Integration im Vorschulbereich

Autor:in - Sabine Abram
Themenbereiche: Vorschulischer Bereich
Textsorte: Artikel
Releaseinfo: Erschienen in: TAFIE (Hrsg.): Pädagogik und Therapie ohne Aussonderung 5.Gesamtösterreichisches Symposium 1989, S. 101 - 102
Copyright: © Sabine Abram 1989

Inhaltsverzeichnis

Integration im Vorschulbereich

Ich möchte den Begriff Vorschulbereich so weit fassen, daß die Zeit von der Geburt (inbegriffen Schwangerschaft) bis zur Einschulung darunter verstanden wird, weil wir einen wichtigen Teil weglassen würden, wenn wir uns nur mit dem Kindergarten beschäftigten.

In dieser Zeit, also von der Geburt bis zur Einschulung, werden nämlich wichtige Weichen für die Integration oder besser gesagt, für die Nichtaussonderung gestellt. Natürlich schaut diese Zeit für jedes Kind individuell verschieden aus, aber es gibt doch einige Problembereiche, die alle gemeinsam betreffen. So gilt für jene behinderten Kinder, deren Handicap schon bei der Geburt oder im 1. Lebensjahr sichtbar wird, daß die Kleinkinderzeit meist im Banne medizinischer Untersuchungen, Abklärungen und Eingriffe steht, welche meist nicht von speziell mit Behinderung befaßten Fachleuten, sondern von Pädiatern und Kinderchirurgen oder anderen Fachärzten durchgeführt werden.

Aus diesem Grund erscheint es wesentlich, daß die normalen medizinischen Strukturen genügend aufgeklärt und vorbereitet sind, mit Behinderung umzugehen. Darin liegt nämlich die erste wichtige Voraussetzung für die Integration, daß Hebammen, Krankenschwestern, Gynäkologen und Kinderärzte den Eltern und ihrem behinderten Kind hilfreich begegnen. Wir suchen deshalb als Rehabilitationsdienst den Kontakt zu den angeführten Berufsgruppen und versuchen, gemeinsam mit ihnen Bedingungen zu schaffen, die das Kind und seine Familie vor der Aussonderung bewahren. Das bedeutet beispielsweise, daß das Kind im Krankenhaus rund um die Uhr von einer familiären Bezugsperson oder von mehreren abwechselnd betreut werden darf. Diese Regelung gilt für alle Kinder, kommt aber gerade jenen Kindern zugute, deren Behinderung medizinische Eingriffe und längere Krankenhausaufenthalte mit sich bringt. Ferner ist es wichtig, daß die Fachärzte das Kind nicht sektoriell behandeln, sondern im Team mit dem Rehabilitationsarzt und dem Therapeuten. Letzterer wird meist zur wichtigen Bezugsperson für die Familie, eine Aufgabe, auf die er vorbereitet sein sollte. Der Therapeut sollte auch den Eltern helfen, Kontakte zu ähnlich Betroffenen zu knüpfen.

In den ersten Jahren nach der Geburt eines behinderten Kindes sind die Eltern meist noch nicht so weit, daß sie einer Selbsthilfegruppe beitreten, weil sie sich mit ihrer Rolle als Eltern eines behinderten Kindes noch nicht identifizieren. Sie haben jedoch Interesse, jemanden kennenzulernen, dessen Kind ein ähnliches Problem hat. Auch mit dem Psychologen nehmen die Eltern in den ersten Jahren nicht unbedingt gerne Kontakt auf. Deshalb ist es wichtig, daß auch die übrigen Fachleute etwas von Psychologie verstehen. Der Psychologe tritt bei uns meist erst dann auf den Plan, wenn das Kind ins Kindergartenalter kommt.

In einem Projektversuch in Bozen ist es in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit der Physiotherapeutin gelungen, mit Müttern und Kindern über den Weg der Gruppenarbeit schon früher in Kontakt zu treten. Dadurch konnte die Eingliederung in den Kindergarten besser vorbereitet werden und im Vergleich zu anderen Kindern früher erfolgen. Durch das Gruppenerlebnis konnten sich einerseits die Mütter gegenseitig mehr Mut machen, andererseits konnten die Kinder erste Gruppenerfahrungen vorweisen.

In der Diskussion werden Informationen über das Kindergartenwesen in Südtirol gegeben. Die Gruppenhöchstzahl liegt bei 26 Kindern, jede Gruppe hat eine Kindergärtnerin und eine Helferin. Der Kindergarten geht von 8-15 Uhr, kann aber auch nur halbtags besucht werden. Beinahe jedes Dorf hat einen eigenen Kindergarten, wobei die Gruppen auch viel kleiner sein können. Die meisten behinderten Kinder sind integriert, einige wenige Kinder, darunter die gehörlosen, besuchen eine Sondergruppe. Bei der Integration gibt es drei Formen, je nach den örtlichen Gegebenheiten und unter dem Einsatz der betroffenen Eltern wird eine davon verwirklicht:

  • Wenn die Behinderung nicht zu schwer ist und die normale Gruppe nicht zu groß (bis zu 20 Kinder), findet sich meist eine Kindergärtnerin vor Ort, die bereit ist, das Kind in ihre Gruppe aufzunehmen. Sie wird dabei von den zuständigen Psychologen und Therapeuten in Zusammenarbeit mit den Eltern des Kindes regelmäßig beraten.

  • Wenn das Kind einer intensiven Pflege und Förderung bedarf, kommt es in die nächstgelegene sogenannte "integrierte Gruppe", welche in der Regel 12 nichtbehinderte und 3-4 behinderte Kinder, 1 Kindergärtnerin und 2 Helferinnen umfaßt.

  • Ein schwerbehindertes Kind kann aber auch eine Behindertenbetreuerin bekommen und mit Hilfe dieser ausgebildeten Kraft in den Kindergarten seines Wohnviertels bzw. Dorfes integriert werden. Da diese Lösung mit einem Personalverhältnis von 1:1 die aufwendigste ist, muß sie von den Eltern zur Zeit noch erkämpft werden. Dennoch gibt es schon mehrere solcherart integrierte Kinder im ganzen Land verstreut.

Quelle:

Sabine Abram: Integration im Vorschulbereich

Erschienen In: TAFIE (Hrsg.): Pädagogik und Therapie ohne Aussonderung.

5. Gesamtösterreichisches Symposium, S. 101 - 102

Autoreneigenverlag TAK, Innsbruck 1990

bidok - Volltextbibliothek: Wiederveröffentlichung im Internet

Stand: 05.04.2005

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