Materialien für Kinder und Lehrerinnen, die sich in Klassen mit hohem Anteil von Kindern mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen und von Kindern mit verschiedenem soziokulturellen Hintergrund als erfolgreich erwiesen haben.

  • Anleitungen zur Lehrerinnenfortbildung in Hinblick auf den interkulturellen, schülerinnenzentrierten Unterricht.

  • Aufgebautes Netzwerk auf zwei Ebenen: Im lokalen Bereich und zwischen allen beteiligten Partnerinnen aus allen drei Projektländern.

  • Weitergabe der erzielten Ergebnisse in Form von schriftlichen Berichten, Seminaren und Videofilmen zur Lehrerinnenfortbildung.

  • Funktionierende Homepage im Internet.

Franz-Joseph Huainigg: FREAK-RANDSTEIN

aus: FREAK-RADIO, Mittelwelle 1476, jeden 2. Donnerstag, 20.00 bis 20.30 Uhr

Schon gehört? Der Minister ist blind.

Na geh, was für eine Neuigkeit. Welcher Minister ist es nicht. So wie die drei Affen: Nichts hören, nichts sehen - nur reden tun sie viel. Das macht sie nicht nur zu Menschen sondern auch zu Politikerinnen. Aber nein, der Minister ist blind.

So richtig blind?

Ja, so richtig blind.

So mit gelber Schleife und schwarzen Punkten?

Glaub ich nicht, eher mit roten Punkten.

Aber wenn er so richtig blind ist, dann sieht er ja auch nichts.

Nein.

Und lesen kann er ja auch nichts - keine Reden und keine Akten. Na die sollen in Blindenschrift übersetzt werden.

Alle? Was das kostet. Können wir uns das überhaupt leisten?

Schon gehört? Großbritannien hat eine neue Regierung. Fünf Frauen, ein bekennender Homosexueller und ein Blinder sollen MinisterInnen werden. Paradigmawechsel auf der Insel. Naja, die. Die sind eben nicht so richtig ein Teil von Europa. Die dort drüben, über dem Meer, unter dem Tunnel durch, dort wo´s immer regnet, bei denen spielt es nicht so eine Rolle, wer gerade regiert.

Bei uns in Europa ist die Welt noch in Ordnung. Obwohl der nächste Kanzler in Deutschland vielleicht Schäuble heißt. So ein Rollstuhlfahrer halt. Diskutieren wird man darüber ja noch dürfen. Werden wird er es sowieso nicht. Man stelle sich vor, ein Bundeskanzler auf vier Rädern. Der kann ja nicht einmal bei der Bundeshymne aufstehen. Das Elend im Staatskabinett! Unsere Vorurteile, die politische Vorsehung und die Medien mögen uns davor bewahren!

Schon gehört? In Österreich fordern behinderte Menschen ein Antidiskriminierungsgesetz.

Schon gehört? In Österreich hat gerade ein blinder junger Mann sein Jusstudium abgeschlossen.

Als Richter oder Rechtsanwalt arbeiten darf er nicht, denn blinde Menschen dürfen in Österreich keine Verträge unterschreiben. Zu ihrer eigenen Sicherheit, sonst könnte ihnen ja jede Vertreterin alles Mögliche andrehen.

Zu seiner eigenen Sicherheit wird in Österreich auch kein behinderter Mensch Minister. Da könnte dann ja jeder der Republik alles Mögliche und Unmögliche andrehen. Womöglich würde er dann ja sogar ein Antidiskriminierungsgesetz unterschreiben. Weil er blind ist und gar nicht weiß, was Österreich wirklich braucht.

Fallstudien zur Integration in der Sekundarstufe 1

Lange Zeit haben wir auf die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitforschung des Zentrums für Schulentwicklung gewartet. Auf die Gesetzgebung konnten sie leider keinen Einfluß mehr nehmen.

Anhand von 14 ausgewählten Schulen im Bereich der 10-14jährigen wurden die "verschiedenen Integrationsmodelle" beleuchtet und die (damaligen) Schulversuche zur Übernahme ins Regelschulwesen überprüft. Nach folgenden Kriterien wurde die Auswahl getroffen: Hauptschulen nach Integrationsklassenmodell und aufgelösten Leistungsgruppen (davon drei in Großstädten, vier in kleinstädtisch-ländlichen Gebieten); eine HS nach Integrationsklasse mit Leistungsgruppen in einer Großstadt; ein Standort nach dem Stützlehrerinnenmodell mit Leistungsgruppen; zwei Schulen (eine AHS/Stadt, eine HS/Land) in denen jeweils ein sehgeschädigtes bzw. blindes Kind integriert wurde; zwei AHS nach dem kooperativ-integrativen Modell (de facto I-Klassen) Die wesentlichen Botschaften vorab:

  • Integration ist auch im Sekundarbereich möglich, man muß sie nur wollen.

  • Aufgrund der vielfältigen Begabungsbreite von seiten der Schülerinnen wird die pädagogische Phantasie der Lehrerinnen stimuliert.

  • Lehrerinnen erleben Integration als "sinnvolles Tun" mit hoher Befriedigung.

  • Nicht nur die Eltern der behinderten Kinder stehen hinter der Integration, auch die Eltern der nicht behinderten Schülerinnen und deren Kinder.

Fördereffekt

"Die Stärken der Integration werden insbesondere in der verbesserten - vor allem sozialen, aber auch kognitiven - Fördermöglichkeit für behinderte Kinder gesehen. Befürchtungen, die nichtbehinderten Schülerinnen könnten durch die Anwesenheit zu wenig an Fördermöglichkeiten finden, sind ziemlich selten". Zwar wird häufig die Meinung geäußert, daß Kinder mit "schwierigen Behinderungen" nicht sinnvoll integriert werden können, aber interessanter Weise nie in Zusammenhang mit Schülerinnen, die die jeweilige Klassen tatsächlich besuchen - und dies, obwohl an vielen der untersuchten Klassen Schülerinnen mit sehr "ernsten Behinderungen" unterrichtet werden.

Schwierigkeiten

In der Berichtlegung ist von Inspektorinnen und Schulleiterinnen die Rede, die "ihre" Schulversuche eher zu boykottieren als zu unterstützen scheinen; da kommen Lehrerinnenteams vor, die weitgehend isoliert vom übrigen (eher ablehnenden) Kollegium ihre Arbeit tun, da klagen Lehrerinnen über das ungünstige Verhältnis von Arbeitsaufwand und -entschädigung (Hierarchie bei Bezahlung); da erscheinen Mütter und Väter, die über unzureichende soziale Integration ihrer (behinderten) Kinder klagen oder um die optimale Leistungsförderung ihrer begabten Kinder fürchten, da finden sich Beispiele von unzureichender baulicher und materieller Ausstattung für die Betreuung behinderter Schülerinnen und da wird von Fällen berichtet, in denen die Integration behinderter Kinder nicht sehr weit entfernt ist von den Verhältnissen früherer Zeiten, als diese noch einfach auf den Eselsbänken ihr tristes Dasein fristeten. Die kritischsten Stellungnahmen zu den laufenden Integrationsmodellen gab es bei der Klasse nach dem kooperativen Modell. "Hohe organisatorische Belastung, unzureichende Mechanismen der sozialen Integration, relativ große Unzufriedenheit der beteiligten Lehrerinnen und Eltern ergeben ein Bild, das sich recht gut in die diesbezüglichen Ergebnisse der Evaluation im Grundschulbereich einfügt" (Specht). Nicht erhoben wurden Daten zu Sonderpädagogischen Zentren, etwa inwiefern sie die Integration im Schulversuch unterstützten, welche Erwartungen an sie herangetragen werden, etc.

Der Bericht ist gratis zu beziehen beim Zentrum für Schulentwicklung, Bereich II: Evaluation und Schulforschung des BMUK, Hans-Sachs-Gasse 3/II, Graz, Tel.: 0316/828733-0.

Recht auf Bildung

Die allgemeine Schulpflicht beträgt neun Jahre. Das ist klar, eindeutig und das weiß Österreich.

Schafft eine Schülerin den Lehrstoff nicht im Durchschnittstempo, aus welchen Gründen auch immer, darf sie bis zu dreimal im Laufe der Schulzeit jeweils eine Klasse wiederholen. Ein behindertes Kind in einer Integrationsklasse hat dieses Recht nicht!

Wenn eine behinderte Schülerin eine Integrationsklasse besucht hat, muß sie nach neun Schuljahren die Schule verlassen. Auch wenn sie vielleicht nach einem weiteren Jahr zu einem regulären Hauptschulabschluß kommen könnte.

Ein Beispiel

Das Ansuchen einer Wiener Schülerin auf ein freiwilliges 10. Schuljahr wurde abgelehnt. Der Stadtschulratspräsident sah keine gesetzliche Möglichkeit diesen Antrag positiv zu erledigen. Die Unterrichtsministerin begründete ihre Ablehnung damit, daß ein erfolgreicher Hauptschulabschluß damit nicht garantiert sei. Haben Sie schon einmal gehört, daß der Schulbesuch eines Kindes (ohne sonderpädagogischen Förderbedarf) nicht erlaubt wurde, weil die betreffende Schülerin vor Beginn des Schuljahres keine Garantie auf erfolgreichen Abschluß abgegeben hat? Ist die Bildung eines behinderten Kindes (in Integrationsklassen) weniger wert als die Bildung eines nichtbehinderten Kindes?

"Der Fall Barbara Z." steht plakativ für viele und wurde auch in der ORF Sendung "Thema" (2.6.1997) dargelegt. Alle uns bekannten Anträge auf ein 10. Schuljahr wurden abgelehnt.

Unrecht

Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrationsklassen dürfen derzeit nur neun Jahre die Schule besuchen. Hingegen haben Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Sonderschulen das Recht auf 11 Jahre Schulbildung. Das widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz und ist diskriminierend. Übrigens haben nichtbehinderte Kinder - bei Gymnasialbesuch - das Recht auf 15jährige Schulbildung.

Was wir wollen

Da soziale Integration das vorrangige Ziel ist, macht es wenig Sinn, Kinder mit Behinderung eine Klasse wiederholen zu lassen. Eltern und Kinder wünschen sich weitere Schuljahre, damit die individuelle Entwicklung gewährleistet werden kann.

Wichtig wäre die Schaffung einer weiterführenden mindestens zwei Jahre dauernden integrativen schulischen Bildung mit folgenden Schwerpunkten:

  • Persönlichkeits- und Allgemeinbildung

  • Erwerb lebenspraktischer Fähigkeiten zum selbstbestimmten Leben

  • Möglichkeiten zur Arbeits- und Berufsorientierung. Wie kann Schule ihrem Bildungsauftrag gerecht werden, wenn sie einerseits behinderten Kindern zubilligt langsamer lernen zu dürfen, andererseits dann diese "Langsameren" früher als andere stoppt? - Und das nur dann, wenn sie in eine Integrationsklasse gehen!

NOTIERT

Recht ist nicht gleich Recht!

Herr Günter S. wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Die hat er längst abgesessen. Trotzdem wird er weiterhin in der Strafanstalt festgehalten.

Wie das möglich ist? Herr Günter S. ist geistig behindert. Deshalb wurde das Urteil so formuliert, daß eine Entlassung nur aufgrund einer richterlichen Entscheidung erfolgen kann. Wäre Günter nicht behindert, wäre er nach Abbüßen der Strafe (seit einem Jahr!) bereits in Freiheit! Obwohl das soziale Umfeld stark für Günter eintritt, der Arbeitsplatz erhalten werden konnte, eine Wohngemeinschaft ihn aufnehmen würde, Eltern und Pfarre sich engagieren, entschied der Richter, daß Günter der Welt "draußen" immer noch nicht zumutbar ist.

Kärnten

Büroeröffnung der ARGE BIK (Behinderten Integration Kärnten) und Arbeitsassistenz Kärnten; Adresse: Bahnhofstrasse 47, 9020 Klagenfurt;

Universität Klagenfurt

Die neugegründete Abteilung "Integrationspädagogik und Soziales Umfeld" tritt in Forschung, Lehre und Praxis interdisziplinär vernetzt für eine "Pädagogik der Nichtaussonderung und Vielfalt" ein. Diese gegen jedwede Selektion von Menschen gerichtete Sichtweise beschränkt sich nicht auf behinderte Kinder und Jugendliche, sonder bezieht alle Menschen ein, die aufgrund ungünstig gestalteter sozialer Umfeldbedingungen an einer vollen gesellschaftlichen Teilhabe "behindert" werden.

Deutschland

Schulversuch "Integrationsklasse" in Rheinland-Pfalz beendet.

Die Landesregierung hat ein Folgekonzept vorgestellt. Prinzipiell sollen alle (auch behinderte) Kinder des direkten Einzugsbereiches der Schule eingeschult werden. Im Konzept findet sich eine schlechte personelle Ausstattung (eine Sonderschullehrerin mit 20 Wochenstunden für eine dreizügige Schule! und eine halbe pädagogische Fachkraft). Es kann von erschwerten Aufnahmebedingungen für Kinder mit stärkeren Beeinträchtigungen ausgegangen werden. nähere Info: Homepage: http://home.t-online.de/home/Ulf.Werkhausen

Schweiz

Schweizer Heilpädagogik-Preis 1997 geht ins Tessin.

Das Curatorium der Schweizer Zentralstelle für Heilpädagogik hat den Tessiner Heilpädagogen, Sonderschulinspektor und Software-Entwickler Gabriele Scascighini für seine innovative Arbeit beim Einsatz informationstechnischer Hilfsmittel für behinderte Kinder und Erwachsene ausgezeichnet.

LESERBRIEF

Heinz Gruber

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu Ihren Beiträgen betreffend die 17.SchOG-Novelle im Heft Nr. 4/96 erlaube ich mir einige Anmerkungen, um deren Veröffentlichungen ich ersuche: "Es wird von Integration geredet, beim genauerem(n) Hinschauen wird deutlich: die vorliegenden "Schulreformen" geben Integration vor, enthalten aber dafür keine Rahmenbedingungen." Mit dieser Aussage werden mehr als 300 Millionen zusätzliche Budgetmittel schlichtweg unter den Teppich gekehrt. In weiterer Folge wird auf der einen Seite reklamiert, daß man sich auf Schulversuchsergebnisse stützen sollte, andererseits das Schulversuchsergebnis in Form der Schulversuchsstatistik hinsichtlich der durchschnittlichen Schülerzahl in den Integrationsklassen ignoriert. Eine absurde Steigerung erfährt diese Sichtweise im Zitat "damit wird eine unzumutbare Unterrichtssituation vorprogrammiert, die Wiederbelebung der "Eselsbank" droht."

Bei den Ausführungen über die Rahmenbedingungen wäre eigentlich zu erwarten, daß die eigenen Beiträge rezipiert wurden und nicht wieder das übliche Lamento angestimmt wird. In einer vorhergehenden Nummer wurde nämlich eine ausgezeichnete Zusammenstellung der Ausführungsgesetze zur Volksschulintegration (also der rechtlichen Grundlagen der Rahmenbedingungen!) veröffentlicht, wobei sich deutlich zeigt, daß auf Landesschulebene zum Teil günstigere Bedingungen geschaffen wurden als für den seinerzeitigen Schulversuch bestanden haben(z.B. im früher gelegentlich angefeindeten Bundesland Niederösterreich). Bei dieser Konzentration auf Schulfragen sollten auch die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Schulwesens, nämlich daß die Ausführungsregelungen von den Bundesländern getroffen werden und daher nicht vom BMUK vorgegeben werden können, etwas besser bekannt sein.

Bedauerlicherweise wurde auch die geradezu neurotische Haltung gegenüber Kooperationsklassen beibehalten. Hier werden wieder bereitwillig Schulversuchsergebnisse beschworen, wobei diskret verschwiegen wird, daß diese Modelle wesentlich ungünstigere "Rahmenbedingungen" hinsichtlich der Ressourcen aufgewiesen haben und auch weiterhin aufweisen. Von wegen "Stärken" der Kooperationsklasse: Wo finden sich für dieses Modell vergleichbar günstige Schülerzahlregelungen wie für die integrative Klasse? In Wirklichkeit müßte man von einer klaren Benachteiligung des Modells der kooperativen Klassen sprechen, weil im Bundesgesetz keine Senkungen der Schülerhöchstzahlen vorgesehen sind!

Hinsichtlich der Objektivität der Beratung an Sonderpädagogischen Zentren unter Respektierung des Elternwunsches wäre von den Funktionären und Mitarbeitern Ihres Vereins selbst einzufordern, daß sie die Entscheidungen aller Eltern respektieren und sich zur Notwendigkeit einer Vielfalt der Fördermöglichkeiten bekennen. Dazu gehört auch das Zugeständnis, daß es Grenzen der Finanzierbarkeit und Machbarkeit gibt und ein Übermaß an positiven Diskriminierungen (z.B. bevorzugter Zugang an AHS gegenüber nicht behinderten Schülern) jenen Nährboden schafft, der mit großer Wahrscheinlichkeit zur Ablehnung integrativer Anliegen in der Gesamtbevölkerung führen würde. So gesehen sollte auch die Möglichkeit des hausgemachten Anteils einer "neuen Behindertenfeindlichkeit", von der immer wieder berichtet wird, kritisch reflektiert werden. Ich halte es daher beim gegenwärtigen Aufbau des Schulwesens für geradezu verantwortungslos, zu verlangen, daß für die AHS geeignete Schüler (und zwar in doppelter Anzahl) abgewiesen werden sollen, um für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen privili(e)gierten Zugang zu schaffen.

"Politiker/innen haben wider besseres Wissen gehandelt (Seite 5 3.Spalte), Grundsatz "Behinderte zuletzt" (2.Spalte), "zahlreiche unqualifizierte Äußerungen von sogenannten Lehrervertreterinnen bzw. "besorgten" Expertinnen: Der Rundbrief bleibt konsequent bei der Linie, alles niederzumachen, was nicht den eigenen Vorstellungen und Forderungen uneingeschränkt nachkommt. Kein Wort der Anerkennung für eine Ressortleiterin, die ihre Reformabsichten gegen härteste Widerstände konsequent verfolgt und durchgesetzt hat, obwohl jeder Insider weiß, daß dies im Vergleich zu den seinerzeitigen Grundschulregelungen und angesichts der gegenwärtigen Budgetsituation eine herausragende Leistung war.

Mit freundlichen Grüßen Heinz Gruber

Anmerkung zum Leserbrief

Monika Haider: Objektivität, Subjektivität und Lamento der Integrationsbewegung

Dem möchten wir eine Passage des Referats "Schulpolitik und Schulverwaltung" von MR Dr. Heinz Gruber, gehalten beim Symposium "Schule ohne Aussonderung" 1986 voranstellen:

"Zur Funktion und Struktur der Schulverwaltung läßt sich feststellen, daß diese nach dem Legalitätsprinzip vor allem die gegebenen gesetzlichen Vorschriften vollzieht. Veränderungen können daher nicht von der Verwaltung erwartet werden, sondern müssen auf der politischen Ebene in Gang gesetzt werden. Die Verwaltung selbst ist primär nicht auf Veränderungen gerichtet, sondern wirkt aus sich heraus als bewahrendes und somit auch als konservierendes Element.

Der Aufbau der österreichischen Schulverwaltung entspricht der Struktur des österreichischen Schulwesens. Soferne nun schulartübergreifend (z.B. zwischen Sonderschulen und allgemeinen Schulen) Kooperation und gemeinsame Erziehungsvorhaben angestrebt werden, müßten auch auf der Verwaltungsebene die entsprechenden Strukturen grundgelegt werden. Jede Verwaltungseinheit sieht in erster Linie die ihr zugewiesenen Verwaltungsaufgaben und wird daher Projekte, die nicht diesem Aufgabenbereich zuzuordnen sind, auf Grund der Zuständigkeiten von vornherein ablehnen oder zumindestens nicht wahrnehmen. Somit wären auch auf der Verwaltungsebene Ressourcen zu schaffen, um schulische Innovationen vorbereiten und umsetzen zu können." (Gruber, 1986)

Im Unterschied zu damals wollen nun ja angeblich alle die schulische Integration behinderter Kinder, aber der Teufel steckt im Detail. Die Schulgesetze in Österreich sind unübersichtlich, mehrgleisig und - selbst für viele Lehrerinnen erklärungsbedürftig. Dort werden z.B. als integrative Maßnahme auch Kooperationsklasse und Sonderschule verstanden. (Geht das Kind in eine Kooperationsklasse, geht es in eine Sonderschulklasse, die nur ab und zu mit einer "Regelschulklasse" kooperiert!) Und das obwohl die wissenschaftliche Begleitstudie, analog zu den Volksschulergebnissen, dem kooperativen Modell die schlechteste Bewertung zukommen läßt! Obwohl gerade die Integrationsbewegung entstanden ist, damit ihre "behinderten Kinder" den Sonderschulen auch entkommen können! Eltern haben nun die Wahl für ihr Kind zu entscheiden. Immerhin gibt es jetzt gesetzliche Regelungen von der Grundschule bis zum 8. Schuljahr. Das ist anders als vor 11 Jahren. Das ist lobenswert und verhilft Eltern behinderter Kinder zum gleichen Recht wie allen anderen Eltern. Dennoch können wir uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Zu viele Fragen bleiben offen, zu viele Punkte sind zu klären.

Das "übliche Lamento" unserer- seits, unsere fast schon "neurotische Haltung" kriegt beim Durchlesen der wissenschaftlichen Berichte des BMUK zu den Schulversuchen in der Sekundarstufe neuen Nährboden. "Da ist etwa von Inspektorinnen und Schulleiterinnen die Rede, die "ihre" Schulversuche eher zu boykottieren als zu unterstützen scheinen; da kommen Lehrerinnenteams vor, die weitgehend isoliert vom übrigen (eher ablehnenden) Kollegium ihre Arbeit tun, da klagen Lehrerinnen und Lehrer über das ungünstige Verhältnis von Arbeitsaufwand und -entschädigung (Hierarchie bei Bezahlung); da erscheinen Mütter und Väter, die über unzureichende soziale Integration ihrer (behinderten) Kinder klagen oder um die optimale Leistungsförderung ihrer begabten Kinder fürchten, da finden sich Beispiele von unzureichender baulicher und materieller Ausstattung für die Betreuung behinderter Schüler und da wird von Fällen berichtet, in denen die Integration behinderter Kinder nicht sehr weit entfernt ist von den Verhältnissen früherer Zeiten, als diese noch einfach auf den Eselsbänken ihr tristes Dasein fristeten." (BMUK, 1997) Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bestätigen unsere alltäglichen Erfahrungen.

Wenn Dr. Gruber, den wir als kompetenten Partner schätzen gelernt haben, unsere Objektivität anzweifelt, obwohl wir immer eindeutig und klar als Elterninitiative für Integration ein(ge)treten (sind), selbst aber die ministeriumseigenen Begleitforschungen unsere "subjektiven" Erfahrungen belegen, können wir seine Sicht der Dinge nur in Zusammenhang mit den 1986 getätigten Aussagen deuten: weil der politische Weg eben nicht klar definiert ist, weil innerhalb der Schulverwaltung viel mehr Kraft aufgewendet wird, Altes zu bewahren, ... An dieser Stelle könnte die obige Referatspassage wieder beginnen! Nichts desto Trotz werden wir versuchen, weiterhin den Durchblick zu behalten und Halbherzigkeiten aufzeigen.

Monika Haider INTEGRATION : ÖSTERREICH

Buchtipp

Jutta Schöler (Hrsg.):

"Italienische Verhältnisse" Teil II: Menschen mit Behinderungen auf dem Weg von der Schule in die Arbeitswelt

Klaus Guhl Verlag, Berlin 1996

Ein integrationspädagogischer Reiseführer durch Italien ist erschienen, der wahrscheinlich besonders für den Praktiker und Freund konkreten Erlebens schulischer Realität eine Freude ist. Schon seit Anfang der Achtzigerjahre führt Prof. Schöler Exkursionen nach Italien mit Studentinnen, Lehrerinnen, Müttern behinderter Kinder und erwachsenen Behinderten durch. Kindergärten, Grundschulen, Mittelschulen, Oberschulen und Einrichtungen der Arbeitseingliederung wurden besucht. Darüber sind bisher drei Bücher herausgekommen, nämlich "Schule ohne Aussonderung in Italien" (1983), "Italienische Verhältnisse - insbesondere in den Schulen von Florenz" (1987) und "Sono Bambini - es sind Kinder" (1994). Nun folgte mit "Italienische Verhältnisse - Teil II" (1996) das vierte Buch und beschließt damit vorläufig dieses bedeutende Referenzwerk zur Integration in Italien. Etwa 30 kleine Studien von 23 Autorinnen führen durch das italienische Bildungssystem, die Integrationsgesetzgebung, Elterninitiativen, beteiligte Berufsgruppen, die Leistungsbeurteilung. Die unglaublichen Erlebnisse von Frau Calenzani bei der Durchsetzung von Integration in Südtirol vor 20 Jahren oder die Rolle der "bidelli" (nichtlehrendes Personal) gehören dazu. Stundenbilder und Fallstudien aus dem Bereich der Scuola Media, Integration auf der Sekundarstufe II sowie Kooperativen und Einrichtungen zur Eingliederung in die Arbeitswelt geben Österreicherinnen Zukunftsperspektiven. Ein Glossar italienischer Fachausdrücke und Abkürzungen und ein kleines Literaturverzeichnis runden die Dokumentation ab.

Volker Rutte

VIDEOTIP

"Towards Human Rights"

Videomitschnitt (VHS 90min) vom XII. Weltkongress des Gehörlosenverbandes 1995 in Wien Neben Auszügen aus Ereignissen (Vorträgen, Diskussionen, Kunstausstellung, Theateraufführungen ...) werden die wichtigsten Stellungnahmen und Empfehlungen des Kongresses zusammengefaßt. Die Dokumentation ist sowohl gehörlosentauglich ( internationale Gebärdensprache) als auch in Inhalt und Sprache für Hörende aufbereitet.

Info.: Fischer Film/Linz Tel.: 0732/600606

"Hand in Hand"

ein Film über Kinder mit Down-Syndrom entstand aus einer Elterninitiative und zeigt die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten und die individuellen Besonderheiten von Kindern mit Down-Syndrom

erhältlich bei: Projektgruppe Down Syndrom, Stollenweg 19, A-8700 Leoben, Tel.: 03842/46897

Impressum

Die Blattlinie ergibt sich aus der Zielsetzung von I:Ö, nämlich einerseits die Öffentlichkeit über die Anliegen und Forderungen von Eltern behinderter Kinder/ Jugendlicher und behinderter Menschen zu informieren, andererseits die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen, den einzelnen Initiativen von Eltern und darüber hinaus zu den Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen zu fördern.

Jede Ausgabe beinhaltet einen thematischen Schwerpunkt, in dem Anliegen und Forderungen für ein gemeinsames Leben und Lernen und die dazu notwendigen sozial- und bildungspolitischen Überlegungen vorgestellt werden.

Grundlegende Richtung nach §25/2 Mediengesetz:

Information und Kommentar zu Fragen gesellschaftlicher Integration, insbesondere behinderter und nichtbehinderter Menschen.

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Quelle:

Integration: Österreich / Verein Gemeinsam leben - Gemeinsam lernen (Hrsg.): betrifft: integration Nr. 2/1997, Herold Druck- und Verlagsges.m.b.H., Wien

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 22.08.2006

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