Leistungsbeurteilung in Integrationsklassen der Sekundarstufe I

Autor:in - Ewald Feyerer
Themenbereiche: Schule
Textsorte: Zeitschrift
Releaseinfo: erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 1/99. Thema: Schule ohne Grenzen Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft (1/1999)
Copyright: © Ewald Feyerer 1999

Leistungsbeurteilung in Integrationsklassen der Sekundarstufe I

Seit der 17. SchOG-Novelle können integrativ geführte HS-Klassen in Oberösterreich alternative Formen der Leistungsbeurteilung anwenden, allerdings muß dafür ein Schulversuch beantragt werden. Der vorliegende Bericht informiert darüber, in welchem Ausmaß und aus welchen Motiven die verschiedenen Formen der Leistungsbeurteilung im Schuljahr 1997/98 von den o.ö. LehrerInnen verwendet wurden. In Thesenform faßt der Autor die wichtigsten qualitativen Ergebnisse der Befragung zusammen.

"Als integrativ bezeichne ich eine Allgemeine (kindzentrierte und basale) Pädagogik, in der alle Kinder und Schüler in Kooperation miteinander, auf ihrem jeweiligen Entwicklungsniveau, nach Maßgabe ihrer momentanen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskompetenzen, in Orientierung auf die ‚nächste Zone der Entwicklung', an und mit einem ‚gemeinsamen Gegenstand' spielen, lernen und arbeiten.[1] "

Integrativer Unterricht nimmt Rücksicht auf die Unterschiedlichkeit der Kinder. Dies muß notwendigerweise zu einem schülerzentrierten Unterricht führen, bei dem davon abgegangen wird, allen Schülern zur gleichen Zeit und im selben Tempo die gleichen Lernziele vorzugeben. Vielmehr wird der Lerngegenstand auf die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder angepaßt, also individualisiert. Vergleiche in Form von Noten sind damit nur mehr schwer durchzuführen. Das der Ziffernbeurteilung zugrunde liegende Theoriegebäude der Normalverteilung ist nicht mehr passend, denn wie soll ein "gerechter" Durchschnitt gebildet werden, an dem die einzelnen Schülerleistungen gemessen werden, wenn die Individualität der Kinder Grundlage des unterrichtlichen Handelns ist. Unterschiedliche Lernbedingungen verlangen nach einem großen Repertoire an Methoden und individualisierte Lernziele bedingen eine nicht vergleichende Beurteilungsform[2]. Andererseits ist die Note schlechthin "das" Maß für die schulische Leistung in unserer Gesellschaft. Je älter die Kinder werden, desto wichtiger werden die Noten für die Eltern und damit auch für die Kinder, da sie noch immer die Grundlage für die weitere Bildungslaufbahn sind. Damit hat der Faktor Selektion und Segregation auch in integrativen Klassen seine Bedeutung.

Um auch den Lehrern in der Hauptschule[3] die Möglichkeit zu geben, alternative Formen der Leistungsbeurteilung erproben zu können, wenn alle beteiligten Schulpartner damit einverstanden sind, hat der oberösterreichische Landesschulrat bereits in seinen ersten Rahmenkonzepten zur Hauptschulintegration entsprechende Regelungen vorgesehen. Da bei der Überführung der Integration ins Regelschulwesen diese Bestimmungen entgegen den Erfahrungen im Schulversuch nicht berücksichtigt wurden, räumte der oberösterreichische Landesschulrat in seinen Durchführungsrichtlinien zur sozialen Integration in der Hauptschule Lehrern in integrativen Klassen wieder die Möglichkeit ein, im Rahmen eines Schulversuches nach §78 SchUG folgende alternative Formen der Leistungsbeurteilung zu verwenden[4]:

A) Verbale Beschreibung unter Verwendung von Lernziellisten, Entwicklungsbüchern, ausgewählten Schülerarbeiten, etc.

Die verbale Beschreibung soll in einer für den Schüler[5] ermutigenden und motivierenden Form erfolgen. Standardformulierungen sind dabei zu vermeiden. Zur näheren Beschreibung des erreichten Lernstandes können entsprechende Lernziellisten, Pensenbücher, Entwicklungsbücher usw. verwendet werden. Auch eine entsprechend ausgewählte Sammlung von Schülerarbeiten (direkte Leistungsvorlage) kann die verbale Beurteilung ergänzen.

B) Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen

In den verbalen Zusätzen können individuelle und situative Bedingungen beschrieben werden. Vor allem ist auf den persönlichen Lernfortschritt einzugehen. Dabei sollen ebenfalls Standardformulierungen vermieden werden.

C) Kombination Ziffernbeurteilung und verbale Beschreibung

Hier muß zuerst festgelegt werden, in welchen Unterrichtsgegenständen mit Ziffern und in welchen mit verbaler Beschreibung bzw. mit Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen beurteilt wird. Die festgelegte Form ist für alle Zeugnisse einer Klasse verpflichtend. Es darf nicht so sein, daß Gegenstände, für die eine Ziffernbeurteilung festgelegt wurde, bei einzelnen Kindern - z. B. weil sie eine schlechte Note bekämen - verbal beurteilt werden.

Die Wahl der Beurteilungsform erfolgt nach Elterninformation im Klassenforum auf Vorschlag des Klassenvorstandes (nach Absprache mit seinem Lehrerteam) mit einer 2/3 Mehrheit und gilt für alle Schüler und für alle Pflichtgegenstände einschließlich des evangelischen und katholischen Religionsunterrichtes. Es können unterschiedliche Formen für die Schulnachricht und das Jahreszeugnis einer Klasse, für verschiedene Schulstufen, aber auch für parallele Klassen festgelegt werden, nicht aber für verschiedene Kinder einer Klasse. Die Auswahl der alternativen Form wird in erster Linie vom didaktischen Konzept abhängen. Die jeweils für eine Schulnachricht oder für ein Jahreszeugnis festgelegte Form der Leistungsbeurteilung muß bei allen Leistungsfeststellungen in diesem Beurteilungszeitraum angewandt werden.

Wird ein Schüler in einem oder mehreren Gegenständen nach dem Lehrplan einer anderen Schulart oder Schulstufe unterrichtet, so ist dies im Jahreszeugnis, im Jahres- und Abschlußzeugnis sowie in der Schulnachricht zu vermerken. Auch im Schülerstammblatt ist ein entsprechender Vermerk notwendig. Ein Lehrplanwechsel kann nur bescheidmäßig durch den Bezirksschulrat erfolgen. Eine Fachberatung aller Beteiligten einschließlich der Eltern unter Einbeziehung des Sonderpädagogischen Zentrums geht dieser Entscheidung voraus. Die Schulkonferenz entscheidet ob und in welchen Unterrichtsgegenständen ein Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach dem Lehrplan einer anderen Schulstufe als der seinem Alter entsprechenden zu unterrichten ist (§17 SchUG).

Außerdem kann jede Integrationsklasse ebenso wie jede andere Hauptschulklasse auch heterogen unterrichtet werden und somit auf die Einstufung und Benotung der Schüler nach Leistungsgruppen verzichten[6]. Dazu ist aber ein Schulversuch nach § 131b SchOG notwendig, da der Bundesgesetzgeber entgegen allen Erfahrungen im Schulversuch zwar den Verzicht auf die räumliche Aufteilung der Schüler nach Leistungsgruppen ermöglicht hat, eine Einstufung der Schüler aber prinzipiell stattfinden muß. LehrerInnen, welche die pädagogischen Prinzipien der Integration so wie im Schulversuch umsetzen wollen (gemeinsamer Unterricht, innere Differenzierung und Individualisierung samt dazupassender Beurteilungsform), müssen daher nun im Regelschulwesen zwei Schulversuchsanträge mit dem entsprechenden bürokratischem Aufwand stellen.

Im Auftrag des Landesschulrates für Oberösterreich erstellte ich einen rund fünfzigseitigen Bericht[7], der darüber Auskunft gibt, in welchem Ausmaß und aus welchen Motiven die verschiedenen Formen der Leistungsbeurteilung im Schuljahr 1997/98 von den oberösterreichischen Lehrern verwendet wurden. Zur Datenerhebung wurde von mir ein Fragebogen ausgearbeitet und im Sommersemester 1998 über die Sonderpädagogischen Zentrumsleiter an alle Hauptschulklassen mit zumindest einem behinderten Schüler ausgeteilt. Der vom jeweiligen Klassenvorstand ausgefüllte Fragebogen wurde bis zum Ende des Sommersemesters 1998 direkt an mich gesandt und von mir auf elektronischen Datenträgern erfaßt und ausgewertet. Dieser Artikel stellt die zusammengefaßten Ergebnisse dieser Studie in den Vordergrund.



[1] Feuser, G. (1995). Behinderte Kinder und Jugendliche zwischen Integration und Aussonderung. Darmstatt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S.168

[2] vgl. Feyerer, E. (1998). Behindern Behinderte? Integrativer Unterricht auf der Sekundarstufe I. Innsbruck; Wien: Studienverlag. S. 37ff

[3] In Österreich sind unter Sekundarstufe I die Schuljahre 5 - 8 gemeint, die entweder in einer Hauptschule (= HS) oder in einem Gymnasium (= AHS für Allgemeinbildende Höhere Schule) absolviert werden. Gesamtschule gibt es keine. In den Hauptschulen gibt es aber ebenso drei Leistungsgruppen (LG) in den drei Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik. Der Lehrplan der 1. Leistungsgruppe entspricht dem Lehrplan des Gymnasiums. Obwohl die Integration mit der 17. Schulorganisationsnovelle vom Dezember 1996 sowohl als Aufgabe der Hauptschule als auch der Unterstufe der Allgemeinbildenden Höheren Schulen gesetzlich verankert wurde, findet Integration jedoch fast ausschließlich in Hauptschulen statt.

[4] vgl. Erlass (24.9.1997): "Durchführungsrichtlinien zur sozialen Integration in der Hauptschule". Linz: Landesschulrat für Oberösterreich. Kapitel 5, S. 4ff)

[5] Der Lesbarkeit wegen verwende ich in diesem Bericht die männliche Form für beide Geschlechter.

[6] vgl. Erlass (24.9.1997): "Durchführungsrichtlinien zur sozialen Integration in der Hauptschule". Linz: Landesschulrat für Oberösterreich. Kapitel 4, S. 3f)

[7] Feyerer, E. (1998). Die Verwendung alternativer Formen der Leistungsbeurteilung in integrativen HS-Klassen im Schuljahr 1997/98 gemäß des Erlasses "Durchführungsrichtlinien zur sozialen Integration in der Hauptschule" des Landesschulrates für Oberösterreich vom 24.9.1997, Pädagogische Akademie des Bundes in OÖ, Linz: Institut Integrative Pädagogik

Quantitative Erfassung

Im Schuljahr 1997/98 gab es in Oberösterreich 362 Hauptschulklassen mit behinderten Kindern. Wird ein (lern)behindertes Kind ohne zusätzliche Lehrerressourcen integriert, so spricht man in Oberösterreich von "Einzelintegration", werden ein oder mehrere behinderte Kinder mit zusätzlichen Stützlehrerstunden integriert, von "Stützlehrerklassen" und wird einer Klasse aufgrund der Anzahl und Schwere der Behinderungen zumindest ein Integrationslehrer mit seiner vollen Lehrverpflichtung[8] zur Verfügung gestellt, von "Integrationsklassen". Tabelle 1 zeigt die Verteilung der befragten Klassen sowie den Rücklauf nach den drei Modellen.

Mehr als die Hälfte aller oberösterreichischen Klassen mit behinderten Kindern werden nach dem Stützlehrermodell geführt, rund 7% nach dem Modell Einzelintegration und etwas mehr als ein Drittel sind Integrationsklassen. Von den insgesamt 362 Klassen haben sich 159, also 43,9% an der Befragung beteiligt. Dieser Rücklauf ist durchaus zufriedenstellend, da die verschiedenen Modelle ausreichend vertreten sind und auch die Verteilung nach Schulstufe und Anzahl der behinderten Kinder pro Klasse einen guten Spiegel der oberösterreichischen Situation darstellt. Im Durchschnitt befinden sich in den Klassen mit Einzelintegration 1,38, in den Stützlehrerklassen 2,17 und in den Integrationsklassen 5,27 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Modell

Klassen insgesamt

Rücklauf

   

Häufigkeit

Prozent

Häufigkeit

Prozent

 

Integrationsklassen

130

35,9

69

43,4

Stützlehrerklassen

206

56,9

69

43,4

Einzelintegration

26

7,2

21

13,2

Summe

362

100,0

159

100

Einstufung und äußere Differenzierung nach Leistungsgruppen

Bezüglich der Leistungsgruppen interessiert vor allem, wieviele Klassen auf eine äußere Differenzierung nach Leistungsgruppenniveaus verzichten, also im Sinne einer heterogenen Stammklasse arbeiten und wieviele Klassen auch auf eine Einstufung nach Leistungsgruppen im Zeugnis verzichten. Tabelle 2 gibt dazu folgenden Überblick:

Tabelle 2: Äußere Differenzierung nach LG und Ausweis der LG im Zeugnis

 

Gibt es in Ihrer Klasse eine stundenplanmäßig fixierte äußere Differenzierung nach LG?

Weisen Sie Leistungsgruppen im Zeugnis auf?

           

nein

ja

nein

ja

         

Anzahl

Prozent

Anzahl

Prozent

Anzahl

Prozent

Anzahl

Prozent

 

Integrationsklassen

52

75,4

17

23,6

26

39,4

40

60,6

Stützlehrerklassen

3

4,3

66

97,7

1

1,4

68

98,6

Einzelintegration

4

19,0

17

81,0

1

4,8

20

93,2

Summe

59

37,1

100

62,9

28

17,9

128

82,1

Von den insgesamt 159 Klassen verzichten immerhin 59, also etwas mehr als ein Drittel vollkommen auf eine äußere Differenzierung nach Leistungsgruppenniveaus, 52 (also 88,1 %) davon sind Integrationsklassen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage nach dem Ausweis der Leistungsgruppen im Zeugnis: 26 Integrationsklassen (ca. 40% aller I-Klassen), aber nur je eine Stützlehrer- bzw. Einzelintegrationsklasse verzichten auf den Ausweis der Leistungsgruppen im Zeugnis. Während es also im Stützlehrer- bzw. Einzelintegrationsmodell kaum eine heterogene Stammklasse gibt, verzichten drei von vier Integrationsklassen auf eine äußere Differenzierung nach LG und zwei von fünf Integrationsklassen verzichten auch auf den Ausweis der Leistungsgruppen im Zeugnis.

Von den 17 Integrationsklassen, die angaben, eine äußere Differenzierung nach LG im Stundenplan fixiert zu haben, gehen nur 4 bzw. 5 Klassen in den Fächern Deutsch und Mathematik in allen Wochenstunden auseinander, in Englisch jedoch doppelt soviele. Da auch bei den anderen Modellen Klassen mit einer "bedingten" LG-Differenzierung (einen Teil der vorgesehenen Wochenstunden im heterogenen Klassenverband, den anderen Teil nach Leistungsgruppen aufgeteilt) vorhanden sind, ergibt sich folgendes Bild: 4 der 69 Integrationsklassen (also 5,8 %) arbeiten praktisch nach dem herkömmlichen Leistungsgruppensystem, 13 führen regelmäßig in einzelnen Stunden eine äußere Differenzierung nach Leistungsgruppensystem durch und 52, also drei Viertel der Integrationsklassen verzichten vollkommen auf eine zeitlich fixierte äußere Differenzierung. Bei den beiden anderen Modellen ist die Situation genau umkehrt: Rund 70 % der Klassen mit Einzelintegration und 90 % der Stützlehrerklassen arbeiten im herkömmlichen Leistungsgruppensystem, verzichten also auf einen gemeinsamen Unterricht in der heterogenen Stammklasse.

Beurteilungsformen

Von den 159 befragten Klassenvorständen gaben 123 (= 77,4 %) an, momentan keine alternative Form der Leistungsbeurteilung zu verwenden. Untergliedert man diese Klassen nach Modellen, so ergibt sich folgendes Bild:

  • 67 von insgesamt 69 Stützlehrerklassen,

  • 36 von 69 Integrationsklassen (also rund die Hälfte) und

  • 20 von 21 Klassen mit Einzelintegration arbeiten mit Ziffernnoten.

9 dieser 123 Klassen (7 Integrations- und je 1 Stützlehrer- und Einzelintegrationsklasse) verzichten auf einen Ausweis der Leistungsgruppen. Somit arbeiten 114 Klassen oder 71,7 % der gesamten Stichprobe mit der herkömmlichen Ziffernbeurteilung samt LG-Bezug, 9 Klassen (5,7%) mit Ziffernnoten, aber ohne Leistungsgruppenbezug.

36 von den insgesamt 159 Klassen (= 22,6%) verwenden eine alternative Form der Leistungsbeurteilung, wobei vor allem die Varianten "Verbale Beschreibung" und "Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen" gewählt werden[9]. Darunter befinden sich vierzehn 1. Klassen (39%), sechzehn 2. Klassen (44%) und nur mehr sechs 3. Klassen (17%). In der 4. Klasse wäre zwar die Form B (Ziffernnote mit verbalen Zusätzen) als einzige Alternative gestattet, wird aber von keiner Klasse durchgeführt.

 

Verwendete alternative Formen

       

Verbale Beschreibung

Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen

Gesamt

     

Integrationsmodell

Stützlehrerklasse

Anzahl

2

-

2

 

Integrationskl.

Anzahl

20

13

33

 

Einzelintegration

Anzahl

-

1

1

Gesamt

 

Anzahl

22

61,1 %

14

38,9 %

36

100,0 %

Somit wird im Schuljahr 1997/98 in 22 von insgesamt 159 Klassen (=13,8%) auf die Noten vollkommen verzichten und in 14 Klassen (8,8%) werden zu den Noten verbale Ergänzungen gegeben. Die Verteilung nach Modellen in Tabelle 3 zeigt, daß beide Alternativen vor allem in Integrationsklassen und kaum in Stützlehrer- oder Einzelintegrationsklassen angewandt werden.

Für die Verbale Beschreibung wurden Zeugnis- bzw. Schulnachrichtsformulare entwickelt, die Schulen können jedoch auch selbsterstellte Formulare verwenden. Da auf einem Zeugnisformular nur wenig Platz ist, verwenden die meisten Klassen zusätzliche Dokumentationen. Rund 60% verwenden einen Entwicklungsbericht, der auf der Grundlage des Pensenbuches für Volksschul(integrations)klassen vor allem von der Hauptschule Oberneukirchen für alle 4 Jahrgangsstufen entwickelt wurde und den anderen Schulen per elektronischem Datenträger zur Verfügung gestellt wird. Aufbauend auf dieser Vorlage wird in jeder Klasse ein eigener Entwicklungsbericht für die Schüler erstellt, der über das jeweilige Sozial- und Arbeitsverhalten, die bearbeiteten Lernziele in den einzelnen Gegenständen sowie über die im Laufe des Schuljahres durchgeführten Projekte einen Überblick gibt. Öfters werden auch Schülerarbeiten (z.B.: Referate, Beiträge für Schülerzeitung, ...) angefügt. Diese Form ist zwar sehr arbeitsaufwendig, ermöglicht aber dafür eine sehr differenzierte und individuelle Beschreibung der Lernausgangslage und des Lernfortschrittes eines jeden Schülers. Da sie weiters auf Kategorisierung und Typologisierung in sehr gute, gute, ... Schüler verzichtet, paßt sie ausgezeichnet zu den Anforderungen eines schülerbezogenen Unterrichts. Fast 30 % arbeiten mit Lernziellisten in den einzelnen Fächern, also mit einer etwas weniger aufwendigen Form des Entwicklungsberichtes. In einer Klasse wurde die direkte Leistungsvorlage zur Ergänzung des Zeugnisses verwendet. Dabei werden ausgewählte Schülerarbeiten aus den verschiedenen Fächern gesammelt, die der Betrachter dann selbst beurteilen kann.



[8] Pflichtschullehrer haben in Österreich eine Lehrverpflichtung von 23 Unterrichtsstunden pro Woche.

[9] Zwei Klassenvorstände kreuzten zwar die Variante "Kombination Ziffernbeurteilung und verbale Beschreibung" an, da es sich dabei aber um eine Falschinterpretation handeln dürfte, die Anzahl so gering ist und inhaltlich vor allem der Unterschied zwischen Varianten ohne bzw. mit Noten entscheidend ist, werden diese Fälle zur Variante "Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen" gezählt. Ebenso jene drei Klassen, welche die verbalen Zusätze nicht schriftlich sondern nur mündlich bzw. mit Entwicklungsbericht geben.

Qualitative Ergebnisse

Die wichtigsten Ergebnisse der Befragung sind in den folgenden 11 Thesen kurz zusammengefaßt und erläutert:

1) Die Möglichkeit, alternative Formen der Leistungsbeurteilung verwenden zu können, ist den Lehrern sehr wichtig

Eine überwiegende Mehrheit der befragten Lehrer (64,7%) hält die prinzipielle Möglichkeit, alternative Formen der Leistungsbeurteilung anwenden zu können, für sehr wichtig bzw. wichtig. Neben der freien Entscheidung der Schulpartner ("Weil nur auf diese Art Lehrer, Eltern und Schüler die für sie entsprechende Form auswählen können")[10] werden vor allem die Vorteile alternativer Beurteilungen ("Kein Leistungsdruck, genauere Beschreibung der Schüler ist möglich."; "Stark motivationsfördernd. Ich kann Schüler nach ihren Stärken beurteilen, nicht nach ihren Schwächen. Auch für schwache Schüler sind Erfolgserlebnisse leichter möglich.") sowie die notwendige Verbindung zwischen individualisiertem Unterricht und schülerbezogener Beurteilung ("Notengebung ist nicht individuell abstimmbar und letztlich ein Ausspielen der 'Besseren' gegen die 'Schwächeren', was in einer I-Klasse fatale Folgen hat.") als Gründe genannt.

Als eher unwichtig werden alternative Formen dann bewertet, wenn die Lehrer Integration im Sinne von Normalisierung definieren, also als Einpassung des behinderten Schülers in das normale System sehen ("Die Schüler lassen sich gut in die herkömmliche Beurteilung eingliedern."; "Hauptsache der Integration ist nicht die alternative Form der Leistungsbeurteilung, sondern eine soziale Integration. Diese kann auch mit der herkömmlichen Beurteilung gelingen."), bzw. Integration überhaupt für den falschen Weg halten ("Die Integration Behinderter in Normalklassen ist für mich prinzipiell der falsche Weg.").

2) Die prinzipielle Möglichkeit, alternative Formen verwenden zu können, wird von relativ wenigen Klassen (rund einem Viertel) genutzt

Obwohl die prinzipielle Möglichkeit vom Großteil als wichtig bewertet wird, verwenden rund drei Viertel der befragten Klassen die Ziffernbeurteilung. Als Motiv dafür wird von den meisten Klassenvorständen angegeben, daß Eltern bzw. Lehrerkollegen keine alternativen Formen wünschen ("Nicht erwünscht."; "Wurde von der Mehrheit des Kollegiums abgelehnt."), bzw. Noten einfacher zu handhaben, aussagekräftiger, besser zu vergleichen und somit objektiver sind ("Weil sich Noten besser vergleichen lassen und motivierender sind."; "Weil Noten die klarere Aussagekraft besitzen."; "Eltern lehnen diese Formen ab: Man will klare Verhältnisse / man kann den Ziffernwert besser beurteilen als die einzelnen Lernzielvorgaben / verschafft dem Laien eine bessere Übersicht.").

In 15 Klassen (rund 9%) war die Verwendung alternativer Formen der Leistungsbeurteilung aufgrund der Durchführungsrichtlinien gar nicht möglich (4. Klassen bzw. 1. Klassen, die sich erst nach Einreichtermin im Frühjahr gebildet haben), drei Klassenvorstände verweisen darauf, daß durch die Einbindung der Stützlehrerklasse in das Leistungsgruppensystem ein Abweichen von den übrigen Klassen gar nicht möglich ist. Von den 36 Klassen, die alternative Formen verwenden, verwenden 14 die Mischform Ziffernbeurteilung mit verbalem Zusatz, nur 22 (rund 14%) verzichten ganz auf Noten.

3) Alternative Formen der Leistungsbeurteilung benötigen einen stark motivierten Klassenvorstand als Motor

Die Ziffernbeurteilung ist in unserem Schulsystem sehr stark verankert und auch in oberösterreichischen Integrationsklassen müssen laut Schulversuchsbestimmungen in der 4. und 8. Schulstufe sowie bei jedem Schulwechsel Notenzeugnisse ausgestellt werden. Der Verzicht auf Noten ist mit vielen Widerständen, viel Überzeugungsarbeit, wenig Verständnis, hohem bürokratischer Aufwand und hohem Arbeitsaufwand verbunden ("Die Sinnhaftigkeit von Noten wird nicht in Frage gestellt - hingegen erfordert die Einführung von alternativen Formen viel Überzeugungskraft."; "Vergleich der Schüler mit den anderen Klassen, die Ziffernbeurteilung haben: Pensenbuch weniger wert als Noten, aber genauere Einsicht in das Niveau bzw. Wissensstand und soziales Lernen.").

Nur wenn ein sehr positiv eingestellter Klassenvorstand bereit ist, diese Widrigkeiten auf sich zu nehmen und es ihm gelingt, genügend Kollegen und Eltern die Verbale Beschreibung schmackhaft zu machen, ist ein Verzicht auf das Erstellen einer Rangreihe mittels Noten möglich. Die Variante Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen dient oft als Kompromißlösung ("Einigung auf einen Mittelweg."; "In der 1. + 2. Klasse gab es nur Entwicklungsbericht, auf Wunsch der Eltern - Beschluß im Klassenforum - wurde die Kombination Entwicklungsbericht und Noten gewählt.").

4) Innovation passiert praktisch nur im Modell Integrationsklasse

Pädagogische Innovationen in Bezug auf innere Differenzierung und Individualisierung

- gemessen am Ausmaß der äußeren Differenzierung, dem Ausweis der Leistungsgruppen im Zeugnis und der Verwendung alternativer Formen der Leistungsbeurteilung - geschieht faktisch nur im Modell Integrationsklasse. So gibt es 26 heterogene Stammklassen mit dem Verzicht auf Ausweisung der LG im Zeugnis im Modell Integrationsklasse (das sind ca. 40%), jedoch nur jeweils eine in den Modellen Stützlehrerklasse und Einzelintegration. Gemeinsamer Unterricht in den Hauptfächern findet in fast allen Integrationsklassen (94,2%), aber nur in sehr wenigen Stützlehrerklassen (10,1%) statt. Alternative Formen der Leistungsbeurteilung kommen in 33 Integrationsklassen, 2 Stützlehrerklassen und 1 Einzelintegrationsklasse zur Anwendung.

5) Die flächendeckende Verbreitung der Integration im Regelschulwesen ist mit einer pädagogischen Verflachung verbunden

Stützlehrerklassen und Klassen mit Einzelintegration müssen sich relativ stark an die jeweilige Schulsituation anpassen, pädagogische Neuerungen sind dort daher schwierig einzuführen. Aber auch im Modell Integrationsklasse wird das Ausmaß der pädagogischen Innovation immer geringer. Während sich im Schulversuch praktisch jede Integrationsklasse aus dem herkömmlichen Leistungsgruppensystem ausklinkte, arbeiten nun 6% der Integrationsklassen zur Gänze innerhalb des Leistungsgruppensystems an ihrer Schule und jede fünfte Integrationsklasse hat bereits einzelne Wochenstunden zur äußeren Differenzierung nach Leistungsgruppen im Stundenplan fixiert. Das Ausmaß des gemeinsamen Lernens geht damit deutlich zurück, denn je höher das Ausmaß an fixen Teilungen ist, desto mehr verfestigen sich Unterschiede, desto weniger kommt der Gedanke der Individualisierung zum Tragen, desto geringer wird die Chance der schwächeren Schüler, sich am Vorbild der Stärkeren aufzurichten und zu verbessern. Dementsprechend werden heute auch nur mehr in jeder zweiten Integrationsklasse alternative Formen der Beurteilung verwendet.

6) Die Verbale Beschreibung mit Hilfe des Entwicklungsberichtes ist die am häufigsten gewählte Alternative

Die beiden Alternativen (Verbale Beschreibung bzw. Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen) verteilen sich im Ausmaß von rund 60 : 40. Der Entwicklungsbericht, der zwar sehr arbeitsaufwendig ist, dafür aber eine sehr differenzierte und individuelle Beschreibung der Lernausgangslage und des -fortschrittes eines jeden Schülers ermöglicht, kommt im Rahmen der Verbalen Beschreibung neben Lernziellisten am häufigsten zum Einsatz. Die direkte Leistungsvorlage wird am seltensten angewandt, da diesbezüglich die Erfahrungen und Vorbilder noch am geringsten sind. Als Motive für die Verwendung alternativer Formen werden neben der Unzufriedenheit mit dem Notensystem und der Vorerfahrung von Eltern und Kindern in der Volksschulintegrationsklasse ("Wurde in der VS verwendet, von den Eltern gewünscht.") vor allem die Vorteile der Verbalen Beschreibung genannt: differenziertere Beschreibung des einzelnen Schülers möglich, aussagekräftiger, informativer, motivierender, Stärkung auch der schwachen Schüler, positiveres Lernklima ("Schüler sind ohne Ziffernbeurteilung mehr motiviert, da Leistungsvergleiche wegfallen und die Beurteilung sehr konkret zeigt, wo geübt werden sollte."; "Sehr informativ für (Schüler) und Eltern."; Individueller Leistungsfortschritt kann berücksichtigt werden."; Schüler haben die Möglichkeit, Teilschwächen auszubessern; positives Ergebnis auch für schwächere Schüler.").

7) Manche Klassenvorstände möchten, dürfen aber keine alternative Formen verwenden

Aufgrund der geltenden Bestimmungen können alternative Formen nur im Rahmen eines Schulversuches verwendet werden. Die Schulversuchsanträge sind bereits im Jänner, Februar einzureichen, viele Integrationsklassen(teams) entstehen jedoch erst gegen Schulschluß im Juni oder zu Schulbeginn im September. Auch wenn sich das Team dann für die Verbale Beschreibung entscheiden würde, kann kein Schulversuch mehr durchgeführt werden ("Ein Ansuchen war nicht mehr möglich.").

Andere Teams haben zwei oder drei Jahre erfolgreich die Verbale Beschreibung verwendet, müssen aber spätestens in der 4. Klasse Noten geben, um die Schnittstelle zum weiterführenden Bildungswesen nicht zu gefährden ("Weil wir in der 4. Klasse sind - 3 Jahre hatten wir Entwicklungsbericht und persönliche Briefe."; "3. Klasse - in der 4. Schulstufe sind Noten und Leistungsgruppen fällig. Das Zeugnis der 4. Klasse ist besonders wichtig. Um sich an Leistungsgruppen und Noten zu gewöhnen, begannen wir bereits in der 3. Klasse damit. Alle Schüler und Eltern waren einverstanden."). Was für die Eltern und Kinder sicherlich wichtig ist, ist gleichzeitig ein wesentlicher Hemmschuh der Weiterentwicklung. Aber erst wenn die weiterführenden Schulen in die Entwicklung miteinbezogen werden, ist hier eine Lösung zu finden ("Entscheidung für ein Modell, im Regelschulwesen eingeführt mit Akzeptanz von AHS, BHS[11]. ").

8) Die Eltern sind aufgeschlossener als die Lehrerkollegen, die Schüler anfangs eher verunsichert

Schwierigkeiten bei der Einführung gab es bei der Alternativen Ziffernbeurteilung mit verbalen Zusätzen erwartungsgemäß keine, bei der Verbalen Beschreibung erwartungswidrig bloß bei 8 Klassen. Selbst die direkte Leistungsvorlage konnte ohne Schwierigkeiten eingeführt werden. Verantwortlich für die Schwierigkeiten waren dabei weniger die Eltern ("2 oder 3 Eltern waren ursprünglich dagegen."; "Kinder und Eltern waren Noten gewöhnt!") als vielmehr die Lehrerkollegen ("Im Lehrerteam waren nicht alle überzeugt und sind es auch jetzt noch nicht."; "Lehrer meinen, Noten (5!) seien aussagekräftiger."; "Arbeitsaufwand").

Bei allen Schulpartnern finden sich ablehnende, zweifelnde und zustimmende Reaktionen. Schwerpunktmäßig verschieben sich die Tendenzen jedoch sehr deutlich: Während bei den Eltern der Großteil der Reaktionen (rund drei Viertel) als zustimmend eingestuft werden kann ("Finde ich gut."; "Einverstanden"; "...toll, was ihr Euch alles antut, super, wir sind zufrieden; manche Lehrerausdrücke verstehen wir nicht, sie sind zu umfangreich."), ist bei der Hälfte der Schülerreaktionen Unsicherheit, Zweifel festzustellen ("Was wäre das für eine Note?"; "Wo stehe ich?"). Bei den Teamkollegen überwiegen eher ablehnende Reaktionen ("Leistungen werden beschönigt."; "Zuviel Arbeit."; "Stehen Arbeitsaufwand und Aussagekraft in Relation?"; "Einigen Schülern fehlt der bewußte Umgang mit Lernzielen, würden mit Noten motivierter sein.").

Vergleicht man weiters die Einstellung von Eltern, Schülern und Teamkollegen zur jeweiligen Form der alternativen Beurteilung, so sieht man, daß die Teamkollegen die negativste Einstellung haben. Schüler und Eltern können durch pädagogische Argumente und konkrete Erfahrung durchaus überzeugt werden, die Teamkollegen und vor allem das restliche Kollegium sehen jedoch sehr stark den hohen Arbeitsaufwand und den geringen Nutzen, der damit verbunden ist ("Zeitaufwand für Entwicklungsbericht/Schüler viel zu groß; "Viel Aufwand - wenig Ertrag.").

Restzweifel einzelner Eltern können aber wohl nie ganz ausgeräumt werden und so muß man als Befürworter der Verbalen Beschreibung auch damit rechnen, daß manche nicht erfüllten Elternträume bezüglich der schulischen Ausbildung ihres Kindes im nachhinein der verbalen Beschreibung angelastet wird.

9) Vielen Lehrern sind die Regelungen zu wenig bekannt, sie wünschen sich mehr Information

Mehr als die Hälfte der Befragten konnte zu den momentanen Regelungen keine Stellungnahme abgeben, weil sie diese zu wenig kennen. 104 von 123 Lehrern, die momentan mit Noten beurteilen, hatten bisher noch keinerlei Erfahrungen mit alternativen Formen gemacht. In vielen Schulen standen alternative Formen noch nie zur Debatte, waren bisher noch nicht üblich und wurden bisher noch nicht besprochen ("Ist in unserer Schule noch nie zur Debatte gestanden, ich wußte gar nicht, daß das möglich ist."; "Wurde nie in Erwähnung gezogen - die meisten Kollegen sind mit der momentanen Beurteilung (Noten) zufrieden."; "Kein Thema für die Lehrer der LG."; "Im Bezirk nicht praktiziert.").

Innovation bedarf aber vor allem positiver Modelle. Die Durchführungsrichtlinien sollten daher verstärkt im Fortbildungsbereich forciert werden, und zwar sowohl landesweit als auch regional im Bereich der Sonderpädagogischen Zentren. Hilfreich wäre dabei vor allem eine Sammlung mit einer Übersicht über die Gesetzeslage, den Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Leistungsbeurteilung, allen vorhandenen Formularen und Beispielen für alle Varianten. Speziell zur direkten Leistungsvorlage scheint ein hoher Informationsbedarf vorhanden zu sein ("Ich hätte gerne 'Handwerkszeug' für die Verbale Beurteilung; ich komme immer wieder in die gleichen 'Floskeln' - das ist doch auch nicht der Sinn, oder?"; Mehr Information, mögliche Regelungen gesammelt."; Konkrete, praxisbezogene Vorschläge zur direkten Leistungsvorlage.").

10) Jeder zweite Lehrer, der die Regelungen kennt, ist damit zufrieden

9 % jener Befragten, welche die Schulversuchsregelungen kennen, sind damit sehr zufrieden, 39% zufrieden, 38 % sehen sowohl Vor- als auch Nachteile und 8% sind unzufrieden. Als Hauptgrund für die Zufriedenheit wird die Freiwilligkeit aller Beteiligten und die sehr weitgehende Autonomie der Regelungen genannt, die es jedem Team ermöglicht, die für die jeweilige Klasse optimale Form zu wählen ("Breites Angebot; jeder hat die Möglichkeit, sich die für ihn passende Beurteilungsart auszuwählen."; "Wer will kann, wer nicht will, muß nicht."; "Man hat viele Wahlmöglichkeiten."). Unzufriedenheit wird hauptsächlich durch den bürokratischen Aufwand ("Jährliches Ansuchen in I-Klassen ist überflüssig."; "Die Notwendigkeit eines Schulversuches ist unnötige Bürokratie.") sowie durch die folgenden zwei Bestimmungen hervorgerufen: den Zwang, in der 4. Klasse Noten geben zu müssen und den Zwang, für alle Kinder einer Klasse die selbe Form anwenden zu müssen ("Die Verwendung altern. Formen finde ich sehr gut, aber mit der Ziffernbeurteilung in der 4. und 8. Schulstufe bin ich nicht einverstanden."; "Es sollte möglich sein, die Regelschulkinder mit Noten zu beurteilen und die integrierten Schüler nur verbal zu beurteilen, oder nur: teilgenommen.").

11) Viele Lehrer wünschen sich eine Erweiterung der Regelungen

Rund die Hälfte der erfragten Veränderungswünsche (35 von 72) bezieht sich auf eine Erweiterung der momentanen Schulversuchsregelungen, wobei am häufigsten der Wunsch geäußert wird, daß alternative Formen der Leistungsbeurteilung gleich ins Regelschulsystem übernommen werden sollten ("Übernahme von alternativer Leistungsbeurteilung in Regelsystem."; "Abschaffung der Noten! Verpflichtung zur direkten Leistungsvorlage im Pflichtschulbereich (1. - 9. Schst.)"). Nach der Anzahl der Nennungen gereiht, gab es weiters noch folgende Wünsche, die bei einer Weiterentwicklung der Durchführungsbestimmungen diskutiert werden müßten:

  • auch in der 4. Klasse ohne Noten beurteilen können

  • nur für einzelne Schüler eine alternative Form anwenden können

  • weniger (administrativen) Arbeitsaufwand

  • auch die Variante "Umfassende mündliche Information[12] " ermöglichen

  • eine Variante mit Erweiterung der Notenskala ermöglichen

  • Schulversuche in Ausnahmefällen auch noch nach der Einreichfrist genehmigen

  • Ausweitung des Schulversuches auf alle Hauptschulklassen, damit die integrativen Klassen keine Sonderstellung einnehmen.



[10] Die kursiv geschriebenen Ausdrücke sind wörtlich zitierte Antworten und Begründungen, exemplarisch ausgewählt

[11] BHS = Berufsbildende Höhere Schulen

[12] Die Variante "Umfassende mündliche Information" ist in Oberösterreich im Bereich der Volksschule erlaubt, jedoch nicht im Bereich der Sekundarstufe I. Die Erziehungsberechtigten werden in Anwesenheit des Schülers jeweils am Ende eines Semesters in einem ausführlichen Gespräch über den individuellen Lernstand, den Lernfortschritt und über notwendige Fördermaßnahmen informiert. Das Gespräch wird anhand von Unterlagen wie Beobachtungsbögen, Lernziellisten, Pensenbücher, direkter Leistungsvorlage, etc. geführt. Die Eltern bestätigen mit ihrer Unterschrift auf diesen Unterlagen über den Lernstand informiert worden zu sein. Die Kinder bekommen ein Zeugnis mit den notwendigen Klauseln und einem Vermerk, daß und wann sie ausführlich informiert worden sind. Die Gesprächsunterlagen liegen in der Schule auf.

Schlußbetrachtung

Der Landesschulrat für Oberösterreich läßt im Bereich der Leistungsbeurteilung sowohl in der Volksschule (für alle Klassen) als auch in der Hauptschule (nur für Klassen mit zumindest einem behinderten Kind) ein großes Maß an Autonomie zu. Mündige Schulpartner können frei die für sie passende Beurteilungsform wählen. Einschränkungen sind gegeben durch die Schnittstellenproblematik (kein Kind sollte dadurch benachteiligt sein und womöglich nicht in eine höhere Schule aufgenommen werden, weil es die formalen Bedingungen nicht erfüllt) und die administrativen Notwendigkeiten eines Schulversuches.

Ziel einer integrativen Schule ist nicht die Selektion, sondern die gemeinsame Förderung behinderter und nichtbehinderter Kinder unter Berücksichtigung der individuellen Unterschiede. Jedes Kind soll dabei entsprechend seinen Fähigkeiten gefördert werden, selbstverständlich auch die sehr begabten Schüler. Noten und Leistungsgruppen sind dazu nicht notwendig, ja sogar hinderlich, da sie durch Kategorisierung und Bildung homogener Lerngruppen den Blick auf die Heterogenität der Lerngruppe und die damit verbundenen Lernchancen verstellen. Das Selbstverständnis der Sekundarstufe steht dazu im krassen Gegensatz.

Eine Weiterentwicklung in Richtung kindgerechter Schule ist in Oberösterreich momentan über Schulversuche möglich und wird im Volksschulbereich schon sehr stark, im Hauptschulbereich noch relativ zaghaft genutzt. Eine Ausweitung der momentanen Regelungen wird von den Lehrern gewünscht und sollte vom Landesschulrat in nächster Zeit geklärt werden. Meiner Meinung nach spricht nichts dagegen, allen Hauptschulklassen prinzipiell die Möglichkeit zum Schulversuch zu geben, den Schulpartnern auch die Form der umfassenden mündlichen Information frei zu stellen und auch über die Form in der 4. Klasse (8. Schulstufe) abstimmen zu lassen, wenn die weiterführenden Schulen in die Diskussion einbezogen werden. Problematisch sehe ich allerdings den Wunsch nach alternativen Formen für einzelne Schüler, da so der schwache Schüler deutlich sichtbar zum Schulversager abgestempelt wird. Die Problematik mit dem Zeitpunkt der Einreichfrist wäre sofort gelöst, wenn sich der Bundesgesetzgeber als ebenso fortschrittlich erweisen würde wie der oberösterreichische Landesschulrat, und den Lehrern und Eltern endlich die Freiheit gäbe, jene Form der Leistungsbeurteilung zu wählen, die sie als optimal ansehen.

Der Autor

Dr. Ewald Feyerer, wissenschaftlicher Begleiter integrativer Schulversuche in Oberösterreich seit 1989; Lehrtätigkeit mit Schwerpunkt "Integrationspädagogik" im Rahmen der LehrerInnenausbildung (PAdB in Linz) und der -fortbildung (PI); Koordinator des europaweiten Curriculum-Entwicklungsprogrammes Integer für eine grundlegende Ausbildung zum gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kinder.

Pädagogische Akademie des Bundes

Kaplanhofstraße 40

4020 Linz

Quelle:

Ewald Feyerer: Leistungsbeurteilung in Integrationsklassen der Sekundarstufe I

Erschienen in: Behinderte in Familie, Schule und Gesellschaft Nr. 1/99; Reha Druck Graz

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 16.08.2006

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