Die Situation der Geschwister behinderter Kinder

Autor:in - Ilse Achilles
Themenbereiche: Psychosoziale Arbeit
Schlagwörter: Eltern, Familie, Studie, Geschwister
Textsorte: Zeitschriftenartikel
Releaseinfo: Erschienen in: Behinderte Menschen, Zeitschrift für gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten, Nr. 1/2007, Thema: Eltern behinderter Kinder, S. 66-77 Behinderte Menschen (1/2007)
Copyright: © Behinderte Menschen 2007

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Lange waren Geschwister behinderter oder chronisch kranker Kinder kein Thema. In der Fachliteratur kamen sie kaum vor, in der Belletristik drehte es sich hier und da mal um behinderte Menschen, meist körperbehindert, auch um deren Eltern, aber Schwestern und Brüder blieben Randfiguren. Wie sie sich fühlten, wie sie ihre Familien erlebten, das interessierte nur wenig.

Die Situation der Geschwister behinderter Kinder

Geschwister behinderter Kinder, die als Erwachsene berühmt oder bekannt werden, sprechen in aller Regel nicht über ihre besondere Familiensituation. Meist war es die Presse, die berichtete: zum Beispiel über die behinderte Schwester von John F., Robert und Edward Kennedy, über die behinderte Schwester von Königin Beatrix. PolitikerInnen und Medienstars zeigen sich nicht gern mit einem behinderten Geschwister. Zu recht vermutlich, denn es könnte ihnen als "Reisen auf der Mitleidsschiene" angekreidet werden. Andrerseits wären aber gerade solche Beispiele willkommene Vorbilder für "normale" Geschwister, die ihren Alltag mit einem behinderten Bruder oder einer behinderten Schwester meistern müssen.

Geschwister prägen einander stärker als bisher angenommen

Erst seit rund 25 Jahren schauen PsychologInnen und PädagogInnen genauer hin: Welche Konsequenzen hat es für Kinder, wenn sie mit einem behinderten Geschwister heranwachsen? Früher waren es vor allem die Mütter, die als zuständig galten für die physische und psychische Entwicklung ihrer Kinder. Sie - und natürlich auch die Väter - spielten die Hauptrollen im Alltagsdrama Kindheit. Geschwister waren Statisten. Das hat sich geändert, seitdem immer mehr Studienergebnisse (Hackenberg 1983) darauf hinweisen, wie stark gerade Geschwister einander prägen.

Die amerikanische Autorin Francine Klagsbrun formuliert das so: Geschwisterbindungen reichen in die ersten vorsprachlichen Tage der Kindheit zurück und bestehen oft bis ins hohe Alter. Sie sind die dauerhaftesten aller Bindungen. Eltern sterben,Freunde verschwinden,Ehen lösen sich auf. Aber Geschwister können sich nicht scheiden lassen. Und selbst, wenn sie 20 Jahre nicht mehr miteinander sprechen, bilden Blutsverwandtschaft und gemeinsame Geschichte ein unauflösliches Band. Wenn das in "normalen" Geschwisterbeziehungen so ist, so gilt das besonders in Familien mit einem behinderten Kind. Die Situation prägt die Geschwister - ein Leben lang. Doch in welche Richtung?

80 Prozent der Kinder in Deutschland haben Geschwister

Wie eine neue Datenauswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab, sind nur rund 20 Prozent der Kinder in Deutschland Einzelkinder - und auch die könnten noch ein Geschwister bekommen. Damit ist der Mythos, in Deutschland wüchsen Kinder mehrheitlich als kleine Singles auf, entkräftet. 80 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren haben Geschwister. Falsche Fragestellung führte zu dem Fehler in der Statistik-Auswertung: Betrachtet man sämtliche Kinder unter 18 Jahren, fällt die Zahl der Einzelkinder hoch aus, denn die meisten Ein- und Zweijährigen haben heute noch keine Geschwister, könnten in einigen Jahren aber welche haben...

Geschwister haben unterschiedliche Bewältigungsstrategien

Schaut man sich unter Geschwistern behinderter Kinder um, so erlebt man viele von ihnen als ausgesprochen tüchtig, sozial kompetent, selbstbewusst und lebenspraktisch. Andere wiederum wirken in sich gekehrt, melancholisch. Sie trauen sich nicht viel zu und sind in der Schule eher Durchschnitt. Natürlich gibt es dazwischen "Mischformen", denn die Kinder entwickeln ganz unterschiedliche Strategien, um mit der Familiensituation zurecht zu kommen. Dazu gehören:

  • Loyalität. Das nichtbehinderte Kind kümmert sich umsichtig um sein behindertes Geschwister, fühlt sich ihm sehr verbunden. Es ergreift stets seine Partei und verteidigt es in der Öffentlichkeit.

  • Distanzierung. Das Kind empfindet den Alltag mit dem behinderten Geschwister so anstrengend und belastend, dass es sich äußerlich und innerlich von ihm abwendet. Häufig wendet es sich dem Vater zu, da es die Mutter auf Seiten des behinderten Geschwisters sieht.

  • Soziales Engagement. Findet das Kind in seiner Hinwendung zum behinderten Geschwister Lob und Anerkennung, entwickelt es über den Familienrahmen hinaus Hilfsbereitschaft und Verständnis für Schwächere. Als Erwachsene ergreifen diese Kinder häufig soziale Berufe.

  • Idealisierung. Das Kind kann die Situation am besten ertragen, wenn es das behinderte Geschwister als "jenseits von Gut und Böse" anschaut. Eventuelle Kränkungen und Zurücksetzungen sind so besser zu verkraften. Allerdings kann diese Haltung auch zur Selbstüberforderung und zu Schuldgefühlen führen, weil das Kind negative Gedanken nicht zulassen kann.

  • Überangepasstheit. Das Kind erlebt die Familiensituation als so belastend, dass es von sich selbst möglichst wenig Aufhebens macht. Es ist folgsam und fürsorglich. Dieser Altruismus kann zu geringem Selbstwertgefühl und zu psychischen Problemen führen.

Neu im Blickpunkt: die Geschwister

Immer mehr Studien, Dissertationen und Diplomarbeiten beschäftigen sich mit der Situation der Geschwister behinderter Kinder. Und immer mehr Eltern spüren, dass bei aller Sorge um ihr behindertes Kind ihre anderen Kinder zu kurz kommen. Elternbeiräte von Schulen, Heilpädagogische Zentren, Selbsthilfegruppen, aber auch die großen Träger wie VdK, Lebenshilfe laden deshalb zunehmend ReferentInnen ein, um mehr Informationen zu diesem Thema zu bekommen. Und in überall sehr beliebten "Geschwister-Seminaren" treffen sich Mädchen und Jungen, alles Geschwister behinderter Kinder, um sich kennen zu lernen, sich auszutauschen und vergnügt ihre Freizeit zu verbringen.

( www.geschwister-behinderter-kinder.de oder www. geschwisterkinder.de)

Fünf Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Geschwister

Natürlich wollen Eltern wissen, woran es liegt, dass die Entwicklung ihrer nichtbehinderten Kinder in die positive, sozial kompetente oder in die andere, eher negative Richtung läuft. Das hängt von mehreren Faktoren ab. Fünf sehr wichtige sind:

die Persönlichkeit der Eltern und ihre Beziehung zueinander

Je positiver und lebensbejahender die Eltern mit der Krankheit/Behinderung umgehen, umso unbelasteter sind in der Regel die Kinder. Vermitteln Mutter und Vater aber: "Wir sind wirklich eine schwer vom Schicksal geschlagene, unglückliche Familie", so werden die Kinder auch so denken, nämlich: "Das Leben ist ungerecht zu uns, wir sind arm dran, wir kommen zu kurz."

Natürlich ist es schwer, eine Behinderung zu akzeptieren oder eine lebensbedrohliche Diagnose anzunehmen. Geben die Eltern ihren Kindern aber vor: "Wir packen das schon, auch wenn's schwer ist", so wachsen die Kinder mit diesem Mut machenden Beispiel heran und verkraften die Belastung besser.

In diesem Zusammenhang heißt es häufig, Männer würden sich in schwierigen familiären Situationen gern wegstehlen aus der Verantwortung, berufliche Belastung vorschützen, um zu Hause nicht mitdenken und mitleiden zu müssen. Mehr und mehr kommen PsychologInnen zu der Überzeugung, dass Väter unter der Behinderung oder Erkrankung ihres Kindes ebenso leiden wie die Mütter, dass sie häufig aber größere Schwierigkeiten haben, mit ihrem Leid und ihren Sorgen fertig zu werden. Müttern fällt es in der Regel leichter, mit der Behinderung oder Krankheit umzugehen: Sie arbeiten sie ab. Sie integrieren die Pflege für das Kind mit tausend Handgriffen in ihren Alltag - oder sie stellen den Alltag darauf ein. Vätern ist das meist in dieser Form nicht möglich - eben weil sie berufstätig sind. Oft finden sie aber eine andere Form, sich mit der Krankheit oder Behinderung ihres Kindes auseinanderzusetzen: Sie arbeiten mit in der Selbsthilfegruppe oder lassen sich z. B. in den Schulausschuss wählen.

Geschwister behinderter Kinder müssen vieles lernen und können

Für ihre behinderte Schwester oder ihren behinderten Bruder sind sie Spielgefährte, Babysitter, Freund, Pfleger, Tröster, Erzieher, Lehrer, Unterhalter, Co-Therapeut, Dolmetscher und in manchen Situationen auch Ersatzmutter oder Ersatzvater.

die Geschwisterkonstellation

Dazu gehören das Geschlecht und der Altersabstand der Geschwister.

Die Geschwisterforschung zeigt, dass die Rivalität zwischen gleichgeschlechtlichen Geschwistern meist größer ist als zwischen unterschiedlich geschlechtlichen. Das heißt, zwei Brüder oder zwei Schwestern haben es schwerer miteinander als Bruder und Schwester.

Das scheint keine neue Entdeckung, sondern altes Volkswissen zu sein. In Märchen und Fabeln wird eine gute Geschwisterbeziehung meist an Bruder und Schwester dargestellt: Hänsel und Gretel, Brüderchen und Schwesterchen. Geht es aber um eine schwierige Beziehung, sind es gleichgeschlechtliche Geschwister: Goldmarie und Pechmarie bei Frau Holle, Josef und seine Brüder, Die sieben Raben und - allerältestes Beispiel: Kain und Abel.

Daraus folgt: Eltern mit zwei oder mehr Töchtern oder Söhnen brauchen extra viel Geduld, denn es kann sein, dass ihre (gleichgeschlechtlichen) Kinder häufiger streiten und miteinander rivalisieren als andere. Das heißt auch, ein behindertes oder chronisch krankes Kind wird mehr Verständnis und Zuneigung von einem anders geschlechtlichen Geschwister bekommen. Allerdings: Ausnahmen bestätigen die Regel!

Was den Altersabstand betrifft: Ob ältere oder jüngere Kinder stärker durch die Behinderung/Erkrankung eines Geschwisters betroffen sind, ist nicht eindeutig klar. Einerseits haben ältere Kinder ihre Eltern ein paar Jahre für sich allein gehabt. Das stärkt und festigt sie. Andrerseits erleben sie dann aber auch hautnah, wie ihre Eltern unter der Diagnose leiden, wie sie weinen und verstört sind. Sie erfahren also nicht nur die "Entthronung" durch den Neuankömmling, sondern spüren auch deutlich den Kummer, den die Eltern nun haben. Das verunsichert sie.

Gerade wenn Eltern ganz gefangen sind in ihrem Schmerz und mehr in der Klinik oder in Arztpraxen sind als zu Hause, muss man ihnen raten: "Nehmen Sie Ihren Zwei- oder Dreijährigen, dessen kleine Welt durch die Geburt eines kranken oder behinderten Geschwisters ganz aus den Fugen geraten ist, öfter mal in den Arm und erklären Sie ihm, warum Sie jetzt so wenig Zeit für ihn haben!"

Jüngere Kinder, die auf die Welt kommen, wenn die Eltern schon ein behindertes oder krankes Kind haben, kennen die Familie nur in dieser Zusammensetzung - und arrangieren sich leichter. Ein weiteres Plus: Mutter und Vater haben bereits Routine im Umgang mit der Behinderung, ihre Entscheidung für ein zweites oder drittes Kind zeigt in der Regel, dass sie sich bereit fühlen für erneuten Nachwuchs.

die Schwere der Behinderung oder Krankheit

Die Nachricht: "Ihr Kind hat das Down-Syndrom" wird genau wie die Diagnose "Krebs" oder "Mukoviszidose" eine Familie in tiefe Verzweiflung stürzen. Bei manchen entsteht nach dem ersten Schock aber Kampfgeist: "Das schaffen wir!" Bei anderen nimmt die Hoffnungslosigkeit zu. Interessant ist, dass es weniger auf die Schwere der Behinderung/Krankheit ankommt als auf die Einstellung dazu. So kann z. B. eine besonders ehrgeizige Familie an der Lernbehinderung ihres Sohnes zerbrechen; einer Familie mit einem mehrfach schwer behinderten Kind dagegen gelingt es, die gewohnt warme und fröhliche Atmosphäre aufrecht zu erhalten.

die soziale Situation der Familie

Je höher das Einkommen umso selbstverständlicher besorgt sich die Familie Unterstützung von außen in Form von Aupair-Mädchen, Zugehfrau, Haushaltshilfe. In weniger begüterten Familien müssen alle Mitglieder mit anpacken, was einerseits zu mehr Reibereien, andrerseits aber auch zu mehr Zusammengehörigkeitsgefühl führen kann

In größeren Familien sind die Geschwister meist weniger belastet, weil sich die täglichen Aufgaben auf mehr Köpfe und Schultern verteilen. Aber oft ist gerade in großen Familien das Geld knapp, der Wohnraum beengt. Und wenn dann ein Junge sein Zimmer mit seinem behinderten Bruder teilen muss, dann belastet das die Beziehung der beiden sicherlich.

Aber auch in kleineren Familien mit zwei Kindern und großer Wohnung oder Haus kann es Schwierigkeiten geben. Denn da achten die Eltern mit Argusaugen auf beide Kinder. Auf das behinderte sowieso und auf das nicht behinderte erst recht. Es ist der Hoffnungsträger seiner Eltern. Es soll alles das ausgleichen, alles das erfüllen, was das behinderte Geschwisterkind eben nicht kann. Im Klartext: Die Belastung für Geschwister behinderter Kinder kann in einer Vielkinderfamilie genau so groß oder klein sein wie in einer Zwei-Kinderfamilie.

Das ist in Familien mit einem behinderten Kind anders:

Die Geschwister werden früh mit Leid konfrontiert

Kinder, die eine behinderte Schwester oder einen behinderten Bruder haben, erfahren früh, was es heißt, krank, gebrechlich, auf Hilfe angewiesen zu sein. Sie müssen früh Rücksicht üben, Verantwortung übernehmen und lernen, mit allerlei Einschränkungen zu leben. Dazu kommt, dass sie in einer Leistungsgesellschaft aufwachsen, deren Leitbilder Jugend, Schönheit, Gesundheit und "Power" sind.

Die Kinder spüren deutlich die Diskrepanz zwischen dem, was ihre Familien täglich praktizieren und was gesellschaftliche Norm ist. Zuhause wird das Geschwisterkind geliebt und gepflegt. "Draußen" aber herrscht ein anderer Ton. Einer, der immer noch und sogar wieder stärker von der Abgrenzung bis zur Ablehnung behinderter Menschen geprägt ist. Sie erleben gesellschaftliche Diskriminierung oft hautnah.

Rivalität ist ihnen verboten

Normalerweise wird in einer Geschwisterbeziehung der Kampf um die Gunst der Eltern und um die beste Position in der Geschwisterreihe ausgetragen. Dabei geht es um Durchsetzungsvermögen und Konkurrenzverhalten, um Identitätsfindung, Abgrenzung und Nähe.

Wenn das schon bei "normalen" Familien so ist, so gilt das erste recht für Familien mit einem Sorgenkind. Und es gilt in der Tat immer lebenslang. Was sich in der Kindheit eingespielt hat, überspringt sogar Generationen. Wer sich im Alter von 5 benachteiligt gefühlt hat in der Gunst seiner Eltern, ist auch mit 50 noch neidisch auf die bevorzugte Schwester. Beispiel: Ein 55-jähriger Mann klagt: "Typisch, zu den Kindern meiner Schwester sind meine Eltern viel großzügiger als zu meinen Söhnen. Aber meine Eltern haben meine Schwester ja schon immer vorgezogen." Ist die Schwester oder der Bruder behindert, können die Geschwister nicht offen gegeneinander antreten. Die Spielregeln gelten hier nicht mehr.

Vom nicht behinderten Kind erwarten die Eltern Rücksichtnahme und Verständnis.

Ein Beispiel für viele: Peter ist sieben und spastisch behindert. Lisa ist vier und muss warten, bis Peter aus dem Buggy gehoben und ausgezogen ist, bevor ihr jemand hilft, sich von ihren Winterstiefeln zu befreien. Würde Lisa deswegen quengeln, hieße es wahrscheinlich: "Stell dich nicht so an, du weißt doch, dass Peter Hilfe braucht." Dass auch Lisa Hilfe braucht, ist nachrangig.

Geschwister behinderter Kinder lernen also schnell, eigene Bedürfnisse zurückzustellen. Sie passen sich an. Das macht sie - meist unbewusst - wütend. Ihre Wut dürfen sie aber nicht auf die behinderte Schwester oder den behinderten Bruder richten. Denn die/der ist ja hilflos oder in einigen Fähigkeiten so eingeschränkt, dass man sie/ihn nicht für sein Tun verantwortlich machen kann, sondern unterstützen muss. Studien haben ergeben, dass Eltern auf Zornesausbrüche ihrer Kinder weniger tolerant reagieren, wenn sich die Wut gegen die behinderte Schwester oder den behinderten Bruder richtet. Sie verlangen Loyalität und Rücksichtnahme. Unter dieses moralische Gebot stellen die Kinder aber auch sich selbst. Den Bruder aus dem Rollstuhl schubsen? Das möchte man manchmal schon, wenn Wut und Zorn übergroß werden. Aber man tut es nicht - eben weil "man so was einfach nicht tut".

Unterdrückung von Aggression bedeutet aber immer auch Unterdrückung anderer Formen von Spontaneität, von Witz, Humor und Albereien. Das heißt, Kinder, die sich jede Aggressivität gegen die behinderte Schwester oder den behinderten Bruder verbieten (oder verboten bekommen), können gar nicht frei und spielerisch mit ihnen umgehen.

Sie entwickeln Schuldgefühle.

Wegen ihrer unterdrückten Aggressionen dem behinderten Kind gegenüber haben die meisten Geschwister Schuldgefühle. "Wie kann ich bloß so böse Gedanken haben? Ich muss mich schämen". Mit dieser Einstellung gehen manche Geschwister Behinderter durchs Leben und werden ihr selbst- aufgeklebtes Etikett "Ich bin eigentlich ein schlechter Mensch" nicht los. Sie hüten es wie ein Geheimnis.Niemand darf wissen, dass sie nicht immer so lieb und hilfreich sind, wie sie sich geben.

Schuldgefühle entstehen aber auch aus dem Bewusstsein der Überlegenheit. "Ich bin gesünder, kräftiger, klüger als meine Schwester". Das vergrößert nicht etwa die Lebensfreude, sondern ist Grund zur Scham. Warum hat die Behinderung die Schwester getroffen? Warum hat sie ein so schweres Schicksal? Oft wird das behinderte Kind idealisiert ("Alle mögen meine Schwester. Sie ist so zart und klein."). In manchen Familien gilt das Sorgenkind grundsätzlich als unschuldig, obwohl es sich durchaus durchzusetzen und auch zu provozieren weiß. Aber es heißt: "Du weißt doch, Veronika meint das nicht so. Sie versteht das ja nicht." Solche Feststellungen können weitere Nährböden für Schuldgefühle sein.

Aussagen von Geschwistern

Claus: "Sie zieht mich auch oft an den Haaren. Aber anmeckern oder hauen darf ich sie nicht, weil sie ja nichts versteht."

Jessica: "Wenn es Sophie schlecht geht, sind meine Eltern sehr unglücklich."

Tom: "Manchmal wünschte ich mir, ich wäre behindert. Mein Bruder muss sich um nichts kümmern, kein Schulstress, keine Zensuren, keine Hausaufgaben und zuhause muss er auch nicht helfen - obwohl er das könnte."

Sie haben weniger Zugang zu den Eltern.

Ein behindertes Kind zu haben, ist für die Eltern eine Dauerbelastung, auf die sie sich erst einstellen müssen und an die sie sich im Laufe der Jahre immer wieder neu anpassen müssen. Oft muss der Alltag vollständig umorganisiert werden. Die Mutter gibt ihre Berufstätigkeit auf, das Haus muss umgebaut oder eine rollstuhlgerechte Wohnung gesucht werden. Das kostet Geld. Und es erfordert außerdem Kraft und Energie, die den Eltern dann im Umgang mit ihren nicht behinderten Kindern fehlen. Sie übersehen, dass die nicht behinderte Tochter, der nicht behinderte Sohn auch Zuwendung, Anerkennung, Hilfe brauchen.

Beispiel: "Für mich hat sie keine Zeit", sagt der kleine Markus traurig, "Mama muss wieder mit Daniel üben." Und wenn er sich mal zwischen die Mama und Daniel drängt und dessen Turnübungen unterbricht, weil er dringend etwas sagen möchte, wird er vielleicht von seiner Mutter zurückgewiesen. Über seine Wut und seine Enttäuschung kann er nicht mit seiner Mutter reden, weil er erfahren hat, dass sie solche Gefühle bei ihm missbilligt.

So kann es kommen, dass die nicht behinderten Kinder in der Familie häufig weniger intensiven Kontakt zu ihren Eltern haben, als es eigentlich normal und richtig wäre. Deutlich wird das beim Thema Hausaufgaben. Viele Kinder berichten, sie bekämen von ihren Eltern weniger Hilfe als ihre Mitschüler, die kein behindertes Geschwister zu Hause haben.

Ihre Möglichkeiten, Freundschaften zu schließen, sind eingeschränkt.

Manche Geschwister sagen deutlich, sie mögen nicht so gern von ihren Freunden zu Hause besucht werden. Einige geben an, sie könnten nur Freunde haben, die sich auch mit dem behinderten Geschwister gut versteht. Das schränkt die Auswahl an möglichen Freunden deutlich ein.

Erschwerend hinzukommt, dass manche Familien auf die Behinderung mit Abkapselung reagieren - zunächst vielleicht unbewusst. Die Eltern sind abends so erschöpft, dass sie nicht mehr aus dem Haus gehen, niemanden mehr sehen wollen. Und die Wochenenden brauchen sie für die liegen gebliebenen Dinge, zu deren Erledigung sie bislang nicht gekommen sind.

Oft ist das behinderte Kind auch so schwierig oder die Reaktion der Außenwelt so problematisch, dass man mit ihm nur ungern einen Ausflug macht - schon um die Blicke der Spaziergänger nicht aushalten zu müssen. Das schränkt die Freizeit- und Erholungsmöglichkeiten der Familie erheblich ein. Die Isolation behindert die Entwicklung der nicht behinderten Kinder, kann sie zu Einzelgängern werden lassen, auch wenn sie von ihrem Naturell her dazu gar nicht neigen.

Sie erleben die Geschwisterfolge anders.

Ein etwa achtjähriger Junge sagt: "Irgendwie ist das komisch. Ich habe zwar einen großen Bruder. Der ist schon zwölf. Aber trotzdem ist er das Baby in der Familie. Also habe ich eigentlich keinen großen Bruder. Jedenfalls nicht richtig."

Geschwister identifizieren sich auch über ihre Position in der Geschwisterreihe. Die ist bei Schwestern und Brüder behinderter Kinder häufig außer Kraft gesetzt. Das jüngere Kind erlebt, wie es allmählich das ältere überholt - und fühlt sich dadurch verunsichert. Die Hierarchie stimmt nicht mehr, die Positionen im Familiensystem werden neu verteilt. Auch das macht häufig Hemmungen und Schuldgefühle.

Sie werden die Angst nicht los, selbst behindert zu sein oder zu werden.

Das Bewusstsein, die eigene körperliche und geistige Unversehrtheit nicht als lebenslangen Garantieschein mitbekommen zu haben, prägt die Geschwister behinderter Kinder mehr als Gleichaltrige, die ohne ein behindertes Familienmitglied aufwachsen. "Meine Schwester sitzt im Rollstuhl. Das kann mir auch passieren", fürchtet mancher. "Mein Bruder hat das Down- Syndrom. Liegt die Anlage dazu auch in meinen Genen?", sorgt sich eine junge Frau. "Werde ich Kinder haben, die ebenfalls behindert sind?"

Mehr als die Eltern ahnen, nehmen Töchter und Söhne die Ähnlichkeit zwischen sich und dem behinderten Kind wahr. Gesichtszüge und Gestik von nicht behindertem und behindertem Kind gleichen sich oft sehr. Was Kinder aus "normalen" Familien für selbstverständlich nehmen, nämlich die Familienähnlichkeit, kann auf Kinder mit einem behinderten Geschwister bedrohlich wirken.

Sie leben in einer "außergewöhnlichen" Familie.

In bestimmten Phasen ihres Lebens ist Kindern Konformität ungeheuer wichtig. Sie wollen ein Leben nach der Norm. Teenager ziehen nur das an, was alle anderen in der Clique tragen. Sie wünschen sich nichts dringender als die gleichen zerschlissenen Jeans wie ihre Klassenkameraden, die gleichen Rucksäcke, die als Schultaschen herhalten, das gleiche "geile" Montainbike. Sie hassen es, aus der Reihe zu tanzen. Dieses zeitweilige kompromisslose Streben nach Konformität wird durch eine behinderte Schwester, einen behinderten Bruder zunichte gemacht. ("In Restaurants gucken die Leute immer so, weil Veronika in ihrem Rollstuhl ziemlich zappelt", sagt Claus.) Behinderung ist nicht die Norm. Sie macht auffällig. Heranwachsende, die sonst bereitwillig ihr behindertes Geschwisterkind mit zum Spielen genommen haben, versuchen nun, es abzuhängen.

So können Eltern dagegen steuern

Oberstes Gebot: Es sich selbst gut gehen lassen!

Wer sich ständig aufopfert, macht sich selbst fertig und anderen ein schlechtes Gewissen. Mütter und Väter, die sich "selbstlos" in den Dienst der Familie stellen, sind ihr Selbst bald los. Das heißt, sie fühlen sich überfordert und ständig am Rand ihrer Kräfte. Oft sind sie körperlich erschöpft durch die Pflege, das Heben und Tragen des behinderten Kindes. Deshalb brauchen sie unbedingt einen Ausgleich. Um leistungsfähig, beherzt und kompetent zu bleiben, müssen sie ihr Selbst pflegen, ja, geradezu verwöhnen. Sie sollten sich so organisieren, dass sie weiterhin Freunde treffen, Sport machen und Lebensfreude tanken können. Das gelingt nur mit Absprache und unter Einbeziehung aller Hilfen, z.B. Verwandte, Entlastende Dienste, Kurzzeitpflegeplatz, aber der Organisationsaufwand lohnt, denn er kommt der ganzen Familie zugute.

Offene Gespräche führen

Es ist für die Geschwister sehr wichtig, die Wahrheit über das Ausmaß der Behinderung zu erfahren. Vielen Eltern fällt es schwer, mit ihren Töchtern oder Söhnen darüber zu sprechen. Zum Teil wissen sie selbst nicht genau, woher die Behinderung kommt, zum Teil ist ihnen das Thema peinlich. Dennoch muss den nicht behinderten Kindern so früh, so ehrlich, so ausführlich wie möglich erklärt werden, warum ihre Schwester oder ihr Bruder behindert ist.

Sich bewusst den nichtbehinderten Kindern zuwenden

Eltern sollten für sich und ihren nichtbehinderten Sohn oder die nichtbehinderte Tochter einen Freiraum schaffen. Wünschenswert wäre es, sich zwei oder drei Stunden in der Woche mit einem gemeinsamen Hobby zu beschäftigen, eine Radtour, einen Stadtbummel zu machen - eine Zeit, in der das behinderte Kind nicht dabei ist, nicht zuerst gehört und umsorgt wird. Eltern können sich abwechseln. "Jeden Mittwoch bringen wir Peter zur Oma und meine Tochter und ich gehen miteinander ins Kino oder besuchen eine Ausstellung", erzählt eine Mutter. "Mittlerweile ist uns dieser Nachmittag schon richtig heilig."

Das Kind entlasten, aber nicht ausschließen

Manche Eltern wollen ihre Kinder schonen. Sie tun das, indem sie die Probleme der Behinderung von den nichtbehinderten Kindern fernhalten. Dadurch können die Kinder sich ausgeschlossen und übergangen fühlen. Auch in die Zukunftsplanung sollten die heranwachsenden Kinder einbezogen werden. Viele meinen, von ihnen würde erwartet, dass sie ihr behindertes Geschwister zu sich nehmen, wenn die Eltern "mal nicht mehr sind". Diese angenommene, oft aber auch tatsächlich geäußerte Erwartung ist als lebenslängliche Fürsorgepflicht eine allzu schwere Bürde. Eltern sollten sich deshalb schon früh Gedanken machen, welche Wohnform für ihr behindertes Kind in Frage kommt und wo und wann ein Wohnplatz zu finden ist.

Geschwister müssen "aufgeklärt" werden

Eine amerikanische Psychologin vergleicht das Gespräch über die Ursachen der Behinderung mit der sexuellen Aufklärung. Viele Eltern denken: "Wenn das Kind nicht fragt, will es auch gar nichts Genaueres wissen", und beginnen von sich aus das Gespräch nicht. Das ist falsch. Gerade mit kleineren Kindern, die ihre Ängste und ihr Unverständnis nicht verbalisieren können, muss öfter und altersgemäß über die Behinderung gesprochen werden. (Francis K. Grossman: Brothers and Sisters of Retarded Children, Syracuse 1972

Guten Kontakt zu den LehrerInnen der nicht behinderten Kinder halten

Es kann nützlich sein, wenn im Unterricht über Behinderungen gesprochen wird. Die Klassenkameraden des nicht behinderten Kindes sagen - hoffentlich - nicht mehr "Depp", "Doofi" oder "Spasti" zu einem behinderten Jungen, wenn sie mehr über die Entstehung von Behinderungen und den Umgang mit Behinderten erfahren haben. Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern die Lehrerin oder den Lehrer auf das behinderte Kind in der Familie hinweisen und die Lehrkräfte das zum Unterrichtsthema machen. Dabei kann das Geschwisterkind von seinen eigenen Erfahrungen erzählen. Das fördert das Verständnis nicht nur für Behinderte allgemein, sondern eben auch für die Familie und in diesem Fall besonders für das Geschwisterkind.

Das Kind ermutigen, eine Vertrauensperson zu finden

Viele Kinder mögen eine Freundin, eine Lehrerin, einen Verwandten vielleicht besonders gern. Sie bereden große und kleine Probleme mit ihnen. Eltern sollten da nicht gekränkt reagieren, sondern solche vertrauensvollen Freundschaften fördern und sich freuen, dass ihr Kind noch jemanden zusätzlich hat. Oft übrigens für unterschiedliche Bereiche. Mit Tante Margret spricht Marc am liebsten übers Malen. Bei Onkel Herbert holt er sich Rat, wenn er Streit mit seinem Vater hat.

Psychotherapeutischer Hilfe in Anspruch nehmen

In manchen Situationen können Familien einfach keinen Ausweg sehen. Dann brauchen sie professionelle Hilfe, z. B. durch PsychotherapeutInnen, die von Erziehungsberatungsstellen vermittelt werden. Solche Situaitonen können auftreten, wenn Kinder Ängste haben, weil sie miterleben mussten, wie ihr Geschwister mit Krampfanfällen mehrmals nachts in die Klinik eingewiesen werden musste, weil sie selbst Todesängste ausstehen. Oder wenn es bei Heranwachsenden Anzeichen gestörten Essverhaltens gibt.

Wie Geschwister auf besondere Belastungen in der Familie reagieren

Die Eltern trennen sich

Ein behindertes Kind zu haben ist der ultimative Härtetest für eine Partnerschaft. Viele Ehen zerbrechen daran. Die Kinder erleben den Streit oft jahrelang hautnah mit und sind trotzdem schockiert, wenn die Trennung ansteht. Wie andere Scheidungswaisen auch, so rücken die Geschwister behinderter Kinder in dieser bedrohlichen, lebensverändernden Situation näher zusammen. Sie haben allerdings meist noch stärkere Schuldgefühle und sind überzeugt, der eigentliche Grund für das elterliche Zerwürfnis zu sein. Die behinderte Schwester oder der behinderte Bruder ist in ihren Augen eher Opfer und nicht Auslöser der Trennung. Viele Geschwister bilden dann eine Allianz, die bis ins hohe Alter reicht. Sie übernehmen füreinander Verantwortung, die allerdings auch zu lebenslanger Bevormundung führen kann.

Das behinderte Kind stirbt

Kinder trauern anders. Ihr Schmerz ist manchmal für Erwachsene gar nicht wahrnehmbar und ihre Reaktion unverständlich. So klagen Eltern z.B. darüber, dass ihr Sohn einen Tag nach dem Begräbnis seines Bruders in die Disco geht. Sie können nicht sehen, wie er auf diese Art versucht, mit seinem Leid fertig zu werden.

Außenstehende meinen oft insgeheim, der Tod eines behinderten Kindes sei doch eine Befreiung für die Familie. Das stimmt nicht. Gerade ein behindertes Kind ist häufig der zärtlich geliebte Mittelpunkt und sein Tod hinterlässt große Leere.

Geschwister haben es zudem doppelt schwer: Sie verlieren außer ihrem Bruder oder ihrer Schwester häufig auch die Eltern, die sie kennen und lieben, denn Mutter und Vater verändern sich in ihrer Trauer. Sie sind nicht mehr die alten. Waren sie früher zupackend und fröhlich, so sind sie jetzt vielleicht mutlos und verbittert. Hinzu kommt, dass Geschwister als Leidtragende weniger wahrgenommen werden. Die Mutter bekommt von Verwandten, Freunden und Nachbarn tröstende Worte, der Vater auch, aber an die Kinder denken nur wenige. Sie gehen nach einigen Tagen wieder in die Schule, als sei nichts gewesen. Und selbst ihre Schul-und Spielkameraden vermeiden das Thema. Wie sehr Kinder unter dem Tod eines Geschwisters leiden, lässt sich erspüren, wenn man in die offenen chats von www.leben-ohne-dich.deschaut oder sich auf www.verwaiste-eltern.de

informiert.

Die Trauer eines Kindes kann sich so äußern:

Es zweifelt an seiner Existenzberechtigung. Weil es erlebt, wie intensiv die Eltern trauern, vermutet es, Mutter und Vater wäre es lieber gewesen, wenn es anstelle des Geschwisters gestorben wäre.

Es übt starke Selbstkontrolle. Um die Eltern nicht an ihren Schmerz zu erinnern und sie erneut zum Weinen zu bringen, zeigen sich das Kind gefasst und ruhig, obwohl es verängstigt und trostbedürftig ist.

Es will das tote Geschwister ersetzen. Es kleidet sich wie der/die Verstorbene, übernimmt dessen Vorlieben und Hobbys.

Es fürchtet sich. Vor dem Tod der Eltern, Verwandten, Freunde, aber auch vor dem eigenen, denn es hat erfahren, dass nicht nur "ganz alte" Leute sterben.

Es wird aggressiv. Um von den trauernden Eltern wieder wahrgenommen zu werden, benimmt sich das Kind aufsässig.

Es regrediert. Ein kleines Kind nässt vielleicht wieder ein, will stets auf den Arm. Auch ältere Kinder suchen verstärkt Nestwärme. Heranwachsende, die auf dem Sprung in ein eigenes Leben waren, binden sich nun wieder fester an das Elternhaus.

Zusammenfassung

Familien sind hochkomplexe Systeme. Der Einfluss, den Geschwister aufeinander haben, wurde lange unterschätzt. Und erst als die Geschwisterforschung mehr Interesse fand, fingen Wissenschaftler an, sich speziell mit der Situation der Geschwister behinderter, später auch chronisch kranker, Kinder zu beschäftigen. Noch gibt es wenige, wirklich gute Untersuchungen und manche davon widersprechen sich in einigen Aussagen. Denn nicht nur müssen Tatbestände wie Anzahl der Geschwister, ihr Geschlecht, ihr Altersabstand in Betracht gezogen werden, sondern auch weniger fassbare Faktoren wie Persönlichkeit und Ehezufriedenheit der Eltern, ethnische Hintergründe, Schicht- und Religionszugehörigkeit, Einstellung zur Behinderung, Schwere der Behinderung.

Dennoch gibt es deutlich wahrnehmbare Verhaltensmuster in Familien mit einem behinderten Familienmitglied. Die aufzuzeigen und zu erklären, kann für das Selbstverständnis von Eltern und Kindern hilfreich sein.

Literatur

ACHILLES, ILSE: ...und um mich kümmert sich keiner. Die Situation der Geschwister behinderter und chronisch kranker Kinder. Ernst Reinhardt Verlag, 4. Auflage, München 2005.

GRÜNZINGER, EBERHARD: Geschwister behinderter Kinder. Besonderheiten, Risiken und Chancen. Care-Line Verlag, München-Neuried, 2003

HACKENBERG, WALTRAUD: Die psychosoziale Situation von Geschwistern behinderter Kinder. Edition Schindele, Heidelberg 1987.

HACKENBERG, WALTRAUD: Geschwister behinderter Kinder im Jugendalter - Probleme und Verarbeitungsformen. Edition Marhold, Berlin 1992.

KASTEN, HARTMUT: Geschwister. Vorbilder, Rivalen, Vertraute. Ernst Reinhardt Verlag, 4. Auflage, München 2001

KLAGSBRUN, FRANCINE: Der Geschwisterkomplex. Ein Leben lang Liebe, Haß, Rivalität und Versöhnung. Eichborn, Frankfurt 1992.

SEIFERT, MONIKA: Geschwister in Familien mit geistig behinderten Kindern. Klinkhardt. Bad Heilbronn 1989.

WAGATHA, PETRA: Partnerschaft und frühkindliche Behinderung. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2006.

WEINBERGER, SABINE: Kindern spielend helfen. Beltz, Weinheim und Basel, 2001.

WIESE, ANJA: Um Kinder trauern. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2002.

WINKELHEIDE, MARLIES UND KNEES, CHARLOTTE: ...doch Geschwister sein dagegen sehr. Schicksal und Chancen der Geschwister behinderter Menschen, Königsfurt, Krummwisch 2003.

Die Autorin

Die Autorin

Ilse Achilles

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Mobil: 0173-350 3787

iachil@aol.com

Quelle:

Ilse Achilles: Die Situation der Geschwister behinderter Kinder

Erschienen in: Behinderte Menschen, Zeitschrift für gemeinsames Leben, Lernen und Arbeiten, Nr. 1/2007, Thema: Eltern behinderter Kinder, S. 66-77

bidok - Volltextbibliothek. Erstveröffentlichung im Internet

Stand: 2.12.2010

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