Therapie - Versuch einer persönlichen Bilanz

Autor:in - Monika Aly
Themenbereiche: Therapie
Textsorte: Artikel
Copyright: © Monika Aly 1997

Therapie - Versuch einer persönlichen Bilanz

Vor gut 20 Jahren begann ich, als engagierte und aktive Krankengymnastin in einem Spastikerzentrum zu arbeiten. Ich war sehr interessiert, verschiedene Methoden - wie beispielsweise Bobath, auch ein wenig Vojta - zu lernen, um gute Behandlungen mit spastisch gelähmten Kindern durchführen zu können. Mein Blick war auf den Defekt gerichtet, die Defizite des Kindes - jede Besserung meiner kleinen Patienten erschien mir als Erfolg meiner Behandlung.

Die Eltern glaubten mehr an meine therapeutischen Fertigkeiten als an die Eigenentwicklung ihres Kindes. Die Motorik des kleinen Säuglings stand für mich fast ausschließlich im Vordergrund, so daß ich jeden motorischen Fortschritt gleichzeitig als ganz allgemeinen Fortschritt des Kindes ansah.

Lehrzeit in Florenz

Erst allmählich begann ich, mir Gedanken über das Leben der Kinder jenseits des Therapieraumes zu machen. Ich wußte, daß man in Italien Erfahrung mit der Integration behinderter Kinder hatte. In Deutschland gab es solche Erfahrungen praktisch nicht. Deshalb entschied ich mich 1978, für ein Jahr bei Adriano Milani Comparetti (1923-1986) und Anna Gidoni in Florenz zu arbeiten.

Zunächst war ich sehr stolz, eine "tüchtige" Bobath-Krankengymnastin zu sein, und ich war sicher, daß ich in dieser Institution in Florenz gute Möglichkeiten haben würde, meine Therapietechniken mit Kindern zu perfektionieren.

Anfangs bemerkte ich kaum, daß meine therapeutische Herangehensweise ganz unterschiedlich zu der der dortigen Kolleginnen war, die in der Regel nicht Hand anlegten, nicht korrigierend eingegriffen, auch kaum etwas verbesserten. Ich glaubte zunächst, das sei auf einen Mangel an "Bobath-Wissen" und Behandlungserfahrung mit cerebral geschädigten Kindern zurückzuführen. Ganz langsam bemerkte ich jedoch, daß die Einstellung zum Kind, zu seiner Behinderung, eine ganz andere war als in Deutschland. Ich wurde zunehmend unsicherer, wie ich die spastischen Kinder zu behandeln hatte. Sollte ich weiter meine gewohnten und bewährten Bobath-Handhabungen anwenden oder den Eltern lediglich zeigen, wie sie bestimmte Bewegungen und Positionen ihrem Kind beibringen könnten? Aber auch das schien nicht so recht ins Florentiner Konzept zu passen; so verlegte ich mich schließlich - eher unsicher als überzeugt - auf einige "Handling"-Vorschläge, um den Eltern so die Bewältigung des Alltags zu erleichtern.

Die willige Mitarbeit des Kindes erschien mir damals noch als Zeichen meines Erfolges. Ich fühlte mich kompetent, wenn ich den Körper des Kindes mit meinen an den entsprechenden Schlüsselpunkten postierten Händen und Fingern, kontrollieren konnte. Ich war gewöhnt, als Therapeutin aktiv zu sein, meist viel aktiver als das Kind selbst. Es fiel mir extrem schwer, diese Gewohnheit aufzugeben.

Unter solchen Voraussetzung entstand in Florenz eine Phase der Unsicherheit, während der ich begann mehr zu beobachten, wie sich auch ein behindertes Kind eigenständig bewegt ohne meine eingreifenden oder korrigierenden Hände. Ich bemerkte, daß es mir sehr schwer fiel, über die "falschen Bewegungsmuster" hinaus, andere, etwa kognitive Qualitäten der Entwicklung zu entdecken, die bei jedem "gesunden" Kind selbstverständlich wahrgenommen werden. Ich war beeindruckt von Milanis Untersuchungen. Er war in der Lage aufgrund reiner Beobachtung, fast ohne klassische Reflexprüfung, die Fähigkeiten, auch die versteckten, eines Kindes zu erkennen und auf dieser Grundlage sehr präzise über die Prognosen für das Kind zu sprechen. Es war ihm nicht so wichtig, die Diagnose zu nennen, es war ihm wichtig, die Ressourcen und Potenzen des Kindes im Hinblick auf dessen Zukunft zu beschreiben. So vermittelte er den Eltern eine Vorstellung davon, was ihr Kind einmal erreichen könnte. Jedes Kind, sagte Milani, auch das behinderte Kind hat seine eigene Normalität. Eben diese individuelle Norm wollte er herausfinden und stärken - er wollte die Kinder nicht auf eine abstrakte Norm der Gesunden hintherapieren, da er ein solches Ziel aus guten neurophysiologischen Gründen für illusionär und daher verfehlt hielt.

So allgemein formuliert begriff ich das damals schnell. Aber als mir Milani eines Tages sagte, die beste Krankengymnastin sei die "Terapista senza mani", wollte ich diesen Wink zunächst nicht verstehen. Ich war verärgert: Was konnte ich ohne Hände tun? Ich empfand das als Infragestellung nicht nur meiner Professionalität, sondern auch meiner Person. Erst langsam wurde mir klar, daß in Florenz einerseits die soziale Integration behinderter Kinder zu einem ganz anderen therapeutischen Selbstverständnis führte, andererseits aber auch die klare Sicht neurophysiologischer Tatsachen, dem meist unbegründeten therapeutischen Optimismus entgegenstand.

Nach meiner Lehrzeit in Florenz wußte ich genauer, was ich als Therapeutin nicht mehr tun würde. Ich wußte deshalb noch nicht, wie meine künftige Berufspraxis nun aussehen sollten. Übungen, wie zum Beispiel das Stützen über eine Rolle oder das Trainieren des Gleichgewichts auf einem großen Ball, erschienen mir mehr und mehr künstlich, weil sie nicht mit den momentanen Interessen des Kindes und seinem Alltag in Zusammenhang stehen. Künstlich auch deshalb, weil sie als Programm zu Hause von den Eltern durchgeführt, immer eine willentliche Unterbrechung, ein "Müssen" sind, und weil das Kind diese Übungen auch nicht selbständig weiter ausprobieren und schließlich nutzen kann.

Auf der Suche nach verbindenden Konzepten

Ich merkte zunehmend, daß ich wenig Vorstellungen von den feinen Abläufen der physiologischen Entwicklung eines Säuglings und Kindes hatte und noch weniger davon, unter welchen Bedingungen, eine eigenständige Entwicklung ermöglicht wird. Eine Antwort Emmi Pikler (1902-1984). Sie war Kinderärztin in Budapest und hat sich ein halbes Jahrhundert lang mit der physiologischen Bewegungsentwicklung von Kindern befaßt. Ihre Grundthese lautet: Respekt vor der Eigeninitiative eines Kindes, Respekt vor seinem Rhythmus und seiner selbständigen Entwicklung. Sie erforschte die pädagogischen Bedingungen, die ein kleines Kind braucht, um selbständige Bewegungs- und Spielaktivitäten zu entfalten.

Bei meinen Aufenthalten im Lóczy - dem von Emmi Pikler gegründeten Säuglingsheim in Budapest, das heute von Judith Falk und Anna Tardos geleitet wird - betonte sie stets, daß sie selbst nie mit behinderten Kindern gearbeitet habe. Doch zeigte sich bald, daß hier unter ganz anderen Bedingungen auch praktiziert wurde, was auch Milani gemeint hatte, als er davon sprach, "die Normalität des Kindes vermehren" zu wollen.

Ich bemerkte bei meinem ersten Besuch im Lóczy, daß der Respekt vor der Kompetenz des Kindes nicht einfach eine Frage der Einstellung ist. Ich erlebte einen ganz konkreten, auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes abgestimmten Alltag. Die dort sehr sorgfältig durchdachte Pflege, Raumgestaltung und Spielangebote gaben mir die Idee, daß Vieles davon ebenso gut auf die Pflege behinderter Kinder übertragbar ist. Ich lernte von Emmi Pikler die vielen kleinen Einzelheiten der normalen Bewegungsentwicklung zu beobachten: Wie zum Beispiel ein Säugling seinen nächsten Entwicklungsschritt vorbereitet, wie lange er viele Variationen ausprobiert, bevor er eine neue Position für sein Spiel benutzt. Es war für mich völlig neu, wie lange und ausgiebig ein Kind, wenn es nicht zum nächsten Schritt gedrängt wird, seine erreichten Entwicklungsstufen pflegt, um sicher genug zu sein, etwas Neues auszuprobieren; welche Bedeutung Übergangspositionen, wie zum Beispiel die Seitlage, für das Experimentieren mit dem Gleichgewicht hat. Das heißt auch, daß der Säugling nicht in Positionen gebracht werden darf, bevor er nicht sicher genug ist, sie selbständig aufzusuchen. Wie viel mehr Zeit braucht dafür garade ein behindertes Kind, um dabei für sich eigene Verantwortung zu übernehmen, sicherlich im Rahmen seiner Möglichkeiten. Fördernde Interventionen können diese selbständige Bewegungsentwicklung stören. Sie können das Kind - gerade auch das behinderte Kind - aus seinem Rhythmus bringen, es verunsichern, vor allem aber die Abhängigkeit vom Erwachsenen fördern.

Gemeinsamkeiten zwischen Milani und Pikler

Ich war sehr beeindruckt, als Emmi Pikler 1982 bei mir in Berlin während einer Behandlung hospitierte, mit welcher Genauigkeit sie die auch noch so kleinen Bewegungs- oder Spielinitiativen beobachten und beschreiben konnte - obwohl sie immer wieder beteuerte, von der Behinderung nichts zu wissen. Sie machte mich während der Behandlung immer auf das Zuviel meines Tuns und auf meine nicht ganz auf dieses Kind abgestimmten Spielangebote aufmerksam ( obwohl ich glaubte, wenig zu tun, zumal während ihrer Anwesenheit).

Über lange Zeit schwankte ich zwischen der Betonung des "Normalen" und des "Therapeutischen": Bei welchem Kind reicht die beobachtende Begleitung aus, und bei welchem Kind muß ich aufgrund seiner Behinderung mehr tun? Wann ist die therapeutische Intervention zuviel und wann wird aus dem Verzicht ein zu wenig? Als Krankengymnastin suchte ich nach der kombinierten und individuell abgestuften Anwendbarkeit, jener Theorien, die Milani einerseits für behinderte Kinder und Pikler andererseits für gesunde entwickelt hatten. Doch erwies sich der angebliche Gegensatz zwischen gesund und krank als unfruchtbar.

Milani und Gidoni erforschten die Bewegungsentwicklung des Foeten. Sie entdeckten dessen Kompetenz, sich zu bewegen und auch zur Ruhe zu kommen. Sie entdeckten funktionelle Zusammenhänge von Pattern, bereits lange vor der Geburt. Sie fanden heraus, daß diese Bewegungen, mit denen der Foetus lange experimentiert, das Ziel haben, aktiv an der Geburt teilnehmen zu können und auch für das Überleben außerhalb des Uterus zu sorgen. Daraus schlossen sie, daß es sich dabei nicht etwa um gewissermaßen unreife "frühkindliche Reflexe" handelt, sondern um frühe - und zwar sehr funktionale - Entwicklungsstufen der menschlichen Motorik. Daß das Neugeborene für Milani und Gidoni über eine ihm eigene Bewegungskompetenz verfügt, brauche ich nicht eigens zu betonen, wohl aber, daß beide Neuropädiater auch dem im Höchstmaß gefährdeten Frühgeborenen eine ebensolche Kompetenz zuschreiben.

Emmi Pikler beschäftigte sich mit der fetalen Entwicklung überhaupt nicht, auch nicht mit der Frage, wie aktiv ein Kind an seiner Geburt teilnimmt. Ihr Respekt galt aber genauso der Kompentenz des Neugeborenen. Ihre Forschungen beschäftigten sich mit den Bedingungen, die die Zunahme an Kompetenz unterstützen. Pikler und Milani/Gidoni verzichteten auf direkte Interventionen, sie nahmen mehr Einfluß auf die äußeren Bedingungen, die die Entwicklung des Kindes unterstützen. Beide schenkten dem ersten "Schritt", also der ersten Kontaktaufnahme des Kindes mit seiner Umwelt, große Aufmerksamkeit. Milani verglich diesen Kontakt mit einer offenen Spirale: Das Kind macht einen Vorschlag, der Erwachsene einen Gegenvorschlag, dadurch entsteht ein Dialog. Zwischen Vorschlag und Gegenvorschlag gibt es eine "kreative Differenz", die auch Geheimnisse in sich birgt. In einem solchen Dialog kommen beide Partner nie mehr zum Ausgangspunkt zurück, sondern entwickeln gemeinsam etwas Neues. Im Gegensatz dazu steht der geschlossene Reiz-Antwort-Kreis, bei dem Therapeut und Kind - orientiert am Defekt - immer in gleicher Ebene bleiben. Im Dialogs wird der Vorschlag des Kindes respektiert, die Antwort des Erwachsenen bewegt sich so genau auf der Ebene des Kindes, das daraus neue Fragen entwickelt, der Erwachsene ebenso. Daraus entsteht ein Dialog, der sich durch die persönliche Kompetenz des Kindes, auch unabhängig von seiner Behinderung, immer weiter entwickelt

Zum Beispiel Nora

Nora ist ein cerebral geschädigtes Kind. In ihrer extrem langsamen Entwicklung probiert sie jeden Entwicklungsschritt vielfach länger und gründlicher aus als die meisten anderen Kinder. Sie braucht dabei überhaupt keine Hilfe, nur viel Ruhe, besonderes sie interessierendes Spielzeug und die Sicherheit des Bodens. Es war von Anfang an sicher, daß sie irgendwann auf die Füße kommen würde. Sie brauchte lange, um ein eigenes Bewegungskonzept zu entwickeln. Sie verweilte etwa eineinhalb Jahre in Rückenlage, ohne sich für das Drehen zu interessieren. Sie ließ sich überhaupt nicht beirren, sie probierte einen Entwicklungsschritt so lange, bis sie sich sicher genug fühlte, um den nächsten zu wagen. Jede Andeutung von Hilfe ließ und läßt sie bis heute starr werden.

Ihre Auseinandersetzung mit dem Gleichgewicht war so vorsichtig, daß man es fast nicht bemerken konnte, genug aber für sie. Sie kam auf ihren Wegen und Umwegen auf die Füße. Manchmal war ich versucht, sie zu korrigieren. Jede Berührung in Richtung möglicher Veränderung verunsicherte sie so stark, daß sie wieder zu Boden ging und alles von Neuem probierte. Anfängliche, für unsere krankengymnastischen Augen kaum akzeptablen Fehlstellungen von Füßen und Knien, regulierten sich weitgehend von selbst in dem Maße wie Nora sicherer wurde.

Fast nie blickt sie suchend nach Hilfe; sie ist mit ihren spastischen Bewegungen vollkommen selbständig. Sie weiß, was sie sich zutrauen kann, und was sie überfordert. Die Therapiestunden bestehen darin, für sie den Raum entsprechend ihrem Bewegungsvermögen und ihren kognitiven Interessen vorzubereiten. Die Anforderungen dürfen nicht so schwierig sein, sie zu demotivieren, sie dürfen sie aber auch nicht unterfordern und damit langweilen. Am wichtigsten ist es, sie bei ihren immer mutiger werdenden Bewegungsexkursionen zu begleiten und sie weiter zu ermutigen. Meine Hände sind hinter oder neben ihr als Sicherheit, korrigieren aber nicht.

Tägliche Arbeit im Ambulatorium

1980 haben einige Kolleginnen und ich das erste Ambulatorium in Berlin gegründet - als Stelle für medizinische, therapeutische und psychologische Beratung behinderter Kinder und ihre Eltern. Seit 1991 haben wir, dann schon unter dem Namen "Pikler-Gesellschaft", ein weiteres Ambulatorium eröffnet mit 16 interdisziplinär arbeitenden Mitarbeitern, die sich aus Krankengymn. Psychologen, Ärzten, Logopäden, Beschäftigungstherapeuten, Pädagogen u.a. zusammensetzen. Unsere Aufgaben bestehen zum einen in der Durchführung von Untersuchungen, Beratung und Begleitung für Eltern behinderter Kinder, wenn nötig auch Therapieangeboten für entwicklungsverzögerte oder behinderte Kinder. Zum anderen sind wir zur Zeit in etwa 45 Kindertagesstätten tätig, die behinderte Kinder integriert haben. Seit 1989 gibt es in Berlin ein Gesetz, das die Integration behinderter Kinder in Regelkindergärten ermöglicht. Für die therapeutische Beratung und Betreuung sind wir und weitere ambulante Kinder- und Jugendambulanzen, die nach unserem Vorbild in den letzten Jahren entstanden sind, zuständig.

Therapeutische Angebote finden in von uns zusammengestellten "gemischten" Kleingruppen statt - nur in Ausnahmefällen in Einzelangeboten. Zusätzlich versuchen wir zusammen mit den Erziehern die Umgebung dem behinderte Kind so einfach und umgänglich wie möglich zu gestalten, mit dem Ziel einer größtmöglichen Selbständigkeit.

Dieses am Alltag des Kindes orientierte therapeutische Konzept, das auch erforderliche Einzeltherapien in der Ambulanz miteinschließt, stellt das "So-sein" des Kindes in den Mittelpunkt. Als ich 1979 Milani fragte, wie lange es wohl in Deutschland mit der Durchsetzung der Integration behinderter Kinder dauern würde, sagte er, mindestens zehn Jahre. Ich war schockiert und meinte, das würden wir schneller schaffen. Es dauerte bis zu unserer Berliner Gesetzesgrundlage tatsächlich genau zehn Jahre - heute erscheint mir das sehr schnell. Viel langsamer geht dagegen das Umdenken in der Therapie vor sich. Der Glaube an die "Wiederherstellung" wird durch alte und auch neue Methoden und Techniken immer weiter genährt.

Schlußfolgerung

Frühbehandlung heißt für mich heute nicht mehr frühzeitige Intervention. Frühbehandlung heißt, durch Beobachtung die Entwicklungskompetenz des Säuglings kennenzulernen und auf äußere Bedingungen Einfluß zu nehmen. Das heißt auch, den Eltern beratend zur Seite zu stehen und helfend zu ordnen - Milani bezeichnete dies als Management-Aufgabe. Es geht dabei nicht um besonders frühe manuelle Intervention, die stets mit der Behauptung vom sonst "verpaßten Zeitpunkt" gerechtfertigt wird. Verpassen können sich in dieser frühen Lebensphase viel eher das Kind selbst und seine Eltern. Schließlich geht es darum, mit dem Kind einen gemeinsamen Alltag zu leben. Der Weg dahin ist lang und darf nicht dadurch behindert werden, daß Eltern zu Kotherapeuten gemacht werden. Sie brauchen Zeit, viel Zeit, sich diesem Kind anzunähern und es auch annehmen zu können, so wie es ist.

Wir wissen alle, daß gewisse Schäden nicht heilbar sind. Wir können aber auf die Persönlichkeitsentwicklung des behinderten Kindes Einfluß nehmen, indem wir versuchen, seine Umwelt anzupassen. So hat das Kind Gelegenheit, nicht nur in den einzelnen Therapiestunden, sondern viel öfter seine Fähigkeiten zu erproben und zu vermehren. Das Kind lernt durch schwierige, (ihm angemessene) Aufgaben und durch die wachsende Komplexität des Lebens, sein Spektrum von Lösungen auf seine Weise zu erweitern. Es lernt so bewußter die Grenzen und Möglichkeiten seiner Behinderung kennen, um damit selbständig(er) zu leben.

Literatur:

Aly, M.:Manipulative Frühtherapie als Störung gesunder und kranker Kinder, in: Krankengymnastik, Heft 1, 1985 Jg.37.

Aly,M., Aly,G., Tumler,M.: Kopfkorrektur. Ein behindertes Kind zwischen Alltag und Therapie, Rotbuchverlag Berlin-Hamburg 1981/1991.

Aly,M.: Neues Selbstverständnis der Physiotherapie bei Kindern mit Bewegungsstörungen wie am Beispiel Kindern mit MMC.In: A.v.Moers, T.Michael, A. Strehl (Hrsg): Spina Bifida, Walter de Gruyter & Co (im Druck).

Ferrari,A., Cioni, B.: Infantile Zerebralparese. Klinisches Bild und physiotherapeutische Behandlungen, Springer Verlag Heidelberg (Übersetzung in Arbeit).

Milani Comparetti, A.: Von der Behandlung der Krankheit zur Sorge um Gesundheit ... Paritätisches Bildungswerk, Bundesverband e.V., Frankfurt 1986.

Pikler, E.: Laß mir Zeit. Die selbständige Bewegungsentwicklung des Kindes bis zum freien Gehen, Richard Pflaum Verlag München 1988.

Pikler,E.: Friedliche Babys - zufriedene Mütter. Herder Verlag Freiburg i.Br. 1982.

Pikler,E.: Miteinander vertraut werden. Arbor Verlag Freiamt 1994.

Kálló,E., Balog, G.: Von den Anfängen des freien Spiels. Pikler Gesellschaft (Grunewaldstr. 82, 1O823 Berlin) 1996.

Quelle:

Monika Aly: Therapie - Versuch einer persönlichen Bilanz

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 17.03.2005

zum Textanfang | zum Seitenanfang | zur Navigation